Festtagstracht eines Bauernmädchens aus Schlesien.
BAUERNMÄDCHEN AUS NEULAND BEI NEISSE, SCHLESIEN.
Von PAUL SEMBTNER.
So übereinstimnmend die Volkstrachten der schlesischen Bäuerinnen im Allgemeinen auch erscheinen, so gibt es für die einzelnen Kreise doch feste charakteristische Unterschiede. Dieselben liegen meist darin, dass die Kopfbedeckung verschiedenfarbig besetzt und arrangiert wird.
Das Original des vorliegenden Bildes gehört Oberschlesien an, und zwar speziell dem eine Viertelstunde von der alten Festung Neisse entfernten Dorf Neuland, dessen Bewohner durchweg Gemüsebau betreiben.
Es ist Sonntag, und unsere Bäuerin hat grossen Staat angelegt. Der reich gefaltete Rock besteht aus dunkelblau und schwarz kariertem wollenen Stoff, der öfters auch dunkelviolett kariertem Stoff Platz macht und gerade kurz genug ist, um die Füsse mit Schuhen aus schwarzem Leder oder buntem Stoff und, wenn letzterer ausgeschnitten, auch die weissen, wollenen Strümpfe sichtbar werden zu lassen.
Eine meterweite, glatt anliegende Schürze aus einfarbigem grünen Tibet, unten mit schwarzem Samt besetzt, hinten mit schmaler kurzer Bandschleife von gleicher Farbe versehen , deckt die Vorderseite des Rockes bis nahe zum unteren Rand; doch werden auch leinene oder helle Kattunschürzen getragen.
Als drittes Hauptstück dieser charakteristischen Tracht zeigt sich ein vorn westenartig ausgeschnittener, in ein Schößchen endender Spenzer von dunkelbraunem, bunt geblümtem Chaly (Musselin ähnlicher taftbindiger Kleiderstoff aus Seide und Wolle).
Die Puffärmel dieses, bei Frauen und Mädchen gleichen, mit einem Überschlagkragen versehenen Spenzers sind an der Achsel bauschig, am Handgelenk eng; die Taille umschlingt ein auf der Rückseite befestigter Gürtel von demselben Stoff.
Wie der Kopfputz, so ist auch der Spenzer von verschiedenartigen Farben: olivengrün, schwarz, aber immer aus bunt durchwirkter Seide oder klein geblümtem Chaly. Der Ausschnitt auf der Brust lässt ein rotes, mit kleinen, grünlichen Blättern bestreutes Tuch sehen, das den Hals fest bedeckt und mit einer Nadel vom zusammengesteckt ist.
Dieses aus Wolle oder Seide gefertigte Tuch wird derartig um den Hals geschlungen, dass auf letzteren der Schmuck, — ein ziemlich tiefhängender, geränderter oder geöhrter Dukaten, eine an schwarzem Samtband oder an schwarzer Schnur hängende silberne Schaumünze oder eine Perlenschnur aus Bernstein, — zu sehen ist. Auch goldene Ketten werden zu diesem Schaustück getragen.
Das wohl auffallendste Stück der Garderobe bleibt die Haube, die, aus weissem, mit Blumen besticktem Tüll bestehend und mit schmalen, weissen Spitzen besetzt, lose auf dem Kopf sitzt und die Haare bis auf einen schmalen Streif völlig bedeckt. An den unteren beiden Seiten der Haube sind durchwirkte, 10 Cent, breite Spitzenkrausen befestigt, die fast bis zum Gürtel hinabreichen und mit einander durch ein rotseidenes, an jeder Seite der Krause schleifenartig angebrachtes Band verbunden sind. Hinten hängen mehrere 5—7 Cent, breite, über einen halben Meter lange, mit Blumen oder Arabesken bestickte seidene Bänder herab, die, mit der Haube gleichfarbig, an einer rückseitigen Schleife der letzteren befestigt sind.
Die Hauben der Frauen unterscheiden sich von denen der Mädchen durch eine bis in die Stirn hineinreichende Schnebbe (oder auch Schneppe, auf die Stirn herabreichende Spitze einer Frauenhaube), welche das Haar ganz bedeckt; sie bestehen aus Tüll, Taffet oder Seide, sind mit farbigen Blumen, Gold und Silber durchwirkt und mit Gold und Silber eingefasst.
Im Winter, wenn die Hauben anstatt der Spitzen auch grauen Pelzbesatz zeigen, tritt als charakteristische Hülle der weite, aus dunkelblauem Tuch gefertigte Radmantel in seine Rechte.
In seinen Vorderteilen scharlachrot gefüttert, und mit einem Kragen versehen, der bis an die Schultern reicht, ist dieser Mantel mit drei Finger breiten, echten Goldborten besetzt und am Halse mit vergoldeter Agraffe zu schliessen.
An Werk- und Wochentagen bescheiden sich die oberschlesischen Bäuerinnen allerdings mit ihren selbstgesponnenen, dunkelblauen Leinenröcken und weissen, baumwollenen Bändern an der Haube, während die Mädchen einfach ein buntes Tuch um den Kopf knüpfen.
Dass unsere Neuländerin zu den Wohlhabenderen des Dorfes gehört, beweist im Besonderen noch das feine, mit Spitzen besetzte Taschentuch, das sie zwischen den Händen trägt. Beim Kirchgang würden sich dazu Gebetbuch und Rosenkranz gesellen.
Quelle: Blätter für Kostümkunde: historische und Volkstrachten von Franz Lipperheide.
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