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Jean-Baptiste Colbert. Finanzminister unter Ludwig XIV.

Jean-Baptiste Colbert, Marquis de Seignelay, Finanzminister unter Ludwig XIV.
Jean-Baptiste Colbert, Marquis de Seignelay. Finanzminister unter Ludwig XIV.

Stich von R. Nanteuil.

Jean-Baptiste Colbert, Marquis de Seignelay, General-Controleur der Finanzen unter Ludwig XIV.

Geb. 29. Aug. 1619, gest. 6. Sept. 1683.

Jean-Baptiste Colbert wurde als Sohn eines reichen Kaufmanns am 29. August 1619 zu Reims geboren. Zuerst Commis in einem Pariser Bankhause, verschaffte er sich durch Reisen in die grossen Städte Frankreichs eine eingehende Kenntnis der wirtschaftlichen Verhältnisse und wurde 1648 im Bureau des Staatssekretärs Letellier angestellt. Bald wurde der Kardinal Mazarin auf Colberts Fähigkeiten aufmerksam: er übertrug ihm die wichtigsten administrativen Geschäfte, bewirkte 1654 die Ernennung seines Günstlings zum Staatsrat und Sekretär der Königin und empfahl ihn noch vor seinem Tode dringend dem neuen Herrscher Ludwig XIV.

Diesem wusste Colbert bald die Augen über den elenden Zustand der damaligen Finanzverwaltung zu öffnen. Es kam zum Sturz des bisherigen Oberintendanten Nicolas Fouquet. An seine Stelle trat Colbert und erhielt 1665 den Titel eines General-Controleurs. Er begann seine Tätigkeit damit, dass er eine genaue Untersuchung des Steuer- und Abgabensystems anstellte. Das traurige Resultat dieser Nachforschungen veranlasste ihn vor allem zur Kreierung eines Finanzrates, der dem König jährlich ein Verzeichnis der Ausgaben und Einnahmen vorzulegen hatte, und zur Errichtung einer Justizkammer, welche die Pächter und Beamten zu überwachen hatte, zu schreiten. Gleichzeitig sorgte er unter Vereinfachung des Erhebungsmodus für eine gleichmässigere Verteilung der Steuern, zog eine grosse Anzahl überflüssiger Beamtenstellen ein, setzte die Staatsrente herab und konnte dadurch die Steuern selbst vermindern.

Seine grösste schöpferische That ist jedoch die Aufrichtung eines eigenen staatsökonomischen Systems, die planmässige Durchführung des schon früher befolgten Merkantilsystems, nach welchem der Nationalreichtum im wesentlichen auf der Masse des im Lande befindlichen Edelmetalls beruht. Um nun den Vorrat des Geldes in Frankreich zu vermehren, suchte Colbert den Bergbau zu heben, namentlich aber die vorhandenen exportfähigen Industrien zu fördern und neue zu schaffen, welche er dann mit mässigen Schutzzöllen gegen die auswärtige Konkurrenz umgab.

Mit der Unterstützung der Industrie ging die Hebung des Aussen- und Binnenhandels Hand in Hand. So legte Colbert ein über das ganze Land zweckmässig ausgedehntes Strassennetz an, erbaute den Kanal von Languedoc, liess die Seehäfen instandsetzen, errichtete eine Handelsflotte und ermutigte zur Gründung zweier grosser Handelsgesellschaften für Ost- und Westindien. Zu gleicher Zeit wurde die Verwaltung der französischen Kolonien in Canada, Martinique und San Domingo nach europäischem Muster geregelt, und neue Kolonien zu Cayenne und auf Madagascar gegründet. Um nun Handel und Kolonien genügend zu schützen, schuf Colbert eine neue Kriegsflotte; bis 1669, wo er das Marinedepartement selbst übernahm, war es ihm bereits gelungen, Frankreich zu einer der gefürchtetsten Seemächte zu erheben.

Nicht minder hervorragend, als um die materielle Wohlfahrt seines Landes, waren Colberts Verdienste um Kunst und Wissenschaft. Die meisten grossen Anstalten für die Förderung der Geisteskultur unter Ludwigs XIV. Regierung verdanken ihre Entstehung dem organisatorischen Talent seines grossen Ministers. Colberts Name ist mit der Gründung der Akademie der Inschriften (1663), der Wissenschaften (1666) und der Bauakademie (1671) eng verknüpft. Auch die Reform der Malerakademie, für die er zu Rom eine eigene Schule stiftete, und die Gründung der Sternwarte geht auf ihn zurück. Selbst der Königlichen Bibliothek und dem botanischen Garten wendete er seine Aufmerksamkeit zu. Die Reisestipendien, welche er französischen Gelehrten gewährte, brachten der Wissenschaft reichen Gewinn.

Auf alle Zweige der Staatsverwaltung hatte Colbert bestimmenden Einfluss erlangt: die Finanzen, die Marine, Handel und Kolonien, die öffentlichen Gebäude und der Palast des Königs standen unter seiner Oberaufsicht. Und um die Fortdauer der durch ihn geschaffenen Verhältnisse zu sichern, liess er die Bestimmungen für Marine, Handel und Kolonien kodifizieren, wie er auch die Civil- und Strafgesetzgebung verbesserte. Freilich, das Kriegsdepartement unter Louvois‘ Leitung (François Michel Le Tellier, Marquis de Louvois, Kriegsminister 1666–1691) blieb ihm verschlossen. Und wiewohl er die Staatseinnahmen bis auf 116 Millionen zu steigern gewusst hatte, verschlangen doch die kriegerischen Unternehmungen des Königs solche Summen, dass Colbert noch am Abend seines Lebens zu seinem Schmerze genötigt war, zu einer drückenden Besteuerung der Lebensmittel seine Zuflucht zu nehmen. Er starb am 6. September 1683 zu Paris. Der Menge war er so sehr verhasst, dass man sein Leichenbegängnis, um Unruhen vorzubeugen, nachts abhalten musste.

Colbert beschloss als Nachfolger Sullys, Richelieus, Mazarins die Reihe der grossen französischen Minister. Sein Hauptverdienst ist es, Handel und Industrie, wie Sully seinerzeit die Landwirtschaft, zur höchsten Entwicklung in Frankreich gebracht zu haben. Sein finanzwirtschaftliches System fand so grosse Bewunderung, dass es auf mehrere Generationen hinaus das wirtschaftliche Leben der europäischen Staaten beherrschte.

Quelle: Das Zeitalter des Dreissigjährigen Krieges (1600-1670). Allgemeines historisches Portraitwerk. München 1895. Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft vormals Friedrich Bruckmann. Nach den besten gleichzeitigen Originalen nach Auswahl von Dr. Woldemar von Seidlitz mit biografischen Daten von Dr. H. Tillmann und Dr. H. A. Lier.

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