Mode in Frankreich und Flandern im Barock. 17. Jahrhundert.
EUROPA XVII. JAHRHUNDERT
FRANKREICH UND FLANDERN.
INNENRAUM, BÜRGERLICHE TRACHTEN, MUSIKINSTRUMENTE (ERSTE HÄLFTE DES 17. JAHRHUNDERTS).
Die Gruppe von Musikanten rechts oben auf unserer Tafel ist ein Fragment aus einem Gemälde von Adrian van der Venne, welches ein Fest aus Anlass des 1609 zwischen dem Statthalter der Niederlande, Erzherzog Albrecht von Österreich, und den Generalstaaten geschlossenen Waffenstillstandes darstellt. Es befindet sich im Louvre. Unter den Musikern, welche ihre Hüte und die Futterale ihrer Instrumente auf die Erde gelegt haben, bemerkt man einen, welcher Spinett spielt. Auf der inneren Seite des aufgeklappten Spinettdeckels sieht man eine Landschaft, in welcher Latona die lyrischen Bauern in Frösche verwandelt.
Das Interieur, welches die untere Seite der Tafel einnimmt, ist nach einem Stiche von Abraham Bosse reproduziert, der zu einer von diesem Stecher oftmals behandelten Serien der fünf Sinne gehört (ca. 1635). Hier ist das Gehör durch Sänger und Musikanten versinnlicht. Für die Kolorierung sind gleichzeitige gemalte Wiederholungen dieser Szenen maßgebend gewesen, welche auf der 1874 von der Union Centrale veranstalteten Kostümausstellung in den Champs-Élysées zu sehen waren. Die Kostüme charakterisieren jene Zeit in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als es Frankreich gelungen war, den Ton für die europäische Mode anzugeben. Der Mann auf der linken Seite, welcher mit der einen Hand ein Liederbuch hält und mit der anderen den Takt schlägt, ist im Jagdkostüm. Nur Jagdkostüme waren nach der damaligen Mode ganz rot (Quicherat, Histoire de costume en France). Es geht daraus noch nicht hervor, dass derjenige, der es trägt, von der Jagd kommt oder zur Jagd gehen will, da es Mode war, sich beliebige Fantasiekostüme zusammenzustellen. Auch könnte hinter einem solchen Kostüm der tiefere Sinn verborgen liegen, dass der Kavalier, der es trug, af der Jagd nach einem Herzen war.
Die Hüte waren von Filz oder Biberfell, niedrig, mit breitem Rand, mit zwei Federn und einer goldenen Schnur geschmückt. Um die Haare recht lang und dicht zu haben, benutzte man Perücken. Von der Perücke der Stutzer sonderte sich vorn auf der linken Seite eine lange Locke ab, die auf die Brust herabfiel und mit einem farbigen Band zusammengeknotet war. Man nannte diese Locke anfangs moustache, dann cadonette, Auf unserem Bilde trägt sie der Cavalier im Jagdkostüm und der Sänger rechts.
Von dem im Jahre 1620 erfolgten Verbot der Mailänder Passementeriearbeiten datiert die Mode, an allen Teilen der Kleidung Spitzen zu tragen. Im Jahre 1635 trug man die Halskragen, die schon früher nach hinten abgerundet gewesen waren, ganz auf die Schultern herabfallend. Man nannte einen solchen Kragen col vidé. In gleicher Weise entwickelte sich der Halskragen der Frauen, welche die Fraisen und die zum Halse emporsteigenden Kragen aufgaben.
Seit 1625 waren auch die Stiefel geändert worden. Man trug sie nicht mehr so hoch hinauf. Die Stulpen legten sich ungefähr in der Mitte des Beines um und wurden mit Spitzen garniert. Die Sporen eines Stutzers mussten vergoldet sein. Als die Borten, die gedrehten Goldschnüre, Frangen u. s. w. durch die Verordnung des Jahres 1634 verboten worden waren, nahm das Kostüm eine geschmackvollere Einfachheit an. An die Stelle der Bandschleifenbesätze traten Knopfreihen. Man trug nur einfarbige, dunkle Stoffe.
Wenn ein Mann aus der guten Gesellschaft nicht gestiefelt war, trug er seidene Strümpfe. Damit die Beine nicht froren, zog man Strümpfe von Wolltrikot darunter. Schliesslich zog man einen seidenen Strumpf über den anderen, gewöhnlich drei Paare. Quicherat erzählt indessen, dass der Dichter Malherbe bis elf Paar Strümpfe über einander trug. Der Bassgeigenspieler unseres Bildes trägt solche Strümpfe mit Strumpfbändern, welche seit 1628 an der Seite mit Knoten und Schleifen geschlossen wurden, nicht mehr mit Rosetten, wie man sie noch an den Schuhen derselben Person sieht.
Die junge Frau am Klavier, welches sie mit der rechten Hand ertönen lässt, ist einem Bilde von Gabriel Metzu (1629 – 1667) im Louvre entlehnt. Diese holländische Tracht ist später als die beschriebenen französischen. Der Rock der Dame ist von Atlas. Das Brusttuch (rabat) besteht aus feinem Linon.
Quelle: Geschichte des Kostüms in chronologischer Entwicklung von Albert Charles Auguste Racinet. Bearbeitet von Adolf Rosenberg. Berlin 1888.
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