Peter Paul Rubens. Maler des Barock.
Geb. 28. Juni 1577; gest. 30. Mai 1640.
Rubens wurde am 28. Juni 1577 zu Siegen als Sohn des rechtskundigen Schöffen Jan Rubens aus Antwerpen geboren, der wegen eines unsittlichen Verhältnisses zu Anna von Sachsen in Köln verhaftet, auf Verwendung seiner Gemahlin Maria Pypelincx aber im Jahre 1573 zur Internierung in Siegen begnadigt worden war. Erst ein Jahr nach der Geburt von Rubens durfte die Familie nach Köln zurückkehren. Um die Übersiedlung in seine Vaterstadt zu ermöglichen, trat Jan Rubens zum Katholizismus über, starb aber kurz, bevor dieselbe im Jahre 1588 ausgeführt werden konnte.
So war die Kindheit des Meisters von einem schweren Schicksal bedroht. Umso freundlicher gestaltete sich sein Los, seitdem er nach Antwerpen gekommen war. Seine vortreffliche Mutter ließ ihm eine ausgezeichnete Erziehung zu teil werden. Nachdem er kurze Zeit hindurch der verwitweten Gräfin von Lalaing als Page gedient hatte, trat er als Lehrling in das Atelier des Landschaftsmalers Tobias Verhaegt ein. Sein eigentlicher Lehrmeister aber wurde der Historienmaler Adam van Noort (1562-1641), „eine derbe flämische, dreiste Natur von großer koloristischer Begabung“. Bei ihm blieb er vier Jahre lang, von 1591-1594, und wandte sich dann dem in Italien gebildeten und theoretisch erfahrenen Otto van Veen zu, dem er vor allem seine geistige Ausbildung verdankte.
Im Jahre 1598 wurde Rubens Mitglied der Antwerpener St. Lukasgilde, im Mai 1600 aber machte er sich auf den Weg nach Italien, versehen mit Empfehlungsbriefen des Erzherzogs Albrecht und seiner Gemahlin, der spanischen Infantin Isabella Klara Eugenia. Nachdem er sich in Venedig durch die Bilder Tizians und Paolo Veroneses hatte fesseln lassen und namentlich diejenigen des ersteren kopiert hatte, nahm er bei dem Herzog Vincenzo Gonzaga in Mantua Dienst an. In seinem Auftrag begab er sich 1601 nach Rom und malte dort einen Flügelaltar mit der Kreuzfindung für die Kreuzkirche in Jerusalem. Zwei Jahre später sandte ihn der Herzog nach Madrid, um dem König Philipp II. und dem Minister Herzog von Lerma kostbare Geschenke zu überbringen. In Madrid entstand das Reiterporträt des Herzogs von Lerma, nach dessen Vollendung er nach Mantua zurückkehrte, wo er für den Kaiser Rudolf II. Kopien nach Correggio auszuführen hatte. Seit 1606 wieder in Rom, studierte er dort mit besonderem Eifer nach Michelangelo und schloß sich den Bestrebungen der Naturalisten unter Caravaggios Führung aufs engste an, wie seine Nachbildung von dessen Grablegung in der Lichtensteinschen Galerie zu Wien beweist.
In Genua, wo er sich 1607 aufhielt, entwarf er zahlreiche Zeichnungen nach dortigen Bauten, welche 1622 durch Nikolaus Ryckemans durch den Stich vervielfältigt wurden. Auf die Nachricht von der Erkrankung seiner Mutter hin, eilte er im Herbst 1608 in die Heimat zurück, fand sie aber bei seiner Ankunft nicht mehr am Leben. Um ihn an die Heimat zu fesseln, ernannte ihn Erzherzog Albrecht zum Hofmaler und Kammerherrn (23. September 1609) und gestattete ihm, seinen Wohnsitz in Antwerpen zu nehmen, wo er sich noch in demselben Jahr mit Isabella Brandt, der Tochter des Staatssekretärs von Antwerpen, vermählte. Er erbaute sich hier ein prächtiges Haus und stattete es mit einer Menge von kostbaren Kunstschätzen aus, so daß es bald einem Museum glich. Aller Üppigkeit abgeneigt, suchte er seine Erholung nach angestrengter Arbeit in der Natur, in der Familie und im Umgang mit gelehrten Freunden. Seine Bildung war eine universelle: er hat nicht nur als Maler gewirkt, sondern auch als Architekt sich versucht und, wenn er auch nicht als Bildhauer aufgetreten ist, so wurde er doch der Lehrmeister zahlreicher Bildhauer.
Geradezu erstaunlich ist seine Fruchtbarkeit als Maler. Wir kennen mindestens 1400 Gemälde von seiner Hand und unter ihnen viele von größtem Umfang. Selbstverständlich bedurfte er zu ihrer Herstellung der Mitarbeit zahlreicher Schüler und Gehilfen. Sie drängten sich ihm in solcher Menge auf, daß er 1611 erklärte, er habe bis dahin schon über 100 Schüler zurückweisen müssen. Bei keinem anderen Meister läßt sich daher die Grenze zwischen eigenhändigen und Werkstattbildern schwerer ziehen, als bei Rubens. Das Maß seiner eigenen Tätigkeit war von dem Grad des Interesses an dem Gegenstand oder von Hochschätzung des Bestellers abhängig. Wie sehr aber auch die Unterstützung fremder Kräfte von Rubens in Anspruch genommen wurde, immer wußte er sie zur genauen Befolgung seiner Absichten anzuhalten, um dann schließlich mit wenigen Strichen das von ihnen Geschaffene zu einem Werk seiner Hand umzugestalten.
Gleich nach seiner Rückkehr aus Italien im Jahre 1610, malte er »die Aufrichtung des Kreuzes« und im folgenden Jahre die »Kreuzesabnahme« beide gegenwärtig im Dom zu Antwerpen. Allerdings entlehnte er die eng geschlossene Komposition dieser Gemälde italienischen Vorbildern, entwickelte aber in der Art und Weise, wie er den Anteil der Zuschauer an dem Vorgang schilderte, und in der Abstufung ihrer verschiedenartigen Empfindungen eine große künstlerische Selbständigkeit. Gleichzeitig erreichte er in ihnen den Höhepunkt seines Schaffens, das sich fortan in denselben Bahnen fortbewegte, ohne daß wir ein Herabsinken bemerken können. Dieser Umstand macht es schwer, die Werke des Meisters aus inneren Gründen chronologisch anzuordnen, wenn äußere Merkmale fehlen. So galt z. B. bis vor kurzem der berühmte »Ildefonso-Altar« im Belvedere zu Wien, eine der vollendetsten Schöpfungen des Meisters, für das erste größere Gemälde, das er seit seiner Niederlassung in Antwerpen geschaffen habe. Gegenwärtig kennen wir jedoch Urkunden, aus denen hervorgeht, daß das Gemälde erst nach 1630 entstanden ist. Die ganze Zeit vom Jahre 1609 bis 1621 verfloß für Rubens ohne nennenswerte äußere Ereignisse und war fast ausschließlich der Arbeit mit dem Pinsel gewidmet. Im Jahre 1621 aber begann für ihn eine zweite Wanderzeit, da sein Ruhm sich weit über seine Heimat hinaus verbreitet hatte und seine Werke auch im Ausland vielfach begehrt wurden.
Zuerst ging ihn Katharina von Medici, die Witwe Heinrich IV., an, nach Paris zu kommen und dort im Palais Luxembourg die große Galerie mit 21 Bildern aus ihrem und ihres Gemahls Leben zu schmücken. Rubens leistete dem Rufe der Königin 1621 Folge und erledigte sich dieses Auftrages bis zum Jahre 1625, in welchem er zum dritten mal nach Paris reiste. Im folgenden Jahre hatte er den Verlust seiner Frau zu beklagen. Umso eher mochte er geneigt sein, sich durch Übernahme wichtiger diplomatischer Aufträge eine Ablenkung von seinem tiefen Schmerz zu verschaffen. Nachdem er im Jahre 1626 Holland bereist hatte und in Utrecht von seinen Kunstgenossen glänzend empfangen worden war, verhandelte er 1627 in Delft über den Waffenstillstand zwischen England und den spanischen Niederlanden. 1628 finden wir ihn als Gesandten des niederländischen Hofes in Madrid bei König Philipp IV., der sein Reiterbildnis bei ihm malen ließ. Vom König zum Sekretär seines geheimen Rates in den Niederlanden ernannt, ging er 1629 nach England zu Karl I., wo es ihm gelang, den gewünschten Frieden zustande zu bringen. Karl I. schlug ihn zum Ritter und übertrug ihm die Herstellung der Deckengemälde für den Festsaal in Whitehall zu London.
So von allen Seiten aufs höchste geehrt, gründete sich Rubens in Antwerpen durch seine Vermählung mit der jugendlich blühenden Hélène Fourment neues Glück (1630). Ihrer Schönheit zu huldigen, wurde er seitdem nicht müde. Das beweist nicht nur die stattliche Anzahl von Porträts, die er von ihr entwarf, sondern auch die häufige Wiedergabe ihrer Züge in seinen großen religiösen und mythologischen Bildern. Noch einmal übernahm er im Jahre 1633 einen diplomatischen Auftrag seiner Gönnerin, der Erzherzogin Isabella, indem er zu einer Unterhandlung nach dem Haag ging. Das Aufkommen der aristokratischen Gegenpartei und der Tod Isabellas verleideten ihm jedoch jede weitere Einmischung in die Politik. Er widmete sich seitdem nur noch der Malerei und bewahrte sich trotz eines Gichtleidens seine ungeschwächte Kraft bis zu seinem Tod am 30. Mai 1640.
Rubens Auftreten bezeichnet den Höhepunkt der flämischen Kunst. Er gehört zu der kleinen Zahl jener Meister, deren Werke wir als Offenbarungen eines wahrhaft schöpferischen Geistes einfach verehrend und bewundernd hinzunehmen haben. Seine Kraft, Gesundheit und Natürlichkeit ist so erstaunlich, wie die der ersten Künstler des Altertums. Wer ihn in Deutschland genauer kennen lernen will, kann dies am besten in München und Wien tun; doch findet man Bilder von seiner Hand überall zerstreut in den meisten Galerien Europas.
Stich von P. Pontius nach einem Selbstbildnis
Quelle: Das Zeitalter des Dreissigjährigen Krieges (1600-1670). Allgemeines historisches Portraitwerk. München 1895. Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft vormals Friedrich Bruckmann. Nach den besten gleichzeitigen Originalen nach Auswahl von Dr. Woldemar von Seidlitz mit biografischen Daten von Dr. H. Tillmann und Dr. H. A. Lier.
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