Junge Frau mit Mässle aus Montafon, Vorarlberg. Österreich 19. Jh.
Mädchen aus Montafon mit Mässle. Vorarlberg, Österreich 19. Jh.
BLÄTTER FÜR KOSTÜMKUNDE.
88). MÄDCHEN AUS MONTAFON IN VORARLBERG.
Von J. MAKLOTH.
Die grossen, lang gestreckten Täler Vorarlbergs, die, von himmelhohen Bergen eingeschlossen. nur einen ganz schmalen, leicht zu sperrenden Ausgang für den Verkehr mit der übrigen Welt offen lassen, haben eine Konservierung in Volkssitte und Tracht am meisten begünstigt. Ein solches Tal ist das Montafon, welches sich südlich von Bludenz gegen die Schweizergrenze hinan zieht und in seinen obersten Ausläufen an die Silvretta-Gruppe der Ostalpen stösst, die den mächtigen Markstein zwischen Vorarlberg, Tirol und dem Prättigau bildet.
Bei den Männern, die von Kindheit an den Sommer ausser Landes zubringen, – als Knaben schon in der Eigenschaft von Viehhirten und Ährenlesern im Schwabenland, späterhin als Maurer, Stuckateure, Krautschneider und dergleichen im Elsass und rheinabwärts bis nach Holland, – hat – sich fast alle Eigentümlichkeit verwischt, sprechen sie doch sogar häufig französisch. Die Frauen aber, die in der Mehrzahl jahraus, jahrein zu Hause bleiben, haben den heimischen Brauch bis heute treu behütet.
Es ist ein zierliches Geschlecht; das romanische Blut schlägt noch vor, wenn auch die Sprache deutsch ist. Es schärft den feinen Schnitt der Gesichter, färbt Haar und Auge dunkel und schmeidigt die schlanke Gestalt, die in der ernsten, dunklen Kleidung einen gar wohlgefälligen Eindruck macht. Wunderlich ist diese allerdings ein wenig auf den ersten Blick. Schon der eigentümliche Filzhut, das Mässle genannt. mit der oberen Ausweitung und der dieselbe überragenden, auch beim Pinzgauer Hut vorkommenden Haarglorie, ist befremdlich. Das Mässle ist aber so sehr Mode geworden, dass es die, nur noch hie und da von alten Frauen getragene Pelzmütze mit dem grünen Tuchboden fast ganz verdrängt hat. Daneben wird bei kirchlichen Festlichkeiten das Brautschäppele, ein Goldkränzchen, das nur Jungfrauen gebührt. *) und im Hochsommer bei der Arbeit das leichte Kopftuch getragen.
In ähnlicher Weise überraschend wirkt das sichtliche Bestreben, die natürliche Form der Büste nicht nur nicht zu unterstützen, sondern sogar in das Gegenteil zu verändern. Schöne Touristinnen im Vorarlbergiscben, welche sich das Vergnügen nicht versagen wollen, auch einmal im Sommer eine kleine Maskerade vorzunehmen, müssen nach einigen vergeblichen Versuchen zumeist darauf verzichten, sich als Montafonerin darzustellen; denn was jene künstliche Verkümmerung durch den eng geschnittenen Latz betrifft, welche bei den Montafonerinnen, wie bei den Walserinnen und Bregenzerwälderinnen, schon von Jugend auf geübt wird, so sind diese in der Erreichung ihres Zweckes glücklicher geworden, als die Chinesinnen, die es doch noch nicht dahin gebracht haben, ihre Füsse gänzlich verschwinden zu lassen.
An das Müder aus schwarzem Tuch, unter dessen Brustverschnürung, den Prüsnestlen ein buntfarbiger, mit Vorliebe grün-violett gehaltener, zuweilen goldgestickter, Vorstecker hindurch scheint, schliesst sich ein weiter, dickfaltiger Rock aus Kurer, einem schwarzen, haarigen Wollstoff, der beinahe vollständig von einer blauen Leinen- oder auch Seidenschürze verdeckt wird.
Der ausgeschnittene, flache Schuh lässt die roten Strümpfe sehen, die in Montafon selbst in vorzüglicher, starker Qualität gewirkt werden. Beim Ausgang kommt über das Mieder und die weissen Hemdärmel noch eine kurze, vorn offene Tscboppe aus schwarzem Damentuch und das ganz lose geschlungene, schwarzseidene Halstuch hinzu; das umfangreiche Regendächle, beim Kirchgang auch noch Gebetbuch und Rosenkranz, dürfen nicht fehlen.
*) Ein späteres Blatt wird die Tracht eines Schäppelmeiggi veranschaulichen.
Quelle: Blätter für Kostümkunde: historische und Volkstrachten von Franz Lipperheide. Herausgegeben von A. von Heyden. Berlin 1887.
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