Die Trachten der Vierlande von Albert Kretschmer.
Die Vierlande
Hamburger Bezirk Bergedorf: Curslack, Kirchwerder, Neuengamme.
(Schreibweise folgt weitgehend dem Originaltext)
Die bunten munteren Gestalten der Vierländer, die das Interesse jedes Fremden erwecken der Hamburgs Straßen durch wandert, haben wenige Meilen von dieser Stadt, bei Bergedorf, ihre Heimat. Ursprünglich holländischer Abkunft, ist auch noch manches in ihre Tracht, was daran erinnert. Soweit sich diese bis jetzt überhaupt erhalten, denn der Einfluss des modischen ist auch an ihr nicht spurlos vorüber gegangen, gehört sie denn noch zu dem originellsten, was Norddeutschland in dieser Hinsicht aufzuweisen hat.
In der Stadt, wo diese Landleute ihre Verkaufsgeschäfte treiben, sieht man die Männer in der schwarzen, blauen oder braunen Tuchjacke, welche nur bis zum Gürtel erreicht und am Rückentheil durch ein kleines Schößchen abgeschlossen ist. Unter dieser bekleidet eine dunkle blaue Tuchweste mit zwei Reihen platter, silberner Knöpfe den Oberkörper und wird am unteren Saum durch den Bund der weiten, am Knie durch ein Band geschlossenen Hose gedeckt; diese letztere ist stets von schwarzem Plüsch, mit Tressen von violetter Seide an Bund und Taschen verziert, sowie auch mit gemusterten silbernen Knöpfen verschiedener Größe.
Die Strümpfe sind immer violett, die hohen Bindeschuhe von schwarzem Leder. Das Halstuch ist von schwarzer oder hochroter Farbe, zum Teil auch bunt gemustert; es wird shawlartig um den Hals gewickelt, so dass der eine Zipfel an der Seite herabhängt.
Den Kopf bedeckt der schwarze, moderne Zylinder Filzhut. In der Sonntagstracht sind einige Abweichungen in Jacke und Weste, das übrige ist unverändert; die Festtagsjacke ist länger, als jene am Wochentage, häufig von farbigem Tuch, mit seidenen Litzen in der selben Farbe gestickt und mit silbernen, halbkugelförmigen Knöpfen besetzt. Am Rückentheil ist der Anfang des kurzen Schooßes ist doch eine genähte Querfalte bezeichnet und fällt der Schooß in drei abgeschlossenen Theilen von da herab. Die Weste ist im großen Staat von carmesinrothem roten Tuch mit gemusterten, silbernen Knöpfen in zwei Reihen.
Die Frauen und Mädchen tragen größtenteils Röcke von rotbrauner Wolle und schwarz oder grün besetzt. Der Rock ist unterhalb des Gürtels in enge Falten genäht, von wo er in breiterer Faltenlage bis zur Mitte der Wade erreicht. Die Brust deckt zunächst ein Latz, von Goldstoff am oberen Teil, von Sammet oder Damast an der unteren Hälfte, mit farbiger oder Metallstickerei verziert, dessen Seitenränder durch ein Mieder umschlossen werden, welches an Wochentagen von dunkelblauen, grünen oder schwarzen Tuch, an Festtagen von farbig gelbümten Sammet ist.
Längs der Brust ist das Mieder weit ausgeschnitten und durch eine Reihe silberner Ketten, mit reichen Schlössern an beiden Seiten, quer über der Brust zusammen gehalten. Durch diese Ketten werden häufig die Zipfel des Halstuches gezogen, welches dreizipfelig gelegt wie eine Shawl den Hals unmgiebt. Perlenketten umgeben außerdem dicht die Rundung des Halses. Ein Farbiger Sammetgürtel, welcher vorn zu gehackt wird und am Rückenteil mit Metall gestickt ist, macht den Abschluss zwischen der Begleidung des Ober- und Unterkörpers.
Im Hause werden die langen weißen Hemdärmel, welche aus dem Mieter hervortreten, ungeschlagen; im vollständigen Anzug aber deckt eine Jacke mit langen Ärmeln Mieder und Arme, und lässt nur den Unterlatz mit den darauf liegenden Ketten zur Ansicht kommen. Gewöhnlich ist diese Jacke von hellem blaugrünem Kattun mit weißen Blümchen, und am Ärmelabschluss carmoisinrot besetzt, an Festtagen hingegen von farbigem Tuch mit schwarze Seide eingefasst und an den Ärmeln durch Blumenstickerei verziert.
Die Schürze ist ähnlich wie der Rock, nach dem oberen Teil entweder in enge Falten abgenäht oder durch ein breites Stück gerippter Seide glatt anliegend gemacht, von wo dann wie bei dem Rocke die weiten Falten nach unten gehen; durch beide Stücke der Bekleidung wird die Figur so schlank, dass sie nicht immer den Beifall weiblicher Beschauer sich erwirbt.
Die Schürze ist am Markttagen von dunkelblauem oder blaustreifigem Kattun mit carmoisinfarbigem Bunde, am Gürtel und an den Ecken des abgenähten Teiles in dieser Farbe mit den Anfangsbuchstaben des Namens geziert. Der Sonntag macht auch bei der Schürze sein Vorrecht geltend, und sie ist dann im oberen Teil von schwarze Seide, mit Goldstickerei auf brauner Seide und gestickten Rosenzweigen. Die Strümpfe sind wie bei den Männern immer von violetter Färbung, die Schuhe weit ausgeschnitten und von schwarzem Leder.
Wir kommen endlich zu dem eigentümlichen Teil ihrer Bekleidung, zur Kopftracht. Den Kopf bedeckt ein gesticktes oder nur von dunkelrot gemustertem Kattun gefertigtes Mützchen; es ist mit schwarzer stumpfer Seide besetzt und durch ebensolche Bänder am Kinn befestigt. Am Nacken befinden sich zwei Schleifen mit ausgezackten herabhängenden Bändern, welche durch Amidam und Gummi gesteift und durch ein besonderes Verfahren in vertieft liegende Streifen gezwängt sind. Durch die Mütze wird nur ein sehr geringer Teil des zurückgestrichenen Haares sichtbar, umso mehr entschädigt sich dieser Verlust durch vom Nacken lang herabhängende Zöpfe, deren Enden durch farbige gemusterte Seidenbänder gebunden werden.
Gewöhnlich sind diese aufgewickelt, in vollen Staat aber hängen sie bis zum Ende des Rockes herab. Über die Mütze setzt die Vierländerin schließlich den Strohhut, dessen Kopf vertieft unter der dachförmigen Krempe liegt. Ein zwischen Krempe und Kopf durchgezogenes schwarzseidenes Band geht quer über den Kopf und seine Enden dienen dazu, den Hut unter dem Kinn zu befestigen. Der innere Teil der Krempe ist durch strahlenförmig auslaufende Streifen von schwarz und grünem Band fixiert.
Quelle: Volkstrachten. Original-Zeichnungen mit erklärendem Text von Albert Kretschmer. Maler und Professor am Königl. Hoftheatr Berlin. Leipzig J. G. Bach`s Verlag (Fr. Eugen Köhler) 1887. Deutsche Volkstrachten von 1864-1870.
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