Weben auf Föhr und den Halligen. Flechten mit den Tuntelstöcken.
Föhr ist eine der nordfriesischen Inseln an der deutschen Nordseeküste. Sie ist Teil des Kreises Nordfriesland im Bundesland Schleswig-Holstein. Föhr ist die zweitgrößte Nordseeinsel Deutschlands.
Die Halligen (deutsch, Singular Hallig) oder die Halliger (dänisch, Singular Hallig) sind kleine Inseln ohne schützende Deiche. Es gibt zehn deutsche Halligen in den nordfriesischen Inseln an der schleswig-holsteinischen Wattenmeer-Nordseeküste im Kreis Nordfriesland und eine Hallig an der Westküste Dänemarks (dänische Wattenmeerinseln).
Flechten und Weben auf Föhr und den Halligen.
Von Dr. Häberlin. Wyk (Föhr).
Vor einiger Zeit entdeckte ich unter vergessenem Hausrat einer alten Frau in Övenum ein eigentümliches Gerät, „Litz-Holz“ genannt, das früher zur Herstellung der Stoßlitzen an den Kleiderröcken benutzt worden war.
Ich erinnere mich nicht, Ähnliches beschrieben gelesen zu haben und gebe hier Abbildung und Technik.
Um das Horn a (Abb. 1) wird ein einfacher Knoten von Wollgarn (schwarz, blau, je nach Rockfarbe) geschlungen.
Das freie Ende wird mit dem Zeigefinger der linken Hand an das Brettchen fixiert, das laufende Ende mit der rechten Hand über das Horn b weggeführt. Hierauf wird das ganze Instrument um 180° gedreht, und zwar linksum. Das von der rechten Hand gehaltene laufende Ende liegt nun vor der Rückseite von Horn a; rechter Daumen und Zeigefinger fassen darauf die Schlinge des erstgebildeten einfachen Knotens, führen sie über das am Horn a anliegende laufende Garn weg und stülpen sie schließlich über die Spitze des Horns (Abb. 2), so entsteht eine Masche. Nun wieder Drehung um 180° linksum; dieselbe Maschenbildung an der Vorderseite von Horn b; usw. Es entsteht so ziemlich rasch eine feste, vierkantige Litze (Abb. 3). Die Haltung des Ganzen in der Hand geht aus Abb. 3 hervor; die Prozedur dürfte mit Hilfe der Abbildungen verständlich sein.
Das Gerät wird nicht mehr gebraucht, war aber vor einer Generation noch in Anwendung; seine Verbreitung konnte ich nur auf Föhr, Amrum und Hallig Langeness und Hoge nachweisen. Es war meist aus Holz; einige sollen aus Horn gewesen sein. Das Loch in der Fläche des Brettchens (manchmal auch zwei Löcher) diente nur zum Durchstecken der fertigen Litze (Abb. 3), um sie an störender Freibeweglichkeit zu hindern.
Ähnliche Stoßlitzen wurden ohne Hilfe eines Instrumentes einfach mit den Händen hergestellt, wobei die Technik ganz analog wie beim Litzholz war, indem die Finger an Stelle der Hörner des Litzholzes traten. Auf diese Art wurde rascher gearbeitet; auf Föhr kam die letztere Arbeitsweise bis in die jetzige Generation (1862) vor, jedoch seltener als ein zweites Gerät zur Herstellung der Stoßlitzen, die Tuntel-Stöcke (friesisch: Tuntel-stoke, auf Langeness: Tuntel – luarde; luard heißt Blei, dann allgemein Gewicht). Diese sehe ich nicht selten noch heute in Gebrauch. Sie geben runde Litzen, und da sich schneller damit arbeiten läßt, hatten sie das Litzholz verdrängt, ehe sie selbst durch die käuflichen Stoßborten außer Dienst gestellt wurden.
Es werden dabei vier Stöcke benutzt. Die vier Fäden werden je von links und rechts, sowie von vorn und hinten kreuzweise übereinander geschlagen. Form und Handhabung geht aus Abb. 4 links hervor; häufig sind sie mit gedrehten Verzierungen versehen und haben meist einen Haken am oberen Ende. (Die Klöppelhölzer beim Spitzenklöppeln sind in verkleinertem Maßstabe ungefähr dasselbe nach Form und Bestimmung.) Verbreitet waren die Tuntel-Stöcke auf den friesischen Inseln und dem angrenzenden Festland; Schütze, Holstein. Idiotikon, 1802, erwähnt sie in Dithmarschen und Eiderstedt.
Mittels der Tuntel-Stöcke wurden aber auch breitere Bänder hergestellt 1); man benutzte dann bis zu 18 und mehr Stöcke und verfertigte mit zwei bis drei verschiedenfarbigen Garnen sehr hübsche Muster. Während beim Bandweben mit dem sogleich zu erwähnenden Webebrett Kette und Einschlag senkrecht zueinander verlaufen, ist hier die Fadenrichtung schräg vom Rande nach der Mitte zu, wo sich alle Fäden in einer Mittellinie treffen. Die so entstandenen Bänder dienten als Aufschürzbänder (sitte – bian) für die Röcke. (Auf den Halligen — nur dort fand ich diese Webeart — müssen die Frauen wegen der Arbeit in Schlamm und Wasser sehr viel hochgeschürzt gehen.) Allgemein wird gerühmt, daß diese jetzt verschwundene Methode weit zierlichere Muster zu machen ermöglichte als das Webebrett (Wew-bord).
Das Webebrett (Abb. 4, rechts und links oben) war auf den friesischen Inseln und dem Festland weit verbreitet; viele noch lebende Frauen haben es in ihrer Jugend gebraucht. In manchen Familien war es auch der Mann, der webte. Nach der alten Chronik von Lass, Husumer Nachrichten, gab es 1561 in Husum außer den Leinewebern auch Bandweber, die sich ihre Satzungen von Herzog Johann Adolf bestätigen ließen. Die Produkte der Bandweberei sehe ich noch mannigfach in den Bauernhäusern, meist in schönen, dreifarbigen Mustern. Verwendet wurden diese Bänder als Strumpfbänder, Hosenträger und als Aufschürzbänder zum Hochschürzen der Kleiderröcke
Ethnographisch ist das Webebrett höchst bemerkenswert. Im Globus, Bd. 69 (1896) erwähnt O. Mason aus Washington die Ähnlichkeit der in Friesland und Finnland üblichen Webebretter mit denen der Pueblos in Arizona, in Neu-Mexiko, in Connecticut und in West-Virginia. Schurtz, Urgeschichte der Kultur, gibt auf S. 319 und 320 Schilderung und Bilder primitiver Weberei; das Bild des Aino-Webstuhles erinnert sehr an unseren Apparat. Auch die webende Pepohoanfrau (Ploss, Das Weib, Bd. II, S. 517) zeigt starke Anklänge an unsere Technik.
Im Friesen-Museum zu Wyk befinden sich mehrere solche, zum Teil schön geschnitzte Webebretter; das älteste mit der Jahreszahl 1720. Zum Befestigen der Fadenreihenanfänge dienten vielfach die Rollhölzer der Mangelbretter; bei einem Exemplar unserer Sammlung ist eine eigene Holzwalze hierfür vorhanden (entsprechend dem Kettenbaum des Webstuhles). Meist aber wurde der Anfang der Fadenreihe einfach an der Türklinke usw. befestigt; die Enden wurden am Gürtel des Webenden befestigt (siehe Abb. 4).
Um den Einschlag fest an das fertige Gewebe anzudrücken, war mitunter, aber durchaus nicht immer, ein Kamm im Gebrauch (der Kamm hängt auf unserem Bilde links oben in der Ecke). Die Fäden liefen zur Hälfte durch Löcher in der Äquatorlinie des Brettes, zur Hälfte durch die Spalten, so daß durch Heben und Senken des Brettes mit der linken Hand eine Kreuzung der Fäden erfolgte. Die rechte Hand schob den Garnknäuel von einer Seite zur anderen.
In einer Bildersammlung des schwedischen Malers Karl Larsson („Spadarfvet“) sah ich unlängst die Abbildung einer Kuhhirtin, die das Webebrett im Umhergehen benutzt, indem sie die Fadenanfänge an einem geschweiften Stab befestigt von sich abhält.
Das Webebrett scheint ein gutes Belegstück für die Ansicht, daß der Völkergedanke ohne Entlehnung zum gleichen Zweck gleiche Mittel erfinden kann.
Endlich habe ich in der Nähe von Husum einen Apparat zur „Brettchen-Weberei“ aufgefunden (22 dünne, durchlochte Holzblättchen). Über diesen für Nordfriesland bisher nicht nachgewiesenen Apparat wird von anderer Seite berichtet werden.
Am Ende erwähne ich noch eine eigentümliche Art zu stricken: Eine Stricknadel wird in einem Halter fixiert, der in den Schürzenbund geschoben und da von der linken Hand festgehalten wurde; die rechte Hand dirigierte allein die übrigen Nadeln. Diese eigentümlich ungeschickte Art des Strickens wurde noch vor 30 bis 40 Jahren von einzelnen alten Frauen auf Langeness geübt.
Quelle: Globus; illustrierte Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde. Braunschweig, F. Vieweg und Sohn, 1862.
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