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Brennmaterial und Feuerherd auf den Halligen der Nordsee.

Schafherde, Hallig, Halligen
Weidende Schafherde auf der Hallig (um 1900).

Brennmaterial und Feuerherd auf den Halligen der Nordsee.

Von Dr. Häberlin. Wyk.

Die Halligen 1) der Nordsee, jene kleinen Reste großer, vom Meere verschlungener Gebiete, haben infolge ihrer isolierten Lage und eigentümlichen Landbeschaffenheit einige interessante Erscheinungen der Hauswirtschaft und Gemeindeverfassung aufbewahrt; z. B. ist das gesamte Land Kommunalbesitz und wird in regelmäßigen Perioden unter die Eingesessenen verteilt. Ein Baumwuchs fehlt gänzlich, abgesehen von einigen Exemplaren in den Hausgärten; die Häuser stehen zum Schutz gegen die Flut auf künstlich aufgeworfenen Hügeln (Werften).

Als Brennmaterial wird in Herd und Ofen ausschließlich getrockneter Kuh- und Schafmist gebraucht, dessen Zurichtung zu diesem Zweck eine wichtige Arbeit von wohlausgebildeter Technik ist und folgendermaßen vor sich geht: Die Kühe 2) stehen im Winter im Stall auf Holzdiele ohne Streu; zur Ableitung des Urins zieht sich entlang der entsprechenden Stallseite ein Graben (friesisch Grope; plattdeutsch Gröp). Der Mist wird in die Mistgrube (friesisch Pot-Stäl, plattdeutsch Pot-Stall) nahe bei der Stalltür geschafft und dort den ganzen Winter hindurch angesammelt. Anfang April wird der gesamte Mist auf das „Werftland“ gekarrt (d. h. auf den mit Gras bewachsenen Abhang des Werfthügels; es gibt auch einen gepflasterten, kleinen Teil der Werft (friesisch Aak, plattdeutsch Ack, wo in getrennten Gehegen Kühe und Schafe zeitweilig untergebracht sind).

Dort wird er gleichmäßig in 4 bis 5 cm dicker Schicht ausgebreitet und dann geknetet, und zwar mit den Füßen, die mit Stiefeln oder diesem Zweck besonderen Strümpfen 3) mit breiten Ledersohlen bekleidet sind. Das Auskarren wird von Männern, das Ausbreiten und Kneten (Tribbeln) von Frauen besorgt. So läßt man den Mist 8 Tage lang trocknen. Dann wird er mit einem speziellen, sehr breiten Spaten (Stiel und Fläche von Holz, nur mit schmaler Metallschneide:friesisch Dee-Praker, plattdeutsch Didden-Pracker; vgl. Aal-Praker = Dreizack zum Aalstechen) in quadratische Stücke 4) gestochen und mit der Unterseite nach oben gelegt, und zwar so, daß die folgende Reihe immer schräg auf der vorhergehenden ruht, also auch von unten hohl liegt; so trocknet er wieder 8 Tage; dann erfolgt das Aufsetzen in Reihen. Am Fuße der Werft wird zuerst längs des die Werft umziehenden Grabens eine Reihe gebildet, und zwar entweder von je zwei kartenhausartig aneinander gelehnten Didden oder von je vier flach aufeinander gelegten; an diese unterste Querreihe schließen sich Längsreihen, die den Abhang der Werft hinauflaufen, und zwar aus hochkant nebeneinander gestellten Didden. So wird wieder getrocknet bis Ende April, etwa drei Wochen im ganzen. Dann, wenn das Gras zu wachsen beginnt, müssen die Didden vom Grasland weg und werden nun auf dem Pflaster neben dem Hause und überall, wo Platz ist, aufgespeichert in Haufen (friesisch Kluardten; plattdeutsch Kloten); deren Bauart ist folgende: 1. Etage: Zwei lange, dicht nebeneinander laufende Reiben hochkant eng aneinander gestellter Didden; 2. Etage: Auf den beiden ersten Reihen zwei ebenso verlaufende Reihen; 3. Etage: Auf den beiden oberen Reihen in deren Mitte eine ebenso aufgestellte Reihe. Diese Kluardte bleiben bis Ende Mai, spätestens bis 24. Juni, an dem Tag die Heuernte beginnt. Alsdann werden sie in Körben auf den Dachboden geschafft, wo sie in dem vom Dach und dem Boden gebildeten Winkel (friesisch Ögling) wieder kunstvoll aufgebaut werden. Vom Dachboden geht ein Holzschacht (Diddenloch) nach der Küche, dicht neben dem Herd herunter; hier werden die Didden herunter geworfen. Der Schacht hat eine Öffnung in Höhe der Herdplatte, eine andere am Fußboden, mit einer Klappe schließbar, zum Herausfegen des Schmoll genannten Abfalls.

Nun kommt aber das Vieh nicht gleich nach Entleerung der Mistgrube auf die Weide, sondern erst am 12. Mai, dem sogenannten „Altmai“. Der bis dahin produzierte Mist wird direkt auf das Werftland gebracht,in der Art daß er aus der Karre in getrennten Haufen aufs Gras geworfen wird; diese Haufen werden mit einem Reiserbesen flach geschlagen; es entstehen so rundliche Scheiben von 1 cm Dicke und von 20 cm Durchmesser (friesisch Skualen, plattdeutsch Schölen). Diese werden nach dem ersten Trocknen je zwei und zwei oder drei und drei kartenhausartig gegeneinander gelehnt und so nacbgetrocknet; nach diesem zweiten Trocknen werden sie in Geldrollenform neben den Kluärdten aufgestellt und mit den Didden auf den Dachboden geschafft. Nach Beendigung der Heuernte (24. August) wird der von der Sonne getrocknete Kuh-und Schafdünger auf dem Weideland gesammelt, er wird als „Niocks“ bzw. „Skepelörde“ 5) ebenso wie die Scholen zum Feuer anzünden und für den Stubenofen (meist einen vom Herd aus zu beschickenden, in der Stube keine Öffnung zeigenden eisernen „Beilieger“) verwendet. Die Didden brennen langsam und geben viel Wärme.

Carl Ludwig Jessen, Gemälde, Mutter, Tochter,
Mutter und Tochter. Carl Ludwig Jessen.

Außerdem gibt es noch eine fünfte Form von Heizmaterial: Die Schafe sind Sommer und Winter auf der Weide; nur zur Zeit des Lammens und im Winter bei besonders schlechtem Wetter werden sie in den Stall gebracht; dort stehen sie in einem Verschlag (friesisch Höke) auf den mit (sonst unbrauchbarem) Heu bestreuten Dielen; der hier sich ergebende Dung wird auf dem Werftland den ganzen Winter über in einen großen Haufen zusammengeworfen, im Frühjahr lose auf die Werft gestreut und getrocknet; die so entstehende lose, bröckelige Masse wird friesisch Mood, pl. Schmoll genannt 6) und ebenfalls im Ögling aufbewahrt, und zwar wird er zuerst zur Ausfüllung der Spitze des Winkels zwischen Dach und Boden eingestopft, davor werden die Didden gebaut, und vor die Didden kommt das Heu.

Man sieht, wie peinlich Material, Zeit und Raum ausgenutzt werden; der kostbare, von Anfang April bis 12. Mai produzierte Stoff kann nur dadurch voll zur Verwertung gelangen, daß die dünne, rasch austrocknende Form der Scholen erfunden wurde, die andererseits wieder einem speziellem Bedürfnis des Haushalts angepaßt ist. Ebenso durchdacht ist die aufs äußerste getriebene Raumausnutzung.

Der Herd (friesisch Her-Ste, plattdeutsch Füer-herd) stößt mit seiner Rückseite an die Küche und Stube trennende Wand, in der über der Herdplatte auch die Öffnung zur Beschickung des Stubenofens ist. Durch seitlich vom Herd angebrachte, in die Küche vorspringende Vorbauten — auf der einen Seite das oben erwähnte Diddenloch, auf der anderen das von der Stube aus zugängliche Wandbett — wird bewirkt, daß auch die Schmalseiten des Herdes nicht frei liegen, sondern daß er als eine von drei Seiten ummauerte, oben in den Schornstein endigende Nische sich präsentiert.

In etwa 3/4 m Höhe über der Herdplatte läuft eine Querstange (Skor-stian-balk, früher Holz, jetzt Eisen); von ihr hängt senkrecht ein gezähnter Eisenstab (Schnock) zum Einhängen von Kesseln. Die Herdplatte hat zwei bis drei viereckige Feuerlöcher (friesisch ial-loch, plattdeutsch Füerloch). Das Herdfeuer erlischt nie.

Nach Beendigung des Kochens wird die glühende Didde mit einer neuen Didde, dann mit Asche bedeckt (man nennt das ial raken, friesisch). Im Winter wird dies langsam glühende Feuer über Nacht in den vom Herd bequem zugänglichen Stubenofen geschoben und so zugleich die Stube nachts gelinde erwärmt. Im Sommer wird es entweder aus dem Feuerloch auf die Herdplatte gebracht, damit nicht infolge starker Luftzufuhr durch das sogleich zu erwähnende Aschloch die Verbrennung unerwünscht rasch werde, oder, wenn das Aschloch genügend durch Asche verstopft war, im Feuerloch belassen 7).

Das Aschloch (friesisch Esk-loch) geht von der Vorderwand des Herdes aus unter der Herdplatte durch bis unter den den Boden des Feuerloches bildenden Rost; aus ihm wird die Asche mit Schaufel entfernt. Wird zum Kochen wieder starkes Feuer gebraucht, so wird das Feuer- und Aschloch gereinigt, die langsam glühende Didde auf den Rost gelegt, eine „Schöle“ darüber und nun mittels eines an der Mündung des Aschloches bewegten Fächers helle Glut angefacht. Dieser Fächer heißt friesisch Weiher (= Weher) und besteht aus Gänsefedern, die mittels zweier Doppelquerhölzer an einem hölzernen Stiel befestigt sind. Für große, am „Schnok“ hängende Kessel wird mitunter in der Mitte auf der Herdplatte Feuer gemacht; über den Feuerlöchern stehen die Gefäße auf einem Dreifuß (Tre- Stape).

Die untere Hälfte des Herdes dient als Backofen (friesisch Öwen), der durch eine vor dem Herd befindliche, für gewöhnlich mit einem Brett bedeckte Vertiefung bequemer zugänglich gemacht ist. An der Wand der Herdnische hingen früher stets die jetzt fast verschwundenen „Schwefelsticken“ (friesisch Swavel-stooke 8) in einer Blechbüchse oder nur von Band zusammengehalten; bleistiftlange, stark zündholzdicke, selbstverfertigte, an beiden Enden in geschmolzenen Schwefel getauchte Hölzchen.

Zum Schmelzen des Schwefels hatte jedes Haus einen besonderen irdenen Topf (Swavel-Pönk); ihr Zweck war nicht Feuererzeugung; sie wurden an die Herdglut gehalten, entzündeten sich und dienten zum Anzünden von Kerze, Lampe, Pfeife, auch zum Entnehmen des Feuers von dem durch Stahl und Stein ins Glimmen gebrachten Schwamm wurden sie benutzt. Bei größeren Gesellschaften, wie Kindtaufen u. dgl., stand auf dem Tisch ein „Feuerfaß“ (ialpukis), d. h. ein kleines Messingbecken, etwa 8 cm im Durchmesser, mit drei Füßchen und einem Holzstiel, darin glühende Torfkohlen (Didden verbrennen zu rasch); die Pfeife wurde nun entweder mittels Swavelstoken hieran entzündet, oder man nahm mit einer besondern, oft reich verzierten Zange, ähnlich einer Zuckerzange, eine glühende Kohle heraus und legte sie auf den Tabak, bis dieser brannte.

Die Anlage der Herde, wie der ganzen Häuser ist auf dem hier besprochenen Gebiet ziemlich streng gleichförmig.

Endlich sei noch erwähnt, daß schon zu Plinius‘ Zeiten eine ähnliche Wirtschaftsform an den Küsten der Nordsee vereinzelt geherrscht zu haben scheint; er erzählt lib. XVI, 1, daß die gentes Chaucorum (an Elbe- und Wesermündung?) auf Werften wohnen und Mist brennen: Illic misera gens tumulos obtinet altos, ut tribunalia structa manibus …. captum manibus lutum Sole siccant usw. Damals dürften allerdings die Halligen in ihrer jetzigen Form kaum existiert haben.
Was die Verwendung des Mistes zum Brennen anlangt, so scheinen auch die alten Peruaner den Kot ihrer Haustiere, der Lamas, nur als Brennstoff geschätzt zu haben 9); im holzarmen Ägypten ist dies mit dem Kameldünger noch heute der Fall.

1) Die Angaben und Dialektausdrücke beziehen sich auf die Hallig Langeneß; doch bestehen dieselben Verhältnisse und Namen mit geringen Abweichungen auch auf den anderen Halligen.
2) Bezüglich der Schafe siehe unten; männliche Rinder werden alle im zweiten Jahre verkauft; es existiert nur ein Bulle.
3) Das Kneten mit Stiefeln soll keine so homogene, zusammenhaltende Masse liefern. Am besten sollen Strümpfe, eventuell mit Lappen umwickelt, sein.
4) Friesisch Dee; plattdeutsch Didden; ganz alte Leute kennen für Dee-Praker den Ausdruck Bäli-Skafel.
5) Niocks, friesisch = Schmutz; z. B.: Du bist niochsig; Skepe-lörte, friesisch = Schafmist.
6) Vgl. oben den Abfall der Didden = Schmoll; die Torfabfälle nennt man auf Föhr iad-schmoll (iad = Torf).
7) Auf Föhr wurde früher der nach Beendigung des Kochens noch glühende Torf vom Herd in einen irdenen Topf mit gut schließendem Deckel (friesisch Dof-Pot, platt¬ deutsch Demp-Ton = Dämpftonne) gebracht, wo die Glut bald erstickte und der Torf unverbrannt späterem Gebrauch erhalten blieb.
8) Vgl. Naturwiss. Wochenschrift, 1905, Nr. 19. 9) Schurtz, Urgeschichte der Kultur.

Quelle:

  • Globus; illustrierte Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde. Braunschweig, [etc.] F. Vieweg und Sohn, 1862.
  • Das Meer; geographische, naturgeschichtliche und volkswirtschaftliche Darstellung des Meeres und seiner Bedeutung in der Gegenwart von Josef Wiese. Berlin, A. Schall, 1906.
illustration, blumentopf,

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