Inhalt:

Rolle der Kleidung im 18. Jahrh. — Der französische Einfluß — Friedrich Wilhelm I. im Kampf gegen die französische Mode — Der Herrenanzug und seine Kostspieligkeit — Graf Brühl und seine Garderobe — Die bunten Farben — Vordringen der englischen Kleidung — Das Werther-Kostüm — Die Hofuniformen — Der Schlafrock — Studenten — Die Damenmode — Der Reifrock — Trousseaux — Die Adrienne — Reformversuche — Allonge -Perücke und Fontange — Herren als Damen, Damen als Herren — Die Perücke — Der Puder — Der Bart — Einfluß der Frommen — Friedr. Nicolai über die Ulmer Trachten — Volkstrachten — Straßburg i. Eis. — Trauer — Johanna Schopenhauer über ihr erstes Ballkleid — Knabenanzüge.

Tracht, Barock, Nürnberg, Magd, Hochzeit
Nürnberg 18. Jh. Eine Magd die zur Hochzeit dient.

Die Mode in Deutschland im 18. Jahrhundert.

von Max von Boehn, 1922.

Im 18. Jahrhundert spielte die Kleidung eine ganz andere Rolle als im neunzehnten. Man erkennt das schon daran, daß wer immer seine Erinnerungen aufzeichnete, dem Kapitel seines Anzuges einen breiten Raum einräumt, heiße er nun Goethe oder Jung-Stilling, Edelmann oder Schlözer, Büsching oder Strombeck. Jeder von ihnen spricht gern von den Stoffen und Farben, die er getragen, von den Schnitten, die er gewählt, und gefällt sich noch nach langen Jahren in Gedanken an der Mode seiner Jugend.

Wer die Memoirenliteratur des 19. Jahrhunderts kennt, weiß, daß das ganz aufhört, und daß in den Erinnerungen, die in dieser Zeit verfaßt wurden, die Kleidung gar keine Rolle mehr spielt. Das hängt natürlich damit zusammen, daß sie im Laufe der Zeit einen so veränderten Charakter annahm. Im 18. Jahrh. erreicht der Anzug beider Geschlechter in der Zusammensetzung und Verwendung der Stoffe, der Wahl der Farben und im Ausputz ein Vollendung, wie sie in ähnlicher Verfeinerung nur noch das Kunstgewerbe der gleichen Zeit aufzuweisen hat. Man darf mit Recht sagen, daß die Bekleidungskunst in dieser Zeit einen Hochstand von Kunst und Geschmack einnahm, von dem es allerdings nur einen Abstieg und keinen weiteren Aufstieg mehr geben konnte.

Als das 18. Jahrh. begann, stand das ganze Gebiet der Kleidung schon seit etwa zwei Menschenaltern unter dem Einfluß Frankreichs, von dem es sich ja auch bis auf den heutigen Tag nicht völlig emanzipiert hat. Der Hof Ludwig XIV., an dem alles zusammen kam, was die französische Monarchie an Geist, Schönheit, Talent, Vornehmheit besaß und diese Gaben in den glänzendsten äußeren Formen an den Tag legte, war; es ist ja schon oft betont worden, das Muster, das man überall und nicht nur in Deutschland nachahmte. Da sich Äußerlichkeiten sehr viel leichter kopieren lassen als innere Vorzüge oder geistige Bedeutung, so lief diese Nachahmung in erster Linie darauf hinaus, den Franzosen die Art ihrer Kleidung abzusehen.

Die gute Gesellschaft kleidete sich auch in Deutschland nach der Pariser Mode, und die weniger gute suchte es ihr gleichzutun, so daß im Laufe des Jahrhunderts die Unterschiede ganz verschwinden, die bis dahin etwa noch unter den verschiedenen Ständen und Landschaften geherrscht hatten. Diese Bewegung erfolgt automatisch und setzt sich durch, trotz mannigfacher Widerstände, die sie findet.

Der Kaiserhof in Wien versuchte am längsten, dem französischen Einfluß zu widerstehen und hielt wenigstens in der männlichen Kleidung an dem spanischen Kostüm fest, aber diese Opposition, der politische Feindschaft zugrunde lag, beschränkte sich doch auf einen sehr kleinen Kreis, denn sie reichte nicht über die engsten Hofzirkel hinaus und erstreckte sich von vornherein nicht auf die Frauenkleidung. „Die Kleider“, schreibt Küchelbäcker aus Wien, „müssen so viel als möglich à la française gemacht werden“ und länger als ein halbes Jahrhundert darauf notiert Riesbeck: „Die französischen Moden herrschen in Wien despotisch. Periodisch werden die Puppen aus Paris hierher geschickt und dienen den hiesigen Damen zum Muster ihrer Kleidung und ihres Haarputzes.“

Kein anderer Monarch hat sich so viel Mühe gegeben, seinen Untertanen die französischen Moden zu verleiden, wie Friedrich Wilhelm I., aber es ist ihm nicht gelungen, trotzdem er sich nicht auf bloße Verbote beschränkte, sondern es psycholoisch sogar ganz raffiniert auf eine Verächtlichmachung dieser Kleidung ablegte. Den Offizieren war bei Strafe der Kassation 1) untersagt, außer Dienst etwas anderes als Uniform zu tragen.

1) Bedingungslose Entlassung von Beamten aus dem Staats,- oder Militärdienst.

Einmal sollte diese Maßregel verhindern, daß die Wohlhabenden gestickte Kleider nach der Mode anlegten, und dann sollte sie bewirken, daß die schlichte Uniform eines Standes, den der König vor allen andern ehrte und bevorzugte, köstlicher erschien als selbst der eleganteste moderne Anzug. Bei einer Parade, die in Berlin in Gegenwart des französischen Gesandten und seines Gefolges stattfand, erschienen die Regimentsprotosen denen die körperliche Abstrafung der Soldaten oblag, und die aus diesem Grunde ebenso gehaßt wie verachtet waren, in Kleidern nach dem allerneuesten Pariser Schnitt. Als Friedrich Wilhelm I. nach Frankfurt a. O. kam, um seinen Hofnarren Morgenstern mit den Professoren der dortigen Universität disputieren zu lassen, „da bestunde“, nach der Schilderung von J. J. Moser, „Morgensterns Habit aus lauter Kleidungsstücken, die der König nicht leiden konnte und dadurch verächtlich machen wollte, nämlich ein gesticktes großes blausamtenes Kleid mit sehr großen roten Aufschlägen und einer roten Weste, samt einer großen Perücke die über den ganzen Rücken hinab hing; die Stickerei an den Knopflöchern, Taschen, Hosen und Zwickeln bestand aus lauter silbernen Hasen; statt des Degens hatte er einen Fuchsschwanz an und auf dem Hut statt der Federn Hasen-Haar.“

Den Geistlichen der französischen Kolonie verbot der König, gepuderte Perücken und seidene Strümpfe zu tragen, und trotz alledem konnte er nicht einmal erreichen, daß sein eigener Sohn auf die Pariser Mode Verzicht tat. Der Kronprinz erschien doch in französischer Kleidung, so daß der erzürnte Vater ihn nach dem verunglückten Fluchtversuch vom Sommer 1730 ganz exemplarisch zu strafen suchte. „Der König“, berichtet der englische Gesandte Guy Dickens am 18. November nach London, „hat dem Prinzen zwei Anzüge geschickt, den einen von grauem, den andern von braunem Tuch, ganz nach französischer Weise zugeschnitten. Dies geschah, um den Prinzen an seine beabsichtigte Flucht nach Frankreich zu erinnern, wodurch er sich unwürdig gemacht habe, die Kleidung eines preußischen Offiziers zu tragen.“

Ein halbes Jahr später weiß er nach Haus zu schreiben: „Nach dem ersten Wiedersehn in Sonnen burg am 18. August 1731 ließ ihm der König ein blaues Kleid nach preußischer Weise machen, welcher Umstand mir von angesehenen Personen als ein nicht geringer Beweis angeführt wird, daß die Aussöhnung aufrichtig ist.“ Friedrich Wilhehn I. persönlich trug immer Uniform, und wenn ein solches Beispiel, von der allerhöchsten Stelle aus gegeben, doch nicht wirkt, so spricht das für die Gewalt der Mode, die kein Verbot, kein grobes und kein feines, in ihrem Bereich zu hindern imstande ist.

Der Anzug der Herren war schon unter Ludwig XIV. sehr reich gewesen, er wird seit dem Tode des Monarchen noch kostbarer. Der Rock, den man bis dahin geschlossen getragen hatte, öffnet sich nun über einer langschößigen Weste, die er ihrer gazen Länge nach sehen läßt. Beide Kleidungsstücke werden reich bestickt. Die Hose schließt unter dem Knie, der Rockärmel erhält am Ellbogen einen breiten Aufschlag, der das in Spitzenmanschetten endigende Hemd sehen läßt. Dabei farbenfreudig. Bielefeld sieht Kronprinz Friedrich auf einem Ball in Rheinsberg „in einem Seladon grünen (Meergrün) seidenen Anzug mit breiten silbernen Brandebourgs und Quasten besetzt, die Weste von Silbermoor und reich gestickt“.

In einer Rechnung, die der Schneider Langner 1740 König Friedrich II. überreicht, erscheint der Arbeitslohn eines Rockes mit zehn Talern, der Stoff mit 20 Talern, der Besatz mit silbernen Marlytressen 2) dagegen mit 85 Talern. Der Silbersticker Jean Pally berechnete dem König für die in Silber ausgeführte Stickerei eines blauen Rockes und einer ebensolchen Weste 1000 Taler, eine Summe, die man doch, um auf den Friedenswert der Mark zu kommen mit etwa 4-5 multiplizieren müßte.

2) Marlytressen, heißt man eine Gattung durchsichtiger golddener und silberner Borten

In der Garderobe des Ministers Frhr. von Bülow befanden sich 1734 unter anderem ein Purpurkleid mit Silber bestickt und taffetne Weste dazu, ein kaffeebraunes Kleid mit goldenen Troddeln, ein olivfarbenes Kleid ganz mit Silber gestickt. Für die bloße Stickerei eines seiner Kleider (man sprach immer, auch bei Herrenanzügen von „Kleid“) hatte Herr von Bülow 180 Taler gezahlt, für eine einzelne Prachtweste 70 Taler.

Der Hofrat Frhr. von Seckendorff machte 1736 im Frankfurter Intelligenzblatt bekannt, daß ihm auf der Reise von Bonn nach Berlin bei Alsfeld ein Koffer vom Wagen gestohlen worden sei, der außer vielen Dukaten auch enthalten habe: „Ein ganzes schwarz samtenes Kleid, Rock, Kamisol und Hosen, der Rock mit rotem Plock-Samt, die Weste mit weissem Taffet gefüttert; Rock und Hosen von braunem geschnittenem Samt mit blauem Flock-Samt gefüttert, dazu Weste von blauem Altas, reich mit Silber charnamiret.“

An den Kurfürsten von Trier rühmt Frhr. Boos von Waldeck ihre „saubere Kleidung“. Graf Franz Georg von Schönborn bevorzugte schwarz und violett, „mit gleicher Farbe von Seide prächtig gestickt“, Graf Johann Philipp von Walderdorff „trug ganz in Gold gewirckte samtene und mit Gold gestickte tuchene Kleidung, dazu Spitzen-Manschetten, von denen das Paar 30, 40, 60 Carolin 3) gekostet.“ Unübertroffen in der Sorgfalt, die er seiner Toilette widmete, war Graf Brühl, der sächsische Minister. Er besaß, wie die Zeitgenossen berichten, 300 vollständige Anzüge, und zwar jeden doppelt, „weil er“ sich allemal nach dem Essen umkleidete und doch nicht in einem vom Vormittagskleid verschiedenen Anzug erscheinen wollte“.

3) Der Carolin (auch Karlin oder Karolin) war der Name von verschiedenen Goldmünzen.

Diese Kleider füllten zwei große Säle seines Palais. Zu jedem Anzug hatte er besondere Uhr, Dose, spanisches Rohr und Degen. Die Kleider waren en miniature in einem Buch abgebildet, welches vom Kammerdiener „Sr. Erlauchten Excellenz“ jeden Morgen zur Auswahl vorgelegt wurde.

Als die Preußen im siebenjährigen Krieg nach Dresden kamen, fanden sie im Brühlschen Palais außer dem Kleidermagazin 200 Paar Schuhe, 800 reiche Schlafröcke und 1500 Perücken. Friedrich der Große äußerte: „Wieviel Perücken für einen Menschen, der keinen Kopf hat!“

Die Aufzeichnung der Hinterlassenschaft Brühls führt unter dem Kleidervorrat der über 50000 Taler taxiert wird, auf: „500 Kleider, als: 198 gestickte Kleider, 121 chamarierte Kleider, 61 reiche, 40 seidene, }4 samtene, 24 Trauer- und 23 ordinäre Kleider. Dazu: 3O Hüte, 139 Hutfedern, 47 Pelze, 17 Müffe.“ Die Spezifikation führt ferner auf für „über 20000 Taler Wäsche und Spitzen“. Dazu: 102 Uhren, 843 Tabatieren und für über 200 Taler Schnupftaback, 75 Degen und Hirschfänger“ – ferner finden sich noch 29 spanische Röhre, 55 Etuis, 30 Schreibtafeln, 87 Ringe, 67 Riechfläschchen und ein Vorrat von 238 Flaschen ungarisches, wohlriechendes Wasser“.

Graf Brühl bezeichnet einen Gipfel der Mode; als er 1763 starb, befand sie sich bereits auf dem Wege zu größerer Einfachheit. In Frankreich wurde aus dem weiten Schoßrock, der so nahe Berührungspunkte mit dem Reifrock der Damen hat, der enge Frack, und aus der weiten und langen Weste das kurze Gilet. Die Stickerei wird sehr bescheiden: verziert, wenn sie überhaupt noch auftritt, nur noch die Ränder, oder beschränkt sich auf die Weste und läßt sich an dem Besatz mit Tressen genügen. Die Freude an der Farbe bleibt ihr.

Karl Friedr. Bahrdt läßt sich zu der Reklamereise, die er im Interesse seines Erziehungsinstitutes nach Holland und England an tritt, in Frankfurt a. M. „ein Kleid von schönem violettem Samt, mit Mantuaner Taft gefüttert“, machen, Goethe tritt auf dem Weimarer Liebhabertheater als „Belcour in den Westindiern“ im weißen Frack mit silbernen Tressen, blauseidener Weste und Beinkleidern auf, und Franz X. Bronner, dem aus seinem Kloster entflohenen Mönch, schenkt Junker Reinhard 1785 in Zürich einen Anzug von weißem Tuch mit rosenrotem Taft gefüttert und mit Stahlknöpfen geziert.

Unverlöschlich hatte sich Johanna Schopenhauer das Bild des kleinen alten Buchhalters ihres Vaters eingeprägt, der gewöhnlich in grasgrün mit goldbesponnenen Knopflöchern, an hohen Festtagen aber in Scharlachrot gekleidet einherging. „Mein Hauslehrer im hochroten Rock mit silberbesponnenen Knöpfen“, schreibt Scheffner, „schien mir der Satan“.

Rot galt eigentlich für eine Farbe, die mehr oder weniger den höheren Ständen vorbehalten war, in Berlin war 1710 bei Hofe das Purpurviolett verboten und nur für König und Königin reserviert worden. Scheffner spricht von einem seiner Kommilitonen „in dem sehr ungewöhnlichen Staat einer roten Weste mit Silber“; bei den wandernden Schauspieltruppen war die rote Weste durch ein stillschweigendes Übereinkommen dem Direktor vorbehalten, und als ein 23 Jahre alter Primaner Steinmüller 1751 in Chemnitz einen elfjährigen Mitschüler ermordet hatte, hieß es in der Stadt, von dem habe man sich freilich keines Guten versehen können, denn er habe eine scharlachrote Weste getragen, was sich für einen Kurrendschüler (Kinderchor) nicht schicke.

Die französische Mode wird schlichter, aber sie verliert in diesen Jahren ihren Einfluß an die englische, dadurch wird der Schnitt einfacher, der Stoff weniger kostbar, und auf Stickerei und Besatz wird ganz verzichtet. Als der preußische Gesandte von Cocceji 1760 aus England zurückkam, kaufte ihm die Prinzessin von Preußen den schwarzen Tuchrock ab, den er sich in London hatte machen lassen und spielte ihn in einer Lotterie unter den Herren des Hofes aus. Graf Lehndorff, Kammerherr der Königin, bedauert sehr, ihn nicht gewonnen zu haben.

Der englische Anzug war bequem, wetterfest, und wenn er in der Anschaffung nicht billiger war als der französische, so hielt er dafür weit länger vor. Dieser Anzug erlangte in Deutschland eine gewisse Berühmtheit, so hatte sich ja der junge Jerusalem, das Urbild des Werther, in Wetzlar gekleidet. „Seine Kleidung“, schreibt Goethe, als er in Wahrheit und Dichtung auf ihn zu sprechen kommt, „war die unter den Niederdeutschen in Nachahmung der Engländer hergebrachte: blauer Frack, ledergelbe Weste und Unterkleider und Stiefeln mit braunen Stulpen.“ In seinem berühmten Roman hat er ihn dann verewigt. „Es hat schwer gehalten“, so schreibt Goethes Held, „bis ich mich entschloß, meinen blauen einfachen Frack, in dem ich mit Lotte zum ersten Male tanzte, abzulegen. Auch habe ich mir einen machen lassen, ganz wie den vorigen, Kragen und Aufschlag und auch wieder so gelbe Weste und Beinkleid dazu.“ Wenn er dann in seinem Abschiedsbrief sagt: „In diesen Kleidern, Lotte, will ich begraben sein“, so war das für das empfindsame Geschlecht von damals Grund genug, sich ebenso anziehen zu wollen, umso mehr, als der jugendliche Dichter sich ja selbst so kleidete.

„Goethe hatte noch die Werther Montur an“, schreibt Knebel, als er von des Dichters Ankunft in Weimar berichtet, „und alle Welt mußte bald im Werther-Frack gehen, in welchen sich auch der Herzog kleidete, und wer sich keinen leisten konnte, dem ließ der Herzog einen machen.“ Es handelte sich in der Tat um eine Montur der Jugend. Als Lauckhardt 1775 die Universität Gießen bezog, kleidete er sich sofort wie die übrigen Studenten: blauer Flausch mit rotem Kragen und Aufschlägen und lederne Beinkleider, die nie gewaschen werden. „Mein Bruder und Ernst Schleiermacher“, schreibt Agnes Klinger am 19. Mai 1776 an Christian Kayser, „sind Lenz entgegen geritten. Nun, lieber Bruder, will ich Ihnen auch sagen, wie die Jungen gekleidet waren. Einer wie der andere, so weit geht ihre Gleichheit, daß sie sogar einerlei Stöcke und und Schnallen haben. Sie machten in Frankfurt groß Aufsehens, jeder Kerl blich stehen und gafft sie an. Als sie Lenz entgegen ritten, hatten sie ihre blauen Fräcke und gelben Westen an, weisse Hütte mit gelben Bändern, und so sind sie Lenz in der Stadt vor der Kutsche her ritten.“

Der Schnitt war ebenso wichtig wie die Farbe; als der Maler Reinhart nach Meiningen kam, wo ihn die Freundschaft des Herzogs fesselte, trug er eine lange grüne Tuchjacke, weiße Pikeeweste und weißlederne Beinkleider, Stiefel mit gelben Umschlägen, kein Halstuch, sondern den Hemdkragen nur mit einem blauseidenen Bändchen geschlossen, die stark behaarte Brust dagegen offen.

Die englische Mode griff so rasch um sich, daß die ältere Generation, die allein den französischen Anzug, das „habit habille“ mit Schuhen und Strümpfen für schicklich hielt, in Aufregung geriet, und in Wien schon 1786 Vorschläge laut wurden, um der Nivellierung
der Stände entgegenzutreten. Sie sollten sich nicht nur durch goldene und silberne Borten unterscheiden, sondern auch durch den übrigen Ausputz: Fürsten hätten auf dem Hut weiße und schwarze Federn, Grafen weiße, Freiherren weiße und rote zu tragen, Vorschläge, die auch in Deutschland ein Echo fanden, aber niemals in der Praxis verwirklicht worden sind.
Im Gegenteil, der englische Anzug fand so viele und so hochstehende Freunde, daß er gar nicht mehr zu verdrängen war; wunderte sich der Reisende Björnstahl doch schon 1774, dem Herzog von Nassau in Biebrich „ganz bürgerlich gekleidet und ohne Degen“ zu begegnen, was ihm die Offiziere nachmachen, „da der Prinz sie dieser Etikette entlassen“.

Es war doch mancherlei zusammengekommen, um den Herren die französische Modekleidung einigermaßen zu verleiden. Vor allem die Kostspieligkeit. Samt und Seide, Gold und Silber, Stickereien und Tressen beanspruchten Ausgaben, die manchen eitlen Mann ruiniert haben, ganz abgesehen davon, daß sie auch im Tragen sehr teuer waren, da sie der Witterung nicht widerstanden. In Schuhen und seidenen Strümpfen konnte man nicht bei jedem Wetter zu Fuß ausgehen, während Tuchstoffe und hohe Lederstiefel den Träger von jeder Rücksicht auf Sonnenschein und Regen befreiten. Die hohen Kosten hatten schon lange dazu geführt, daß die Höfe, die besondere Ansprüche an das häufige Erscheinen der Kavaliere machten, eine Uniform einführten, die den Herren wenigstens die grossen Kosten eines häufigen Wechsels ersparten. So führte Maria Theresia für Laxenburg rote Fracks mit grünen Westen ein, beide mit goldenen Tressen besetzt, eine Uniform, welche die Hofleute auch tragen durften, wenn sie die Herrschaft auf Reisen begleiteten. Diesem Beispiel ist man an den Höfen in Dresden, München und anderswo sehr zur Erleichterung der Beteiligten gefolgt. Dieser Gebrauch förderte seinerseits wieder die Sitte des Uniformtragens überhaupt.

Friedrich Wilhelm I. war der erste Monarch nicht nur Deutschlands sondern ganz Europas. der immer in Uniform einherging, ein Beispiel, dem sein großer Sohn folgte. Josef II. ahmte das von Preußen gegebene Muster nach und schaffte, kaum daß er seinem Vater als Kaiser gefolgt war, das sogenannte spanische Mantelkleid am Wiener Hofe ab. Von diesem Zeitpunkt an trugen er und die Erzherzoge bei allen Gelegenheiten eben falls die Uniformen ihrer Regimenter, was bis dahin ganz unerhört war, und die Zaunkönige im Reich taten desgleichen. So sah Just. Kerner als Knabe noch den gefürchteten Herzog Karl Eugen in kirschrotem Rock, gelber Weste und Beinkleidern mit hohen Stiefeln, dazu gepuderte Frisur mit Zöpfchen.

Da die Herrenkleidung so überaus kostspielig war, mußte sie von denen, die nicht über große Mittel verfügten, sehr geschont werden. So kam der Schlafrock zu Ehren, und nicht nur im stillen Kämmerlein. Die alten Herren aus Goethes Verwandtschaft und Bekanntschaft zeigten sich selten anders, „der Großvater Textor trug immer einen Talar ähnlichen Schlafrock und auf dem Kopf eine faltige schwarze Samtmütze“. Hofrath Hüsgen trug auf einem kahlen Haupt immer eine ganz weiße Glockenmütze, oben mit einem Bande gebunden, seine Schlafröcke von Kalmank oder Damast waren durchaus sehr sauber“. Auch Strombeck sah seinen Großvater Häseler in Braunschweig nicht anders als im Hausrock von dunkelblauem Samt“. Unter den Kleidungsstücken, die 1736 Herrn von Seckendorff gestohlen wurden, war auch ein Schlafrock von rotem Damast mit weißem Pelz gefüttert, und was Graf Brühl für einen Vorrat von Schlafröcken besaß, ist schon erwähnt worden.

Man empfing auch Besuche darin. So traf Goethe den alten Gottsched in einem Schlafrock von grünem Damast, der mittem Taffet gefüttert war, und der Geh. Rat Klotz in Halle, dem Lessing zu einem so wenig beneidenswerten Nachruhm verhalf, empfing die Visite G. A. von Halems im eleganten seidenen Schlafrock. Aus Lässigkeit, Bequemlichkeit oder Sparsamkeit ließen sich die jungen Leute oft sehr gehen; in Frankfurt a. O. gingen die Studenten in Schlafrock und Pantoffeln spazieren, und der Markgraf von Bayreuth mußte den Erlanger Studiosis 1781 eine „den Gesetzen der Natur und des Wohlanstandes angemessene Kleidung“ empfehlen. „Sie sollten nicht mit einem beinahe auf Art der Nation der Wilden entblößten Körper zu offenbarem Skandal umherlaufen.“

Die Damenmode blieb in Bezug auf den Luxus nicht hinter der der Herren zurück und folgte ebenso sklavisch wie sie den Vorschriften, die in Paris erlassen wurden. Sie ist ein Spiegelbild der französischen Mode, gesehen in einem Glas, welches das Original verzerrt. Alle Nuancen stärker betont, als es notwendig wäre, und daher etwas übertrieben. So schildert schon Lady Mary Wortley Montague die Wienerinnen: „Ihre Fischbein-Röcke übertreffen an Umfang die unseren um mehrere Ellen“; Riesbeck schreibt aus München, „man kleidet sich französisch oder glaubt es wenigstens“, und Nikolai bemerkt in Stuttgart „das Frauenzimmer ist französisch gekleidet, doch eben nicht nach der neuesten Mode“.

Der Reifrock bestimmte fast das ganze Jahrhundert hindurch den Umriß der weiblichen Gestalt, und wenn er auch seine Form wechselte, ganz gewichen ist er selbst da nicht, als er aus der Tagesmode verschwand, an den Höfen blieb er dann noch das Kostüm der großen Gala. Von der Rundung ausgehend, nahm er bald jene seltsame Form an, die man Panier nannte, vorn und rückwärts flach, an bei den Seiten aber die Trägerin so weit überragend, daß der Herr, der die Dame führte, nicht neben ihr gehen konnte, sondern einen Schritt voraus sein mußte. Dieser breite Reifrock hatte auch sonst allerlei Unbequemlichkeiten, so konnten die Damen nicht gerade durch eine Tür, sondern mußten seitwärts durch lavieren, wie eine Fregatte im Sturm. Wenn die Herzogin Anna Amalia in Weimar spazieren fuhr, erinnerte sich ihr Kammerjunker von Lyncker, so ragte ihr Reifrock auf beiden Seiten weit zu den Fenstern des Wagens hinaus. Die Damen beanspruchten manchmal mehr Raum, als vorhanden war, und so wurde in Berlin bei großen Festlichkeiten „in runder Robe ohne Reifrock“ zu Hofe gebeten. So setzt sich neben dem Panier zum großen Putz ein kleinerer runder Reifrock durch, über einem Gestell getragen, das man Consideration (Cul de Paris oder Tournure) nannte. Als Maß ihres Panier gibt Prinzessin Heinrich 1769 41/2 Berliner Ellen an, „aber“, fügte sie hinzu, „für die große Robe ist er umfangreicher.“ Diese beiden Hauptformen bestanden nebeneinander, die eine für die große Toilette, die andere zum täglichen Gebrauch.

Auf vielen Bildern der Zeit sieht man beide gleichzeitig dargestellt, z. B. auf den reizend staffierten Wiener Ansichten von Janscha und Schütz. Der Reifrock besaß als größten Vorzug die Eigenschaft, daß er Gelegenheit zur Schaustellung schöner Stoffe bot und daß er Platz für reiche Garnituren ließ. Die Stoffe, die man am meisten liebte, waren gemusterte Seiden, Damast, Brokat, Moire in einer Schönheit der Muster und der Farben, von denen die Bildnisse jener Jahre noch eine Vorstellung erlauben. Von dem weiten Reifrock setzte der Oberkörper mit einer Wespentaille ab, in ein Korsett eingezwängt, dessen eiserne Stäbe sehr stark und spitz nach unten schnürten.

Es muß ein Marterinstrument gewesen sein, umso mehr, weil man die Mädchen schon in zartester Jugend hineinzwängte. Strombeck prägte sich unauslöschlich die Erinnerung an eine kleine Spielgefährtin ein, neben der er in der Anfangsschule gesessen hatte. Sie weinte bitterlich und gestand auf Befragen nach dem Grunde: weil die Schnürbrust sie so drücke. Darauf ruft die Lehrerin sie vor sich und schnürt sie so eng, daß sie sie mit den Händen umspannen kann.

Die Toilette der Dame war äußerst kostspielig, da die Stoffe teuer waren und man sehr viel davon brauchte. Frau von Bülow, geb. von Arnim, besaß 1734 ein Taftkleid mit eingewebten Jonquillen, für das sie 40 Reichstaler, also nach dem Vorkriegswert der Mark etwa 600 Mark bezahlt hatte. So sind denn selbst die Trousseaux der Prinzessinnen nicht gerade sehr umfangreich.

Die Markgräfin Friederike Sophie von Bayreuth, die 1748 den Herzog Karl Eugen von Württemberg heiratete, erhielt nur 5 reiche Roben, sechs Hauskleider, einen Brautschlumperrock und zwei mit Brabanter Spitzen besetzte Negligés. 21 Jahre darauf vermählte die Landgräfin Karoline von Hessen ihre Tochter an den Prinzen von Preußen und erkundigte sich bei der Prinzessin Heinrich nach den Notwendigkeiten der Ausstattung. „Vier reiche Kleider über dem großen Reifrock, drei reiche über dem runden, zwei oder drei weniger reiche werden genügen“, antwortete ihr diese, „wenn sie noch vier oder fünf über der Tournure erhält, so kann sie sie im Hause anziehen“.

Erzherzoginnen machen natürlich eine Ausnahme. Erzherzogin Josefa, die 1767 den König von Neapel heiraten sollte, bekam einen Trousseau, für den man in Paris 200.000 Fl. ausgegeben hatte: 99 Kleider, alle aus reichen Stoffen, mit Gold und Silber durchwirkt. Die Ausstattung wurde im Belvedere zur Schau gestellt, aber sie war nach Khevenhüller „ohne Gusto und nicht wohl assortiert. Die Wäsche so übel geraten, daß man selbe gar nicht sehen lassen und daher meistens neu machen müssen.“ Mme. de Borde, die sie in Paris besorgt hatte, war eben nach französischem Geschmack verfahren: außen hui, innen pfui.

Bei Verlobungsfeiern scheint rosa sehr beliebt gewesen zu sein. Als die Gräfin Josefa Khevenhüller sich 1748 mit dem Grafen Herberstein verlobte, trägt sie rosa mit Silber und der Bräutigam zu einem braunseidenen Anzug eine rosa mit Silber gestickte Weste; Erzherzogin Marie Christine 1766 rosa Seide, über und über mit Brüsseler Spitzen besetzt. Für die Hochzeit setzt sich nur allmählich Weiß oder Silber durch, im allgemeinen trugen die Bräute sich bei dieser Gelegenheit zwar so schön geputzt, wie sie nur irgend konnten, aber durchaus nicht notwendig weiß. Erzherzogin Marie Christine legte zur Trauung weißen ostindischen Musselin an, der mit silbernen Blumen gestickt war, Prinzessin Louise von Preußen, als sie den Fürsten Radziwill heiratet, Silberbrokat, ganz mit Edelsteinen ausgestickt.

Die Hofdamen genossen an vielen Orten den gleichen Vorteil, wie die Hofkavaliere, nämlich sich der Uniformen bedienen zu dürfen, so trugen sie z. B. in Laxenburg in einem Jahr alle rot mit Silber- oder Goldspitzen und im Jahr darauf alle blau mit Silber. Zum Empfang der Prinzessin Josefa 1766 legten sie sämtlich blauen Satin mit Zobelbesatz an und zur Hochzeit der Erzherzogin Marie Christine alle weiß. Herzog Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken machte sich einmal den Spaß, allen seinen Maitressen das gleiche blauseidene Staatskleid aus Paris mitzubringen und hatte seine helle Freude, als sie alle am nächsten Sonntag damit geputzt in der Kirche erschienen. Ob sie sich wohl ebenso gefreut haben? Man trug das ganze Jahrhundert hindurch neben der großen Robe, bei der Taille und Rock aus zwei verschiedenen Stücken bestanden, eine Façon, bei der sie in eins geschnitten waren.

Es ist dies die sogenannte Adrienne, in Deutschland meist Kontusche genannt, auch gern als „französischer Sack“ bezeichnet. Dieses Kleid galt für Negligé, trotzdem es auch über dem eng schnürenden Korsett und dem Reifrock angezogen wurde, seiner Trägerin also eigentlich wenig Bequemlichkeit gewährte. Als es in Paris unter der Regentschaft aufkam, fand Liselotte, die brave Pfälzerin am französischen Hof, es ließe „kammermägdisch“, und es wurde daher bei offiziellen Empfängen nicht geduldet. Die Damen waren von dem neuen Schnitt aber so entzückt, daß, wenn sie ihre Volanten nicht zu Hofe anziehen durften, sie lieber auf den Hof verzichteten als auf ihre Adrienne. Ebenso ging es an anderen Orten.

In Wien wurde 1728 den Frauen untersagt, in Adriennen, Volanten oder französischen Sacks in die Kirche zu gehen, ein Verbot, auf dem man ebenfalls nicht bestehen konnte, und schon unter Maria Theresia waren die französischen Sacks Hoftracht. Der Schnitt hielt sich dauernd in der Gunst der Damen, sie trugen ihn über dem großen Panier wie über dem runden Reifrock, ja, als beide abkamen, hielten sie an ihm fest. Riesbeck schreibt aus Wien: „Die Winterkleidung der Damen ist eine mit kostbarem Pelz ausgeschlagene Polonaise. Sie hat etwas von der Simplizität des griechischen Gewandes.“ Es ist dies die Zeit des großen Umschwungs in der Mode, als der antikisierende Geschmack in der Kunst seinen Schatten auch auf das Nachbargebiet der Bekleidung warf. Der Gedanke, mit all den formgebenden Begleiterscheinungen der Mode, als Korsett, Reifrock u. dgl. aufzuräumen, ist sehr viel älter als die französische Revolution, der man ihn meistens zuschreibt.

Deutschland ist stärker an seiner Verwirklichung beteiligt, als man gewöhnlich annimmt. Schon 1785 hatte Franz Ehrenberg, der Herausgeber des „Frauenzimmer-Almanachs“, Chodowiecki damit beauftragt, „ein deutsches Frauen- Reformkleid“ zu entwerfen. Der liebenswürdige Künstler zeichnete denn auch Haus-, Besuchs- und Staatskleider „in griechischem Geschmack“, aber wir wissen nicht, wie diese Ideen aufgenommen wurden. Schon vorher hatten einzelne Damen sich nach dieser Richtung hin betätigt. So schreibt Wieland an Merck über ein Zusammentreffen mit Karl August, Goethe und Corona Schröter am Stern am 3. Juni 1778 über die Sängerin: „die in der unendlich edlen attischen Eleganz ihrer schönen Gestalt und in ihrem ganz simplen und doch so unendlich raffinierten und insidiosen Anzug wie die Nymphe dieser anmutigen Gegend aussah.“ Der Wunsch lag also in der Luft, aber um verwirklicht zu werden, mußte er den Umweg über Paris bzw. London machen. Aus der Adrienne wurde, wenn man die Unterkleidung fortließ, die Levite des letzten Jahrzehnts vor der Revolution und die Chemise des letzten Dezenniums des 18. Jahrh.

Ohne Reifrock, am liebsten ohne Unterkleidung überhaupt getragen, zeichnete es die Formen, die bisher ganz verhüllt gewesen waren, und förderte diese Enthüllung noch durch den tiefen Ausschnitt des Halses und die völlige Entblößung der Arme. Man glaubte, in diesem Anzug antik klassisch zu sein. „Die Mode war die sogenannte griechische Kleidung“, schreibt Fr. A. L. von der Marwitz in seinen Denkwürdigkeiten, „die Frauenzimmer hatten nur ein Hemd umnd möglichst dünnes Kleid an, in welchem alle ihre Formen sichtbar waren.“

Der Wechsel im Modegeschmack war sehr stark und hat zwischen Alt und Jung damals zu lebhaften Meinungsverschiedenheiten geführt. Alle Maßregeln gegen die neue Mode blieben wie gewöhnlich ein Schlag ins Wasser, selbst die drastischen Maßnahmen des Landgrafen Wilhelm von Hessen waren vergebens. Er kleidete 1799 die Sträflinge, welche die Straßen Kassels fegen mußten, ebenso wie die Insassinnen des Spinnhauses nach der neuesten Pariser Mode, aber seinen Hessen hat er sie doch nicht entleiden können.

In Preußen zog sich die junge und schöne Königin luise zur Huldigung nach der allerneuesten Mode an, unbekümmert darum, was die andern sagten. Marwitz findet, daß die Königin den Putz mehr liebe, als nötig sei, und Gräfin Tina Brühl schreibt am 10. März 1799 an ihren Mann: „Ich begreife nicht, daß dieser liebe König seiner koketten Frau erlauben kann, sich so anzuziehen, wie sie es tut. Das ist nicht mehr der elegante Anzug eines vornehmen Hofes, sondern der einer sehr hübschen Schauspielerin, nach Möglichkeit ausgeschnitten und koiffirt, wie es nur einer so reizenden Person stehen kann, wie es die Königin ist.“

Man muß sich vor Augen halten, daß sich ja nicht nur der Schnitt der Kleidung bei bei den Geschlechtern änderte, sondern auch die Frisur, und sie war das ganze Jahrhundert hindurch nicht weniger extravagant gewesen als der Anzug. Sie hatte bei Herren und Damen große Ähnlichkeiten aufzuweisen, ja lange Zeit war sie völlig gleich. Auch hier mit jenem Schuß Übertreibung, der anzeigt, daß die Mode sich von ihrem Ursprungsort entfernt hat. Als die Herren die Allongeperücke trugen, hoch über der Stirn aufgetürmt und lang- über den Rücken herunterhängend. frisierten sich die Damen mit der Fontange. Sie war ein mit dem Haar in eins gearbeiteter Aufsatz, den die Herzogin von Fontanges, eine der Geliebten Ludwig XIV., erfunden haben sollte, und hielt sich länger als 30 Jahr in der Gunst des schönen Geschlechts.

„Die Damen“, schreibt Lady Mary Wortley Montague 1716 aus Wien, „bauen sich Gerüste aus Gaze auf den Kopf, etwa eine Elle hoch, drei oder vier Stockwerke übereinander, befestigt mit zahllosen schweren Bändern. Dieser Turm ruht auf einer Grundlage, Bourlet genannt, alle von derselben Art und Gestalt, nur fast viermal so dick wie die Säcke, die unsere klugen Milchmädchen brauchen, um ihre Eimer darauf zu tragen. Diese Maschine bedecken sie mit ihren eigenen Haaren, untermischt mit einem großen Teil falscher. Das Haar ist verschwenderisch mit Puder bestreut, um die Mischung zu verhüllen, und durchzogen von drei oder vier Reihen Haarnadeln, alle wundervoll groß, die zwei oder drei Zoll hervorstehen, besät mit Diamanten, Perlen, roten, grünen und gelben Steinen. Diese Last aufrecht zu tragen, dazu gehört ebenso viel Kunst und Erfahrung, wie am Maitag mit dem Blumenkranz zu tanzen.“

Diese umfängliche Frisur weicht sehr bald dem Gegenteil; die Damen brauchen nicht nur kein falsches Haar mehr, sondern schneiden das eigene noch ab, um nur ja recht wenig zu haben. So beschreibt Fürst Khevenhüller *) Maria Theresia 1743, „zur Krönung in Prag hatte sie den Kopf nach jetziger Mode gekräuselt, da die Frauen keine langen Haare mehr wie vorher tragen, sondern selbige ganz kurz abschneiden und fast gleich einem Abbé Paröckl um und um en boucles und so benamst Marron legen lassen.“ Als die Pariser Mode dann wieder hohe Frisuren wünschte, gestattete sie auch, das Haar länger zu tragen; man ist auch in dieser Beziehung in Deutschland dem französischen Beispiel nur ZlI willig gefolgt.

*) Aus der Zeit Maria Theresias. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Kaiserlichen Obersthofmeisters 1742-1776

Die Mode der beiden Geschlechter besaß in diesem Jahrhundert noch mehr Berührungspunkte als wohl sonst. DerSchoßrock der Herren stand von den Hüften so weit ab wie der Reifrock der Damen, so daß die Kleidung zum Verkleiden förmlich herausforderte. Als König August der Starke im Mai 1728 seinen Gegenbesuch am preußischen Hofe machte, befand sich in seiner Begleitung auch seine Tochter, Gräfin Orzelska, die zum nicht geringen Erstaunen der Königin Sophie Dorothee unter den 43 Toiletten, die sie mitgebracht hatte, mehr als zur Hälfte Männerkleider hatte einpacken lassen.

Als festliche Unterhaltung der Hofgesellschaft blieb das Verkleiden der Herren als Damen und der Damen als Herren dauernd im Schwänge, noch aus den letzten Jahren des Regensburger Reichstages berichtet Graf Hans von Schlitz von einem solchen Ball, den der sächsische Gesandte Graf Hohenthal seinen Kollegen gab. Sie erschienen dabei als Damen aus dem Serail des Großtürken, der beinahe 60 jährige Graf Görtz als Engländerin, Freiherr von Seckendorff im Reifrock mit einer Schleppe, die von einem Affen getragen wurde usw.

Auch als die Herren den Schoßrock mit dem Frack vertauschten, hielten sie in ihren Frisuren die Ähnlichkeit mit der Frisur der Damen so fest, daß sie ihr schließlich nicht mehr mit ihrem eigenen Haar genügen konnten, sondern sich genötigt sahen, zu Perücken zu greifen. In Paris kannte man 1764 schon 115 verschiedene Arten von Perücken, und auch in Deutschland bequemte man sich zur Annahme dieses Hilfsmittels. Sie hat für eine geraume Zeit das eigene Haar fast ganz verdrängt, denn da sich für gewisse Berufe gewisse Formen der Haartracht als stillschwelgende Übereinkunft festsetzten, so war es viel bequemer, sich der Perücke zu bedienen, als dem eigenen Haar die unbequeme und weitläufige Frisur zuzumuten.

Goethe erzählt in Wahrheit und Dichtung, wie er sich genötigt sieht, trotz eigenen schönen Haares eine Perücke zu tragen, weil sein Straßburger Friseur ihm versichert, „daß es ihm unmöglich werde, daraus eine Frisur zu bilden“. So schnitt man sich das Haar ab, seiner statt seiner eine Perücke aufzusetzen, eine Angelegenheit mit starken Inkonvenienzen, denn als K. Fr. Bahrdt seine Stutzperücke ablegen will und sich das Haar wieder wachsen läßt, zieht er sich bösen Rheumatismus zu. Darum gibt es ja auch aus dieser Zeit so viel Männerporträts in der Nachtmütze; die Perückenträger waren genötigt, sobald sie die Haartour ablegten, warme Hauben aufzusetzen, weil sie fürchten mußten, sich sonst den Kopf zu erkälten.

Die große und sehr teure Allongeperücke wich seit den dreißiger Jahren dem Haarbeutel und schließlich dem Zopf, denn wenn Friedrich Wilhelm I. in seinem Kampf gegen die französische Mode nicht sehr erfolgreich war, um so glücklicher war er auf dem Gebiet der Frisur. Er machte den Zopf volkstümlich, so daß er vom Militär an die offizielle Mode überging und schließlich so allgemein wurde, daß er einer ganzen Periode seinen Namen gegeben hat.

Geistliche trugen Perücken, bei denen das Haar von Ohr zu Ohr rückwärts in eine runde Rolle gewickelt schien. So mußte Pahl 1786 als Vikar „den bisherigen Haarzopf durch eine runde Rolle“ ersetzen, und Jung-Stilling, der beim Wechsel des Berufs in Straßburg „die runde Perücke, die ihm noch übrig war, zwischen seinen Beutelperücken doch auch gern verbrauchen wollte“, sah sich dem Spott seiner Tischgenossen ausgesetzt, gegen den ihn erst Goethe in Schutz nehmen muß. Schließlich bildet sich für gewisse Stände das Tragen der Perücke statt des eigenen Haares geradezu als Schicklichkeit heraus, und Herder hat als Lehrer am Collegio Fridericiano in Königsberg mit dem Inspektor desselben Kämpfe auszufechten, weil ihm zugemutet wird, eine Perücke zu tragen, was er absolut nicht tun will.

Als im Gefolge der englischen Tracht von der Jugend wieder das eigene Haar angenommen wird, und zwar verschnitten und unfrisiert, da schien dem älteren Geschlecht die ganze Kultur in Frage gestellt, und in der Tat hielten sich die alten Formen der Haartracht neben der neuen noch über den Wiener Kongress hinaus (1814/15). Als Jean Paul sich in Weimar den Zopf abschneiden ließ, wurde er stark angefeindet, und junge Männer mit Schwedenköpfen“, wie man sie nach Karl XII. nannte, galten in Österreich für Jakobiner, riskierten also Zusammenstöße mit der Polizei.

Garlieb Merkel fiel in Jena nichts so auf, als daß ein Professor wie Paulus sein Haar offen und gescheitelt trug, während die übrigen sich frisierten oder Perücken auf hatten. Offiziell blieb das frisierte Haar das allein Zulässige; Strombeck der seinen Zopf 1793 in Wien schon hatte verkürzen lassen, ließ ihn 1805 in Paris ganz abschneiden, er fand es aber doch geraten, ihn mitzunehmen und am Kragen seiner Braunschweiger Hofuniform befestigen zu lassen.

Beide Geschlechter puderten sich das Haar weiß, ein Gebrauch, der die bessere Klasse von der geringeren unterschied. Auf der Donaufahrt von Regensburg nach Wien zahlte „die gepuderte Person“ mehr wie eine nicht gepuderte, und als Jung-Stilling (Johann Heinrich Jung-Stilling 1740-1817) sich seinen armen Verwandten zum ersten mal in einem schönen dunkelblauen Kleid, feiner weißer Wäsche und gepudertem Haar vorstellt, sagt seine alte Großmutter warnend zu ihm: „Du bist der erste aus unserer Familie, der seine Haare pudert, sei aber nicht der erste, der auch Gottesfurcht und Redlichkeit vergißt.“

Das weiße Haar forderte als Gegengewicht die Schminke, auf welche die Damen nur gezwungen verzichtet haben. In Danzig wurden nach Johanna Schopenhauer die Damen, die sich schminkten, von der Kanzel öffentlich gerügt, und auch Maria Theresia untersagte in einer Anwandlung der Eifersucht das Schminken. „Übrigens“, trägt Fürst Khevenhüller 1765 in sein Journal ein, „mussten all die Dames sehr behutsam vermeiden, de prendre du rouge, welches auf das schärfste verboten wurde.“ Die Kaiserin ließ sich hinreißen, der Gräfin Kinski geb. Gräfin Auersperg, heftige Vorwürfe wegen ihrer roten Backen zu machen, entschuldigte sich aber, als sie bemerkte, daß Kälte und nicht Schminke die Veranlassung davon war.

Fast scheint es überflüssig, noch besonders zu betonen, daß man in einem Jahrhundert, in dem der Mann sich so putzte, wie er es im achtzehnten tat, keinen Bart trug. Mit welchen Augen man ihn betrachtete, geht aus dem Umstand hervor, daß es nur Schauspielern erlaubt war, die Mörder oder Straßenräuber spielten und -Husaren, die ja lange genug nicht als reguläre Truppe, sondern mehr oder minder als Freibeuter angesehen wurden. Wer sich sonst erlaubte, einen Bart zu tragen, tat es geflissentlich, um Aufsehen zu erregen, wie der Maler Donath in Dresden oder der Bildhauer Permoser, der sich immerhin gedrungen fühlte, zu seiner Rechtfertigung ein kleines Büchlein zu schreiben.

Auch der bekannte Schwärmer Johann Christian Edelmann (1698-1767)ließ sich einen Bart stehen, trotzdem ihm seine Bekannten dringend davon abreden. „Mein Bart wollte meinen Freunden gar nicht anstehen“, schreibt er, „und die Wahrheit zu bekennen, so stunde er mir im Grunde selbst nicht an. Ich dachte aber, weil ich einmal angefangen hätte, einen heiligen Narren zu agieren, so müßte ich dabei bleiben, wenn ich mich keinen Flattergeist schelten lassen wollte.“ Da nur die Juden gezwungen waren, einen Bart zu tragen, „so hielten die Inspirierten diese Verwandlung für eine Verrückung seines Verstandes“, womit sie nicht ganz im Unrecht waren, denn auf der Fahrt, die Edelmann nach Preußen antritt, hat er nur wegen seines Bartes überall mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen und gelangt schließlich nicht einmal an das Ziel seiner Reise, denn sobald Friedrich Wilhelm I. hört, was für ein verrückter Zwickel mit langem Bart in Potsdam einpassiert ist, läßt er ihn zu sich kommen, beschenkt ihn mit einem Gulden und verbietet ihm, Berlin zu besuchen.

Die Kleidung des 18. Jahrh. forderte von beiderlei Geschlechts großen Aufwand und dauernde Sorgfalt, und man kann sich daher nicht darüber wundern, daß die Mode nicht unangefochten geblieben ist. So begegnete sie starkem Widerspruch von selten der ausgesprochen Frommen, die nicht ohne Grund die Eitelkeit verurteilten, die hinter diesem Putze steckte. So drangen sie denn innerhalb ihrer Kreise auf Einfachheit, gütlich und mit Gewalt. „In Ebersdorf finge man an“, schreibt J. J. Moser 1746, „die eheliche und ledige Personen weiblichen Geschlechts theils in Güte dahin zu bringen, theils mit Zwang und bei einer Art des Bannes zu nöthigen, sich der sogenannten Gemeinhauben und Stirnbandes, auch nach Unterschied des Witwen-, ehelichen, ledigen oder Kinder-Standes der Farbe in denen Bändern an den Hauben zu bedienen.“

Prinzessin Heinrich von Preußen besucht 1761 die Herrenhuter in Berlin und wundert sich über den „sehr eigenartigen“ Anzug der Frau von Marschall, der Gattin des Direktors, die sie in schwarzem Rock, gestreifter seidener Jacke und Schürze von Musselin empfängt. Edelmann erlebte, daß sich die Inspirierten, unter denen er in Berleburg lebte, an seinem „netten Aufzuge“ stießen, so daß er seine nach der Mode gemachten Kleider ablegt und sich aus seinem Rocklor einen schlechten Mennonistenkittel machen läßt. Ganz ähnliche Erfahrungen haben andere gemacht. Die Pietisten ziehen sich 1772 von Jung-Stilling zurück; „das war auch kein Wunder“, schreibt er in seinem häuslichen Leben selbst, „denn er trug nun eine Perücke mit einem Haarbeutel, ehemals war sie bloß rund und nur ein wenig gepudert gewesen, dazu hatte er auch Hand- und Halskrausen am Hemd und war also ein vornehmer, weltförmiger Mann geworden.“ Der Prediger Patzke erregte 1784-8; in Magdeburg bei dem „Häuflein Zion“ Anstoß, weil er eine seidene Weste und Beinkleider und eine ungewöhnliche Perücke trug.

Ethischen Gründen war auch die Feindschaft zuzuschreiben, der die Mode bei denjenigen begegnete, die durch sie die Unterschiede von Rang und Stand gefährdet, mindestens aber verwischt sahen. Der Kampf der Obrigkeiten gegen die Artikel des modischen Putzes hat noch das ganze Jahrhundert hindurch angehalten, in Hildesheim hat man noch 1779 gemeinen Bürgers- und Bauersleuten das Tragen von Gold, Silber, Samt, Seide, Spitzen, feinen Tuchen u. a. verbieten wollen, und in Kursachsen sind die langwierigsten Prozesse geführt worden, weil irgendeine Frau niederen Standes Zobelhauben, Reifröcke o. dgl. getragen hatte.

„Die Kleiderordnung“, schreibt Johanna Schopenhauer, die in Danzig aufwuchs, „wurde nicht mehr nach aller Strenge des Gesetzes gehalten, nur bei feierlichen Gelegenheiten, bei Begräbnissen, Hochzeiten, Taufen wurde sie beim Mittelstande in Anregung gebracht. Bei der hochzeitlichen Tafel der reichsten und angesehensten Handwerksmeister erschien unfehlbar ein dazu angestellter Ratsdiener, um nachzuzählen, ob die Zahl der Gäste die erlaubte überschreite und ob die Braut echte Perlen, Juwelen und anderen gerade an ihrem Ehrentage verbotenen Schmuck trüge.“ So große Mühe sich einzelne Magistrate auch gegeben haben, ihre Untertanen auf den Gebrauch der herkömmlichen Trachten zu verpflichten, so gering war der Erfolg.

In den großen alten Reichsstädten des Südens, Nürnberg, Augsburg, Ulm, erschienen zwar noch das ganze Jahrhundert hindurch Kupferwerke mit Abbildung der angeblich ortsüblichen Kleidung, aber sie dienten lediglich der Kuriosität, getragen wurde sie nicht mehr. Wo sich Reste erhalten hatten, waren sie in die Amtstracht übergegangen, wie die mittelalterliche Schaube und die Kröse in den Ornat der Ratsherren, die in den Farben halb geteilte Kleidung in die Livreen der Ratsdiener, oder sie waren allmählich an die Dienstboten gelangt. „Die Nürnberger Trachten nach den Kupferstichen“, bemerkt Friedrich Nikolai, „sind nicht mehr zu finden, höchstens bei Hochzeiten der Bauern.“ „Die alten Augsburger Trachten“, beobachtet er dann, „sieht man nicht mehr. Die vornehmen Frauenzimmer und die meisten vom Mittelstande gehen französisch, 1781 höchstens nach der vorvorletzten Mode.“

Der reisende Berliner schildert dann genau, was es noch mit der ehemaligen Ulmischen Tracht für eine Bewandtnis hat.
Hören wir ihn selbst.
„Bei Anzeigen von Hochzeiten, Kindtaufen und Leichen sind die Förmlichkeiten durch undenkliche Gewohnheit genau vorgeschrieben und werden ebenso genau beachtet. Die Ulmischen Dienstmädchen, welche alle dergleichen Anzeigen zu verrichten haben (denn nur in sehr wenigen Häusern hat man männliche Bedienstete), tragen sogar zu jeder Art der Anzeige eine besondere Kleidung, so daß man es ihnen auf der Straße gleich ansehen kann, was für ein Kompliment sie anbringen wollen. Ein jedes Dienstmädchen zu Ulm muß daher eine so mannigfaltige Garderobe von verschiedener Art haben, als wohl sonst nirgend in Europa. Im Hause eines Freundes veranlaßte man uns zu Gefallen, daß die Mädchen in allen diesen Trachten gekleidet erschienen, damit wir sie sehen konnten.

Jedes Ulmer Mädchen muß besitzen: Erstlich ein Mieder von farbigem Stoff, z. B. von grauem Barakan (schwerer Wollstoff), zuweilen sogar mit silbernen Tressen besetzt, über ein ziemlich unförmliches, vorn spitzes Schnürleib; dazu hat das Mädchen um den Hals einen großen breiten runden Kragen, ebenso wie ihn die Prediger in Augsburg tragen (in Ulm Kröss, d. h. Krause oder Gekröse genannt). Diese feierliche Tracht zieht das Mädchen an, wenn sie eine Entbindung ansagt, ein Hochzeitsgeschenk überbringt, oder sonst irgend ein fröhliches Kompliment zu machen hat, zweitens ein schwarzes Kleid nebst einem Gürtel und eben dem großen breiten Kröss. Dies zieht sie an, wenn sie in die Kirche geht; dazu trägt sie eine Art von breiter Kopfhaube von Leinwand, in Ulm ein Schleier genannt, vorn mit einer Schnebbe.

Drittens: Wenn sie selbst trauert oder für ihre Herrschaft eine Leiche ansagt, zieht sie eben das schwarze Kleid mit dem gedachten Schleier und Kröss an und hat dazu noch ein langes Fürtuch von Leinwand vorgebunden, über den Mund und beinahe bis über die Nase, welches bis über die Knie hängt. Dieser Trauerlappen heisst eine Mummel (bei den Augsburger Mädchen ein Fürbinder). Außerdem hat sie noch viertens zu gewöhnlichem Gebrauch einen Ohrlappen (beinahe Aurlappen ausgesprochen). Dieser ist von schwarzem Samt und hinten offen, so daß die Haare gewunden und mit einer Nadel zusammengesteckt werden.

Fünftens: Eine Judenhaube, sie ist von bunter Farbe und etwas größer als der Aurlappen, bedeckt auch den Hinterkopf, hat sonst aber die Form wie die schwäbischen Hauben in Augsburg. Zu noch feierlichem Gelegenheiten und besonders im Winter sechstens eine Bockelhaube. Diese hat nicht einen so großen Ausschnitt auf der Stirn wie die Judenhaube, hat oft eine ganz goldene Mütze, eben so wie in Augsburg, und wird über einer leinenen Kopfbinde, mit Spitzen besetzt, getragen.“

Am längsten scheint sich eine gewisse Nationaltracht noch in Straßburg erhalten zu haben, vielleicht aus Widerspruch der Deutschgesinnten, die in den Resten alter Moden, die sie eifersüchtig bewahrten, die Erinnerung“ an ihre Zugehörigkeit zum deutschen Reich lebendig erhielten. „Was den Anblick einer grosser Masse Spazierender in Strassburg noch erfreulicher machte als an anderen Orten“, schreibt Goethe, „war die verschiedene Tracht des weiblichen Geschlechts. Die Mittelklasse der Bürgermädchen behielt noch die aufgewundenen, mit einer großen Nadel festgesteckten Zöpfe bei; nicht weniger eine gewisse knappe Kleidungsart, woran jede Schleppe ein Misstand gewesen wäre und was das Angenehme war, diese Tracht schnitt sich nicht mit den Ständen scharf ab, denn es gab noch einige wohlhabende vornehme Häuser, welche den Töchtern nicht erlauben wollten, sich von diesem Kostüm zu entfernen. Die Übrigen gingen französisch und diese Partie machte jedes Jahr einige Proselyten.“

Ausführlicher wird der Dichter, als er Friederike zum ersten Mal in Sesenheim erblickt: „Die fast verdrängte Nationaltracht kleidete Friederiken besonders gut. Ein kurzes weisses rundes Röckchen mit einer Falbel, nicht länger als dass die nettesten Füsschen bis zum Knöchel sichtbar blieben, ein knappes weisses Mieder und eine schwarze Taftschürze, so stand sie auf der Grenze zwischen Bäuerin und Städterin.“

Pütter, der 1778 nach Straßburg kam, sah „einige Professorenfrauen noch in der ehemaligen vaterländischen Frauentracht, die von der französischen Mode, wozu sich die meisten bequemt hatten, gar sehr abstach“, dann hat die Revolution den Prozeß beschleunigt und die Nationaltracht zum Verschwinden gebracht. Was Riesbeck der in Dresden feststellt: „Alle vom Mittelstand, Frauen und Männer, sind nach der Mode gekleidet, in Wien und München herrscht im Mittelstand noch eine gewisse Nationaltracht“, gesehen hat, ist schwer zu sagen, wahrscheinlich auch nur Überbleibsel alter Moden im Festhalten einiger Bekleidungsstücke, unter denen das Mieder mit dem Fürstecker und gewisse Kopfbedeckungen die Hauptrolle spielen. Mit solchen altmodischen Zügen hängt es dann zusammen, daß die Träger unmoderner Kleidung an andern Orten auffallen und wie Pahl mit seinem Kostüm aus Aalen in Altdorf zum Gelächter wird. Goethe sich sogar in Leipzig mit seinen Frankfurter Rücken als komische Figur auf die Bühne gebracht sieht.

Solche einer früheren Epoche angehörenden Kleidungsstücke pflegen sich ja auf dem Lande am längsten zu behaupten, weil sie hier, von guten und teuren Stoffen hergestellt, wirklich am längsten ausdauern und sich von Generation zu Generation vererben können. Da wo die Formen der Kleidung durch Rücksichtnahme auf örtliche Bedingungen entstehen, wie im Gebirge, überdauern sie oft Jahrhunderte. Der wandernde Gerbergeselle hat auch darauf sein Augenmerk gerichtet. In Mürzzuschlag findet er „ein sehr grobes und einfältiges Volk mit einer artigen Tracht, spitzigen Hüten und kurzen Röcken, zumeist in brauner Farbe“. „In Brixen“, schreibt er später, hat das Landvolk eine artige Tracht und trägt kleine runde spitzige, zumeist rote oder grüne Hüte und kurze Röcke, das Frauenvolk trägt auch schwarze spitzige Hüte und um den Leib silberne Gürtel, an welchen silberne Scheiden hängen, worinnen sie ihre Messer haben.“

Die farbigen spitzen Hüte müssen ein sehr hervorstechendes Charakteristikum der bäuerlichen Tracht gebildet haben, sind sie doch schon im Beginn des 18. Jahrh. als Bestandteil des Komikerkostüms an die Bühnen übergegangen. Reisende der gebildeten Klasse, wie Riesbeck, haben für die ländliche Tracht, wenn sie sie überhaupt bemerken, kein sehr freundliches Auge. „Die Einwohner des Schwarzwaldes“ schreibt er, „haben einen abscheulichen Geschmack sich zu kleiden und einen auffallenden Mangel an Reinlichkeit“, und nicht günstiger urteilt er über Bayern: „Die Kleidung des Landvolkes ist abgeschmackt, der Hauptschmuck ein langer, breiter, oft sehr seltsam gestickter Hosenträger, woran die Beinkleider tief und nachlässig hängen. Die Weibsleute verunstalten sich mit ihren Schnürbrüsten, die die Form eines Trichters haben, vorne mit großen Silberstücken verblecht und überladen.“

Herkömmlich war bei Todesfällen von Angehörigen das lange Tragen tiefer Trauer. Es war kostspielig und lästig. Kurfürst Maximilian Friedrich von Köln verbot 1778 allen seinen Untertanen, ohne Unterschied des Standes und Ranges männlichen und weiblichen Geschlechts, in Trauerfällen bei 100 Rtlr. Strafe schwarze Kleider anzulegen. Nur bei nahen Verwandten sollte es gestattet bleiben, auf dem Hut oder der Haube einen schwarzen Flor anzubringen. In Ulm bildete sich 1788 eine Gesellschaft, die ihre Mitglieder verpflichtete, nur noch durch einen Flor am Arm die Trailer zu markieren nicht mehr ganz schwarze Kleidung anzulegen.

Die Kinder zog man an wie die Erwachsenen und hat ihnen keine der Torheiten erspart, in denen Herren und Damen sich gefielen. Vom zartesten Alter an wurden die kleinen Mädchen an das Schnürleib gewöhnt und unbarmherzig nach der herrschenden Mode gekleidet. Johanna Schopenhauer beschreibt das Ballkostüm, das man ihr anlegt, als sie mit 15 Jahren ihren ersten Ball besucht: „Ein ungeheurer, mit Drahtgestell und Rosshaar unterbauter, mit grossen Massen von Federn, Blumen, Bändern gekrönter Haarturm setzte über meinem Kopf meiner Länge wenigstens eine Elle zu; die weissen, kaum mehr als zolldicken Stelzchen unter den mit goldgestickten Schleifen gezierten Ballschuhen suchten dagegen am andern Ende meiner kleinen Person dieses Missverhältnis auszugleichen, obschon sie die Höhe des Kopfputzes bei weitem nicht erreichen konnten, waren sie doch hoch genug, um mich fast nur mit den Fussspitzen den Boden berühren zu lassen. Ein aus dicht aneinander gefügten Fischbeinstäbchen zusammengesetzter Harnisch, fest und steif genug, um einer Flintenkugel zu widerstehen, trieb gewaltsam Arme und Schultern zurück, die Brust heraus, und schnürte über den Hüften die Taille zur Wespenform ein. Das Vernünftigste von diesem, jede freie Bewegung hemmenden Korset, war ein ziemlich starker eiserner Bügel, der den Druck desselben von der Brust abhielt.

Und nun der Reifrock! und über diesem der mit Falbeln und allerhand unbeschreiblichen Kinkerlitzchen fast bis an Knie hinauf verzierte seidene Rock, und über diesem noch das mit einer langen Schleppe versehene Kleid vom nämlichen Stoff; dieses ging vorn weit auseinander und war zu beiden Seiten eben so verziert, wie der Rock; Hals und Brust wurden freier getragen, als man es jetzt schicklich finden würde, ein großer Strauss von künstlichen Blumen vollendete den Schmuck. Die Ärmel reichten bis an den Ellbogen und waren bis zu den Schultern hinauf mit Blonden und Band reich verziert; doch war dies nur die Tracht junger Mädchen, unsre Mama’s trugen prächtige Engageanten von Blonden oder köstlichen Spitzen, so hiessen die kleinen, Schleppkleidern ähnlichen, Manschetten, die man noch an Portraits aus jener Zeit bewundern kann. Lange Ärmel waren durchaus nicht in Gebrauch, auch nicht an Hauskleidern; durch Gewöhnung abgehärtet, froren wir deshalb nicht mehr als jetzt eben auch.“

Genau so wurde es mit den Knaben gehalten. Der kleine Strombeck geht am Sonntag „in einem mit goldenen Tressen besetzten Scharlach-Kleid“, sein Brüderchen „in himmelblauem mit Silber verbrämten Anzug“ im Braunschweiger Hofgarten spazieren. Als E. M. Arndt seine Erinnerungen aus dem äußeren Leben niederschrieb, besann er sich noch darauf, daß wenn er und seine Brüder frisiert wurden, man ihnen mit Wachs und Pomade auf die Köpfe schlug, „daß die hellen Tränen über die Backen liefen“. Wenn man sich in den Erziehungsanstalten um die Kleidung der Jungen kümmerte, so kostümierte man sie wie Kavaliere. „Die Knaben aus dem Theresiano (in Wien)“, notiert Fürst Khevenhüller 1753, „erhalten schwarz tuchene Kleider und reiche Westen, als welches ob ihre Uniform und Habit de fête sein sollen, die Ungarn aber tragen perlt gris mit silbernen agrémens.“

Die Jesuiten in Neuburg a. D., bei denen Franz X. Brenner erzogen wurde, gaben ihren Zöglingen Anzüge wie die Livree des Herzogs von Zweibrücken: blauer Rock mit roten Aufschlägen und Kragen, alles samt Hut mit silbernen Tressen besetzt. Als die Philanthropine aufkamen, war es die erste Sorge der Unternehmer, die Knaben gefällig herauszuputzen. In Dessau führte Basedow weiße Röcke mit hellblauem Brustlatz ein, in Heidenheim erfand K. Fr. Bahrdt eine „Sommerkleidung von braunrotem Berkan mit blauen Aufschlägen aus Atlas und Stahlknöpfen, dazu weisse runde Hüte mit blauen Federbüschen.“ Die Schüler mußten überall blaue Mäntel tragen, „was zu seiner Unterscheidung für notwendig gehalten wurde“, wie Büsching schreibt.

Quelle: Deutschland im 18. Jahrhundert von Max von Boehn. Berlin, Askanischer Verlag 1922.