Das Aquamanile. Mittelalterliche Gefäße in Gestalt von Tierfiguren u. a..
Ein Aquamanile ist ein Behälter zum Händewaschen, entweder während liturgischer Handlungen oder im Alltag. Es kann aus Keramik, Kupferlegierung (Wachsausschmelzbronze) oder Edelmetallen hergestellt werden. Nur solche, die aus Keramik oder Kupferlegierungen bestehen, sind über uns gekommen.
In den Kirchenbüchern sind Aquamanile aus Silber oder vergoldetem Kupfer inventarisiert, aber die überwiegende Mehrheit der erhaltenen Exemplare sind aus unedlen Metallen, die es nicht wert waren, in späterer Zeit, eingeschmolzen zu werden. Kircheninventare erwähnen Aquamanile in Form von Löwen, Drachen, Vögeln usw. Es existieren noch etwa 380 mittelalterliche Aquamanile aus Kupferlegierungen, wobei im Allgemeinen Tierformen vorherrschen (ein Drittel dieser 380 Aquamanile hat die Form eines Löwen). Aquamaniles erschienen zuerst im Orient und wurden im frühen Mittelalter in Europa eingeführt und assimiliert. Ihr Gebrauch erreichte im Spätmittelalter einen Höhepunkt. Die Aquamanile aus Kupferlegierungen in öffentlichen Sammlungen sind hauptsächlich deutsche Produktionen des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts.
Ein Aquamanile 1150-1200, in Gestalt einer fantastische Tierfigur.
Ein Gießgefäß (Aquamanile) aus der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts; Es stammt aus den alten herzoglich bayerischen Sammlungen und befindet sich heute im königlich bayerischen Nationalmuseum.
Derartige aus der romanischen Periode stammenden Gefäße in Gestalt von fantastischen Tierfiguren wie Löwen, Pferde, Drachen, Chimäre, Adlern (Vogelform) etc. kommen noch ziemlich häufig vor, unter diesen gehört das vorliegende in Folge seiner Stilisierung, die teilweise in die architektonische Ornamentik über geht, zu den originellsten. Ein ausgezeichnet schönes Exemplar befindet sich auch in der Sakristei des Doms zu Minden.
Diese Gefäße wurden zum Waschen der Hände des Priesters vor und nach der Messe gebraucht und waren über der Piscina *) in der Sakristei oder auf der Epistelseite des Altars angebracht, wobei aber nicht ausgeschlossen ist, dass sie auch zu häuslichen Zwecken benutzt wurden.
Das hier in Vorder- und Seitenansicht dargestellte Gefäß war ursprünglich vergoldet. Der Kopf scheint der eines Wolfes zu sein. Die Federn der Flügel waren abwechselnd mit silbernen Plättchen belegt, die jedoch größtenteils abgerieben sind. Die beschuppten Adlerkrallen der Füße, wie der untere Teil des Schweifes sind teilweise abgebrochen; aber in der vorliegenden Abbildung nach den vorhandenen Spuren ergänzt. Der aufrecht stehende Teil des Schweißes diente zum füllen des Gefäßes und war offenbar ursprünglich mit einem Deckel versehen, der mit romanischem Blattwerk endigte.
Der sich um die kirchliche Archäologie verdiente Arthur Martin **) sucht die sowohl in der romanischen Architektur, als an kirchlichen Gerätschaften, wie Leuchtern, Rauchgefäßen, Becken u.s.w. vorkommenden Ungeheuer, deren Erklärung noch nicht gelungen ist, auf die nordische Mythologie zurückzuführen, jedoch handelt es sich vermutlich um altorientalische Einflüsse.
Im modernen Sprachgebrauch ist ein Aquamanile (Plural aquamanilia oder einfach Aquamanile) ein krug- oder krugartiges Gefäß in Form einer oder mehrerer Tier- oder Menschenfiguren. Es enthielt gewöhnlich Wasser zum Händewaschen über einem Becken, das sowohl zu den Mahlzeiten der Oberschicht als auch zur christlichen Eucharistie gehörte. Historisch gesehen wurde der Begriff manchmal für jedes so verwendete Becken oder Kännchen verwendet, unabhängig von seiner Form. Die meisten erhaltenen Beispiele sind aus Metall, typischerweise Kupferlegierungen (Messing oder Bronze), da Keramikversionen nur selten erhalten geblieben sind. Die frühesten europäischen tragbaren Aquamanile stammen aus dem elften Jahrhundert.
Neben dem Altar wurden Aquamanile auch an den Tischen und Tafeln der Oberschicht verwendet, wo in rein weltlicher Ikonographie extravagante Entwürfe symbolischer oder phantastischer Tiere – besonders beliebt waren Löwen – entwickelt wurden. Ein Aquamanile aus Gold um 1215, in der Schatzkammer des Aachener Doms, hat die Form einer Männerbüste; es ist ein seltenes Überbleibsel eines Aquamanils in einem Edelmetall.
Während die Etymologie des Aquamanils (aqua: Wasser & manus: Hände) ausreichen mag, um den Gegenstand – ein Behälter mit Wasser zum Händewaschen – zu definieren, sind der Kontext und die Bedeutungen der einfachen Geste, die zur Entstehung des Aquamanils führte, komplexer zu definieren.
SKANDINAVIEN 12.-13. JAHRHUNDERT
AQUAMANILE.
Bronze, in Form eines reitenden Jägers, der mit der Rechten das Hifthorn an den Mund hält. Am linken zügelführenden Arm die Ansatzstellen des jetzt fehlenden Schildes.
Vorbesitzer: Graf Paar in Rom. Verwandte Reiter in Budapest, Ungar. Nat. -Museum; in Kopenhagen und in Stockholm.Lit. Pantheon 192g, S. 426, Abb. 2.
Höhe 26, Länge 31 cm.
Als Christus vor Pontius Pilatus zur Anklage gebracht wurde, scheiterte dieser, nachdem er seine Zweifel an der Schuld Jesu zum Ausdruck gebracht hatte, in seinem geschickten Versuch, ihn zu verschonen, indem er dem Volk vorschlug, einen Gefangenen zu wählen, der freigelassen werden sollte. Die Wahl des Volkes war in der Tat die des Barabbas und nicht die Christi. Da Pilatus sah, dass er nichts gewann, sondern dass der Tumult wuchs, nahm er Wasser, wusch sich vor der Menge die Hände und sagte: „Ich bin unschuldig am Blut dieses gerechten Mannes; das müsst ihr sehen!“. Mit dieser symbolträchtigen Geste befreite sich Pilatus von seiner Schuld und den Folgen seiner eigenen Rolle in den darauf folgenden Ereignissen. Dieser Archetyp der Waschung, der moralische Unschuld verleiht, ist sowohl in der sakralen als auch in der profanen Sphäre präsent.
AQUAMANILE. DEUTSCH UM 1400
Bronze, Simson auf dem Rücken des Löwen, dessen Maul er zerreißt. Das Gewand Simsons mit Kreismusterung; der Ausguß am Löwenhaupt hat Tierkopfform. Der Löwenschweif mit zackigen Haaren. Nach Auskunft der Pfarrei Oberachern in der dortigen Kirche seit ca. 1430 bis 1450 nachweislich und bei der Fußwaschung am Gründonnerstag verwendet.
Abgeb. J. v. Falke, Gesch. d. deutschen Kunstgew., S. 56, Fig. 16; Reifferscheid, Mittelalterl. Gießgefäße 1912, Fig. 22, u. a. a. Orten.
Höhe 33, Länge 3O cm.
Im Bereich des Sakralen wäscht sich der Priester nach dem Opfer und vor der Weihe die Hände (Ritus der symbolischen Händewaschung) und spricht die Worte aus Psalm 26, Lavabo inter innocentes manus meas… aus („In Unschuld will ich meine Hände waschen“, Ps 26,5–12), womit er seine Reinheit vor dem Opfer kennzeichnet. Dieses Händewaschen ist natürlich rein symbolisch, aber es erfordert Wasser, den Behälter (Aquamanile), der es enthält, und das Gefäß (Lavabotablett), dass das Wasser für die Waschungen auffängt.
Im säkularen Bereich hat das Händewaschen einen doppelten Wert, symbolisch und hygienisch. Wenn es die Mahlzeit unterbricht oder beendet, ist es in erster Linie ein hygienisches Anliegen. Auf der anderen Seite gehorcht die Geste, die ganz zu Beginn des Essens ausgeführt wird, einer Kodifizierung der Gastfreundschaft. Der Hausherr „dreht das Wasser um die Ecke“, das ein Diener in Begleitung eines Beckens zu ihm bringt. Das Waschen der Hände für den, der empfängt, wie für den, der empfangen wird, impliziert die Annahme einer Wertegemeinschaft von guten Manieren, aber auch von Vertrauen.
*) Die piscina ist ein lateinisches Wort, das ursprünglich für einen Fischteich verwendet wurde und später für natürliche oder künstliche Badebecken, aber auch für ein Wasserbecken oder Reservoir verwendet wurde.
Eine Piscina ist ein flaches Becken, das in der Nähe des Altars einer Kirche oder in der Sakristei zum Waschen der Kommunionsgefäße verwendet wird. Das Sakrarium ist der Abfluss selbst. Römische Katholiken bezeichnen den Abfluss und in weiterer Folge auch das Becken als Sakrarium. Sie sind oft aus Stein und mit einem Abfluss versehen. Man findet sie in römisch-katholischen, anglikanischen und lutherischen Kirchen. Ein ähnliches Gefäß wird in östlich-orthodoxen Kirchen verwendet.
Der Zweck der Piscina oder des Sacrariums besteht darin, das sakramental genutzte Wasser aus den liturgischen Waschungen zu entsorgen, indem diese Partikel direkt in die Erde zurückgeführt werden. Aus diesem Grund ist es durch ein Rohr direkt mit der Erde verbunden. In der römisch-katholischen Kirche ist es verboten, den geweihten Wein, das Blut Christi oder die Hostie in ein Sakrarium zu gießen. Äußerst selten verdirbt oder verunreinigt sich die eucharistische Speise so, dass sie nicht verzehrt werden kann.
**) Charles Cahier et Arthur Martin: Nouveaux mélanges d’archeologie, d’histoire et de littérature sur le moyen age. Paris, Firmin-Didot 1874.
Quelle:
- Trachten, Kunstwerke und Gerätschaften von frühen Mittelalter bis Ende des achtzehnten Jahrhunderts, nach gleichzeitigen Originalen von Dr. J. H. von Hefner-Alteneck. Verlag von Heinrich Keller. Frankfurt a. M. 1879-1889.
- Das Romanische Kunstgewerbe in Deutschland von Robert Schmidt. Leipzig: E. A. Seemann, 1922.
- A record of European armour and arms through seven centuries by Sir Guy Francis Laking, Francis Henry Cripps-Day. London: Bell, 1920-22.
- Die Sammlung Dr. Albert Figdor, Wien. Erster Teil. Herausgegeben von Otto von Falke, verzeichnet von Theodor Demmler, August Schestag, Otto von Falke, Max J. Friedländer, Leo Planiscig und August Schestag. Paul Cassirer Verlag
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