Der Garten im Mittelalter. Liebesgärten, Wasserkünste, Rosenspaliere.
Der Garten der mittelalterlichen Burg. Liebesgärten, Bach und Brunnen, Boccaccios Garten, Wasserkünste, Rosenspaliere.
Der Lust- und Wurzgarten im Mittelalter.
Der Garten der mittelalterlichen Burg hatte ebensowenig architektonischen Zusammenhang mit den Gebäuden wie ihn diese untereinander besaßen. Und wie das Mittelalter in Palas, Frauenhaus, Küchengebäude usw. jedem Bedürfnis ein besonderes Gebäude schafft, trennt sich auch der Garten in mehrere, verschiedenem Gebrauch dienende Teile.
Wird man auch von den zahlreichen Sonderbezeichnungen, die die Literatur überliefert hat, einige auf ein und denselben Gartenbezirk beziehen müssen, so bleiben doch drei Bezirke voneinander zu trennen: Der Rosengarten (= die Blumenwiese), der Baumgarten, das Wurz- oder Blumengärtlein.
Es sind die gleichen Elemente, die Jahrhunderte später den Barockgarten in Parterre, Boskett, Nutzgarten gliedern. Nur ist im Mittelalter von einem Zusammenschluss noch nicht die Rede. Ja, in den meisten Fällen liegen die Teile nicht einmal beieinander. Innerhalb des Mauerrings war kaum Platz für den ganzen Garten.
Am häufigsten scheint der Baumgarten bei den Wohngebäuden gelegen zu haben. 1) Tristan kann seine Holzspäne auf dem Bach des Baumgartens als Boten bis dicht an Isoldens Kemenate gleiten lassen. Dagegen erstreckt sich der Baumgarten im Iwein Hartmanns von Aue draußen am Abhang bis zu den Wällen am Fuß des Berges hinab.
Das Verlangen nach günstigeren Platz- und Bodenverhältnissen führt den Garten vollends in die Ebene unterhalb der Burg. 2) (In Heidelberg lag der dem Hortus Palatinus vorausgehende Garten unten im Tal, nur ein schmaler Garten am Schloß selbst.)
Die Blumenwiese.
Ain wunnenclicher gart sol haben violin und wisz rosen,
gylien, berende bom, grünesz gras und ainen vliessenden
brunnen. (Leben der selig. Liutgart v. Wittigen.)
Der Rosengarten bezeichnet im Mittelalter den Inbegriff aller Lust und Wonne. 3) „Im Rosengarten sein“ ist ein sprichwörtlicher Ausdruck für Behagen und Fröhlichkeit. 4) In der Heldensage ist er der Schauplatz von Turnieren, am bekanntesten die Zweikämpfe im Rosengarten der Krimhild bei Worms.5)
Die häufig vorkommende Erwähnung als Turnierplatz läßt darauf schließen, daß er nicht, wie wir es nach modernen Anlagen gleichen Namens vermuten könnten, mit Rosenstöcken besetzt war oder Spaliere an Wegen entlang den Garten durchquerten.
1) Heyne, Deutsche Hausaltertümer I, 383. – 2) Riat, L’Art des Jardins. Fig. 20. – 3) Grimm, Deutsches Wörterbuch. – 4) Uhland, Die deutschen Volksbücher. 4. Liebeslieder. – 5) In dem Gedicht „der Rosengarte“ aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, her. von W. Grimm 1836.
Bild oben: Heinrich II., genannt Henri d’Albret, König von Navarra, 1503-1555, wählt ein Gänseblümchen in den Gärten von Alençon für seine Verlobte Margarete von Navarra, Schwester von Franz I..
Es muß zum wenigsten in der Mitte ein freier Raum gewesen sein, der von einrahmenden Rosenspalieren seinen Namen erhielt. Er wird identisch sein mit dem Teil des Gartens, den bildliche und literarische Darstellungen als den wichtigsten und anmutigsten schildern: ein blumendurchwirkter Rasenplatz mit einem Brunnen in der Mitte, oft auch als „wisgart“ (Wiesengarten), Grasgarten bezeichnet. Boccaccio erzählt in der Einteilung zum dritten Tag des Dekamerone: Höheren Beifall noch als alles übrige verdiene eine Wiese in der Mitte des Gartens von zartestem und so dunkelgrünem Grase, daß es beinahe schwarz erschien. Mit tausenderlei bunten Blumen war sie durchwirkt (dipinto) und rings umschlossen von grünenden, kräftigen Orangen- und Zitronenbäumen, die mit ihren reifen sowohl wie grünen Früchten und gleichzeitigen Blüten nicht nur dem Auge wohltätigen Schatten boten, sondern auch durch ihren würzigen Duft den Geruchsinn erfreuten. 1)
In der Mitte des Rasenplatzes stand ein weißes Marmorbecken, worin eine Figur auf einer Säule einen Wasserstrahl hoch empor schleudert. Das aus dem Becken überquellende Wasser wird in „verborgenen Rinnen“ unter dem Rasen fort in „schön und künstlich angelegte“ Kanäle geleitet, die rings um die Wiese herumführen.
Von hier geht es in verschiedenen Läufen durch die übrigen Teile des Gartens, bis es, schließlich wieder vereinigt, sich in einer Kaskade ins Tal ergießt (wo es zwei Mühlen treibt). Von einer derartig ausgebildeten Wasserorganisation hören wir sonst aus dieser Zeit nicht. Doch werden die hierfür günstigen Bodenverhältnisse Italiens – Boccaccios Garten ist auf einer der Höhen über Florenz zu denken 2) – schon früh die Wasserkünste des Altertums wieder aufgenommen haben.
Eine Quelle, die in der Regel in einem Springbrunnen gefaßt ist, gehört jedoch zum notwendigen Bestand jedes Gartenplatzes. Die im Garten entspringende Quelle, das lebendige Wasser, das in einem Bächlein durch den Garten läuft, wird mehrfach von den Dichtern besungen. 3)
Ein brunne durch den garten ran
luter unde reine,
kisling und griz steine
lagen so vil in der furh,
daz der brunne da durh
etswa mit noeten dranc
und reht in schelle wise klanc (wie Schellengeläute) 4).
Im Tristan enthält auch der Baumgarten Bach und Brunnen. In den „Liebesgärten“ der deutschen Kupferstecher des 15. Jahrhunderts führt ein schmaler Bach, quer durch die Wiese in natürlichem Lauf, aber stets in Verbindung mit dem Brunnen in der Mitte. 5)
Dagegen ist er auf einer Abbildung zum „Roman de la Rose“ in einem französischen Manuskript des 15. Jahrhunderts, die fast wie eine Illustration zum Dekamerone erscheint, als gerader Kanal ausgemauert. (Abb. 1.) 6) Ähnlich wie man es noch im Löwenhof der Alhambra (beg. 1377) sehen kann.
1) Siehe den Titelholzschnitt z. Ausg. des Dekamerone, Venedig 1492. – 2) Die Pracht und Schönheit der Villen um Florenz rühmt bereits Giov. Villani 1338 (Burkhardt, Gesch. d. Renaiss., 1. Aufl., S. 190). – 3) Uhland, Schriften z. Gesch. d. Dichtung u. Sage II, 103 u. a. – 4) Konrad v. Fußesbrunn „die Kindheit Jesu“, zit. von Kaufmann, Gartenbau im Mittelalter.- 5) Meister, ES. B. 90. Hausbuch beim Fürsten Waldburg-Wolfegg. Meister der Liebesgärten (statt der Fontäne ein steinerner Tisch) u. a. – 6) London Brit. Museum. Hasleian Ms. 4425.
Stellen aus provenzialischen Dichtern und Troubadouren seit dem 12. Jahrhundert, Nachrichten über die Gärten des Erzbischofs von Rouen 1) weisen ebenfalls auf den Rasenplatz als Hauptteil, ebenso die Beschreibung des Albertus Magnus (gest. 1280). Dieser stellt in seiner Schrift de Vegetalibus auf Grund eigener Erfahrungen im Kölner Dominikanerkloster, in dem Kapitel de Plantatione Viridariorum als erster theoretisch einen Gartenplan auf, in dessen Mittelpunkt wiederum der Wiesenplatz steht, an den sich Baum- und Medizingarten anschließen. 2)
Nichts anderes als ein Abbild des mittelalterlichen, idealen Gartens ist die Umgebung, in die die Maler des 14. und 15. Jahrhunderts ihre Mutter Gottes setzen, die „Maria im Rosenhag.“ Den Blumenteppich zu Füßen sitzt Maria auf einer Rasenbank, hinter der sich ein regelmäßig gezogenes Rosengehege erhebt, manchmal zu einer gradlinig oder gewölbt schließenden Laube erweitert. 3)
Die Rasenbank ist die charakteristische Sitzgelegenheit im mittelalterlichen Garten des Nordens. Auch auf profanen Darstellungen häufig. 4) Albertus Magnus (a. a. O.) empfiehlt am Ende des Rasens, bei dem Blumengarten aus dem aufgeschütteten Erdreich einen grünenden und blühenden Ruhesitz zu bilden; an gleicher Stelle, zwischen Blumen- (Wurz-) garten und Wiesenplatz ordnet Petrus de Crescentiis seinen mit Blumen bewachsenen Sitzplatz. 5)
Gewöhnlich hat man die Bank aus Backsteinen aufgeführt und mit Rasenstücken belegt, vielfach auch eine Art Trog gemauert, um den lebenden Kissen mehr Erdreich geben zu können. In bescheideneren Verhältnissen stützt man die Seiten durch Bretter ab. In kleinen Hausgärten tritt die Bank in Verbindung mit der Umfassungsmauer, an der sie entlang läuft, analog den festen Bänken im Inneren des Hauses. 6)
Wie auf der Wiese sprießen auch zwischen den Gräsern der Sitzpolster vielerlei Blumen hervor. Ein aus Gras und Blumen „bestgewirkter Rasenpfühl“ dient Tristan und Isolden zum Ruhesitz. Die Rasenbank erhält sich in nordischen Ländern bis ins 16. Jahrhundert hinein, dann wird sie von den beweglichen Stein- und Holzmöbeln verdrängt.
1) Riat, 60 f. – 2) Riat, 76. – 3) Meister des Marienlebens (Berlin KFM. 1235), Niederländischer Meister um 1470 (ebenda 590 A), „Maria im Himmelsgärtlein“, Rhein. M. um 1400 (Frankfurt), Schongauer (Kolmar) und viele andere, namentlich rhein. Meister. – 4) Wolf Hammer, Liebesg. Passav. 32. Eine Rasenbank längs des Gartenzaunes, eine Hecke als Rückwand: H. S. Beham B. 32. – Breviar. Grimani, Edit. Hiersemann IV, 565. V, 695. – 5) Ruralium Commodorum libri XII (vollendet 1305). Lib. VIII: de viridariis (d. i. von den Lustgärten), Abschn. I vom Wurzgarten. Ich zitiere nach einer ital. Übersetzung Fr. Sansovinos, gewidmet d. Herzog v. Urbino, Vened. 1561: „cose appart. a bisogni et a comodi della villa“, Vgl. auch Friedländer, Sittengesch., 3. Aufl. II, 253 f. – 6) Roman der Rose a. a. O. Längs des Lattenzaunes im Hintergrund der Maria von Massys, Berlin KFM. Vergl. Anm. 5.
Der Baumgarten.
Der Baumgarten ist, wie Hehn bemerkt, ein neu errungener Besitz der zur Sesshaftigkeit gelangten Völker, ein wahrhafter Zeuge ihrer Stetigkeit. Denn erst nach langjähriger Pflege gibt er Schatten und Früchte. Vielleicht verknüpft sich mit ihm der älteste Gartenbegriff überhaupt.
Aus Persien drang in frühester Zeit der Ruhm der königlichen „Paradiese“ nach Westen, mit ihm gewiß auch der Wunsch, gleiches zu besitzen. Es waren im wesentlichen Pflanzstätten von Bäumen, nicht nur nützlicher Obstbäume, sondern auch ihrer Gestalt und ihres Schattens wegen geschätzter Bäume wie Platanen, Zypressen u. a. Ihre Anordnung war stets regelmäßig, 1) ebenso wie die der Tempelgärten. 2) sobald sie Menschenhand ihre Anlage verdankten. Denn der naive Mensch gelangt von selbst zu einer klaren, einfachen Gliederung des Stoffes. Durch sie gewinnt er der Natur gegenüber die Ruhe und Befriedigung, um derentwillen er den regulär umschlossenen Wohnraum einem höhlenartigen Gebilde vorzieht.
Der Gedanke, einen natürlich entstandenen Wald in künstlicher Regellosigkeit nachzubilden, kann erst einem Gefühl entspringen, das sentimental reflektierend der Natur gegenübertritt.
Bild oben: Le maître des jardins d’amour. – Le grand jardin d’amour. (Passavant, Nr. 3.) Kupferstichsammlung Berlin.
Im Mittelalter scheint sich der Baumgarten dort, wo es die Situation erlaubt beide zusammenzulegen, ohne besondere Abgrenzung an den Wiesenplan angeschlossen zu haben. Ja, der Umstand, daß er ebenfalls als Raum für Spiele und große Feste erwähnt wird 3), läßt vermuten, daß er oft mit dem Rasenplatz zusammen als Einheit empfunden wurde. Denn Turniere lassen sich nicht gut unter Bäumen abhalten. Jedenfalls bildete er eine notwendige Ergänzung des freien Raumes, zu dem er mit seinen Baumkronen, Laubgängen und einrahmenden Hecken als geschlossene, und wie sich aus der Anordnung der Bäume ergibt, regulär begrenzte Wand in Gegensatz trat. Hier sind bereits primitive Ansätze vorhanden zu jenem bewußten Kontrast von Parterre und Boskett (Gruppe von beschnittenen Büschen und Bäumen), den der architektonische Gartenstil im 17. Jahrhundert zu vollkommenster Wirkung bringen sollte.
Nach Albertus Magnus sollen die Baumpflanzungen am Südrand des Rasens liegen. 4) Für Petrus de Crescentiis ( (italienisch Pier de‘ Crescenzi; * 1230/1233; † 1320/1321 in Bologna, italienischer Naturwissenschaftler und Jurist) gehören zu den Gärten des Mittelalters neben den Wiesen, die er zweimal im Jahre zu mähen empfiehlt, und grün berankten Lusthäusern schnurgerade Reihen von Fruchtbäumen, außerdem Zedern und Palmen, in jeder Reihe nur eine Gattung. 5)
Neben der gleichmäßigen Aufreihung hat die Anordnung in der schon in Xenophons Oekonomikus erwähnten, im alten Rom häufigen Quincunx bestanden, die dem einzelnen Baum eine günstigere Entfaltung gewährt. In Rabelais‘ Abtei Thelème werden die Obstbäume in dieser Weise gepflanzt. In seinen Vorschlägen für „Gärten der Könige und vornehmer Herren“ 6) erscheint Petrus de Crescentiis wie ein Ahnherr der Gartenkünstler, die vierhundert Jahre später in phantastischen Baumgebäuden schwelgten.
Er plant ein Sommerhaus mit Sälen und Gemächern aus Bäumen, lebenden Mauern mit Zinnen und Türmen, grünenden Säulen und Dächern. Ob ihn Überlieferungen römischer Anlagen beeinflußt haben und wie weit derartige Ideen in die Wirklichkeit umgesetzt worden sind, wissen wir nicht.
1) Daremberg, Diction. des Antiqués. Vgl. hierzu auch die persischen „Gartenteppiche“, die ein von graden Kanälen rechtwinkelig durchzogenes Gartenland darstellen. A. Riegl, Ein orient. Teppich v. J. 1202. Berl. 1895. Nur durch Beschreibung bekannt, der berühmte Frühlingsteppich Khosroes a. d. 6. Jahrh. Eine neuere Nachbildung bei Neugebauer-Orendi, Handbuch der orientalischen Teppichkunde. Leipzig, 1909. Abb. I. – „Noble plantations in the likeness of the land of Hamam, of all sterns and vines of plantation, trees, the growth of the highlands and the lowlands upon its grounds in rows I planted“: Bericht des Sennacherib (705-681 v. Chr.) über seine Bauten bei Nineveh. Z. f. Assyr. 1888, S. 326. – 2) Beim Heiligtum des Feuertempels pflanzte man Zypressen, deren Obelisken artige Gestalt an Feuerflammen erinnerte. Humboldt, Kosmos II. – 3) Weinhold, Die deutschen Frauen im Mittelalter II, 181. – 4) Bäume am Rand der Wiese auf dem Gartenbild des Romans der Rose a. a. O. – Der Baumgarten hinter der Rosenhecke auf dem Gemälde 525 B im KFM., Berlin. – 6) A. a. 0., VIII, 2. – 6) A. a. 0., VIII, 3.
LAUBENGÄNGE.
Dagegen sind für das Vorhandensein von Laubengängen zahlreiche Zeugnisse vorhanden. Das Mittelalter hat sie von der alten Welt übernommen und als einen charakteristischen Zug in der Physiognomie seiner Gärten bewahrt. In der Praxis des Weinbaus und anderer Rankengewächse entstanden, boten sie in den südlichen Ländern willkommenen Schatten. Wenn Albertus Magnus von den Weinstöcken, die er zwischen den Baumreihen anordnet, sagt, ihr Laub gäbe einen erfrischenden Schatten, so denkt er dabei wohl an gedeckte Laubengänge. Direkt von Weinlaubgewölben, die über breiten, schnurgeraden Wegen an den Rändern des Gartens und mitten hindurch auf den Wiesenplan führen, spricht Boccaccio. Die Seiten dieser Gänge sieht er von Hecken aus weißen und dunkelroten Rosen und Jasmin fast ganz umschlossen, so daß man zu jeder Tageszeit dort duftenden und erquickenden Schatten genießen könne. Diese verschiedene Umkleidung von Wölbung und Seitenwand erinnert an spätere Kombinationen von Hecken und Alleebäumen. 1)
Der Wurz- und Blumengarten.
Baum- und Rosengarten stellen den eigentlichen Lust- und Prunkgarten des Mittelalters dar, den Fest- und Freudenplatz der ritterlichen Gesellschaft. Der Wurzgarten (Herbularium) ist zunächst reiner Nutzgarten, zur Zucht von Kräutern und Blumen, die damals oft Arzneizwecken dienten.
Von verhältnismäßig geringer Ausdehnung ist er nicht Schauplatz gesellschaftlichen Lebens, sondern stiller Tätigkeit und beschaulichen Daseins des Besitzers. Er erhält eine besondere Umfriedung auch da, wo die Raumverhältnisse erlauben, ihn mit dem Wiesen- und Baumgarten zusammenzulegen. Als ein kleiner Privatgarten für sich liegt er dann in dem größeren Bezirk. Auf einer Miniatur des Brevier Grimani als „Ortus Conclusus“ bezeichnet, ist er durch ein Holzgitter von der Blumenwiese getrennt. 2) (Hortus bezeichnet im Altertum und Mittelalter den Nutzgarten, im Gegensatz zum Viridarium, d. h. Lustgarten.) Man wird ihn gewöhnlich in eine Ecke des Gartenbezirks gelegt haben. 3)
Der Petit Jardin du Louvre lag im 13. Jahrhundert jenseits der Straße durch einen Torbau mit dem Hauptgarten verbunden. Die Sitte, in dieser Weise ein Stück Land von dem großen Garten zu trennen, einen besonderen Garten im Garten anzulegen, hat sich in den folgenden Zeiten erhalten: der „Giardino secreto“ der italienischen Renaissance wie der „Jardin particulier“ im Frankreich des 17. Jahrhunderts stammen vom Hortus conclusus ab. Außerdem ist dieses Gärtchen der Ausgangspunkt für die Entwicklung nicht allein des Hausgartens, sondern aller Parterregestaltung auch der großen Gärten späterer Zeit überhaupt. Denn das Hauptstück des ritterlichen Ziergartens, die Blumenwiese, verschwindet am Ende des Mittelalters.
Eine der spätesten Darstellungen ist die im Weiskunig, wo der „letzte Ritter“, Kaiser Maximilian, und seine junge Gemahlin inmitten des Wiesengartens auf einer Rasenbank beieinander sitzen, um einer des andern Sprache zu lernen. Im 16. Jahrhundert wird die Rasenfläche, zunächst nach dem Muster des Hortus conclusus, in Beete und Wege geteilt. Von dem ehemaligen Zustand bleibt allein der Springbrunnen, in der Mitte der Gliederung.
1) Bildliche Darstellungen auf zahlreichen Miniaturen, zit. von Riat, S. 68, 71. Fig. 16. – 2) Ediz.Ongania Tav. 11O. (Riat, Fig. 18.) – 3) „In irgend einem Teil des Lustgartens wird man „lo herbaio“ anlegen können“: Petrus de Crescentiis VIII, 3.
BEET-DISPOSITION.
Die denkbar primitivste Teilung der Beete, eine Folge gleichmäßiger oblonger Rabatten, wie sie noch heute jeder Gemüsegarten zeigt, war wahrscheinlich auch der Ausgangspunkt für den Wurzgarten. Ein Dokument früher Zeit auf dem Bauriss des Klosters St. Gallen, wo Arznei- und Gemüsegarten gleichartig gegliedert sind (zwischen 816-837).
Doch hat man gewiß bald statt dieser magazinmäßigen Anordnung eine Gruppierung der Felder vorgezogen, die dem Auge eine wohlgefällige Gliederung bot. Seitdem gab es denn auch hier neben der reinen Nützlichkeit eine ästhetische Forderung. Der quadratische Grundriss, den man im späteren Mittelalter dem Hortus conclusus mit Vorliebe einräumte 1), führte dazu, die rechteckigen Beete um ein zentrales Brunnenbecken oder Mittelbeet symmetrisch zu gruppieren.
Wie man bei der Disposition der Beete gelegentlich mehr an die optische Erscheinung als an den Spaziergänger denkt, zeigt die mehrfach dargestellte Schachbrettgruppierung fünf quadratischer Felder, so daß vier Felder sozusagen an den Ecken des Mittelfeldes hängen. (Im Schloßgärtchen auf Bouts „Schiedsspruch Kaiser Ottos“ in Brüssel.“ 2) Noch am Ende des 16. Jahrhunderts auf den Entwürfen Vredemans 3)). Auch ein literarischer Zeuge findet sich für diese beliebte Form:
Ich sach auch den anger han
ainen wurzgarten … 4)
er war durchgruonet her und dar,
geschâchzabelt und gefiert,
mit kraut und wurzen wol geziert. 5)
Wo man die idealen Grundstücksabmessungen eines regelmäßigen Vierecks nicht hatte – nur bei den innerhalb der großen Gärten zu legenden Wurzgärten konnte man sie leicht herbeiführen – fügte man Beet zu Beet in verschiedenen Rechtecken, wie es der Raum ergab. Bei ausgedehnteren Anlagen schloß man wohl auch schon hie und da mehrere zu einer Gruppe zusammen. Man ging jedoch noch nicht darauf aus, eine bestimmte, theoretisch festgelegte Disposition für dies und jenes Grundstück zuzuschneiden. Wie in der mittelalterlichen Architektur waren die Bedingungen des Geländes und die persönlichen Bedürfnisse des Besitzers auch für den Garten maßgebender als eine allgemeine Regel.
BEETGESTALTUNG.
Die Beete selbst liegen ein gut Stück höher als die Wege und werden durch Backsteine oder Bohlen abgestützt, analog den Grasbänken. Auch in Italien kommen gemauerte Beeteinfassungen vor. 6) Diese Form erhält sich in Deutschland bis ins 17. Jahrhundert hinein. Noch Laurenbergs Horticultura (Ausg. v. 1682) nennt als deutsche Art die sogenannten „Bogenbeetlein“, wohl weil sie sich wie flache Bogen von Weg zu Weg spannen, im Gegensatz zu der welschen Art, wo Beet und Gang in einer Ebene liegen. Furttenbach gibt den Blumenbeeten in seinem „Schulgarten“ eine Einfassung von rotgestrichenen Eichendielen. 7)
Der brandenburgische Hofgärtner Elszholtz (Gartenbau 1683) spricht dann bereits von der Beeterhöhung als der alten, jetzt abgeschafften Art. Angesichts der hoch aufgeschütteten, festumrahmten Felder scheint es oft, als bestehe der Garten aus einer Reihe von Blumenkästen. Dieser Eindruck wird verstärkt durch das bescheidene Format des einzelnen Feldes, das eine bequeme Bewirtschaftung vom Rand aus ermöglichen soll. Nach Laurenberg darf ein Beet nicht über 5-6 Schuh breit sein, ein rundes nicht schmäler als drei Schuh im Durchmesser.
1) Petrus de Crescentiis VIII, I. – 2) Riat, Fig. 17. – 3) Hortorum viridariorumque formae. 1583.- 4.) Also im Bezirk des Wiesengartens gelegen. – 5) Liederbuch der Clara Hätzlerin. 15. Jahrh. – 6) Z. B. in den „Orticini“ in Castello: Geymüller-Stegmann, Die Architektur der Renaissance in der Toscana. X. – 7) Der mannhafte Kunstspiegel 1663. Vergl. Kap. III, I.
BLUMEN. ART DER BEPFLANZUNG.
Eine Aufzählung der Blumen und Pflanzen zu geben, die der mittelalterliche Garten enthielt, liegt nicht im Plan dieses Buches. 1) Unter den Blumen dominieren allgemein Rose, Lilie, Viole und Iris. Bei der Anordnung der Pflanzen, soweit die bildlichen Darstellungen Aufschluss geben, verzichtet man auf eine strenge Trennung der Arten. Wie auf den Grasbänken der Mariengärtlein sieht man auch auf den Beeten der Wurzgärten Blumen verschiedenster Art beieinander.
Für dekorative Wirkungen, wie sie ein aus einer Gattung bestehendes Blütenfeld gibt, das unser modernes Auge entzückt, hatte das Mittelalter keinen Sinn. Das gotische Interesse konzentriert sich vielmehr auf die einzelne Pflanze, die Blume über „dem schlanken Gerüst wechselnder Blätter“ und den einzelnen, stilisierten Strauch. Das führt dazu, bevorzugte Exemplare zu isolieren, etwa auf die Mitte eines Beetes zu setzen.
Zarte Gewächse umgibt man mit einem schützenden Gestell aus Stäben und Reifen, derart, daß die Pflanzen wie in einem luftigen Käfig sich frei entwickeln 2), nicht, wie es bei uns geschieht, der Stengel an einen Pfahl gebunden wird, der ihn verdickt und seine Wirkung beeinträchtigt.
STRÄUCHER UND BÄUME.
Sträuchern sucht man ihre Formlosigkeit zu nehmen, indem man den Stamm über dem Erdboden ein Stück frei schneidet und dann die Zweige durch runde Reifen zusammenfaßt und oben nach der Mitte wieder so zusammenführt, daß eine dem modischen Geschmack angenehme, etwa einem spätgotischen Doppelpokal ähnliche Silhouette entsteht.
Der gleiche Formwille zieht kleinere Bäume in der Weise, daß die Äste rings um den Stamm zu einzelnen Schichten vereinigt werden, die sich etagenmäßig in bestimmtem Abstand folgen, nach oben sich verjüngend wie die Schalen um einen Brunnenstock. Auch hier betont das gotische Empfinden das Gerüst. Man rufe sich neben diesem feingliederigen Aufbau eine jener massiven Pyramiden in Erinnerung, wie sie noch heute die Rampen im Park von Versailles begleiten!
Italien blieb diese mittelalterliche Baumformierung fremd. Seine Bäume besaßen von Natur schon genug Architektur in sich. Dagegen sieht man den Etagenbaum mehrfach auf niederländischen Bildern, u. a. im Hintergrund der Massys-Madonna in Berlin. Die Tradition hält sich im Norden noch bis ins 17. Jahrhundert. 3) Auch hochstämmige Bäume werden oft in die Beetmitte gestellt, eine Sitte, die einmal in der ästhetischen Freude am einzelnen Gewächs seine Ursache hat, aber auch wohl mit der uralten religiösen Verehrung des Baumes zusammenhängt.
Der Baumkultus, der von jeher bei allen Völkern außerhalb der Gärten bestand 4), wandert – wenn auch nicht in der gleichen sakralen und mythologischen Bedeutung – in die Gärten hinüber. Von der Bedeutung der Baumgärten war bereits die Rede. Aber auch einzelne Bäume spielen eine Rolle.
1) Über das berühmte Capitulare de villis Karls des Großen, das Gedicht „Hortulus“ des Abts von Reichenau, Walafridus Strabo (gest. 849), worin er 34 Pflanzen seines eigenen Gartens besingt, u. a. Quellen vgl. E. Meyer, Geschichte der Botanik. Kaufmann, Der Gartenbau im Mittelalter. Heyne, Deutsche Hausaltertümer. Über die Handelsgärten, die für die großen Bedürfnisse der mittelalterlichen Gesellschaft nach Blumen, namentlich Rosen, sorgten vergl. u. a. Springer, Paris im 13. Jahrh. Leipzig 1869. Paris hatte auch im Rosenluxus eine Vorgängerin im alten Rom: Hehn, Kulturpflanzen. S. 205. – 2) Auf diese Weise gehaltene Blumen (Nelken, Lilien) in Töpfen und Kübeln häufig auf Bildern des 15. Jahrh. Auch noch im 17. Jahrh.: Crispin de Passe, Abb. 55 u. a. – 3) Mehrfach bei Le Roy, Theatre de Brabant 1730 (VergI. Abb. 3) und bei Sander, Flandria ill. (1732). – 4) Mannhardt, Baumkultus der Germanen. Hehn, Kulturpflanzen: über im Altertum berühmte und verehrte Bäume (Die Platane).
Dem Brunnen in der Mitte des Rasenplatzes gibt ein Baum seinen Schatten. 1) Im Rosengarten bei Worms stand eine Linde, deren natürliches Schattenbereich durch seidene Sonnensegel so vergrößert wurde, daß fünfhundert Frauen der Krimhild im Schatten sitzen konnten.
Das Gestühl, das den Baum umgab, war aus Elfenbein, der Boden mit Marmorplatten belegt. Hier erscheint, in mittelalterlichem Glanz, der Baum als Mittelpunkt eines festlichen Platzes, wie wir ihn in den Gärten des 16. Jahrhunderts, namentlich im Norden, noch häufig finden werden. Von dem Baumund Rosengarten gelangte der Einzelbaum in den Wurzgarten, wo er oft an Stelle des Brunnens als Mittelpunkt des zentralen Beetes erscheint, bisweilen von niedrigeren, auf den umgebenden Feldern zentral gepflanzten Sträuchern oder Bäumen symmetrisch umgeben. 2)
Wenn auf mittelalterlichen Darstellungen im Wurzgarten oft einzelne alte Bäume die regelmäßige Felderteilung durchbrechen oder gar mitten in einem Weg sich aufrichten, so standen sie wahrscheinlich schon bei der Anlage des Gartens, und da man, wie in der mittelalterlichen Architektur, nicht tyrannischer Symmetrie zuliebe Gewalttätigkeiten beging, hat man sie konserviert (Abb. I).
Ein außergewöhnliches Beispiel aus dem späteren Italien: die einzelnen exotischen Bäume im Giardino de semplici des Belvederegartens im Vatikan (Stich von Falda). – Format, Einfassung der erhöhten Beete, das Fehlen jeder größeren zusammenfassenden Form, jeglicher Masse, im Gegenteil, das Betonen zarter, graziler Formen durch Isolierung einzelner Gewächse, gibt diesem Teil des mittelalterlichen Gartens einen zierlichen, anmutigen Charakter, der erst dann kleinlich wirkt, wenn man ihn auf größere Verhältnisse überträgt, wie es in der nordischen Renaissance vielfach geschehen ist.
Er ist aber, wie wir gesehen haben, nur ein kleiner Teil des mittelalterlichen Idealgartens, wie ihn die Beschreibungen des Petrus de Crescentiis, Albertus Magnus, Boccaccio darstellen. Erst wenn man den von Rasenbänken und Spalieren umzogenen Wiesenplan mit dem Baumgarten als Hintergrund sich vor Augen stellt, gewinnt man den Eindruck jener großdenkenden Gartengesinnung, die der mittelalterlichen Architektur ebenbürtig ist. Die Behauptung, das Mittelalter habe keine Gartenkunst besessen 3), erweist sich als irrig. Sie mag daraus entstanden sein, daß man sich lediglich an die Gestaltung des Hortus Conclusus hielt.
Aber auch er, der mit Anmut und Geschmack seinen Zweck erfüllt, verdient kein absprechendes Urteil, am wenigsten von einer Zeit, die sich erst wieder langsam darauf besinnen muß, den kleinen Hausgarten mit dem Takt und Anstand zu behandeln, der damals etwas Selbstverständliches war.
1) Nach Humboldt (Kosmos 11) hing die uralte Verehrung der Bäume, wegen des erquickenden und feuchten Schattens eines Laubdaches, mit dem Dienst der heiligen Quelle zusammen. – 2) College-Gärten in Cambridge: Loggan, Cantabrigia ill. und Abb. 50. – 3) Falke, Kaufmann u. a.
Quellen:
- Der Garten; eine Geschichte seiner künstlerischen Gestaltung von August Grisebach. Leipzig: Klinkhardt & Biermann 1910.
- Gardens Ancient and Modern; an epitome of the literature of the garden-art by Albert Forbes Sieveking. London, J. M. Dent & co. 1899
- Des divers styles de jardins, modèles de grandes et petites résidences, sur l’art décoratif des jardins; jardins européens et jardins orientaux par Marcel Fouquier, Paris, E. Paul 1914.
- Harley 4425. British Library. Roman de la Rose.
- Digitalisierte historische Gartenliteratur : Monographien
- Sciences & lettres au moyen âge et à l’époque de la Renaissance ouvrage illustré de treize chromolithographies de Paul Lacroix (Bibliophile Jacob). Firmin-Didot 1877.
- Deutsches Leben im XIV und XV Jahrhundert von Alwin Schultz. Wien, Tempsky 1892.
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