Die französische Mode von 1660 bis 1700 am Hof von Versailles.
FRANKREICH 1660-1700.
Die französische Mode im Zeichen des Hofes Ludwigs XIV.
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Fig. 1. Ludwig XIV. um 1660.
Fig. 2. Ludwig XIV. um 1670.
Fig. 3 und 4. Französische vornehme Herren. 1664.
Fig. 5. Vornehmer Herr, in etwas älterer Tracht.
Fig. 6 und 7. Damen mit Fontangen nach 1670, die zweite in etwas späterer, geschnürterer Mode.
Fig. 8. Herr im häuslichen Morgenkostüm.
Fig. 9. Ludwig XIV. in der Zeit des ausgebildeten Justaucorps, gegen 1700.
Fig. 10. Herzog Philipp von Orleans, des Königs Bruder, „Monsieur“.
Die französische Mode im Zeichen des Hofes Ludwigs XIV. Maßgebend ist in ihr die Richtung auf das Imposante, bei zeremonieller Regelung, mit Ausschluss des persönlichen Spielraums und der selbsterfinderischen Phantasie. In dem Ganzen liegt ein Kampf gegen die Natur ausgedrückt, Befehlsgewalt der königlichen Allmacht über das Selbstgewordene; in der Gartenkunst des 17. Jahrhunderts findet ähnliches statt. Die spätere Proklamation im 18. Jahrhundert für die „Natur“ durch Rousseau und andere, stellt sich als unausbleibliche Reaktion dar, gegen die vorher herrschende Gesinnung, da sich diese bis auf die Zeit Ludwigs XV. noch erstreckte.
Kennzeichnend spricht man von der Perückenzeit des 17. Jahrhunderts. Seit dem Wegfall der Radkragen hatten die Haare wieder Luft bekommen, wurden länger. Wo sie spärlich waren, nahm man schon seit Zeiten Ludwigs XIII. künstliche Perücken zur Aushilfe. Von Beginn der Periode unserer Tafel trägt man aber, nach dem Vorbild des Königs, die Perücke im allgemeinen. Ludwig hatte in ihr ein besonderes sinnbildliches Zeichen des Majestätischen erkannt, des Olympischen (Jupiter von Otricoli!).
Doch in allem war er auch der wie ein Hierarch gebietende Herrscher, der nachgeahmt zu werden wünschte, statt daß er der königlichen Person die Äußerlichkeiten ihres Standes vorbehielt. Er egalisierte überhaupt, machte die Adelsstände von oben herunter gleich, um sie miteinander bedeutungsloser und gefügiger zu machen. Alle sollten durch ihn allein ausgezeichnet sein, dadurch, daß sie ihn umgeben, nachahmen durften und es mußten.
Der Perücke wegen verschwinden die Spitzen vom Kragen, suchen sich vermehrtes Unterkommen am Knie. Der Kragen legt sich glatt, steif und kahl herunter. Doch da unter dem Kinn die Perücke Raum ließ, gab dies nachmals Gelegenheit, dort einen feinen, weißen, leichten Spitzenschal heraussprudeln zu lassen. Genannt wurde er die Steenquerque, weil in der Schlacht von Steenkerke (1692) die französischen Befehlshaber und Prinzen sie erstmals getragen und so dieses neue Gebot der Versailler Mode europäisch kundgegeben hätten. Tatsächlich kam sie bereits früher auf; aber es gehört zum französischen Esprit. es nie so pedantisch genau mit den Tatbeständen der Ideen zu nehmen.
Eine Fülle von bauschenden Raffungen, Bändchen, Schleifen harmoniert mit den großen Spitzen am Knie. Die Beinkleider sind bauschend weit, beuteln gegeneinander, sehen aus wie ein geschlossener, den Röcken der Frauen ähnlicher, sehr kurzer Rock. Man nennt dies die Rhingrave (Rheingrafen Hose), abermals mit einer etwas apokryphen Erklärung der Bezeichnung. Der gezierte Stiefel aus der Soldatenzeit des 30 jährigen Krieges wird höfisch mehr und mehr verpönt, verschwindet bald gänzlich aus der gesellschaftlichen Schicklichkeit. Schnallenschuhe und Seidenstrümpfe üben das alleinige Amt, untertänige Kratzfüße und zierlich beim Tanzmeister erlernte Stellungen und „Pas“ zum Ausdruck zu bringen.
Mit dem dritten Viertel des Jahrhunderts wird das üppig effektvolle Kostüm aus der Zeit um 1660 gemessener. So wie die Etikette am Hofe stetig geregelter und minder nachsichtig wird. Das Imposante wird gestreng, gravitätisch. Die Beinkleider werden enger, sie verlieren die Spitzen. Die ganze obere Figur bis ans Knie hinunter samt den Beinkleidern kommt unter die Herrschaft eines Überrocks, der aus der bisher ihm eigenen mantelartigen, loseren Weite sich jetzt mehr an den Körper anlegt, zum Justaucorps wird. Große Schöße und Ärmelumschläge harmonieren mit der vergrößerten, verlängerten Perücke. Seine Farbigkeit wird ruhiger, stetiger, statt Spitzen, Schleifen zieren ihn kostbare, doch diskrete Stickerei und goldene Knöpfe.
Auch der überlieferte Federhut gibt die Konkurrenz mit der Perücke auf, wird steifer, schmuckloser. Danach im 18. Jahrhundert wird er ein trockner Dreispitz, den man zwar beim großen Anzug in der Gesellschaft auch nicht fehlen lassen kann, aber zum Besten der Perücke und der weiter folgenden Kunstfrisuren dann in der Hand trägt.
Die Kostüme der Damen haben jeweils den gleichen, soeben auseinander gesetzten Gesinnungen zu folgen. Hier fallen die natürlichen Locken der Fontange zum Opfer. Deren Erfindung durch die Herzogin von Fontanges, zu welchem Titel Ludwig XIV. die dritte der „anerkannten“ Mätressen erhob, ist abermals apokryph. Denn, wie in der Weltgeschichte, werden auch in der Kostümgeschichte die Dinge, entwickeln sich nach Keimkraft und für sie günstigen Gesinnungen oder Umständen, werden so erkannt und in Pflege genommen.
Die Fontange war ein zuerst aus Bändern, dann Spitzen, Fältelungen, bald auch mit Drahtgestell, höher wachsendes Gebilde, welches die Frisur zu sich hinzog. Im Aufriß zeigt sie die Schiefheit, wie sie der Turm von Pisa hat, dieser indessen ohne daran schuld zu sein. Schuld waren die sehr hohen Schuhabsätze. Sie brachten in die Haltung der Damen etwas Vorneigendes, wenigstens dem Gefühl nach, und bemerkenswertes stilistisches Empfinden legte so durch das Ganze eine Linie der Schrägrichtung, die in die Fontange auslief.
Zur Zeit der Regierungsanfänge des jungen Ludwig XIV. trugen die Damen herkömmlich zwei Hauptkleider. Das untere davon war das vollständig umgebende. Das obere wollte jenes mehr oder minder frei sehen lassen, teilte sich vorne vom Gürtel herunter lang und weit auseinander, oder war um den unteren Rock herum auch hochgerafft; unter Umständen kam es nur in der Taille schließend zusammen.
Zuerst waren diese Kleider ziemlich leicht und bequem, fröhlich, wobei sie doch der Erscheinung Stattlichkeit gaben. Dann erfaßt auch sie die betontere Abgewöhnung der Natur und die Etikette. Sie werden steifer, schmalbrüstig; das Einzwängen und Zerschnüren des gesunden Oberkörpers kommt einmal wieder in Schwung und wird von selten erreichter Gewalttätigkeit zelebriert. Den großen Schößen des Justaucorps entsprechen untere Fülle der Damenkleider und wachsende Schleppe. Die Steenkerke tritt auch bei den Damen auf, soweit nicht ein großes Dekolleté sie ausschließt.
Da man sich in den oberen Ständen jener Zeiten, voran den französischen, nicht arg viel wusch, auch das Baden verlernt und verpönt war, und man mehr in der Sänfte, auch wohl in Fuhrwerken bewegt ward, als selber sich auf den waghalsigen Stöckelschuhen im Freien diese Mühe machte, so ist nicht verwunderlich, daß viel schlechte Haut und Pusteln im Gesicht die Galanterie nicht stören durften. Auf diese Pickel klebte man bei der Toilette, wo sehr wichtig auch der Puder war, ein deckendes Pflästerchen, die Mouche. In der nunmehrigen Zeit der unschicklichen Natur wurden die Mouches aber geradezu zum Zierrat erhoben und in koketten kleinen Formen, Sonne, Mond, Herzen, je nach Mode und Zweck, zurechtgeschnitten.
Quelle: Geschichte des Kostüms von Adolf Rosenberg und Eduard Heyck. Erschienen 1905.
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