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Baden-Württemberg. Trachten aus Betzingen, Reutlingen, Rottweil.

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Württemberg. Trachten aus Betzingen, Ober-Amt-Reutlingen.

Historische Trachten von Betzingen, Ober-Amt Reutlingen, Umgebung von Rottweil.

Volkstrachten. Original-Zeichnungen mit erklärendem Text von Albert Kretschmer.

Wenn Land und Leute mit gleichem Interesse unser Auge fesseln, dann ergänzt eines das andere, dann kommt im landschaftlichen Reiz die staatliche Tracht erst zur angemessensten Wirkung, so wie diese der Landschaft wieder eine charakteristische Vollendung gibt.

Württemberg ist bekanntlich ein sehr fruchtbarer Teil von Deutschland, das liebliche Schwaben mit dem Vorzug der vielen malerischen Schönheiten, und hier wohl auch die interessanten Gestalten, deren vor Vorfahren schon der Stolz des Mittelalters waren, zwar nicht mehr wie damals in Stahl und Eisen, denn die Schwaben Streiche, die ihr Landsmann Uhland besang, sind heute nicht mehr gefragt.

Aber gewiss mit nicht geringer Genugtuung sieht der heutige schwäbische Landmann seine Siege gegen Wetter und alle geflügelten und vierfüssigen Fressfeinde seiner Felder an, wie vormals der schwäbische Kreuzritter im Heiligen Land die Niederlagen der Ungläubigen.

Denken wir uns indessen den schwäbischen Bauern im äußeren nicht etwa gegen seine übrigen deutschen Landsleute bevorzugt; zwar ist er groß gewachsen, breitschultrig und von regelmäßiger Gesichtsbildung, aber trotz dieser Eigenschaften und seiner auffallenden Tracht fehlt es ihm an fester Haltung. Wie sein „latschiger“, schleppender Gang, so hängt ihm auch die ganze Garderobe am Körper.

Diese besteht zunächst aus einem Rock von weißer Leinwand, der in der Länge den halben Unterschenkel erreicht; er ist ungefüttert und mit einer Reihe von Messingknöpfen besetzt. Die Weste ist von roten Tuch, mit kugelförmigen Zinnknöpfen besetzt, ist am Rücken in Schoßteile geschnitten, der vordere Rand längs den Knöpfen mit Zacken ausgeschnitten; die Weste, die am Werktag getragen wird, ist von schwarzem Tuch. Über dem gefältelten Hemd unter der häufig offen stehenden Weste geht ein bunt gestrickter Hosenträger quer über die Brust.

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Festtagstracht. Württemberg. Trachten aus Betzingen, Ober-Amt-Reutlingen.

Die Hosen von gelbem Leder reichen bis an die Knie, sie sind an allen Nähten mit blumigerer Stickerei verziert. Die Strümpfe bestehen aus schwarzer Wolle und werden durch gleichfarbige schwarze Kniebänder befestigt. Die Schuhe sind mit großen Messingschnallen verziert und geschlossen.

Den Hals bedeckt ein Halstuch aus schwarzer Seide, ohne den Vorstoß des Hemdes sichtbar werden zu lasen, am Knoten durch eine silberne Nadel in Form eines Blattes befestigt. Das „Schmeerkäpli“ von schwarzem Leder ist die gebräuchliche Haus,- und Wochentags Mütze. Zur Kirchentracht aber ist ein dreimal aufgeschlagener Filzhut üblich, der mit der Spitze bald nach vorn, bald im Nacken stehend, aufgesetzt wird, so wie auch dann ein langer Überrock aus blauem Tuch mit modernem Kragen dazu getragen wird.

Im Steinlachtal werden die mit Pelz besetzten Samtmützchen und schwarze Samtjacken mit blanken weißen Knöpfen zu der sonst unveränderten Tracht der Betzinger getragen.

Wie stattlich ist die Mädchentracht, und wie frisch und fest schreiten sie einher; der kleidsame Schnitt, harmonische Farben und das saubere Weisszeug geben dieser Tracht den Vorzug vor allen anderen Württembergs.

Auf dem glatt gescheitelten Haar, das am Nacken in langen Zöpfen, mit schwarzwollenen Band durchflochten, herabhängt, sitzt oberhalb des Wirbels das Kugelkäpli wie ein kleiner Turban und zuweilen etwas schief. Es ist am häufigsten mit hell geblümten Kattun bezogen und durch ein schwarzes Seidenband oberhalb als Rosette und auch am Rücken lang herab hängend geschmückt.

Ein eng gefalteter Rock von dunkelblauem Tuch, am Saum mit Goldtresse besetzt, reicht bis zum halben Unterschenkel. Ein Leibchen von carmoisinrotem Tuch mit Silberborten an den Seiten und am Rücken, und mit grünseidenem Band am Ausschnitt des Latzes besetzt, umkleidet Brust und Rücken; der untergelegte Latz ist von carmoisinroter Wolle mit bunter Seidenstickerei und durch die blauseidenen Schnürbänder des Leibchens größtenteils bedeckt.

Den Hals und oberen Teil der Brust verhüllt das Coller von rotem bedruckten Merino, mit breitem grünseidenen Band, faltig und in Rosetten gelegt, eingefasst. Unter dem Arm ist das Coller am Leibchen durch grüne wollene Bänder befestigt, die nach der Taille gezogen, in Knoten geschürzt vorn herabhängen. Sie vereinigen sich mit den breiteren rotseidenen Bändern der Schürze, welche die Taille umgeben und gleichfalls vorn herabfallen.

Die Schürze ist von feiner weißer Leinwand, mit einem herabfallenden Kantenbesatz oberhalb des Bundes, und wird nie ganz fest, sondern stets in kleinem Bogen um die Hüften gebunden. Die weißen langen Hemdsärmel sind am Handgelenk durch ein Bündchen geschlossen, und einen daran befestigte Kantenmaschette fällt auf die Hand herab.

Die Strümpfe sind von weißer Baumwolle mit weiß eingestickten Zwickeln, und durch bunt gestickte, lang herabhängende Strumpfbänder befestigt. Die Schuhe von dunkelblauem Tuch mit schwarzem Leder an der Spitze, sind mit schwarzem Samt am Ausschnitt besetzt.

Den Schmuck bildet eine Kette von Granaten, die wenigstens achtmal den Hals erst eng und dann in allmählich weiter reihendem Bogen umgibt. Ein schwarzes Samtband, an dessen langem Ende ein Medaillon von Gold, hängt über der Kette bis zur Brust.

Die Kirchen oder Festtagstracht ist wie die der Männer nur durch eine andere Kopfbedeckung und durch eine Jacke von der gewöhnlichen Kleidung unterschieden.

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Württemberg. Um Rottweil.

Die Mütze, welche in der Kirche getragen wird, ist von schwarzseidenem Damast, im Nacken durch ein ein schmales Band zum zusammenschnüren befestigt, während lange, breite Bänder, in der Gegend der Schulter in Schleifen geschlungen, über den Zöpfen herabhängen, die auch zuweilen über die Haube gebunden werden und dann in Schleifen von der Mitte derselben herabfallen.

Das halbe Gesicht aber ist durch einen schwarzen Schleier von Tüll bedeckt, der an der ganzen unteren Rundung der Mütze befestigt und am äußeren Ende bei den Zöpfen mit grüner Seide bestickt ist. Der „Kittel“ oder die Jacke ist von schwarzer Leinwand mit engen Ärmeln, weit ausgeschnitten und kurz. Durch bunte Bandschleifen von Seide ist sie über der Brust zusammen gehalten.

Im Nachbardorf Wannweil ist die Mädchentracht dieselbe, bis auf das stets schwarzseidene Mützchen, das auch in der Form vom Betzinger „Kuglkäpli“ abweicht und geradlinig nach der Höhe geht, von wo die schwarzseidenen Bänder am Rücken herabhängen; der Deckel der Mütze ist häufig von dunklem Kattun. Auch deckt bei dieser Tracht ein buntes Brusttuch Mieder und Coller.

Quelle: Volkstrachten. Original-Zeichnungen mit erklärendem Text von Albert Kretschmer. Maler und Professor am Königl. Hoftheatr Berlin. Leipzig J. G. Bach`s Verlag (Fr. Eugen Köhler) 1887. Deutsche Volkstrachten von 1864-1870.

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