William Harvey. Entdecker des Blutkreislaufs. England 17. Jh.
William Harvey. Englischer Arzt und Anatom, Entdecker des Blutkreislaufs. Geb, 2. April 1578; gest. 3. Juli 1657.
Harvey wurde am 2. April 1578 zu Folkstone in der Grafschaft Kent an der Südostküste von England als Sohn wohlhabender Eltern geboren, kam mit zehn Jahren auf die Schule zu Canterbury und trat am 31. Mai 1593 als Zögling in das Cajus- und Sonville-College zu Cambridge ein, wo er sechs Jahre hindurch dem Studium der Dialektik und Physik oblag. Dann unternahm er eine Reise durch Frankreich und Deutschland nach Italien, um in Padua die Vorlesungen der berühmtesten Mediziner seiner Zeit zu besuchen. Am 21. April 1602 zum Doktor der Philosophie und Medizin promoviert, kehrte er noch in demselben Jahre in die Heimat zurück und begann in London zu praktizieren, nachdem er im Jahre 1604 als Kandidat des dortigen »Royal College of Physicians«, zugelassen worden war. Schon im Jahre 1607 erfolgte seine Ernennung zum Fellow jener angesehenen Körperschaft und seine Anstellung als Arzt an dem St. Bartholomäushospital.
Bald nach seiner Berufung zum Lehrer der Anatomie und Chirurgie an dem genannten College am 4. August 1615 soll er seine Lehre von dem Kreislaufe des Blutes zum ersten mal in einer Vorlesung bekannt gegeben haben. Diese auf zahlreiche Vivisektionen begründete Entdeckung zog ihm zahlreiche Gegner und Feinde zu. Harvey entschloß sich daher, dieselbe in einer besonderen Schrift zu veröffentlichen, die im Jahre 1628 unter dem Titel: »Exercitatio anatomica de motu cordis et sanguinis in animalibus« bei Wilhelm Fitzer in Frankfurt a. M. erschien. Aber auch jetzt war die Zahl derer, die ihn für einen verblendeten Neuerer hielten, größer als diejenige derer, welche die Tragweite seiner Entdeckung ermessen konnten. Zu den letzteren gehörte König Karl I. von England, der Harvey im Jahre 1632 zu seinem Leibarzt ernannte und durch Überlassung von Tieren aus seinem Wildpark bei seinen Untersuchungen wirksam förderte.
Im Gefolge des Königs reiste Harvey im Jahre 1633 nach England, während er im nächsten Jahre seinen Gönner Thom. Howard, Earl of Arundel and Surrey, auf dessen Gesandtschaftsreise nach Wien begleitete. Schon damals hatte er sein zweites grundlegendes Werk: »Exercitationes de Generatione Animalium« (Übungen über die Erzeugung der Tiere) zum Abschluß gebracht, setzte jedoch die Untersuchungen über den Gegenstand desselben noch fort.
Als der Ausbruch der Revolution Karl I. nötigte, London zu verlassen, schloß sich Harvey seinen Anhängern an und siedelte mit den Königlichen nach Oxford über, wo er am 7. Dezember 1642 an der Universität inkorporiert wurde. In die Zeit seines Aufenthaltes in Oxford fallen seine Untersuchungen über die Entwicklung des Huhns. Im Jahre 1645 vom König an die Spitze des Merton College gestellt, mußte er nach der Einnahme der Stadt durch die Parlamentstruppen am 24. Juni 1646 nach London zurückkehren. Während der letzten Tage Karls I. lebte er zurückgezogen und nur mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt zu Combe in der Grafschaft Surrey. Hier suchte ihn im Jahre 1651 sein Freund, der Anatom George Ent auf und bedrängte ihn, das oben erwähnte Werk »Über die Entwicklung der Tiere« in Druck zu geben. Am Schluss seines Lebens zeigte Harvey eine besondere Vorliebe für die Lösung mathematischer Probleme. Er starb zu London am 3. Juni 1657.
»Harveys Werk über den Kreislauf des Blutes«, sagt Baas, »hat die Bedeutung einer reformatorischen Großtat erlangt, deren Wirkung sich nicht allein auf die Medizin beschränkte, sondern auf das Gesamtgebiet des menschlichen Geisteslebens sich erstreckte. Was die Lehre des Kopernikus für den Makrokosmos bedeutete, von derselben revolutionären Tragweite ist die Entdeckung Harveys für die Kenntnis des Mikrokosmos geworden. Dieser Tragweite seiner Lehre war er sich vollständig bewußt; schrieb er doch in seiner Zueignung an König Karl I.: »Das Herz der Tiere ist das Fundament des Lebens, der Ursprung von allem, die Sonne des Mikrokosmos, von der jede belebende Bewegung abhängt und alle Kraft und Stärke ausströmt.«
Stich von W. Faithorne.
Quelle: Das Zeitalter des Dreissigjährigen Krieges (1600-1670). Allgemeines historisches Portraitwerk. München 1895. Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft vormals Friedrich Bruckmann. Nach den besten gleichzeitigen Originalen nach Auswahl von Dr. Woldemar von Seidlitz mit biografischen Daten von Dr. H. Tillmann und Dr. H. A. Lier.
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