Die Armbrust. Form und Funktionsweise. Fernwaffen.
Herkunft und Definition.
Der mittelalterliche Armbrust wurde mit vielen Namen benannt, von denen die meisten vom Wort Balista abgeleitet waren. Die Arcubalista war eine griechische bzw. römische Wurfmaschine, die als große Belagerungsmaschine auf Rädern, im Aussehen und Mechanismus einer Armbrust ähnelte. Es bestand aus einem großer Bogen, der an einem Schaft befestigt und durch einen Mechanismus gespannt wurde. Das Vorkommen von Handarmbrüsten bei den Römern wird ebenso bestätigt wie ihre Erfindung durch die Chinesen im 12.Jahrhundert v. Chr.
Zwei Armbrüste sind mit einer englischen Winde (Kurbel, Radgehäuse, Flaschenzug und Hacken) zum Scharfmachen und zwei Geschossen *) dargestellt. Nur eine der beiden Armbrüste befindet sich im National Archaeological Museum, es ist die mit dem einfachen, schlichten und schmucklosen Schaft.
*) In Spanien Viratonen, Viroten genannt.Quelle: Museo español de antigüedades (Madrid) von Victoriano Polanco, Juan de Dios de la Rada y Delgado. Madrid: Impr. de T. Fortanet, 1873. (Zeitschrift: Das Spanische Antikenmuseum, erschien zwischen 1872 und 1880)
Der Armbrustschütze war bekannt unter den Namen: Arbalista, Arcubalistarius, Arbalistarius, Arcubalistus, Arcubalistus, Arbalistator, Balistarius, Arbalistanus, Balistrarius, Arbalistrius, Balistrator.
Die Armbrust war bekannt unter: Arbalet, Arblast, Arbalist, Alablaste, Arbaliste, Arbelaste, Arbalista, Alblast, Arcubalist, Arowblaste, Arcubalista, Arblat, Arcubalistus, Arbalestel, Manu Balista.
Der Name der Armbrust in verschiedenen Ländern:
- Frankreich und Belgien: Arbalete.
- Italien: Balestra.
- Spanien: Ballesta.
- Portugal: Besta.
- Deutschland und Österreich: Armbrust.
- Dänemark: Flitsbue.
- Schweden: Armbost.
- Norwegen: Krydsbue.
- Russland: Samostrel.
Armbrust (von âr, indogerm. = Bogen und rust von Rüstung, also ein gerüsteter, d. h. mit einem Schaft oder Säule ausgestatteter Bogen). In Westeuropa taucht sie erst im 10. Jahrhundert n. Chr. wieder auf und wird als Waffe der Kreuzfahrer unter dem Namen „tzagra“ geschichtlich erwähnt, ist aber im 12. Jahrhundert, wie der Pfeilbogen, die gefürchtete Waffe gewisser französischer und englischer Söldnertruppen. In Deutschland bildeten sich im späteren Mittelalter bürgerliche, teilweise noch heute bestehende Armbrust-Schützengilden, da die Vornehmen die Armbrust als unritterlich verschmähten.
Die mittelalterliche Armbrust
Die mittelalterliche Armbrust hatte einen Bogen aus Holz oder Horn, seltener Eisen, das zu wetterempfindlich war. Mit der hölzernen Säule war der Bogen durch Riemen oder Stricke verbunden oder durch eiserne Schienen verklammert (Verankerung), ein eiserner Ring oder Bügel nahm den Fuß auf, wenn die Armbrust zum Spannen umgekehrt auf den Boden gesetzt wurde. Etwa in der Mitte der Säule sitzt die „Nuß“,eine beinerne Walze mit einem Einschnitt zur Aufnahme der Sehne und einer Kerbe (Rast), in die der Abzugsbügel eingreift. Die Nuß war entweder nur in die Säule eingelassen (freischwebend) oder lief um eine Bindfadenschnürung (im Faden laufend).
Der Bügel ist ein zweiarmiger, sich um eine eine Welle bewegender Hebel: der kurze Arm greift in die Rast, der lange, auf eine Feder drückende, dient als Abzug. Das Spannen der Armbrust konnte durch verschiedene Vorrichtungen geschehen:
a) Die Haken der Radgehäuse eines Flaschenzuges greifen um die Sehne, während die Hülse eines anderen Radgehäuses sich um den Fuß der Säule legt: wird die Welle mit einer Kurbel gedreht, ziehen die Haken die Sehne herunter, die dann in den Einschnitt der Nuß einspringt (Englische Winde).
b) Die Krappe einer Zahnstange faßt die Sehne, in die Zähne der Stange greifen die Triebstöcke eines Drillings, dessen Welle sich mit einem Zahnrad bewegt, das wieder durch eine Schraube ohne Ende mittels einer Kurbel gedreht wird. Durch diese Drehung wird die Zahnstange nach unten geführt, da das Radgehäuse durch eine, über die Säule geschobene und dort an zwei Knebeln festliegende Hanfschlaufe (Bausche, Windfaden) in seiner Lage gehalten wird, und die von ihr gezogene Sehne springt dann in die Nuß (Deutsche Winde).
c) Die Armbrust wird umgekehrt auf den Boden gesetzt, der Fuß des Schützen tritt in den Bügel, und die Sehne wird mit einem am Gürtel des Schützen befindlichen Haken durch einfaches Aufrichten des Rumpfes und dadurch bewirkten Zug gespannt (Spann-, Gürtelhaken).
d) Die Krappen eines einarmigen Hebels, der seinen Stützpunkt an zwei Knebeln in der Mitte der Säule hat, fassen die Sehne und ziehen sie herunter (Geißfuß). Diese Spannvorrichtung genügte nur für kleinere Armbrüste.
e) Eine Hebelvorrichtung ist mit der Säule verbunden und enthält zugleich den Abzug (Säulenhebel). Der Haken des langen Armes eines Hebels greift in den Ring am Kopf der Säule, während der kurze, bewegliche Arm sich auf die Sehne stützt und diese in die Nuß drückt (Hebelspanner, Spannhebel). –
Nach erfolgter Spannung wird der Bolzen auf die Säule, die hier oft eine Rille hat, vor die Nuß gelegt und mit einer Hornklammer (Bolzenklammer) festgehalten. Die Bolzen (Hauspfeile) werden durch genaue Berechnung des Längen- und Gewichtsverhältnisses zwischen dem Schaft (Bein) und der Spitze (Eisen) durchschlags- und schwungfähig gemacht. Eine Befiederung der Bolzen erscheint selten; den Jagdbolzen wird durch bestimmte schiefe Stellung der Holz- oder Beinfedern eine Drehung (Drall) gegeben, welche die Treffsicherheit erhöht. Im Krieg werden Bolzen mit Brandballen und Widerhaken verwendet (Brandbolzen).
Wegen der Geräuschlosigkeit des Schusses und der bequemen Tragfähigkeit wurden die Armbrüste schon im Mittelalter mit Vorliebe auf der Jagd benutzt. Als Kriegswaffe seit dem 16. Jahrhundert nicht mehr in Gebrauch, weil von der Muskete und dem Faustrohr verdrängt, nimmt sie in der Zeit der Prunkharnische und im 17. Jahrhundert an der künstlerischen Renaissance der Waffe teil. Die Säule wird geschnitzt, mit kostbarem Holz hergestellt, durch Einlagen in Bein und Perlmutter, Metall und Email. durch Auflagen von Plaketten, von durchbrochenen Verzierungen, durch Bemalung und Vergoldung geschmückt.
Auch Säulen aus geätztem, getriebenem und vergoldetem Eisen finden sich in den Jagdkammern der italienischen und deutschen Fürsten. An Stelle des Bolzens, dessen Eisen das Fell oder Federkleid des Wildes zu sehr verletzte, trat jetzt bei Jagdarmbrüsten die Kugel: so entstand der Balläster (ital. ballestra) oder Schnepper. Die Sehne dieser Armbrüste ist zweisträngig; zwischen den, durch Holz- oder Elfenbeinstäbchen auseinander gedrängten Strängen sitzt ein aus Quersträngen gebildetes Säckchen, das die aus Blei, Stein oder Ton gemachte Kugel enthielt; die Kugel flog in flachem Bogen, was ein besonders sorgfältiges Zielen erforderte.
Bei der italienischen Balläster ist der vordere Teil der Säule stark nach unten gebogen; bei ihnen wurde die Sehne oft mit der Hand, mittels einer sonst am Gürtel getragenen Krappe gespannt. Der deutsche Schnepper zeichnet sich durch eine eiserne Säule aus; die Spannung geschieht hier in der Regel durch den Säulenhebel; ein schwerer klotzartiger Kolben soll den ruhigen Anschlag erleichtern. In dieser Form erhielt sich die Armbrust als Jagdwaffe bis ins 18. Jahrhundert; besonders bei der Vogeljagd war sie auch in der Hand der Damen stets sehr beliebt.
Die heute zum Vogel- und Scheibenschießen benutzten Armbrüste (Wandschnepper, Vogelschnepper), werden mit der deutschen Winde gespannt. Die Armbrustköcher finden sich in den mannigfaltigsten meist kasten- oder taschenähnlichen formen aus Holz, Leder und Leinwand; die mit Pelzwerk besetzten heißen Rauchköcher. In England kommen Stahlköcher für Kugeln und kleine Vogelbolzen vor. – In China wird die Armbrust durch eine Repetiervorrichtung (Revolverarmbrust) in ihrer Wirkung verstärkt. (Alte Waffen von Erich Haenel. Berlin, R. C. Schmidt & co. 1920.)
Die Armbrust ist für die Römerzeit durch die beiden im Museum zu le Puy befindlichen Flachbilddarstellungen als Jagdwaffe aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. nachgewiesen und ist unter der Benennung areubalista und mauubalista durch Fluvius Vegetius Renatus, den lateinischen Militärschriftsteller, in seinem gegen Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr. dem Kaiser Vulentianus zugeeigneten „Epitoma rei militaris“ (II. 15. IV. 22) angeführt. Danach fehlen die Nachrichten über diese Waffe über eine längere Zeit hinweg. Bezeugt wird sie erst wieder durch Miniaturen des 10. Jahrhunderts und besonders durch die 995 abgeschlossenen Bericht des Richerus Remensis,, denen zufolge die Armbrust unter dem Namen „Balista“ und „Arcobalista“ *) sowohl bei den Franzosen als bei deren Gegnern in den Jahren 949, 985 und 988 in erheblichem Umfang geführt wurde.
*) Pertz, Richeri Historiarum libri IIII, Buch II cap. 92; III. 104; IV. 17
Die Normannen haben in der Schlacht bei Hastings 1066 die Armbrust neben dem Bogen und dem Wurfspeer als Fernwaffe verwendet, wahrscheinlich ebenso die Engländer. (Gesta Wilhelmi I des Wilhelmus Pictavensis in Patrologlae tornus CXLIX. 1853, Sp. 1212.)
Anfang des zwölften Jahrhunderts wurde der Bau dieser Waffe, deren Bogen noch nicht aus Stahl bestand, so weit verbessert, dass sie sowohl bei englischen als auch bei den kontinentalen Armeen sehr beliebt wurde.
In Frankreich ist dann zur Zeit Ludwig des Dicken (1108-1137) die Armbrust schon sehr verbreitet.
Die durch die Armbrust verursachten Wunden in der Kriegsführung wurden jedoch als so barbarisch angesehen, dass ihr Einsatz, außer gegen Ungläubige, vom zweiten Laterankonzil 1139 unter Androhung eines Anathems (Kirchenbann), als eine gottesfeindliche und für Christen ungeeignete Waffe verboten wurde.
Muratori gibt den Wortlaut des oben erwähnten Konzilverbotes vom Jahre 1139 wieder: „Artem autem illam mortiferam et Deo horribilem Ballistarirorum et Sagittariorum adversus Christianos et Catholicos exerceri de cetero sub anathemate prohibemus“ *). Dieses Verbot wurde Ende des gleichen Jahrhunderts von Papst Innozenz III. bestätigt und in den die Armbrust behandelnden Schriften stets angeführt. Es wird dabei aber außer acht gelassen, daß es ebenso das Schießen mit dem Bogen betrifft, daß es sich nicht allein um die Eigenart der Armbrust, sondern allgemein um die Fernschusswaffen handelte.
*) Lodovico Antonio Muratori, 1672-1750, italienischer Gelehrter und Geistlicher. Antiquitates Italicae Mediaevi II, S. 521.
In den Kreuzzügen war die abendländische Ritterschaft vielfach den fernschießenden Sarazenen unterlegen, ehe sie überhaupt mit Lanze und Schwert mit dem Gegner in Berührung kam. Damit nicht wehrlos die Besten dem fernfliegenden Pfeile preisgegeben seien, haben, nach Muratori, die Konzilsväter die weitere Verbreitung der im Orient gelernten Kunst verhindern wollen. Ein Erfolg war dem Verbot nicht beschieden, wie die von Muratori in fortlaufender Reihe angeführten geschichtlichen Beispiele es beweisen. Selbst in den päpstlichen Söldnerscharen finden sich bald darauf schon Armbruster und Bogner. Der Armbruster war eine wichtige Persönlichkeit; er gehörte im Mittelalter zu den dauernd Besoldeten einer Stadt wie Frankfurt am Main. Der Pfeilsticker fertigte die Bolzen für die Armbrust an.
Auch Konrad III. aus dem Adelsgeschlecht der Staufer, König im römisch-deutschen Reich, 1138-1152, verbot die Armbrust in seiner Armee und seinem Königreich. Jedoch ist sie im Deutschland des 12. Jahrhunderts schon häufig im Gebrauch. 1190 sind die Fußtruppen König Richards I. *) von England mit Armbrüsten bewaffnet, und Philipp II. August, König von Frankreich 1180 bis 1223, errichtete zur selben Zeit die ersten Armbrustschützen Kompagnien zu Fuß und zu Pferd.
*) Richard I. Löwenherz wurde durch einen Armbrustbolzen tödlich verwundet.
Die Genueser Armbrustschützen.
Die Genueser waren für ihre Fähigkeiten im Bau und in der Handhabung von Armbrüsten berühmt. Ein Genueser Schütze führte nur 12 Bolzen, von denen bis 200 Schritte keiner sein Ziel verfehlen durfte *). Es heißt, dass sie diese Waffen schon 1099 bei der Belagerung Jerusalems, mit Erfolg eingesetzt haben. Im Lombardenkrieg von Kaiser Friedrich II., vom Mai 1229 bis Juli 1243, gelangten die genuesischen Armbrustschützen zu einer gewissen Berühmtheit und müssen, nach dem Zorn zu urteilen, den der Kaiser gegen sie hegte, indem er die Gefangenen verstümmeln liess, ihm ganz besonders unbequem gewesen sein. In der Seeschlacht von Sluis, in Holland, bei der Edward III. über die Franzosen 1340, die Schlacht für England entschied, hatten letztere bis zu 20.000 genuesische Armbrustschützen auf ihren Schiffen. Die größte Anzahl von Armbrustschützen, die je in einer Landschlacht gesehen wurden, waren wahrscheinlich die 15.000 Genueser, die laut Froissart 1346 den ersten Rang der französischen Armee in Crécy bildeten.
*) Diels, Antike Technik, 2. Aufl., 1920. S. 95; Demmin, 4. Aufl. 1893. S.49, S.897, Fig. S. 902; Bocheim, S. 402-405. Fig. 481.
Zahlreiche Historiker, die alle ihre Informationen zu diesem Thema aus einer flüchtigen Aussage von William von Nangis *) ableiten, behaupten, dass die Armbrustschützen von Crécy nicht in der Lage waren, mit Wirkung zu schießen, weil die Schnüre ihrer Armbrüste durch den großen Regenguss, der kurz vor der Schlacht einsetzte, unbrauchbar geworden sind.
*) Guillaume de Nangis (gestorben 1300), auch bekannt als William von Nangis, war ein französischer Mönch in der Abtei St.-Denis nördlich von Paris, als Chronist schrieb er eine Geschichte der Könige von Frankreich.
Muratori, der italienische Antiquar, erklärt, dass der Boden in Crécy so sumpfig war, dass die Armbrustschützen nicht standhaft bleiben konnten, wenn sie versuchten, die Schnüre ihrer Waffen zu spannen; aber da das Feld von Crécy aus ziemlich steilen Dünen und nicht aus Flachland besteht, ist es nicht wahrscheinlich, dass der Zustand des Bodens die Armbrustschützen behinderte.
Es sei daran erinnert, dass die Bögen der genuesischen Armbrustschützen in Crécy zweifellos Kompositbögen waren, die aus Holz, Knochenplatten, Sehnensträngen und Leim hergestellt wurden, wobei die Bögen aus Stahl erst später eingeführt wurden.
Obwohl an der Aussage, dass die Armbrüste der Genueser bei dieser Gelegenheit nicht einsatzbereit waren, weil die Bögen und Bogensehnen durch das nasse Wetter an Spannkraft verloren hatten, mancherlei Zweifel geweckt wurde, kann es sein, dass der Vorfall eingetreten ist, ohne jedoch in irgendeiner Weise das Ergebnis der Schlacht zu beeinflussen.
Andererseits lagen die Fäden, aus denen sich die eng gespannten Bogensehnen einer Stahlarmbrust zusammensetzte, dicht beieinander, und da die Bogensehne in diesem Fall immer innen und außen dick mit Bienenwachs beschmiert war, um sie zu konservieren, war sie für Wasser undurchlässig.
Die Annahme, dass die Armbrüste der Genueser in Crécy Holzbögen oder Holz- und Hornbögen hatten, wird auf seltsame Weise von David-ap-Gwilym bestätigt, einem berühmten walisischen Barden und Bogenschützen des vierzehnten Jahrhunderts. In einem seiner Gedichte bezieht sich der Barde auf einen Soldaten, der mit Edward III. zum Kampf in Crécy gesegelt war und den er hassen musste, da er ihn, den Dichter, in der Zuneigung seiner Herrin verdrängt hatte. Der Dichter ruft den Feind auf, seinen mehr oder weniger starken Rivalen mit dem „arbalsten“ zu erschießen *).
*) And thou crossbowman true and good,
Thou shooter with the faultless wood,
Haste with thy stirrup-fashioned bow
To lay the hideous varlet low.
Dass die Genueser in Crécy nicht die mächtige Stahlarmbrust verwendeten, die von einer Winde gespannt werden mußte, zeigt der Auszug aus Viollet le-Duc (Dictionnaire raisonne du Mobilier franqais. Paris 1868-75). Johannes II., König von Frankreich (der Gute), erließ 1351 eine Militärverordnung, die vorschrieb, dass der Armbrustschütze, der eine gute Armbrust hatte, die seiner eigenen Stärke entsprechend stark war, drei sous Lohn pro Tag erhalten sollte. Dies zeigt deutlich, dass die Militärarmbrust aus der Zeit von Crécy entweder von den Händen allein oder, was wahrscheinlicher war, von einem Riemen und einer Riemenscheibe, einer am Gürtel befestigten Kralle oder mit einem Geißfußhebel gebogen wurde. Wenn die in der oben genannten Verordnung genannten Armbrustschützen Stahlarmbrüste mit Ankerwinden gehabt hätten, wie sie gegen Ende des Jahrhunderts üblich waren, wäre die Frage der Regelung der Bogenkraft auf die Stärke des Soldaten nicht aufgetreten, da mit einer Ankerwinde selbst ein Junge die dicksten Stahlbögen spannen könnte.
Die Genueser in Crécy (sie waren in der ersten Reihe und waren die einzigen Truppen der französischen Armee, die in angemessener Ordnung auf die Engländer zusteuerten) wurden wahrscheinlich durch Pfeilschauer kontrolliert und in Verwirrung gestürzt, bevor sie sich ihren Angreifern ausreichend nahe kommen konnten, um einen Armbrustbolzen mit ausreichender Wirkung abzuschießen. Es ist wahrscheinlich, dass die von den Genuesern in Crécy getragenen Armbrüste ihre Bolzen nicht weiter als etwa 200 Meter schicken konnten.
Alle zeitgenössischen und späteren Befunde neigen dazu zu beweisen, dass die von den Genuesen in Crécy getragenen Armbrüste keine Stahlbögen hatten; daher konnten sie überhaupt nicht mit dem englischen Langbogen konkurrieren, wie sie es früher mit dem alten Kurzbogen getan hatten. Die Genueser wurden so zu einem großen und machtlosen Ziel der englischen Bogenschützen mit großen Verlusten, verstreuten sich sehr bald und flohen, denn sie konnten ihren Gegnern keinen ernsthaften Schaden zufügen. Das allein reichte aus, um diese unglücklichen Söldner in Panik zu versetzen, selbst wenn ihre kleinen Armbrüste in gutem Zustand gewesen wären, was sie trotz gegenteiliger Vermutung auch gewesen sein dürften.
Als die drängende Masse von Kavallerie und Fußsoldaten, die mehrere Meilen lang ununterbrochen auf den Fersen der Genueser folgte, endlich auftauchte, fanden sie die Armbrustschützen in stürmischem Rückzug vor, entweder wegen des tödlichen Hagels englischer Pfeile, denen sie gerade begegnet waren, oder wegen der Nutzlosigkeit ihrer Waffen. Die französische Kavallerie jedoch galoppierte gnadenlos über die glücklosen Armbrustschützen und hieb sie mit ihren Schwertern nieder, wie feige Schurken, deren zerbrochene Reihen den Weg nach vorne versperrten.
Ob der angebliche Vorfall mit den feuchten Armbrustschnüren stattgefunden hat oder nicht, oder ob es als Gerücht von den Genuesen verbreitet wurde, als Entschuldigung für ihren Misserfolg, werden wir nie erfahren. Auf jeden Fall ist eines sicher, und zwar, dass der Langbogen zur Zeit von Crécy die Armbrust in Reichweite und Durchdringung deutlich übertroffen haben muss. Selbst als die mächtige Stahlarmbrust mit ihrer Ladewinde erfunden wurde, galt sie zu Recht als weniger effizient in der offenen Kriegsführung als der Langbogen, der leicht, tragbar und kostengünstiger war und zudem fünf oder sechs Mal schneller als die Armbrust geladen werden konnte. Während der Armbrustschütze damit beschäftigt war, die Schnur seines Bogens zu spannen, konnte ihn der Bogenschütze mit seinem Langbogen mit einer Reihe von Pfeilen beschießen.
Aus diesem Grund wurde der Armbrustschütze oft im Kampf von einem Gefolgsmann begleitet, der ihn vor den Pfeilen des Feindes schützte, indem dieser vor ihm einen dicken Schild aus Holz und Fell hielt, während er seine Bogensehne hochzog. Manchmal trug der Armbrustschütze selbst einen kleinen Schild, den er auf dem Rücken während des Marsches aufhängte und sich vor ihm als Schutz beim Schießen oder beim Biegen seiner Armbrust aufstützte.
Die größere Art der Armbrust wurde viel zur Verteidigung von Festungen eingesetzt, da hinter dem Schutz von Türmen und Schießscharten eine schwere Armbrust bequem ausgerüstet werden konnte, und die Waffe dann in Sicherheit auf eine belagernde Streitmacht gerichtet werden konnte. Sie war auch eine beliebte Waffe an Bord von Kriegsschiffen.
Die Armbrust war dem Langbogen jedoch in mancher Hinsicht überlegen; denn neben seiner viel schwereren Geschosse, seiner Genauigkeit und entsprechenden Treffsicherheit konnte es als Fernwaffe der Offensive sowie der Verteidigung befestigter Orte, von jeder Position den Gefechtsanforderungen entsprechend, eingesetzt werden, wie zum Beispiel durch die Gucklöcher und Schlitze in niedrigen Untergeschossen, oder durch die kleinen Sichtlöcher, die in die Wände der Flankentürme einer Festung eingelassen wurden, um den Zugang zum Tor zu unterdrücken. Eine Armbrust konnte in einem Raum von weniger als 1,80 m Höhe, gespannt und entladen werden, während ein Langbogenschütze eine Höhe von mindestens 1,80 m benötigte, um einen Pfeil mit Wirkung abzuschiessen.
Die genuesischen Armbrustschützen haben auch später und das ganze 14. Jahrhundert hindurch als Söldner eine hervorragende Rolle gespielt namentlich sind sie in Frankreich stets in grosser Zahl vorhanden gewesen. Ihr Missgeschick in den Schlachten von Courtrai und Crécy geht ausschliesslich auf Rechnung des Übermutes oder Unvermögens der französischen Gendarmerie, die sie nicht zur Geltung kommen liess.
Nach Juvenal des Ursins waren sie mit der Brigantine (corazina), der Kesselhaube (salade) und dem Schild bewaffnet. Froissart sagt von ihnen, dass jeder verloren war, den sie aufs Korn nahmen. Obgleich die Armbrustschützen in allen Städten Italiens vorhanden waren, rekrutierten sich die Söldner, wie sie in Frankreich und anderwärts auftraten, fast ausschliesslich im Gebiet von Genua und in der Grafschaft Lunigiana. Unter ihnen befanden sich auch Katalanen und Provencalen. Der Schild der Armbrustschützen war bedeutend leichter als der Setzschild (Pavese, pavois) der Schildträger, aber doch gegen 1 Meter hoch, um sich dahinter bergen zu können.
Die Brigantine war ein Rock aus Leder oder starkem Zeug, das durch genietete, übergreifende, metallene Bänder verstärkt war und ausserhalb mit einem andern festen Stoff überzogen wurde, so dass sich die metallene Einlage zwischen der Unterlage und dem Überzug befand. Die runden Knöpfe der zahlreichen und eng aneinander liegenden Nieten, verstärkten ausserdem die Rüstung. Die Ärmel waren gewöhnlich aus Kettengeflecht. In Italien kommt der Ausdruck „Corazina“ dafür vor. Die Brigatine hat sich als Rüstung der französischen Bogenschützen bis ins 16. Jahrhundert hinein gehalten. Im 15. Jahrhundert wurde sie auch vielfach von den Rittern zur Vervollständigung der Plattenrüstung getragen *).
*) Die Entwicklung des Kriegswesens und der Kriegführung in der Ritterzeit: Von Mitte des 11. Jahrhunderts bis zu den Hussitenkriegen von Gustav Köhler. Breslau 1887.
In Die Armbrust in Ostasien *) wird auf alle die Armbrust betreffenden technischen Fragen sowohl auch auf das Geschichtliche eingehend, nachgewiesen, daß in China die Armbrust schon im 18. Jahrhundert v. Chr. in zuverlässigen Quellen erwähnt wird, daß im 6. Jahrhundert v. Chr. eigene Armbrustschützen-Korps im Heere vorhanden waren. Im 3. Jahrhundert n. Chr. kam noch die Erfindung des Repetiermechanismus hinzu. In Indien war die Armbrust nie verbreitet „und dadurch entsteht an jener Stelle eine unüberbrückte Trennungsfläche zwischen dem Ausstrahlungsbereich der Armbrust im mittelländischen und im ostasiatischen Kulturkreis„.
*) Dr.-Ing. Hugo Theodor Horwitz. Z. f. h. W. VII., S. 153 bis 183.
Armbrust des 15. Jahrhunderts.
Armbrust des 15. Jahrhunderts. Sie stammt aus Schloss Hohenaschau, dass im Besitz der Freiherrn von Freiberg war.
Diese Art Armbrust wurde auch Fußbogen genannt, weil sie vorne am Bogen einen Steigbügel besitzt, in welchen Mann mit dem Fuß beim Spannen mit der Winde eintrat; im Unterteil des Schaftes stehen auf beiden Seiten eiserne Zapfen hervor, an denen die einzusetzen die Winde ihren Halt erhielt.
Der starke Bogen besteht aus vielfach zusammen gelegten Fischbeinen. In der Regel haben solche Armbrüste den Stahlbogen, und man nimmt an, dass man in der Sommerzeit sich mehr des Letzteren bediente, jedoch für die Winterzeit, da er in zu große Kälte leicht sprang, solche Fischbeinbogen wählte. Die selben sind an sämtlich noch erhaltene Exemplare ganz und biegsam, wären sie ursprünglich sicher eine große Elastizität hatten. Mit der ursprünglichen Sehne fanden wir keine solchen Bogen mehr vor.
Unter B geben wir die Seitenansicht des Schaftes dieser Armbrust wieder, auch Gerüst genannt, jedoch in dem der Bogen davon abgenommen ist; C den Oberteil des Schaftes auch im Profil mit dem darauf befindlichen Bogen, der auch hier im Durchschnitt gezeigt wird. Sowohl bei den Armbrüsten mit Stahlbogen, wie bei jenen mit Fischbeinbogen war der Bogen nie anders als mit geflochtenen Stricken befestigt, wie wir unter A von vorne und unter C von der Seite sehen, in dem die Stricke eine gewisse Elastizität besaßen, ohne die der Bogen den Schaft zersprengt hätte.
Die walzenförmige Nuss von Hirschhorn, die den Haken bildet, in dem die Sehne eingehängt ist, ist unter D von vorne gesehen dargestellt; man sieht oben den Einschnitt, in denen der Pfeil mit dem unteren Ende eingeklemmt wurde und die mit Eisen ausgefütterte Öffnung, in die der Hebel eingriff.
E gibt im Profil einen Teil des eisernen Drückers, der die Nuss mit der gespannten Sehne zurück hält. B den verlängerten Drücker, bei dessen Berührung die Nuss mit Hebelkraft ausgehängt wird und die Sehne mit voller Kraft den Pfeil in Flug versetzt. Diese Nuss hat keine eiserne Achse, sondern durch ihren Mittelpunkt sind Schnüre gezogen, die man sowohl bei der totale Ansicht A wie bei der Seitenansicht B erkennt.
Der Bogen war aussen stets mit Birkenrinden überzogen, auf den sich weiß auf schwarzem Grund eine Ornamentierung befand. Diese Ornamentierung ist merkwürdigerweise auf allen uns bis jetzt vorgekommenen Armbrüsten der Art genau dieselbe; da diese Bogen bemalen bei dem vorliegenden Exemplar nicht mehr vollständig erhalten ist, so geben wir Teile derselben in Originalgröße nach einer gut erhaltenen Armbrust, die sich in der fürstlichen Sammlung zu Sigmaringen befindet.
Das Ornament F zeigt sich auf dem gerundeten Oberteil des Bogens in gleicher Weise, so dass an beiden Enden die weibliche Figur mit Hund, wohl Diana darstellend, erscheint. Auf der flachen Unterseite des Bogens ist der Länge nach in einem Streifen das Ornament G; alle übrigen Teile des Bogens sind auf schwarzen Grund weiß punktiert, wovon ebenfalls ein Teil bei G erscheint. (Trachten, Kunstwerke und Gerätschaften von frühen Mittelalter bis Ende des achtzehnten Jahrhunderts, nach gleichzeitigen Originalen von Dr. J. H. von Hefner-Alteneck. Verlag von Heinrich Keller. Frankfurt a. M. 1879-1889.)
Quellen:
- Das Geschütz im Mittelalter von Bernhard Rathgen. Quellenkritische Untersuchungen. Berlin 1928.
- Dictionnaire raisonné du mobilier français de l’époque carlovingienne à la Renaissance de Eugène-Emmanuel Viollet-le-Duc. Paris: Vve. A. Morel 1871.
- Alte Waffen von Erich Haenel. Berlin, R. C. Schmidt & co. 1920.
- Die Entwicklung des Kriegswesens und der Kriegführung in der Ritterzeit: Von Mitte des 11.Jahrhunderts bis zu den Hussitenkriegen von Gustav Köhler. Breslau 1887.
- Trachten, Kunstwerke und Gerätschaften von frühen Mittelalter bis Ende des achtzehnten Jahrhunderts, nach gleichzeitigen Originalen von Dr. J. H. von Hefner-Alteneck. Verlag von Heinrich Keller. Frankfurt a. M. 1879-1889.
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