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Ein Gorale aus dem Tatra Gebirge, Ungarn.

GORALE

Gorale, Tracht, Tatra, Bergvolk, Polen, Lipperheide,
Gorale aus dem Tatra Gebirge, Ungarn.

AUS DEM TATRA-GEBIRGE, UNGARN.

von PAUL THUMANN.

Wenn man, von Krakau kommend, nach Süden dem Gebirge zueilt, gelangt man durch anmutigen Vorberge zum nordungarischen Alpenland, den Karpaten, welche die Grenze gegen Galizien zu bilden. An den nordwestlichen Abhängen und Ausläufern dieses Gebirgszuges im südlichen Polen, den Beskiden, sowie an der Nordseite der Zentralkarpaten wohnt ein eigentümlicher polnischer Volksstamm, die Goralen, der sich aber wesentlich von seinen Nachbarn und Blutsverwandten, den Polen, unterscheidet, namentlich nach Westen hin, in den Beskiden.

Die Goralen sind von kräftigem Körperbau; ihre Knochen sind stark und von den scharf hervortretenden Muskeln wie von ehernen Strängen umgeben. Der Wuchs ist nicht gross, und in Allem drückt sich Ausdauer und Zähigkeit aus, verbunden mit der Kraft, zu entsagen, an welche dieser Volksstamm durch die Unwirtlichkeit seiner Heimat und die Dürftigkeit, in wecher er lebt, gewöhnt ist. Vielleicht liegt deshalb ein melancholischer Zug auf dem Anlitz des Goralen, der merkwürdig der Stimmung der Umgebung entspricht.

Die Kleidung ist überaus einfach. Sie besteht aus einem grauen, grobleinenen, kurzen Hemd, das knapp bis zum Gürtel reicht, und eng anliegenden Hosen aus weissem, dickem, filzähnlichen Stoff. Das Hemd wird an den Rändern gewöhnlich mit schmaler, roter Stickerei eingefasst und auf der Brust durch deine Metall-Agraffe, — Messing oder Zinn, — zusammengehalten.

Die bis zu den Knöcheln herab reichende Hose, welche das zweite Hauptbekleidungsstück bilden, sind meistens mit roten Schnüren besetzt. Der Raum zwischen dem Hemd und der Hose wird durch den »Pass« , einen breiten Ledergürtel, der vorne durch grosse Messingschnallen zusammengehalten wird, ausgefüllt. An diesem Gürtel, der auch als Tasche dient, hängt das unentbehrliche Messer, sowie die nie fehlende Tabakspfeife nebst Feuerstahl.

Manche Männer tragen über dem Hemd noch eine lange, enganliegende Pelzjacke, die sie selbst im heissesten Sommer nicht ablegen. Zu keiner Jahreszeit fehlt auch der »Gunia«, ein kurzer, brauner Mantel aus groben Ziegenhaaren, der über die Schultern geworfen wird. Derselbe dient zugleich Nachts zum Zudecken, da der Gorale kein Bett kennt, im Sommer grösstenteils unter freiem Himmel übernachtet und im Winter, die Arme unter dem Kopfe als Kopfkissen, auf der Ofenbank oder auf dem nackten, ohne Holzdielen versehenen Fussboden seiner Hütte schläft, nächst dem Feuerherd, dessen Rauch zur Erwärmung des engen Raumes vorsätzlich zurückgehalten wird.

Die Füsse umwickelt der Gorale mit Lappen, über denen eine Art von Sandalen, sogenannte »Skirpse« *), befestigt sind. Die Skirpse, aus rohen Schaf-, Ziegen- oder Rinderfellen in länglich, viereckige Stricke geschnitten, werden durch Riemen um die Knöchel geschlungen.

*) Diese eigentümliche Form der Fußbekleidung ist in der ganzen slawischen Bevölkerung und allen mit ihnen in Berührung befindlichen Stämmen verbreitet; sie findet sich in fast gleicher Form, aber unter verschiedenen Namen, von der Wolga bis an die Quellen der Oder, am ägäischen und an der Westküste des adriatischen Meeres, und reicht in eine längst vergangene nicht mehr zu bestimmende Zeit zurück.

Ein breitkrempiger Hut, mit farbigen oder aus Metallflittern hergestellten Schnüren umwunden, bedeckt den Kopf, von welchem das Haar, stark mit Fett oder Öl getränkt, schlicht auf die Schultern herabhängt.

Als Stecken und Stab, zugleich aber auch als Waffe, dient eine Streitaxt, deren langer Stiel, meistens kunstvoll mit eingelegten Metallstücken verziert, der Stolz des Goralen ist.

Quelle: Blätter für Kostümkunde: Historische und Volkstrachten von Franz Lipperheide. (1876-1887)

Vignette, Blumen

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