Vase von Ruvo und Dodwellsche Vase.
Unter den Prunk-Gefässen der alten Griechen und Römer nehmen die Vasen die erste Stelle ein, und die auf unsere Zeit gekommenen Exemplare von den mannigfaltigsten Gestalten legen Zeugnis ab von dem hohen Schönheits-Gefühl, das die Verfertiger derselben erfüllte und leitete, wie überhaupt von der Vollendung der Töpferkunst bei den Alten.
Dem ältesten Stil gehören einfache Gefässe von massiger Grösse und mehr oder minder gedrückter Gestalt an, die wohl zuerst in korinthischen Werkstätten, vielleicht von dorischen Meistern, gefertigt wurden. Sie sind meist aus gelblichem oder in blassen rot gefärbtem Ton und mit dunklen Farben, denen zuweilen violett und weiss beigemischt ist, bemalt; die in horizontalen Streifen um das Gefäss laufende Bemalung besteht aus Rosetten, Lotus und anderen Blumen oder stellt phantastische Tiergruppen (Löwen, Widder, Hirsche, Sphinxe und ähnliche an orientalischen Geschmack erinnernde Ungeheuer) dar.
Dahin gehört die auf Tafel 75 abgebildete sogenannte Dodwellsche Vase in der Münchner Galerie. Dieselbe wurde bei Korinth gefunden und hat schwarze und rotbraune Figuren auf hellgelbem Grund. Die innern Linien der Figuren sind mit einem spitzen Instrument eingekratzt, zwei Streifen mit arabeskeartigen Tierfiguren umgeben den Körper des Gefässes, während auf dessen Deckel eine mythische Begebenheit, die Eberjagd des Thersandros, dargestellt ist. Sowohl die Zeichnung der Figuren als die Form der Buchstaben auf dem Deckel sind vom ältesten Charakter und lassen die Vase als der frühesten Periode angehörig erscheinen.
Den Übergang von den korinthischen Vasen bildeten die sogenannten altattischen, die grösstenteils Darstellungen aus der Heroen- und Götterwelt enthalten. Die Gestalten auf diesen Vasen, teils starr und leblos, teils hastig bewegt (wie bei den Darstellungen des Mänadentums) und in ihren Formen überscharf ausgeprägt, sind zwar meist auch noch in schwarzer Farbe auf gelblichen oder weisslichen Ton gemalt, doch finden sich auch schon solche, deren Stoff die Beimischung von Rötel, die rote Grundfarbe der späteren Vasen, zeigt.
Die nun folgenden Vasen des sogenannten alten Stils zeigen zierlichere Formen und lebendig gegliederte Gruppen meist in schwarzen und weissen Farben auf dem roten Ton. Mit den schwarzen Farben wurden meist die Männer gezeichnet, mit den weissen die nackten Teile der Frauen, sowie einzelne Teile ihrer Gewänder bestimmter hervorgehoben.
Die höchste Blüte der Technik in derlei Töpferarbeiten fällt in das Ende des fünften und ins vierte Jahrhundert v. Chr. In der alexandrinischen Zeit fangen dieselben bereits an, übergrosse Dimensionen anzunehmen und das edle Mass in Form und Ausschmückung macht einer prunkvollen Übertreibung Platz, welche Prachtgefässe bis zu 1 2/3 Meter Höhe schuf. Auf dem glänzend schwarzen Grund derselben heben sich die Gestalten in rotem Ton von der ursprünglichen Masse ab, doch zeigt sich in Beimischung anderer Farben, namentlich der gelben und weissen, und in den massenhaft beigegebenen Pflanzen- und Blumengewinden bereits eine Einmischung fremder Elemente.
Dieselben scheinen in Unter-Italien ihren Ursprung zu haben, wie denn auch die meisten Gefässe dieser Art in Campanien, Apulien und Lucanien gefunden werden *). Die Vasen-Gemälde zeigen nun nicht mehr bloss Darstellungen aus der Tier- und Pflanzenwelt oder aus den Heroen- und Göttersagen, sondern es wurden auch vielfach Szenen aus dem geselligen Privatleben dargestellt, die in der Regel nur leicht und skizzenhaft behandelt sind. Mit dem Verlöschen althellenischer Sitte hört auch die Gefässmalerei auf, und statt Töpfergeschirre kommen nun allmählich metallene und steinerne Geräte in Aufnahme.
Eine der schönsten Vasen apulischer Herkunft und des gesamten Vasenschatzes überhaupt ist die auf Tafel 74 abgebildete Amphora, die im Jahre 1835 mit andern bemalten Tongefässen und Metallgegenständen in einer Grabkammer dicht an der Mauer der apulischen Stadt Ruvo (dem Rubi der Alten) völlig unversehrt gefunden wurde und die jetzt im Museo Nazionale in Neapel aufbewahrt wird.
Die auf ihr angebrachten Gemälde stellen in zwei Hauptgruppen Ereignisse aus dem reichen Amazonen Mythus dar (sog. Amazonen-Vase von Ruvo).
*) Hauptfundorte für Vasen sind ausser Campanien, Apulien, Lucanien, auch Etrurien, wo in Vulci im Jahre 1825 mehr als 6000 Tongefässe von den schönsten Formen mit Gemälden in griechischem Stil und mit Darstellungen griechischer Mythen ausgegraben wurden. Auf Sizilien sind namentlich Agrigent, Gela, Camarina und Syracus reich an solch antiken Gefässen.
Quelle: Album des klassischen Altertums: zur Anschauung für Jung und Alt besonders zum Gebrauch in Gelehrtenschulen von Hermann Rheinhard, Professor am K. Realgymnasium in Stuttgart. Verlegt von C.B. Griesbach Verlag, Gera 1891.
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