Spanische Kleidermode. Halskrausen, Frisuren Kostüme.
EUROPA XVI. u. XVII. JAHRHUNDERT
FRAUEN TRACHTEN. HALSKRAUSEN. FRISUREN.
Abbildungen oben: 1, 2,
Abbildungen unten: 3, 4, 5,
Abbildungen oben: 6, 7, 8,
Abbildungen unten: 9, 10, 11,
Nr. 1 und 2. Bildnis einer Unbekannten.
Nr. 3 u. 11.
Infantin Isabella Clara Eugenia, Gemahlin des Erzherzogs Albrecht von Österreich, geboren 1566, gestorben 1633.
Nr. 6.
Katharina von Bourbon, 1600.
Nr.7. Bildnis einer Holländerin, gemalt von Paul Moreelse (1571-1638).
Nr. 8 u. 9. Maria von Medicis, geb. 1573, gest. 1642.
Nr. 10.
Elisabeth von England, geb. 1533, gest. 1603
Nr. 4. Pariserin in der Tracht einer verheirateten Frau.
Nr. 5. Pariserin, 1610.
Auf die durch die italienische Mode in Frankreich eingebürgerten Kleider, die durch die weiten Ausschnitte der Leibchen die Schaustellung feiner Stoffe begünstigten, folgte eine Tracht, die mehr und mehr zum Halse emporstieg und am Ende oben ganz geschlossen wurde. Der Kragen der Kleider schmiegte sich allmählich so eng an den Hals an, dass er seine Bezeichnung als „Halseisen“ (Carcan) verdiente. Die engen, geraden, bis zum Handgelenk herab reichenden Ärmel waren oben mit einem Schulterstück versehen, von dem ein kurzer, frei schwebender Ärmel, der Mancheron, herabhing. Man strebte danach, möglichst eng anschliessende Oberkleider zu tragen, um, wie man sich ausdrückte, „un corps bien Espagnol“ (ein guter spanischer Körper) zu erlangen. Die Schnürung der Brust bei den Frauen mit Hilfe von Schienen aus Metall und Holz (Korsett) war eine derartige, „dass es bisweilen„, wie Montaigne sagt, „zum Umkommen war„. Dieses eng anliegende Kostüm der Frauen war eine Anleihe an die der männlichen Tracht. Man schreibt die Verbindung dieser Leibchen mit dem Amazonenrock den Hofdamen der Catharina von Medicis zu, die der Königin-Mutter zu Pferde folgten.
In Folge einer der seltsamsten Widersprüche der Mode verband man mit dieser vollkommen geschlossenen Kleidung eine möglichst reiche Auslage von feiner Wäsche, die eigentlich nur noch oben an dem steifen Kragen und am äussersten Ende der Ärmel sichtbar werden konnte. Diese geschlossenen Kragen soll Heinrich II. eingeführt haben, um eine Narbe zu verdecken. Es handelte sich damals aber darum, eine Mode von einer ganz neuen Art zu zeigen, nämlich die Passementerie Arbeiten und die Spitzen, die sich mit grösster Schnelligkeit über ganz Europa verbreiteten. Die Spitzen waren ursprünglich Netze aus Fäden von Gold, Silber, Seide, Flachs, Baumwolle und Haaren, die eine Zeichnung bildeten. Das ist die geklöppelte Spitze, die vermutlich ihren Ursprung in der Netzarbeit der Fischer hat, weil die Spitzenklöppelei vorzugsweise an den europäischen Küsten, namentlich an denen des Mittelmeers, heimisch war und ist.
Eine andere Art war die genähte Spitze, bei welcher aus dem die Grundlage bildenden Canevas, einzelne Fäden herausgezogen und die so entstandenen Löcher „mit durchbrochener Nätherei (Rahmstickerei, das Ausnähen od. Sticken von Stoff, welcher in einen Rahmen gespannt ist) in mannigfacher Zeichnung ausgefüllt“ wurden. Wo die ersten Spitzen entstanden sind, weiss man nicht. Reiffenberg versichert, dass Spitzenhauben schon im 14. Jahrhundert in Belgien in Gebrauch waren. Die Italiener nehmen die Erfindung der genähten Spitze für sich in Anspruch, und die Spanier tun ein gleiches. Nach anderen Quellen waren die Spitzen orientalischen Ursprungs.
Dieselben fanden jedenfalls in der Mode des 16. und 17. Jahrhunderts um so grösseren Beifall, als frühzeitig von Künstlern zusammengestellte Musterbücher erschienen, die Anleitungen zur Anfertigung von genähten Spitzen enthielten. Le Livre nouveau et subtil, gedruckt 1527 in Köln von Pierre Quinty, scheint das älteste dieser Spitzenbücher zu sein, dem bald eine grosse Zahl anderer in Italien, Frankreich und Deutschland bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts folgte. Der Wunsch, diese Stickereien, auf deren Anfertigung man eine so grosse Mühe verwendete, auch gehörig zur Schau zu stellen, räumte den Spitzen an der eng anliegenden Tracht der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine so bedeutsame Stelle ein.
Deshalb wurde auch der Halskragen, die Fraise, wie man ihn wegen seiner Ähnlichkeit mit einem Kalbsgekröse nannte, immer grösser. Nicht nur der Umfang derselben wurde einem Mühlsteine ähnlich, sondern die in drei, vier und fünf Reihen etagenartig über einander angeordneten Reihen von gesteiften Röhren machten die Krause so hoch, dass die Schultern und die Hälfte der Brust von derselben bedeckt wurden. Pierre l’Estoile sagte, dass ein so isolierter Kopf dem abgeschlagenen Haupte Johannes des Täufers auf der Schüssel ähnlich wäre (Die Variante mit röhrenförmig gelegten Falten wurde Pfeifenkragen genannt.). Dieser Vergleich ist um so treffender, als der Kragen ganz steif war und durch ein metallenes Gestell gehalten wurde. Der Stoff war so gesteift, dass die Krausen wie Papier knisterten. Mit einem solchen Kragen zu essen, war eine grosse Schwierigkeit. Man musste zu Löffeln und Gabeln mit langen Stilen greifen, um zum Munde zu gelangen.
Porträt der Isabella Clara Eugenia. Regentin der Niederlande etwa 1615 – Atelier/Werkstatt von Peter Paul Rubens.
Da zu dieser steifen Halskrause und dem engen Leibchen ein trommelförmig aufgebauschter Rock und ein langes Überkleid kamen, welches den Zweck hatte, die hohen Sohlen zu verbergen, mit deren Hilfe man sich grösser machte, so war es keine geringe Kunst, in dieser beschwerlichen Tracht eine gute Haltung zu bewahren. Da man überdies damit kokettierte, bald diesen, bald jenen der kostbaren Unterröcke oder den rotseidenen Strumpf zu zeigen, so gehörte ein förmliches Studium dazu, um sich nach allen Regeln der Etikette zu bewegen.
Um das Jahr 1575 erreichte diese Mode und zugleich die Ausdehnung der Halskrausen ihren Höhepunkt, und zwar scheinen ihre Ausartungen besonders in Frankreich um sich gegriffen zu haben. Indessen gibt es auch Persönlichkeiten in andern Ländern, welche hinter diesen Extravaganzen nicht zurückgeblieben sind oder dieselben sogar noch übertroffen haben. Wir geben hier zwei, um etwa zwanzig Jahre von einander getrennte Bildnisse der Erzherzogin Isabella (Isabella Clara Eugenia von Spanien 1566-1633), Statthalterin der Niederlande, Tochter von Philipp II. (No. 3 und 11.) Ihre beiden Halskrausen gehören nicht zu den grössten unter den hier dargestellten. Indessen existiert noch ein drittes Portrait dieser Fürstin, auf welchem die Halskrause mit einem Durchmesser von fünfzig Zentimetern alle unsere Proben übertrifft.
Die Modetorheiten von Königin Elisabeth I. von England scheinen alle Begriffe überstiegen zu haben (Tudor Modeepoche c. 1550 bis 1600, Variation der spanische Hofmode. Katholische Reaktion auf die verlotterten Sitten der italienischen Renaissance Mode). Ohne an die dreitausend mit Spitzen verzierten Roben zu denken, die in ihrer Garderobe vorhanden waren, braucht man nur daran zu erinnern, was Walpole von ihren Bildnissen sagt: „Man glaubt ein indisches Götzenbild vor sich zu haben, welches nur aus Händen und Hälsen besteht; eine römische Nase, ein Berg von Haaren, mit Kronen und Diamanten beladen, eine ungeheure Halskrause und eine gewaltige Menge von Perlen.“ Auf dem von uns reproduzierten Bild von Elisabeth I. (No. 10) ist der vorne offene Kragen ein Kompromiss zwischen der runden Fraise und dem offenen, fächerartig arrangierten Kragen, welchen Maria von Medicis (No. 9) trägt. Die hinter dem Kopf Elisabeths emporsteigenden, mit Spitzen besetzten Schalen bilden den Kragen des Mantels, der an der Schulter befestigt und ebenfalls reich mit Spitzen verziert ist.
An die Stelle der Fraise trat der fächerförmig ausgelegte Kragen, welcher sich an den Ausschnitt der Kleider anschloss, als wäre es eine Art Aufschlag (No. 9). Der Spitzenbesatz ist breiter als bei den Krausen; auch bestand der Kragen, der ebenfalls durch Messingdraht aufrecht erhalten wurde, nur aus einer Reihe von Röhren. Wie man in No. 4 und 5 sieht, wurde der Hals und ein Teil der Brust durch diese Fächerkragen bisweilen ganz entblösst. Diese einfacheren Kragen wurden von den Bürgerinnen getragen, denen der Gebrauch von Spitzen durch die Luxusgesetze verboten war. Dieselben mussten, obwohl sie mit grosser Strenge angewendet wurden, häufig erneuert werden. Die Strafen stiegen von Geldbussen bis zur öffentlichen Auspeitschung durch einen Henker. Elisabeth I. hielt in England ebenfalls strenges Regiment in Bezug auf den Aufwand mit Spitzen. (Vgl. Bury-Palliser, Histoire de la Dentelle).
Die Spitzenärmel folgten in Ausdehnung und Stärke der Entwicklung der Fraisen. Als die letzteren durch die Fächerkragen verdrängt wurden, bildeten die Spitzen an den Ärmeln auch nur einfache Aufschläge. Juwelen und Goldschmuck waren an den Kleidern reichlich in Gebrauch. Das Schleifen der Edelsteine hatte mit dem XVI. Jahrhundert einen Aufschwung genommen, und dazu kam um dieselbe Zeit das durchsichtige Email. Nur auf Halsketten musste man in Anbetracht der Fraisen verzichten. Man befestigte die Ketten, an denen man Kreuze auf hing, dafür an der Brust, wie No. 6, 7 und 8 zeigen. Sobald der Hals frei wurde, traten auch die Halsketten wieder an ihre frühere Stelle (No. 4, 5, 9 und 10).
Man puderte die Haare, legte den Puder aber nicht trocken, sondern mittels eines Pflanzensaftes auf. Wenn man die zusammengekleisterten Haare dann wieder kämmen wollte, musste man mehrere Waschungen vornehmen, um mit dem Kamm hindurch zu dringen. Auch trug man Perücken, sogar solche von Flachs. Um das Haar über den Schläfen toupetförmig zu erhöhen, benutzte man Ringe von starkem Draht. Auch bediente man sich kleiner Filzbälle, die man unter die Haare legte, um dieselben soweit emporzuziehen, dass die Stirn recht breit und hoch wurde. Oder man baute aus Haaren mit Hilfe dieser Unterlagen mehrere Etagen oder künstliche Gebäude in Form von Äpfeln, Birnen oder Giebeldächern auf.
No. 1, 2 und 3 nach Gemälden im Besitz der Herren Baur und Gavet. – No. 4 und 5 aus der Sammlung von Josse de Bosscher, 1610. No. 6 und 7 nach Stichen von Jan Wierisx. Nr. 9 nach H. Jacobsen, No. 10 nach Crispin van den Queboren, No. 11 nach de Clerck.
Quelle: Geschichte des Kostüms in chronologischer Entwicklung von Auguste Racinet. Bearbeitet von Adolf Rosenberg. Berlin 1888.
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