Böhmische Trachten aus der Umgebung von Pilsen.
Böhmen Kreis Pilsen.
von Albert Kretschmer.
Jeder der beiden in Böhmen wohnenden Volksstämme, die Tschechen und die Deutschen, haben ihr Eigenartiges in der Bekleidung. Dass die tschechischen Bewohner sich lieber in helle Farben kleiden, die deutsche Bevölkerung zumeist in dunkle, ist eine schon bekannte Wahrnehmung, die auch im pilsener Kreise wenigstens in der Frauentracht ihre Bestätigung findet.
Bei der Männertracht dieser Gegend fällt ein derartiger Unterschied nicht auf. Der Rock ist von dunkelblauem Tuch und reicht bis zur Hälfte des Unterschenkels; er ist mit stehendem gesteppten Kragen versehen und längs der vorderen Öffnung zu beiden Seiten etwa 14 cm breit, mit roter Wolle gefüttert und durch eine ebensolche Schnur eingefasst, der übrige Teil besteht aus weissfarbigen Wollfutter. Längs des vorderen rechten Randes ist der Rock mit flachen Knöpfen von Messing besetzt, in so dichter Aufeinanderfolge, dass die Knöpfe vom Kragen bis zum unteren Rande des Rocks in der Zahl ein halbes Hundert überschreiten.
Die Knopflöcher, sowie eine Verzierung am Rücken, sind hellgrün eingefasst mit kurzem Schoß, welcher, wie beim Rock, am Rücken dreiteilig ausgeschnitten ist. Um vorderen Rand ist die Jacke nach unten schräg weggeschnitten und an den Seiten mit Taschen versehen. Sie ist ebenfalls von dunkelblauem Tuch mit rotem Vorstoss, und längs des Randes mit Messingknöpfen besetzt.
Die Weste ist genau dasselbe Kleidungsstück in Schnitt, Stoff und Farbe, nur wenig kürzer und ohne Ärmel. Die gelben Lederhosen reichen bis zum Knie, sie sind an den Nähten und am Bund in reicher Verzierung abgesteppt. Die Strümpfe sind von weisser Wolle, die Schuhe von schwarzem Leder mit Laschen, die nach unten ausgezackt und mit durchgeschlagenen Löchern verziert sind. Statt dieser bedienen sie sich auch halbhoher Stiefeln.
Zur Kopfbedeckung dient ein schwarzer Filzhut mit niedrigem Kopf und breiter Krempe; er ist ausser einer schwarzen Schnur, die den Hutkopf umgibt, mit Schleifen von schwarzem Samt verziert, die in Fülle am Nacken herabhängen und vorn mit gelbmetallener Schnalle zusammengehalten werden.
Diese Schleifen sind nur Burschen von gutem Ruf erlaubt, auch verheiratete Männer tragen sie nicht mehr. Dann behauptet die grüne Samtkappe, mit seidenem Band und Puschel besetzt und mit Pelz umrändert, auch hier ihr Recht als deutsche Bauernmütze. Ältere Männer tragen zuweilen dunkelblaue Tuchmützen mit Lederschirm und schwarzem krausen Hundefell besetzt, mit Schleifen und Puschel an der vorderen Seite und am Deckel. Endlich folgt die schwarze vielgebräuchliche Zipfelmütze. Kinder tragen auch helle Filzhüte die mit einem bunten Band und gemachten Blumen verziert sind.
Ist dies die Tracht des Deutschen im Pilsener Kreise, so geht der tschechische Bauer dieser Gegend nur wenig anders. Jacke und Weste sind einfacher, seine Stiefeln höher und eng den Unterschenkel umschließend, sein Hut ohne breite Bänder. Er trägt, wie sein Landesgenosse, das schwarzseidene Halstuch in lange Schleifen geschürzt und bei rauhen Wetter den blauen Stoffmantel mit Ärmeln und Kragen.
Die Frauen im Dorf Auherzen (Úherce) tragen schwarze, in enge Falten gelegte Wollröcke, am Saum leuchtend rot eingefaßt und an der hinteren Hälfte mit einem bunten Seidenband besetzt. Ein dickes Polster von Heu, Rosshaar oder dergleichen wölbt den Rock um die Hüften in mächtiger Rundung und er ist dadurch zum Teil so kurz, daß er eben nur die Mitte der Wade erreicht; bei alten Frauen ist er länger. Der Bund des Rocks sitzt wenig tiefer als der Ausschnitt der langen weiten Hemdsärmel, die mit gestickter, zum Teil farbiger Krause am Handgelenk geschlossen sind; das weit ausgeschnittene Mieder, aus farbiger Wolle oder oder aus Goldstoff, ist am Rock befestigt.
Über Hemd und Mieder, welches die Brust bedeckt, ist ein buntblumiges Brusttuch aus Wolle nach vorne kreuzweise, im Rücken mit herabhängendem Zipfel gebunden, und endlich gehört eine Jacke, „Küraß“ von weißem Piqué, mit Ärmeln, die am Oberarm weitbauschig sind und nach dem Handgelenk eng zulaufen, zu der vollständigen Tracht.
Die Schürze ist kürzer wie der Rock und von ähnlichem Stoff wie das Brusttuch, in großen buntblumigen Mustern auf rotem Grund oder streifig. Buntseidene goldgewirkte Schürzenbänder flattern zur Zierde vorn herab, eigentlich aber ist die Schürze mit schmalem bunten Bande am Rücken gebunden.
Die Strümpfe sind von purpurroter Wolle. Schwarze Lederschuhe, mit silberner Einfassung der Tasche und mit grünseidenen Schleifen, bedecken die Füsse.
Das Haar ist glatt zurückgestrichen und hängt in Zöpfen, mit weißen Bändern gebunden, am Rücken herab. Den vorderen Teil des Haares deckt eine dunkelblaue Binde, „Stirntüchel“, die im Nacken befestigt ist und von wo aus zwei weiße, farbig verzierte Bänder, mit Kantenbesatz am Rücken, weit unter den Zöpfen herabhängen. Durch den Ansatz der Zöpfe am Wirbel ist endlich eine Messingspange, „Nadel“, gesteckt, die nach einer Seite breiter und arabeskenartig ausläuft, während die andere Seite nur schmal endet. Diese Spange umschreibt mehr als einen Halbkreis und umgibt die Seiten des Oberkopfes. Sie übt als Keuschheitszeichen die sittliche Justiz bei den Mädchen des Dorfes aus. Außerdem bedient sich die weibliche Bevölkerung großer Kopftücher von weißem feinen Leinen mit Kanten besetzt und weiß oder schwarz gestickt. Sie verhüllen den ganzen Oberteil des Körpers und lassen nur die Arme frei.
Die Wintertracht unterscheidet sich von der eben angegebenen Sonntagstracht im Sommer durch zwei besondere Bekleidungsstücke, die Haube und die Pelzjacke. Letztere, von weißem Tuch mit grünabgenähter Verzierung am Ausschnitt und rotem ausgeschlagenen Ärmelbesatz ist mit braunem Pelz gefüttert und eben so kurz wie der oben genannte Küraß im Sommer. An der Brust ist sie mit bunten Seidenbändern verschiedener Färbung geschlossen. Die alten Mütterchen dieser Gegend sieht man in Pelzjacken, die mit hellem Leder überzogen, an den Nähten mühsam gesteppt und am Rücken mit bunten Blumen bestickt sind.
Diese Jacken sind vorn mit Knebelknöpfen geschlossen. Die Haube besteht zunächst in dem kopfbedeckenden Teil aus einem unten offenen Sack und zwei daran befestigten Flügeln, die das Gesicht im Profil weit überragen. Über der Stirn treffen diese Flügel zusammen und können zu größerer Bequemlichkeit zurückgeschlagen werden. Sie sind von reich gestickten Kantengrund und mit Draht gesteift. An den Seitenteilen sind die Flügel, sowie über dem Scheitel die Sackmütze, die von weißem Piquié ist, mit rot und gelber Stickerei verziert und an dieser Stelle durch das Stirntüchel zusammengehalten wird.
Braut und Kranzeljungfern
Die Brauttracht ist mit Ausnahme des Kopfputzes der übliche Sonntagsstaat. Auch der sonst bunte Seidenbesatz am Rock ist bei dieser Gelegenheit schwarz; nach der Verheiratung ist er wieder bunt, wird die Frau. aber später Großmutter, dann fällt der Besatz ganz weg. Die Schürze von weißem durchsichtigen Stoff, mit Kanten besetzt, ist auch außerdem gebräuchlich.
Der Kopf der Braut ist mit einem roten Band ganz umwickelt, so daß vom Haar, das mit den Zöpfen kranzartig umgelegt wird, nichts sichtbar ist. Auf der Höhe des Kopfes ist dann die Brautkrone von bunten und Metallperlen befestigt. Die Kranzeljungfern, die so wohl bei der Hochzeit als bei der Beerdigung junger Mädchen ihr Amt als Begleiterinnen ausüben, sind auch hauptsächlich in üblicher Sonntagstracht, die Zöpfe, welche sonst hinten herabhängen, sind aber um den Kopf gelegt und statt der Nadel schmückt ein kleiner bunter Blumenkranz die Höhe des Wirbels. Ebenso ist auch auf das zusammengerollte buntblumige Taschentuch ein Sträußchen gesteckt.
Bei dem gewöhnlichen sonntäglichen Kirchgang fand ich in der Pilsener Gegend den Gebrauch, dass die Frauen ausser einem weissleinenen Taschentuch, das sie in der Hand trugen, noch ein zweites um das Gebetbuch wickelten. Die übrigen Trachten um Pilsen sind im Hauptsächlichen ähnlich wie die genannten, doch treten mannigfache Farbenunterschiede und auch kleine Abweichungen in der Form ein. Die Kopftücher sind vorherrschend rot, mit bunter Blumenborte.
Die Röcke, in hellen lebhaften Farben, mit buntem Besatz; hier kommen eben die tschechischen Elemente dazu, während Auherzen deutsche Bewohner hat. Die Strümpfe sind auch hier meistens rot, doch fand ich bei den Tschechinnen weiße und blaue, und dazu hohe Schnürstiefeln, zuweilen mit einer Rosette auf dem Spann. Niedrige ausgeschnittene Schuhe von Samt, mit Lederbesatz und Seidenband-Rosette, sind außerdem gebräuchlich. Die Schürzenschleifen hängen hinten vom Gürtel herab, sie sind von weißem Batist, mit Weiß,- oder Buntstickerei und Kanten besetzt, auch von blumigem Seidenband.
Die Schürze ist häufig von halbseidenem Damast. Frauen tragen eine weiße Haube von Piqué, mit Schleifen ungewöhnlicher Dimension, die vom Nacken der Haube seitwärts, nach jeder Seite zwei übereinander und die untere mit Kanten besetzt, abstehen. Die tschechischen Mädchen scheiteln ihr Haar und befestigen es im Nacken durch ein schwarzes Samtband, das nach vorn in vier Strahlen ausläuft und den Scheitel überdeckt; das übrige Haar hängt hinten als dicker Zopf herab. Ein bunt seidenes Knüpftuch um den Hals und ein größeres Tuch desselben Stoffes deckt außerdem die Brust und hängt an der Seite des Rockes herab.
Quelle: Volkstrachten. Original-Zeichnungen mit erklärendem Text von Albert Kretschmer. Maler und Professor am Königl. Hoftheater Berlin. Leipzig J. G. Bach’s Verlag (Fr. Eugen Köhler) 1887. Deutsche Volkstrachten von 1864-1870.
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