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Die Schwalbe als zauberkräftige Beschützerin des Hauses.

Die Schwalbe

Schwalbe, Illustration,

Die Schwalbe wird überall als die Botin des Frühlings von Dichtern und Bauern gefeiert. Sie ist zauberkräftige Beschützerin des Hauses. Hat sie sieben Jahre in einem Nest ungestört gewohnt, so läßt sie zum Dank darin einen Stein zurück, mit dem man die Blindheit und überhaupt jede Augenkrankheit heilen kann.

Sie baut, auf die Gutmütigkeit der Menschen trauend, ruhig ihr Nest unter das Dach des Hauses; merkt sie aber, daß in der Wohnung ihres Wirtes Unfriede herrscht, so sucht sie sich ein anderes Quartier. Wer sie stört, häuft Unheil auf sich und sein Haus wird vom Blitz zerschmettert.

Rauchschwalbe,  Hirundo,  rustica,
Rauchschwalbe, Hirundo rustica.

Die Rauchschwalbe, Hirundo rustica.

Fig. 1. Altes Männchen aus Schweden.
Fig. 2. Junges Männchen aus England.
Fig. 3. Altes Männchen aus England.
Fig. 4. Hirundo rustica Savignii (Steph.), altes Männchen aus Ägypten.

Mit dem Blut der Schwalben kann man Sommersprossen entfernen; ihr Herz dient zu Liebeszauber. Fliegen bei einer Hochzeit zahlreiche Schwalben um das Haus, so steht Glück in Aussicht; meiden sie es, so stirbt bald jemand darin.

Sieht ein Mädchen früh im Lenz eine einzelne Schwalbe, so heiratet es noch während des Jahres. Fliegt eine Schwalbe häufig um das Fenster eines Zimmers, in dem ein Mädchen wohnt, so wird dies bald Braut. Wer beim Erblicken der ersten Schwalbe im Frühjahr über seine linke Schulter sieht, erlangt die Gabe, das Jahr hindurch Geister sehen zu können.

Im Harz beschwört man die Flechten mit folgendem Sympathiespruch:
„De Schwole und de Flechte,
Die flogen wol ober dat wilde Meer,
De Schwole de kom wedder,
Die Flechte nimmermehr.“

Demjenigen, der eine Schwalbe tötet, stirbt entweder ein naher Verwandter oder seine Kühe geben blutige Milch. Auf dem Meer bringt das Erscheinen der Schwalbe Unglück, am Ufer aber Glück. Kleopatra gab eine projektierte Seereise auf, als sie eine Schwalbe auf dem Mast eines Schiffes entdeckte. Shakespeare gedenkt dieses Vorfalls mit folgenden Worten („Antony and Cleopatra“ IV, 2):
Swallows have built
In Cleopatra’s sails their nests; the augurers
Say, they, know not — they cannot tell; look grimly,
And dare not speak their knowledge.“

(In Kleopatras Segeln ihre Nester; die Wahrsager
Sagen, sie, wissen nicht – sie können nicht sagen; schauen grimmig,
Und wagen nicht, ihr Wissen zu sagen.“)

Es ist ratsam, ein Fenster im Hause immer offen zu halten, damit eine Schwalbe Glück hineintragen kann.

Die Schwalben halfen Gott den Himmel erbauen. Nach einem schwedischen Aberglauben zwitscherten die Schwalben bei der Kreuzigung Christi: „Hugswala, swala, swala hom“ (tröste, kühle, kühle ihn). Als der heilige Francizkus von Assisi einstmals predigte und dabei von dem Zwitschern der Schwalben gestört wurde, gebot er ihnen, ruhig zu sein und sie folgten augenblicklich.

Der Kot der Schwalben ist den Augen gefährlich. Im Lahntal warnt man die Kinder vor dem Zerstören der Schwalbennester und sagt ihnen, um sie davon zurückzuhalten, der betreffende Vogel lasse ihnen alsdann Kot in die Augen fallen, wodurch sie erblindeten. Wird der Schwalbenkot in Oberbayern in „guter Milch“ abgekocht, so liefert er ein Mittel gegen Diphtheritis und andere Halskrankheiten. Auch kann dadurch das Wachsen des Barthaars befördert werden.

Nach dem Glauben der an der Hudson Bay wohnenden Eskimos waren die Schwalben früher kleine, kunstfertige Kinder, die sich an einem Felsrand bei ihrem heimatlichen Dorf Spielhäuser bauten. Sie waren wegen ihrer Weisheit so berühmt, daß sie „Zulugaguak“, d. h. „wie ein Rabe“, genannt wurden. Von den Raben sagten nämlich die Eskimos, daß sie alle Dinge der Vergangenheit und Zukunft wüßten.

Als sich diese Kinder einstmals vor ihren selbstverfertigten Wohnungen belustigten, wurden sie plötzlich in Vögel verwandelt. Ihre Hauptbeschäftigung aber hatten sie so lieb gewonnen, daß sie heute noch Häuser aus Kot an die Felsen in die Nähe der Menschen bauen. Die Raben belästigen sie bei dieser Arbeit nicht und die Kinder schauen ihnen mit Vergnügen zu.

Quelle:

  • Amerikanische Redensarten und Volksgebräuche. Mit dem Anhang: Folkloristisches in Longfellow’s „Evangeline“ von Karl Knortz (1841-1918). Leipzig, Teutonia Verlage, 1907.
  • Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas von Johann Andreas Naumann. Gera-Untermhaus, F. E. Köhler, 1901.
illustration, alpenveilchen
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