Adersleber Kalvill. Alte Apfelsorte.
Synonyme: Adersleber, Adersleber Calvill, Lichthardsapfel, Aderslebener Calville, Aderslebener Kalvill, Aderslebener Kalvill-Samling, Adersleber Calvill, Adersleber Kalvil, Adersleber Kalvill, Calville d’Adersleben, Kalvil Aderslebenskii, Kalvil Aderslebensky.
Kreuzung aus Calville Blanc d’Hiver und Kaiser Alexander. (Ursprünglich wurde Gravensteiner angenommen, siehe Text unten)
Züchtungsjahr: 1839
Adersleber Kalvill. Malus domestica.
Blütezeit:
- Mai 10% Blütezeit
- Mai Vollblüte (80%)
- Mai 90% Blütenblattfall
Reifezeit: Mitte Oktober bis März, April.
Namen und Heimat: Auf dem Klostergut Adersleben, im Kreise Oschersleben, wurden nach stattgefundener Befruchtung eines Kalvillhochstammes mit dem Gravensteiner, welche Amtsrat Meyer, der Pächter des Gutes, Ende der dreissiger Jahre des vorigen Jahrhunderts durch seinen Gärtner ausführen liess, drei Sämlinge gezogen, die als Aderslebener Kalvill Sämlinge Nr. I, II und III bezeichnet wurden. Die Verbreitung dieser Sämlinge in größerem Maße erfolgte erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts und hat von da ab rasch zugenommen. Da es sich um drei wesentlich verschiedene Sorten handelt, so wird die Bezeichnung I, II und III in der nachfolgenden Beschreibung auseinander gehalten werden.
Gestalt: Die Früchte von I und III haben eine mehr breite als hohe Gestalt und erreichen als Hochstammfrüchte 60—65 mm Durchmesser. Merklich hervortretende Rippen ziehen sich vom Kelch aus über die halbe Frucht hin. Nr. II hat ausgesprochene Kalvillform mit den bekannten, stark ausgeprägten Rippen. Die Stielwölbung bei I und II ist tief und eng, bei III flacher und weiter.
Kelch: Bei allen drei Sorten halboffen bis geschlossen. Tief, meist in leichter wolliger Einsenkung. Kelchblätter hellbraun, gut ausgebildet, nach außen gebogen, eingefaßt von zahlreichen Rippen und Falten.
Stiel: Lang, mittelstark, holzig, braun, etwas wollig, in einer tiefen Einsenkung. Nr.III hat einen etwas kürzeren Stiel in flacher Höhle.
Schale: Bei I und III mattglänzend gelb, sonnenwärts mit verwaschenem Rot überzogen, das Rot hat aber eine wesentlich mattere Färbung als die beiliegende farbige Abbildung. Starke braune Punkte treten auf der Sonnenseite und nach dem Kelche hin, namentlich bei III, hervor. Feine Spuren von Rost, besonders in der Umgebung des Kelches, sind bei vielen Früchten vorhanden.
Die Schale von II ist mattgelb und läßt die Kalvillabstammung recht deutlich erkennen. Röte und Rostspuren sind äußerst selten.
Fleisch: Hellgelblich, saftig, sehr mürbe, fein gewürzt. Am zartesten ist das Fleisch von Nr. II, es erinnert auch im Geschmack am meisten an den Kalvill, während dasjenige von I und III fester ist.
Kernhaus: Zwiebelförmig, offen, Kerne mittelgroß, dunkelbraun, lang zugespitzt, zahlreich.
Kelchhöhle: Trichterförmig bei I, bei II und III flach.
Eigenschaften der Frucht.
Das Bemühen um einem Ersatz für den weißen Winterkalvill, dort, wo der Anbau dieses hoch geschätzten Apfels aussichtslos ist, hat drei Sämlinge entstehen lassen, die voraussichtlich für die Zukunft von hoher Bedeutung sein werden. Der Adersleber ist nur zu kurze Zeit erprobt, als daß bereits abschließende Urteile vorliegen könnten. Die Hauptverbreitung hat er in der Provinz Sachsen, seinem Ursprungsland, gefunden, und fast überall schätzt man ihn dort als eine Neuzüchtung ersten Ranges.
Auch in der Provinz Brandenburg ist er in den letzten Jahren viel angepflanzt worden und auch dort hat er die guten Eigenschaften, die ihm in Sachsen nachgerühmt werden, gezeigt. Die Gefahr liegt vor, daß in Zukunft die Urteile verschieden ausfallen werden, weil drei Sämlinge unter demselben Namen verbreitet wurden. Nr. II soll hauptsächlich in den Handel gekommen sein, sie ist auch diejenige, welche in Geschmack und Farbe der Kalvillsorte am meisten gleicht. Die Früchte sind gegen Druck empfindlich und erfordern peinliche Behandlung bei der Ernte und Verpackung. Das ist weniger der Fall bei I und II.
Sämtlichen Früchten ist eine angenehme Frische, verbunden mit köstlichem Aroma, eigen. In trockenen Jahren und auf trockenem Standort geerntet, werden die Äpfel allerdings oft mehlig. Die Haltbarkeit ist groß, bis zum März, April bleiben die Früchte genießbar, Nr. III am längsten. Die Früchte müssen spät geerntet werden und welken trotzdem, wenn der Aufbewahrungsraum nicht ein vorzüglicher ist. Entgegen der etwas geschmeichelten farbigen Abbildung der vom Hochstamm geernteten Früchte besitzen sie kein zu bestechendes Aussehen. Infolge ihres edlen Geschmackes werden sie sich aber zweifellos sehr bald den Markt erobern, und der Adersleber Kalvill wird, wenn nicht alle Anzeichen trügen, bald zu den verbreitetsten unter den neueren Züchtungen zählen.
Eigenschaften des Baumes.
Adersleber Kalvill wächst in der Baumschule kräftig, ausgepflanzt läßt er infolge der sehr früh eintretenden und ungemein reichen Tragbarkeit im Trieb nach und bildet, sich selbst überlassen, eine breite Krone. In der Jugend muß deshalb regelrechter Rückschnitt der Leittriebe erfolgen, damit der Wuchs keinen hängenden Charakter annimmt. Der Austrieb der Augen ist gleichmäßig. Die beigefügten Abbildungen, welche wir Herrn Amtsrat Meyer verdanken, geben die Mutterbäume wieder, die in ihrem natürlichen Wuchs etwas durch die vielen zahllosen, alljährlich entnommenen Edelreiser beeinträchtigt wurden.
Der Sämling Nr. I, im Text zwischengeschoben, ist gleichaltrig, aber durch Erdrattenfrass in der Entwicklung zurückgeblieben.
Wenngleich die Erfahrungen über das Fortkommen der Sorte noch nicht abgeschlossen sind, so scheint sie doch einen mehr bindigen Boden zu bevorzugen. Auf zu trockenem Boden läßt der Wuchs zu wünschen übrig. Alle Formen vom Hochstamm bis zum wagerechten Schnurbaum und Buschbaum erscheinen für den Adersleber gleich geeignet zu sein. Die Fruchtholzbildung ist ziemlich kurz. Die Blüte erscheint mittelfrüh und verläuft ziemlich langsam.
Die Tragbarkeit der Mutterbäume ist regelmäßig und überaus groß, sie tritt bei allen bisher aufgeführten Pflanzungen sehr bald ein. Adersleber ist ein ausgesprochener Frühträger. Die Früchte hängen fest am Baum und geben wenig Ausfall. Trotzdem das Laub keine besonders feste und glatte Oberfläche zeigt, hat sich bisher das Fusicladium weder auf den Blättern noch auf den Früchten bemerkbar gemacht. Wegen dieser guten Eigenschaften verdient die Sorte entschieden als Ersatzsorte für den weißen Winterkalvill eine allseitige aufmerksame Beachtung.
Sobald das Urteil über die drei Adersleber Sämlinge geklärt ist, wird eine diesbezügliche Ergänzung der Beobachtungen erfolgen.
Schlechte Eigenschaften.
Adersleber Kalvill verlangt guten Boden, verliert auf trockenem Boden frühzeitig das Laub und die Früchte. Der Wuchs ist alsdann schwach. Die Früchte von Sämling Nr. I sind bei der Ernte und dem Versand gegen Druck empfindlich.
Quelle: Deutschlands Obstsorten. Erster Jahrgang, 1905. Eckstein und Stähle, königl. Hofkunstanstalt Stuttgart. Berabeitet von Müller-Diemitz, Grau-Körbelitz, Bissmann-Gotha.
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