, , , , ,

Italien. Weibliche Trachten der Frührenaissance. Der Balzo.

Italien, Mode, Frührenaissance, Kostüme, Trachten, balzo
Italien Anfang des 16. Jahrhunderts. Mode nach lokalen Überlieferungen.

ITALIEN. WEIBLICHE TRACHTEN. NACH DEN LOKALEN ÜBERLIEFERUNGEN UND DER GESELLSCHAFTLICHEN STELLUNG.

Die Mode am Anfang des XVI. Jahrhunderts.

In den Originalbildern befindet sich auf jedem der von den Figuren in der Hand gehaltenen Wappenschilde in französischer Sprache der Name eines Ortes oder die Bezeichnung eines Typus. Die Dame ohne Wappenschild ist gewissermaßen eine Personifikation der Mode, wie sie sich unter Karl VIII., Ludwig XII. und Franz I. von Italien aus verbreitete.

Die Inschriften der Wappenschilde lauten:

Nr. 1. – De Saint-Salvator. (San-Salvadore, eine kleine Stadt in Terra di Lavoro.)
Nr. 2. – De Villaige. (Eier- und Geflügelhändlerin vom Dorfe. Allgemeiner Typus.)
Nr. 3. De Orenche. (Auronzo, ein Dorf bei Neapel.)
Nr. 4. Ferrara.
Nr, 5. – La Juive.
Nr. 7. – La Vénitienne .
Nr. 8. – A Saint-Jacques. (San Giacomo, Name zweier Dörfer in Kalabrien.)

Nr. 1 trägt ein barrto aus Strohgeflecht; ein jackenartiges Mieder mit Gürtel; schmale, kurze Schürze mit Fransen. Kurzer Rock, der den Unterrock sehen lässt. Schuhe auf den Füssen ohne Strümpfe.

Nr. 2. Weite Haube mit Quaste; weiter Mantel; kurzer Rock; nackte Füsse in geschlitzten Schnürstiefeln.

Nr. 3. Hut aus Maisstroh mit vorn aufgeschlagenem Rand. Jacke mit langem Schoß. Die Ärmel des Hemdes am Oberarm gepufft und durch den Schlitz des Überärmels, der den Unterarm bedeckt, sichtbar. Kurzer Rock. Hoher, geschlossener Stiefel.

Nr. 4. Langer, hinten herabfallender Schleier über dem Haarnetz; Moirée- oder Atlasrobe mit Brokat- oder Samtstreifen; unter dem viereckig ausgeschnittenen Mieder der Kragen des Hemdes; feines Halsband, an der Seite doppelt; Gürteltasche, sandalenartiger Pantoffel für die Strasse.

Der Balzo

Nr. 5. Runder diademartiger Balzo.

Der Balzo ist eine wulstartige Mütze, nach Vecellio: „fatto dirame, et rotondo à guisa di diadema; et sopra questo mettevano una cuffia tessuta d’oro et di seta“ und später bei einem anderen Kostüm sagt Vecellio: „il balzp in testa, molto variato di colori; et era à opera, tessuto d’oro et di seta con fogliami di rose et altri lavori“.

Diese Kopfbedeckung entspricht auch nach der von Vecillio gegebenen Zeichnung genau jener Frisur, welche die Herzogin von Urbino auf Tizian’s Portrait in den Uffizien ziert, nach Thausing’s neueren Untersuchungen wohl unzweifelhaft dieselbe Frau, wie die Bella di Tiziano und die Venus der Tribuna. Hefner-Altenneck, Trachten des christl. Mittelalters, III. Abt., Blatt 103, gibt eine Zeichnung dieses schönen Bildes mit der sehr deutlichen Darstellung des Balzo. Ebenso zeigt die schöne Handzeichnung des Leonardo da Vinci in den Uffizien den Balzo von einem Netz überzogen auf gewelltem Haarscheitel. Wir finden aber bereits den Balzo in besonders grosser Form, vielleicht wohl ohne das Gestell aus Metall, nur als Wulst, auf den Bildern der gotischen Periode in Florenz, Pisa, und Siena.

Nr. 6. Das einfache Kostüm bedarf keiner weiteren Beschreibung. Die weite Robe wird nach Vecellio durch Eisenstäbe gehalten.

Nr. 7. Der lange Schleier wird über dem linken Arm getragen.

Nr. 8. Dieses Kostüm ist das älteste und erinnert in seiner Form an den illyrischen Ursprung der Bewohner von Kalabrien. Die hohe Mütze gleicht der tiara oder mitra, deren schleierartige Fortsetzung zur Verhüllung des Gesichts und des Kinns benutzt werden konnte. Der runde Mantel mit Öffuungen für den Kopf und den Arm, die alle Körperformen verhüllende Jacke zeigen Anlehnungen an die orientalische Tracht, wie sie auf der Strasse von den Frauen getragen wurde.

Die Figuren sind im Original 0,18 cm hoch. Sie sind den Miniaturen einer Handschrift der Nationalbibliothek entnommen. Ihre Herkunft ist nicht genau bestimmbar, da die betreffenden Notizen dem Herausgeber verloren gegangen sind. Jedenfalls gehören sie zu einer der folgenden Serien: Les Femmes renommées de Boccace, Manuscript vom Ende des XV. Jahrhunderts, Nr. 6801; les Triomphes des Vertus, Manuscript ausgeführt für Luise von Savoyen, Nr. 6809; oder l’Archiloge Sophie, Manuscript Nr. 6808, aus den ersten Jahren des XVI. Jahrhunderts.

Quelle: Geschichte des Kostüms in chronologischer Entwicklung von Albert Charles Auguste Racinet. Bearbeitet von Adolf Rosenberg. Berlin 1888.

Ähnlich

Illustration, Ornament
0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar