FRANKREICH. ZWEITES VIERTEL DES XVII. JAHRHUNDERTS

Zwischen der spanischen Modeherrschaft und der mit Ludwig XIV. beginnenden französischen liegt die Periode, da auf das Kostüm am meisten ein Einfluß von Deutschland geübt wird. Oder richtiger durch dessen soldatische Kostümtraditionen; es ist die Zeit des 30jährigen Krieges, und die Mode dieser Zeit kennzeichnet sich, oberflächlich gesagt, dadurch, daß eigentlich alle Männer so, als kämen sie aus dem Feldlager, aussehen. Etwas anders drückt es die Ironie eines damaligen Zeitgenossen aus, der, befragt nach seinem Aufenthalt in der französischen Hauptstadt und nach den Parisern, antwortete: er habe – die Pariser wohl gesehen, wisse aber nicht, ob sie noch da seien, sie hätten alle ausgesehen, als wollten sie verreisen.

Zur Vorgeschichte dieser Tracht, die sich mit auf Frankreich erstreckt, sind also auch die Texte zu den Tafeln für Deutschland (insbesondere Tafel 195 DEUTSCHE KRIEGSTRACHTEN 1600-1650) zu vergleichen.

Der Stiefel hat sich sieghaft gegen den Schuh durchgesetzt; jetzt ist er das, was fein ist und Ansehen gibt. Deshalb aber büßt er geckenhaft seinen sachlichen Zweck auch schon wieder ein. Er sinkt vorn Knie nach abwärts und knittert sich faltig ein, jedoch die großen Stulpen und die Anschnallsporen mit dem breiten Lederblatt auf der Schnalle dürfen nicht fehlen.

Die halbpludrige Schlumperhose (entwickelt aus der Pluderhose) ist nun der gerade genügend weiten Hose gewichen, die ohne Ausstopfungen bis ans Knie oder etwas darüber fällt. Um 1630 ist auch die neue Weise des Kragens entschieden, er liegt nach den Schultern hin an, schmäler, breiter, spitzenverziert, je nach Stand und Stutzerhaftigkeit. Das Haar flattert regellos, der Bart wird im Durchschnitt kleiner, als der „Wallensteiner“ in Deutschland, getragen, ein nur noch zum künftigen Schwinden bestimmtes Bärtchen an Ober- und Unterlippe. Man nennt es ohne jede Porträtberechtigung „Henri IV.“, ein rechtes Beispiel für die Oberflächlichkeit, womit der Modejargon seine Ausdrücke aufgreift, und für die Kritiklosigkeit, womit sie das Publikum sich aneignet. Heinrich IV. trug einen kräftigen, halblangen Vollbart.

Musketier, Musketiere, Schlumperhose, Wallensteiner, Mousquetaires, Mode, Barock, Frankreich, Adolf Rosenberg, Eduard Heyck, 1630, 1647,
Französische Mode 1630 bis 1647.

1 2 3 4 5 6
7 8 9 10 11

Französische Mode 1630 bis 1647.

Fig. 1. Gentilhomme, 1630.
Fig. 2. Ebenso, 1635.
Fig. 3 und 4. Ebenso, 1635 bis 1640. – Dumas‘ drei Mousquetaires (Die drei Musketiere) mögen wir uns in diesen Trachten vorstellen, ohne sonst die Erzählung kulturgeschichtlich für zuverlässig zu nehmen.
Fig. 5 und 6. Herr und Dame im Kostüm für den Ausgang.
Fig. 7. Pfeifer, 1635.
Fig. 8. Gentilhomme, 1635.
Fig. 9. Musketier, 1647.
Fig. 10. Feldschmied, 1647.
Fig. 11. Seiler, 1647.

Nach Kupferstichen Abraham Bosse’s (geb. 1605, gest. 1678).

Quelle: Geschichte des Kostüms von Adolf Rosenberg und Eduard Heyck. Erschienen 1905.

Illustration, Delphin, Putte

Ähnlich

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar