Gewänder der Opferpriester und des Hohenpriesters im alten Testament.
- Das Unterkleid, „feminalia, brachae“ (miehnasim.) Tafel I. Fig. 1.
- Der Leibrock, „tunica talaris“ (chethoneth). Tafel I. Fig. 2.
- Der Gürtel, „balteus zona“, (abanet). Tafel I. Fig. 3.
- Die priesterliche Kopfbedeckung „pileus, mitra“ (migbaoth). Tafel I. Fig. 4.
- Das Obergewand „pallium, tunica superhumeralis“ (meil).
- Das Schultergewand, „superhumerale, amiculum“ (ephod.) Tafel I. Fig. 6. und Tafel III.
- Brustschild, „pectorale, rationale“ (choschen). Tafel I. Fig. 7 und Tafel III.
- Der Kopfbund des Hohenpriesters, „tiara, mitra“ (mitznephet). Tafel I. Fig. 8, Tafel III. und Tafel VII. Fig. 3 und 4.
- Die goldene Stirnbinde, „lamina, Corona“ (zitz, nezer) Tafel I. Fig. 8 und Tafel VII. Fig. 1 und 2.
- Die „Vestas albae“ des Hohenpriesters als Trauergewänder zum Gebrauch am Versöhnungstag.
DIE GEWÄNDER DES OPFERPRIESTERS
Dem Buche Exodus zufolge sagt Gott zu Moses: „Du sollst deinem Bruder Aaron heilige Kleider machen in Herrlichkeit und in Ehren“ (Exod. XXVIII. 2.).
Diesen Vorschriften zufolge zerfallen nach der ausführlichen Angabe des Maimonides *) die priesterlichen Gewänder des Mosaischen Opferkultes in zwei Hauptabteilungen, nämlich: in Gewänder, die die Opferpriester anzulegen pflegten, und in Gewänder, womit der Hohepriester in der Regel bekleidet war. Diese letztgenannten „vestes summi pontificis“ zerfallen wieder in die goldenen und in die weissen Gewänder.
Der „vestes aurcae“ bediente sich der Hohepriester zu jeder Zeit, wenn er überhaupt im Tempel gottesdienstliche Verrichtungen vorzunehmen hatte. Die „vestes albae“ jedoch legte er nur einmal im Jahr an und zwar am Tag des Versöhnungsfestes, das immer auf den 10. des Monats Tisri fiel. Der Ornat des Hohepriesters, der deswegen die „goldenen Gewänder“ genannt wurde, weil er mit vielen goldenen Ornamenten reich ausgestattet war bestand in seiner Gesamtheit aus acht verschiedenen Kleidungsstücken, die wir im Folgenden hinsichtlich ihrer Form und Material näher beschreiben wollen.
Gleichwie heute die bischöflichen Gewänder sich vornehmlich nur ihrer Zahl und ihrer dekorativen Ausstattung nach von den priesterlichen unterscheiden, und der Pontifex mehrere Gewänder übereinander anlegt, deren auch der einfache Priester sich zu bedienen das Recht hat; so machte auch im alten Testamente der Hohepriester nicht nur von jenen Gewändern Gebrauch, die der gewöhnliche Opferpriester trug, sondern er legte zu solchen, die der „turba saeerdotum“ zustehend waren, noch einzelne reich verzierte hinzu, die ihn in seiner Würde als Hohepriester vor den untergeordneten Priestern auszeichneten.
Vorläufig weisen wir darauf hin, dass die niederen Priester des alten Bundes beim Opferdienst vier verschiedene Gewandstücke durch das Gesetz anzulegen hatten. Der Hohepriester jedoch bekleidete sich zuerst mit den Gewändern, wie sie der grossen Zahl der Priester zugewiesen waren, und fügte dann diesen Untergewändern noch vier reichere Oberkleider hinzu, so dass sein vollständiger Ornat aus acht verschiedenen Gewandstücken bestand.
*) Moses ben Maimon (1138-1204), allgemein bekannt als Maimonides und auch unter dem Akronym Rambam (hebräisch: רמב״ם), war ein mittelalterlicher sephardischer jüdischer Philosoph, der einer der produktivsten und einflussreichsten Toragelehrten des Mittelalters wurde. Zu seiner Zeit war er auch ein herausragender Astronom und Arzt und diente als Leibarzt von Saladin.
Geboren in Córdoba, Almoravidenreich (heutiges Spanien) am Pessachabend 1138 (oder 1135), wirkte er als Rabbiner, Arzt und Philosoph in Marokko und Ägypten. Er starb am 12. Dezember 1204 in Ägypten, von wo aus sein Leichnam in das untere Galiläa gebracht und in Tiberias beigesetzt wurde.
Maimonides wird nicht nur von jüdischen Historikern sehr geschätzt, sondern ist auch in der Geschichte der islamischen und arabischen Wissenschaften von großer Bedeutung und wird in vielen Studien erwähnt. Beeinflusst von Al-Farabi, Ibn Sina und seinem Zeitgenossen Ibn Rushd, wurde er zu einem prominenten Philosophen und Universalgelehrten sowohl in der jüdischen als auch in der islamischen Welt.
Nach dem Gesetz Moses hatte jeder Opferpriester im Dienste Jehova’s vier verschiedene Gewänder anzulegen. Diese waren: die Beinkleider, „feminalia“; den Leibrock, „tunica“; den Gürtel, „balteus“ und die Kopfbedeckung, „pileus“. Bei Aufzählung dieser vier priesterlichen Ornatstücke muss es auffallend erscheinen, dass für die Füsse keine Bekleidung gesetzlich angeordnet war. Es trugen nämlich die Priester des alten Bundes, wie das jüdische Gelehrte ausdrücklich hervorzuheben nicht unterlassen, keine Schuhe beim Dienste im Tempel, und geschah das aus dem Grunde, weil Moses und Josua, als sich Gott ihnen offenarte, dem Ersten bekanntlich im brennenden Dornbusch, dem Andern im Gesicht eines Kriegers, vorher durch die Stimme Gottes gemahnt wurden: „Lege ab die Schuhe von deinen Füssen, denn der Ort, wo du stehest, ist heilig“.
Weil nun in der vormaligen Stiftshütte, so wie in dem spätem prachtvollen Tempel zu Jerusalem derselbe Gott sich offenbarte, der auch zu den Vätern vernehmlich gesprochen hatte, so pflegten die Bekenner des alten Bundes, angekommen an den Vorhof der Heiden, ihre Schuhe auszuziehen. Aus demselben Grund, weil noch in höherer Beziehung der Ort ein heiliger war, lagen sowohl die Opferpriester als auch der Hohepriester den vorgeschriebenen gottesdienstlichen Verrichtungen im Tempel immer unbeschuht ob. Die gesetzlichen Waschungen, bevor sie ihren Dienst antraten, dienten zunächst dazu, sowohl die blossen Füsse als auch die Hände für die erhabenen Verrichtungen ihres Amtes rein zu erhalten. 1) Wir werden im Folgenden die oben angeführten vier Gewandstücke im Einzelnen ausführlicher beschreiben, und dürften sich sowohl in dem Namen, der Gestalt und dem zu diesen Gewändern gebrauchten Material viele Analogien auffinden lassen, die bei der allmählichen Entwicklung und Gestaltung der liturgischen Gewänder des neuen Bundes maßgeblich gewesen sind.
1) Hinsichtlich der nackten Füsse bei Verrichtungen des Tempeldienstes erwähnen ältere Schriftsteller, dass namentlich zur kalten Jahreszeit, anstossend an den Tempel, sich ein geschlossener Raum befand, worin immer aufgrund der Erwärmung der blossen Füsse ein Feuer unterhalten wurde.
- Das Unterkleid, „feminalia, brachae“ (michnasim.) Tafel I. Fig. 1.
Das Gesetz Moses schreibt erst an letzter Stelle die Anlegung des in der Überschrift gedachten Gewandes vor. Da wir aber, dem Vorhergesagten zufolge, bei Beschreibung der alttestamentarischen Opfergewänder jene Reihenfolge beibehalten wollen, wie dieselben der Opferpriester anzulegen pflegte, so wollen wir hier mit einer ausführlichen Besprechung dieses Untergewandes beginnen. Das Buch Exodus gibt hinsichtlich der Feminalien folgende Vorschrift, worin Zweck und Grösse derselben näher bezeichnet wird. „Et facies illis feminalia linea ad tegendam carnem nuditatis; a lumbis usque ad genua pertingent.“ 2) Zunächst entsteht nun die Frage, aus welchem Material bestand diese priesterliche Beinbekleidung und welche Form und Gestalt dieselbe gehabt habe. Im Allgemeinen sei hier einleitend bemerkt, dass sowohl bei den einfachem als den reichern Profan-Gewändern des Mosaismus vorzüglich in der Kette (stamen) Leinen zur Anwendung gekommen ist, mit Ausschluss aller seidenen und halbseidenen Stoffe.
Auch der ägyptische Opferkult schrieb seinen Priestern das Tragen von durchaus leinenen Gewändern vor, weswegen auch Juvenal die ägyptische Priesterschar der Isis als die „grex linigerus“ bezeichnet. 3)
Was nun zunächst den Stoff des vorliegenden priesterlichen Gewandes betrifft, so kann durch die Angaben vieler Schriftsteller angenommen werden, dass dasselbe ebenfalls aus Leinenstoffen angefertigt wurde. Es war aber das „Schesch“, wie das Buch Exodus 4) diesen Leinenstoff bezeichnet, ein äusserst feines Leinen, wie es in besonderer Güte und Feinheit aus Ägypten bezogen wurde und wie es unter dem Namen „byssus“ oft in den Schriften des alten Testamentes von den spätem Bibelübersetzern richtig bezeichnet wird.
Dieser äusserst feine schneeweisse Byssus, woraus die priesterlichen „brachae“ angefertigt waren, bestanden nicht aus lose gesponnenen Fäden, sondern die oben angegebene Bezeichnung des Exodus „schesch moschzar“ lässt deutlich erkennen, dass diese zarten Byssusfäden stark gedreht waren. Wie der Ausdruck „schesch“, „sechs“ bezeichnet, wurden nämlich die einzelnen Fäden gesponnen aus sechs zarten Fäden.
Wir würden ein solches Leinengewebe, aus sechsfach gedrehten Byssusfäden gebildet, heute als ein sechsdrähtiges bezeichnen. Auch der Grieche benannte solche schwere Zeuge, gebildet aus sechsfach gezwirnten Fäden, „ἑξάμιτος“, woher auch das italienische „sciamito“ und das deutsche „Sammet, Samt“, englisch „Samite“ wahrscheinlich herzuleiten sein dürfte. Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, dass diese Untergewänder der Opferpriester, angefertigt aus dem feinsten ägyptischen Byssus, von blendend weisser Farbe gewesen sind, da schon der Ausdruck „byssus“ den Begriff der „color albus“ in sich trägt.
Wie überhaupt die alt-testamentarischen Priestergewänder nicht aus Zusammensetzungen bestanden, die durch Nadelarbeit erzielt wurden, sondern alle aus einem Stücke gewebt waren, 5) so lässt sich mit Grund annehmen, dass auch die vorliegenden „brachae“ ebenfalls aus einem Stücke angefertigt wurden und ein „opus textile“, nicht aber ein „opus acus“ waren.
Wir werden im Verlaufe dieser Abhandlung näher ausführen, welche Vorrichtungen man benutzte, und wie überhaupt der Webstuhl beschaffen war, auf dem die im alten Testament auch für den Profangebrauch üblichen Gewänder ohne Naht angefertigt wurden. Hier sei vorab angemerkt, dass auch der Leibrock von Jesus, worüber die Kriegsknechte bei seiner Kreuzigung das Los warfen, bezeichnet wird als eine „toga inconsutilis“. Wie es scheint, war bereits in den Tagen des h. Hieronymus die alte Kunst, Kleidungsstücke ohne Naht zu weben, vielfach unbekannt geworden und nicht mehr in Gebrauch, deswegen nimmt er auch in seinem Brief an die Fabiola an, diese Beinbekleidung sei genäht gewesen.
1) Hinsichtlich der nackten Füsse bei Verrichtungen des Tempeldienstes erwähnen ältere Schriftsteller, dass namentlich zur kalten Jahreszeit, anstossend an den Tempel, sich ein geschlossener Raum befand, worin immer aufgrund der Erwärmung der blossen Füsse ein Feuer unterhalten wurde.
2) Exod. cap. XXVIII, v. 42.
3) Juvenal. lib. II, satyr. 6.
4) Exod. cap. XXXIX, v. 28.
5) Das geht auch deutlich hervor aus einer Stelle bei Maimonides, Kele
Hammimikdasch, wo er von den verschiedenen Gewändern spricht und zuletzt damit schliesst, indem er angibt: Et vestes illae Sacardotii omnes non fiunt opere aeus, sed opere textoris ut dieitur „opus textoris“.
Schwieriger als die Angabe über Stoff, Farbe und Art der Anfertigung der in Rede stehenden „brachae“ dürfte die Frage zu beantworten sein, von welcher feststehenden Form war das Untergewand, das der einfache Priester wie der Hohepriester vor allen übrigen Gewändern zuerst als bedeckendes Untergewand anlegte? Indem wir hinsichtlich des Schnittes dieses Unterkleides auf die gelehrten Untersuchungen unseres Gewährsmannes Braunius hinweisen *), glauben wir nach Durchsicht der betreffenden Angaben anderer Schriftsteller hier die Ansicht aussprechen zu können: die „feminalia“ seien nicht von der Form eines Schurzes gewesen, wie sie als „succinetorium“ auch von den Zweikämpfern und den Badenden im klassischen Zeitalter getragen zu werden pflegten, sondern die Form sei eine solche gewesen, wie sie auf Taf. I. Fig. 1. veranschaulicht wird. Es war nämlich dieser Lendengurt in zwei Teile getrennt, so dass, wie bei unseren heutigen Unterbeinkleidern, mit jeder Hälfte nur immer ein Bein bekleidet werden konnte, worauf auch die lateinische Bezeichnung „eruralia“, „tibialia“, zu beziehen sind.
*) Vestitus Saeerdotum Hebraeonun autore Joanne Braunio, Amstelodami 1698. Wir fügen hinzu, dass wir in den folgenden Erklärungen zumeist den Angaben des eben genannten Gelehrten gefolgt sind, ohne zu übersehen, was Lundius, Didaeus del Castellio in seinem Werk „de ornatu Akaronis“ und Hieron. Sopranis in seinem „de vestitu saero“ und andere Schriftsteller darüber weitläufiger ausgeführt haben.
Aus der Eingangs angeführten gesetzlichen Bestimmung des Exodus ist schon zu entnehmen, dass „ad tegendam carnem nuditatis“ diese Unterkleider nicht zu lang zu sein brauchten, sondern dass dieselben von ähnlicher Grösse, wie man heute eines ähnlichen Gewandes beim Baden sich bedient, gewesen sein müssen, und dass sie also herunterreichten von den Lenden bis zu den Knie.
Damit nun diese Beinkleider, deren Form und Gestalt wir eben angedeutet haben, nach der Anlegung befestigt werden konnten, so befanden sich an dem obern Rand mehrere Öffnungen zum Durchziehen eines schmalen Bandes. Diese Schnur wurde nach der Anlegung der Feminalien angezogen und durch einen Strick befestigt. Die Zusammenschnürung dieses Untergewandes wurde unterhalb der Brust um die Lenden vorgenommen. Da, wie vorher angegeben, dieses Untergewand aus einem Stück gewebt war und nach keiner Seite Öffnnungen hatte, so leuchtet es ein, dass bei Verrichtung von Bedürfnissen dasselbe losgelöst werden musste.
Hinsichtlich des Zweckes und der Bestimmung dieser „brachae“ deuten wir im Vorbeigehen darauf hin, dass das Gesetz dieses bedeckende Untergewand schon deswegen ausdrücklich vorgeschrieben habe, um den Priestern des reinen Jehova-Dienstes auch in ihrer Bekleidung eine Unterscheidung zu geben von den Götzendienern des Baal-Pehors, die, wie wir das oben andeuteten, einem schändlichen Kult ohne Bedeckung oblagen.
Auch hatte dieses Untergewand noch den nähern Zweck, dass, wenn der Opferpriester bei seinen verschiedenen Verrichtungen im Tempel vor den Augen des Volkes durch irgend eine Veranlassung hinstürzte, die priesterliche Würde nicht durch eine unziemende Entblössung gefährdet werden konnte.
Maimonides fasst in seinem More Novochim, Lib. III, Cap. LX die Gründe, weswegen die Priester durch das Gesetz gehalten waren, diese Unterkleider zu gebrauchen, im Folgenden zusammen, indem er sagt: „Jam pridem nosti manifesto cultum Pehoris illis temporibus postulasse, ut verenda detegerent; ideo jussit Dens sacerdotibus, ut facerent sibi brachas, ad tegendam nuditatem tempore ministerii, eadem etiam de causa prohibitum fuit, ad altare ne ascenderent per gradus, ne eorum nuditas detegeretur.“
Quelle: Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters; oder, Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung nachgewiesen und durch 110 Abbildungen in Farbendruck. Erläutert von Franz Bock (1823-1899); Joihann Georg Müller, Johann Georg (1798-1870). Bonn, Henry & Cohen, 1859.
Ähnlich
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!