Baukunst der Antike. Denkmalbauten. Monumentale Architekturformen.
DENKMALBAUTEN.
Baukunst der Antike.
von Ferdinand Noack.
Augustusbogen in Susa.
Tafel 145
Eine breitgewölbte Tonne verbindet die beiden, auf flache Stufe gestellten Torpfeiler. Der Frontbogen, die Archivolte, ist architravartig 1) profiliert und fußt auf flach vortretenden Pilastern mit korinthisierendem Kapitell. Korinthische Dreiviertelsäulen auf kleinem, besonderem Sockel fassen die Außenkanten der Pfeiler ein.
Das Gebälk, hart über den Scheitel der Archivolte 2) gesetzt, enthält den ersten figürlich geschmückten Fries von seltsam barbarischem Stil; die beiden älteren augusteischen Triumphbogen zu Rimini und Aosta (25 v. Chr.) hatten glatten bzw. Triglyphenfries.
Über dem Konsolengeison folgt, einem breiten Sockel gleich, das zweite Hauptglied, die Attika, ihre Heimat durch den Namen verratend und dem gleichen Zweck auch hier bestimmt: als breit gedehntes Postament das eigentliche Denkmal zu tragen, das Viergespann des Triumphators und die Trophäen, die aus Waffenstücken aufgebauten Siegeszeichen.
Eine mit architektonischen Mitteln über die Straße in die Höhe gebaute kolossale Statuenbasis, das ist die Grundidee dieser Ehrenbogen. Die Kunstwerke, denen sie diesen Dienst zu leisten hatten, sind sämtlich verschwunden. Aber Kraft ihrer Größe haben sie selbst eine künstlerische Ausgestaltung von selbständigem Wert erhalten. In Susa ist das Motiv noch in der Einfachheit, wie sie das Tabularium vertritt (S. 105): die Arkade im Rahmen zweier gebälktragender Säulen.
Bogen zu St. Remy.
Tafel 146
Die einheitliche, ungriechisch gegliederte Unterstufe für die beiden Pfeiler ist beibehalten. Die mit Laub und Fruchtkranz verzierte Archivolte springt mit ihren Pilastern kräftig vor.
Neu ist gegenüber dem Typus von Susa die zweite Säule, die zwischen Pilaster und Ecksäule eingeschoben ist. Auch sie steht auf erhöhtem Postament, und durch die an der Wand fortgesetzte Profilierung der Postamentgesimse erfahren die Säulen beider Seiten schon im Unterbau eine Zusammenfassung, die sich im Gebälk wiederholt haben wird. Die Fassade ist dreigeteilt, der Bogen, im alten Typus das führende Element, erhält zwei selbständige Flügel, deren von den Säulen umfaßte Flächen (Interkolumnien) eine besondere Behandlung verlangen: so sind hier auf einer vorspringenden Leiste je zwei große Relieffiguren eingesetzt, ein Römer und ein gefesselter Barbar. Das historische Reliefbild hat gerade im »Triumphalrelief« seine entscheidende Entwicklung erfahren.
Für die früher schmucklose oder nach altem Muster mit Köpfen geschmückte Zwickelfläche zu den Seiten der Archivolte wird in schwebenden Siegesgöttinnen, die Trophäen tragen, die dem Raum angepaßte, bald typische Dekoration gefunden. Die Pilaster empfangen statt des Blätterkapitelles das profilierte Kämpfergesimse (Impost) aus dem richtigen Gefühl heraus, daß die symmetrisch sich ausbreitende Kapitellform nicht zum Widerlager für die einseitig ausbiegende Bogenlinie geschaffen sei. Ebenso werden aus der Überlegung, daß die Archivolte nur eigentlich die Seitenansicht des Tonnengewölbes gäbe, auch die sie tragenden Pilaster so behandelt, daß ihre Front sich nach dem Inneren des Tores wendet.
Titusbogen, Rom.
Tafel 147
Das dreiteilige System erfährt seine klassische Formulierung. Die Säulenpaare sind noch straffer zusammengefaßt, da sie auf einer einheitlichen Brüstung stehen und die eigenen Basisprofile sich an der Wand fortsetzen; ebenso dadurch, daß oben zwischen den Kapitellen eine Wandzone von derselben Höhe abgesondert ist. Dazu tritt die feste Verbindung mit dem Bogen selbst: die äußere Bogenlinie tangiert die Säulenschäfte, das Kämpfergesims ist an diese angestoßen. Im Gegensatz zu der isolierten Umrahmung der Arkade von Susa und St. Remy sind dies die »gebundenen« Imposten. Umgekehrt ist der Bogenscheitel jetzt vom Gebälk abgerückt und in diesem Zwischenraum schwingt sich die nun stets wiederkehrende große Konsole, hier stadtwärts mit der Gestalt der Roma, nach außen mit der des Kaisers selbst geschmückt.
Der Hauptschmuck ist auf das Innere konzentriert. Das Kämpfergesimse geht mit kräftig ausladendem Profil durch die ganze Tonne. Das gibt eine feste, klare Teilung. Prachtvoll skulpturierte, viereckige Kassetten legen sich, ihren Ursprung aus dem Rahmenwerk der horizontalen Decke (S.41) verleugnend, um die gewölbte Tonnenfläche, und unterhalb der Kämpfer finden die berühmten Reliefbilder Platz. Schönes Rankenornament bedeckt die dem Inneren zugekehrte Pilasterfront sowie die Unterseite ihrer Archivolten und gibt dem Reliefschmuck den ebenbürtigen Rahmen. Die Wirkung dieses Inneren wird verstärkt durch die absichtlich einfache Behandlung der äußeren Flächen: schlichte Türnischen und darüber horizontale flache Tafeln. Die eintönig gereihten Figuren der Opferszene am Fries erinnern an die von Susa. Die Weihinschrift der Attika ist ein Musterbeispiel, wie stark und schön solche Lapidarschrift wirken kann.
Was der feste Zusammenschluss von Säule und Bogengliedern bedeutet, lehrt ein Blick auf den Bogen von St. Remy. Zwar ist in dessen Aufbau vieles schon dem Titusbogen ähnlich, die Kassetten der Tonne haben sogar die kompliziertere Sechsecksform. Aber Pilaster und Säule stehen noch ohne Beziehung beieinander, und der Umstand, daß unter den schwebenden Figuren die Zwickelflächen offen bleiben, erweckt fast ein unbehagliches Gefühl. Am Titusbogen ist ein einheitliches System geschaffen, das alle Teile zusammenhält. Bei der Rolle, die dabei auch hier der Säule und ihrem Gebälk zufällt, wollen wir uns daran erinnern, daß in derselben Zeit die Fassade des Kolosseums entstand (S. 104).
Trajansbogen, Ancona.
Tafel 148
Hafenmauern und Leuchtturm hatte der Kaiser herstellen lassen. Als Dankeszeichen steht der Bogen, in seiner Schlankheit durch die Freitreppe noch verstärkt, hoch über dem Uferrand. Die schmalen Flügelflächen zwischen den Säulen, durch kleine Gesimstafeln dreigeteilt, trugen einst in den beiden oberen Feldern bronzene Girlanden, die Schlusssteine der Bogen Büsten in Blattkelchen. Dagegen fehlen am Gebälk selbst alle schmückenden Details, Zahnschnitt, Kymatien 3) und Konsolen, an der Tonne die Kassetten, es fehlen vor allem, was von da an zur Norm wird, unter dem Kämpfergesimse die Pilaster.
Bis zu diesem bleibt die ganze Laibungsfläche glatt und ungeteilt. Die Hauptwirkung geschieht durch höheres Relief, nicht nur an Säulen und Gebälk, auch das Inschriftfeld der Attika und ihre kleinen Eckpilaster schieben sich über dem verkröpften Gebälk weiter heraus. So gibt es bis oben hin kräftige, tiefe Schatten, die alle Hauptformen herausarbeiten und, unterstützt durch die größere Schlichtheit der Flächen und Profile, die konzentrierte Einheitlichkeit von Säulenarchitektur und Bogen noch bedeutender zum Ausdruck bringen als selbst am Titusbogen.
Trajansbogen, Timgad.
Tafel 149
Das antike Thamugadi, in der Nähe von Batna, Algerien. Er wurde zwischen dem späteren 2. Jahrhundert und dem frühen 3. Jahrhundert erbaut. Der dreifach gewölbte Bogen bildete das westliche Tor der Stadt, am Anfang des Decumanus Maximus und dem Ende der Straße, die von Lambaesis kommt.
Er zeigt uns die dritte, monumentalste Form des Ehrenbogens. Die Interkolumnien sind durch je ein niedrigeres Bogentor durchbrochen. Die Nische, am Titusbogen dicht über der Sockelbrüstung eingesetzt, ist in die obere Wandfläche verlegt und erhält durch Säulen auf vorgekragten Konsolen und ihr gekröpftes Gebälk eine kräftige Tabernakelumrahmung. Darüber wölbt sich ein Flachbogen. Das Neue, was diese trajanische Architektur bringt, ist aber nicht etwa die dreitorige Anlage, die schon der augusteischen Zeit bekannt war, sondern die Loslösung der Säulen von der Wandfläche und den Ecken. An die Dreiviertelsäule der Ecke erinnert nur noch das Pilasterkapitell, das man, ohne ihm einen Pilaster unterzuschieben, dort angebracht hat. Die Seitensäulen werden eingerückt, so daß sie vor der Mitte der äußeren Torpfeiler stehen. Mit den Säulen treten ihre Sockelpfeiler und die verkröpften Teile des Gebälkes heraus. Flache Pilaster entsprechen ihnen an der Wand.
Das Motiv der frei vor die Wand gestellten, dekorativen Säulen war an sich nicht neu, die Bühnenfassaden hatten es, und in Rom war es am Nervaforum (Tafel 141) bereits mit »entgegnenden Pilastern« und der Attika verbunden. Und die nur wenig jüngere Bibliothek zu Ephesos (Tafel 143) läßt uns heute der trajanischen Architektur mehr an barockemalerischer Wirkung zutrauen, als es früher berechtigt schien.
Bogen des Septimius Severus und des Konstantin.
Tafel 150 u.151
Hiernach bringen diese dreibogigen Monumente, die am Eingang des dritten und vierten Jahrhunderts stehen, für den Typus kaum wesentlich Neues mehr. Im einzelnen, wie den Konsolen im Bogenscheitel, schließen sie sich enger an die stadtrömische und italische Tradition. Mit den glatten, pilasterlosen Laibungsflächen unter dem Kämpfergesimse folgen sie dem Beispiel von Ancona.
Die dichte Füllung der Interkolumnienflächen mit Reliefzonen am Severusbogen, die Gliederung der konstantinischen Attika – breite Inschrifttafel zwischen seitlichen Relieffeldern – hatte der trajanische Bogen zu Benevent (114 n. Chr.) vorgebildet. Sehr zum Schaden der künstlerischen Wirkung hat der Severusbogen auf die Dreiteilung der Attika verzichtet. Wenn auch auf den weit ausladenden Gebälkkröpfen hohe Statuen gestanden haben mögen, wie noch jetzt am Bogen Konstantins, so schnitten diese doch störend in die Inschrift ein. Dennoch bleibt das Ganze mit seiner Gliederung der Massen durch die großen Schattenstreifen ein Bau von starker Wirkung. Wie sehr der Künstler mit dieser malerischen, halbseitlichen Beschattung rechnete, dafür zeugt ein sonst ganz überflüssiges Detail: durch die kleinen Bogentore in den beiden Mittelpfeilern und ihre Kämpfergesimse gewinnt er für die glatte Laibungsfläche noch eine kräftig beschattete Teilung in halber Höhe.
Konstantin hat für seine Siegesbogen noch einmal einen Architekten gefunden, der in großen, vorzüglichen Proportionen zu komponieren wußte. Denn hierin hat er sein unmittelbares Vorbild hinter sich gelassen. Was man dem Künstler des Severusbogens vorwirft, die Vernachlässigung einzelner, für das System wichtiger Gliederungen, trifft jenen nicht. Vollständiger hat er vom Sockelgesimse ab eine Reihe von Horizontalbändern, glatt, im Kämpferprofil oder als Relieffries auch um die Schmalseiten herumgelegt, wie es der Titusbogen mit seinen Kapitellzonen und den Tafeln über den Türnischen angegeben hatte. Den guten Stil der meisten architektonischen Formen verdankt er freilich fremdem Gut. Denn ein trajanisches Monument wurde niedergelegt, um Säulen und Gesimse für den Neubau zu gewinnen. Ebenso stammt der größte und beste Teil des plastischen Schmuckes von Denkmälern Trajans und Mare Aurels.
Tiberiusbogen zu Orange.
Tafel 152
Einer der größten und mächtigsten und, wenn die Inschrift gilt, der erste aller erhaltenen dreitorigen Bogen. In keinem Fall reiht er sich einfach in das spätere System ein. Dreiviertelsäulen an den Ecken, keine Bindung zwischen Säulen und Bogen, die Pilaster isoliert, mit freien, ungebundenen Imposten, die Archivolten an der Front mit Pflanzenornamenten übersponnen, das Giebeldreieck, das störend in die Attikafläche einschneidet – alle diese Züge teilt der Bogen mit den Beispielen aus augusteischer Zeit, den Schmuck der Archivolten und die Sechseckskassetten der Mitteltonne im besonderen nur mit dem Bogen von St. Remy. Gleich diesem fortgeschrittener als die ersten italischen Beispiele, entbehrt er doch vor allem noch der späteren, für die Seitenbogen normierten Höhe: deren Scheitel sollte tiefer liegen als das Kämpfergesims des Mittelbogens. So haben es die Seitenflächen am Titusbogen mit ihrer Tafelteilung angebahnt, und die späteren Dreitorbauten haben diese Niveaulinie ausdrücklich, z. T. durch schmale Reliefbänder über den Seitenbogen, markiert.
Am Bogen in Orange hat eine solche Schranke nach oben hin gefehlt. Mit diesen Zeichen einer verhältnismäßig frühen Zeit kontrastieren freilich seltsam genug die mit gallischen Trophäenreliefs überladenen Flächen, die Dreiviertelsäulen der Schmalseiten mit ihrem von einem Bogen unterbrochenen Giebel, die Überhöhung der Attika durch einen weiteren Postamentenaufsatz.
Die dadurch bestimmte Sonderstellung, die der Bogen mit manchem südgallischen Denkmal teilt, wird nur durch die Annahme einer provinziellen Kunstübung erklärlich, deren Träger dann wohl hellenistische, über die Griechenstadt Massilia eingewanderte Künstler waren. Das vom Bogen unterbrochene Giebelgesims kann in so früher Zeit nur aus hellenistisch,- asiatischer Kunst übertragen sein. Ob man aus der Entwicklung der italisch-römischen Triumphtore diese hellenistisch beeinflußten Beispiele mit Recht ganz ausgeschaltet hat? In jedem Falle bleibt aber dem System des Titusbogens der Vorzug der ersten klaren und straffen Organisation des Aufbaues.
Monumentale Stadttore.
Tafel 153 bis 155
Der monumentale Ausbau der Haupttore der Städte hatte früh begonnen. Das lykurgische Dipylon mit zwei Torwegen nebeneinander war nicht das einzige seiner Art. Aber sie wahrten den Charakter des Festungstores mit festgeschlossener Front. Wie man sie durch eine Art offenen Obergeschosses in hellenistischer Zeit zieren konnte, zeigen die Tore von Perugia. Ihre Verbindung mit freistehender Säulenarchitektur an der Fassade scheint aber erst nach dem Muster der Triumphtore erfolgt zu sein, man möchte denken, schon im Hellenismus. Doch sind die wirklich gesicherten Beispiele erst kaiserliche Bauten. In Timgad war der Triumphbogen selbst in die Stadtmauer eingefügt. Das schöne Hadrianstor in Athen (153) zeigt in der breiten, auf korinthische Kämpferkapitelle aufgesetzten Archivolte und dem einfachen Pilasterabschluss der ungeteilten Flügelwände fast altertümliche Typik. Der Bogen schneidet hier sogar in den Architrav hinein. Aber zwischen den äußeren Pilastern ist die Kapitellzone bereits abgeteilt und vor den Wänden erhob sich unter dem Gebälk je eine freistehende Säule; darüber stand eine kleinere vor den schlanken Eckpilastern der offenen Säulenstellung, die man gerne als graziösen Ersatz für die schwere Attikafläche nimmt.
Mit ähnlichem Obergeschoß dürfen wir uns das Dreitor ergänzen, das, von demselben Kaiser gestiftet, zu Attaleia zwischen hohen Türmen steht (Tafel 154). Der größte Teil der überwölbten Tore ist hinter späterem Mauerwerk verborgen. Man sieht zwei große, reich ornamentierte Gebälke herausragen, die sich einst über weit abstehenden Säulen mit Kompositkapitellen verkröpften. Auch diese Tore sind im Hinblick auf ihre Höhe altertümlich breit, ihre Archivolten tangieren wie in Susa den Architrav.
Die Porta nigra zu Trier (Tafel 155) hat den Charakter des Festungstores festgehalten. Aber die älteren Elemente – das von Türmen eingefaßte Doppeltor mit dem Torhof dahinter und der Wallgang, der sich über den Toren als offene Galerie fortsetzt – sind hier unter dem Einfluß des römischen Fassadenbaues zu einem Werk großen Stiles entwickelt. Die Bogengalerie über den Toren ist verdoppelt und auch auf die Türme übertragen, wo sie sogar noch ein viertes Stockwerk bildet. Wie am Kolosseum kommt der einheitliche Zusammenschluss der Geschosse durch die Scheinarchitektur der Fassade zu überzeugendem Ausdruck. Aber in allen Stockwerken ist hier die gleiche dorische Ordnung wiederholt, und selbst der Verzicht auf jede feinere Profilierung der Kämpfer und Gesimse sowie auf die Glättung der Quadern und der bedeutend vorspringenden Säulen scheint beabsichtigt, um dem Bau den wuchtigen Ernst, die trotzige Kraft zu wahren.
Zu neuen eigenartigen Problemen führten die mehrgeschossigen Gedächtnisbauten.
Grabmal zu Mylasa in Karien.
Tafel 156
Nach dem Stil seiner Pfeiler und Säulen in verhältnismäßig später Zeit entstanden, verrät es im allgemeinen Aufbau doch sein großes Vorbild, das Mausoleum in Halikarnassos.
Die Neigung, den Grabraum hoch über den Boden zu heben, hatte schon in den freistehenden Sarkophagen und Grabtürmen der Lykier 4) Ausdruck gefunden. Das Motiv mußte von der jonischen Baukunst 5) bei ihrer ausgesprochenen Höhentendenz bald aufgegriffen werden. Gegen Ende des fünften Jahrhunderts wird in Lykien unter ihrem Einfluß ein ganzer, peripteraler Grabtempel auf hohen reliefgeschmückten Unterbau gehoben: das Nereidenmonument von Xanthos ist wohl überhaupt das erste zweistöckige Grabmal dieser Art. Die Architekten der jonischen Renaissance haben es überboten, indem sie in ihrem kolossalen Mausoleum das Tempeldach durch die altorientalische Stufenpyramide ersetzten, der die Tempelcella als Träger diente. Der viel kleinere Bau in Mylasa hat zwar auf diese, nicht aber auf die Stufenpyramide verzichtet.
In diesen Monumenten war die Höhenentwicklung immer noch mit einer gewissen Zurückhaltung behandelt. Scheint es doch, daß man ihr gegenüber die Horizontale geradezu durch die Relieffriese betonen wollte, die in doppelter und dreifacher Reihe um den Unterbau geschlungen wurden. Das wurde anders mit der Aufgabe, auch die Säule, auf die man nach altem, wohl ursprünglich jonischem Brauch das Denkmal gehoben hatte (z.B. Tafel 46b), architektonisch ins Monumentale umzubilden. Der Säule entsprach aber am ehesten der Rundbau: so versteht man, daß neben jenem Typus des einheitlich vierseitigen Stockwerkbaues der Hellenismus bald die kontrastreichere Gestaltung aufgegriffen hat, die der Bau des Lysikrates 6) zum ersten Male zeigt. Nachdem der Wechsel von Würfel und Rundbau einmal als leitende Idee gefunden war, ließen sich die Elemente je nach Zweck und Standort des Monumentes in verschiedener Weise entwickeln.
Rundbau in Ephesos.
Tafel 157
An einem Denkmal wie diesem hat die Vorliebe hellenistischer Baukunst für den zweistöckigen Säulenbau mitgeholfen, den Rundbau zum Hauptkörper des Monuments zu machen. Während der Würfel auf einen niederen Unterbau aus Polsterquadern, einer jüngeren, eleganten Stilisierung der Rustika, beschränkt bleibt, erhebt sich der Rundbau in zwei Etagen. Die Steigerung zu größerer Leichtigkeit nach oben hin wird erreicht, indem über dem geschlossenen Unterstock, dessen Fassade lediglich durch Halbsäulen gegliedert ist, ein engerer Zylinder mit offener Ringhalle emporstrebt. Darüber wird auf einem Kegeldach die Trophäe gestanden haben. Nicht gesichert ist die genaue Entstehungszeit. Wenn auch die Füllung des Innern mit Gusswerk schon auf einen gewissen römischen Einfluß weist, so will das Ganze doch als einheitliches Werk späthellenistischer Kunst erscheinen. Die Überwucherung der Kapitellvoluten mit Rankenwerk erinnert an die Behandlung der Didymaionkapitelle.
Es ist von Interesse, daß vom Typus dieses Denkmals eine Brücke geschlagen wird zu einem Siegesdenkmal des Augustus, dem Tropaeum Alpium vom Jahre 7/6 v. Chr., das auf steiler Höhe über Monaco steht (La Turbie). Nur sprach in dessen Gesamtbild der Würfel als hoher Unterbau stärker mit, und schon dem unteren Geschoss des Zylinders war die offene, peripterale Halle gegeben.
Gleichsam die Vermittelung zwischen dem rein viereckten Typus Mausoleum-Mylasa und dem anderen von Ephesos – La Turbie bietet das augusteische Grabmal der Julier zu St. Remy (Tafel 146). Auch hinter diesem schönen, 18 m hohen Monument werden wir hellenistische Muster zu suchen haben. Aus dem Osten stammt die Form des nach vier Seiten geöffneten Tores, des Tetrapylon, das hier mit seinen, ähnlich dem Bogen von Susa behandelten Fassaden über dem reliefgeschmückten Würfel steht. Auch der leichte korinthische Rundbau darüber, der die beiden Grabstatuen enthält und mit einem geschuppten Kegeldache abschließt, ist in seiner speziellen Form des Monopteros von griechischer Abkunft. Das viertorige Mittelglied vertritt die Stelle des unteren Rundgeschosses des anderen Typus. Indem es den Würfel in leichterem und verjüngtem Aufbau fortsetzt, wahrt es dem vierseitigen Element das Übergewicht in der Komposition; der Rundbau, auf das dritte Stockwerk beschränkt, wirkt schon mehr als zierliche Bekrönung.
Wir dürfen glauben, daß derart proportionierte Turmmonumente nicht unbeeinflußt waren von dem gewaltigen Leuchtturm, den die kühne Ingenieurkunst des Sostratos von Knidos zu Beginn des dritten Jahrhunderts auf der Pharosinsel vor Alexandria in neuer, unerhörter Höhe erstehen ließ. Nur daß Sostratos zwischen dem hohen, vierseitigen Turmbau und dem bekrönenden Rundtempel noch ein achteckiges Zwischenglied eingeschoben hat.
Grabmal der Caecilia Metella. Tomba di Cecilia Metella
Tafel 158
Den Erdhügel, eine uralte Grabmalform (Tumulus), getragen und am Fuße zusammengehalten durch einen niederen Rundbau aus Stein, haben die Römer von den Etruskern übernommen. Aber in römischer Kunst wird dieser Unterbau zu dem höheren, zylindrischen Hauptglied entwickelt, das nun seinerseits – gewiß nicht ohne Mitwirkung jener anderen hellenistischen Denkmalformen – auf einen eigenen, würfelförmigen Sockelbau gehoben wird. In der Engelsburg, dem berühmten Grabmal Hadrians, ist uns der kolossale Rest eines solchen Monumentes erhalten. Es war in der allgemeinen Anlage schon abhängig von dem 28 v. Chr. errichteten Mausoleum des Augustus. In diesem war das Haupt, und Mittelglied der mächtige, marmorne Rundbau von 88 m Durchmesser, der einen mit Bäumen bepflanzten Tumulus, nach anderen einen abgestuften Terrassenkegel trug; auf dessen Spitze erhob sich die eherne Kaiserstatue.
In dem etwa gleichzeitigen Metellagrab steht dieser Typus in kleinerem Maßstab vor uns. Der vierseitige Unterbau war einst ebenso mit Travertinquadern verkleidet, wie der Zylinder. Diesen beschließt der marmorne Bukranienfries. Über dem Gesims stand ein zweischichtiger Zinnenkranz. An Stelle der mittelalterlichen Zinnen darüber wird man sich gleichfalls einen Erdkegel vorzustellen haben. – Auch diese Form mit dem breit hingelagerten, untersetzten Rundturm blieb nicht allein dem Grabmal vorbehalten. Wir kennen sie in dem Siegesmal von Adamklissi in der Dobrudscha, das aber um das Motiv des schlanken, zweigeschossigen, hier nur sechsseitigen Trophäenträgers über dem Kegeldach bereichert ist.
»El Chasne«, Khazne al-Firaun. Tempelfassade (Mausoleum) zu Petra.
Tafel 159
Eine viersäulige Tempelfassade, von zwei reliefgeschmückten Interkolumnien umrahmt. Dahinter eine Vorhalle, die zur hohen Tür des Hauptgemachs, durch kleinere Seitentüren zu Nebenkammern geleitet. Am Fries Reliefvasen zwischen Sphinxen in Rankenwerk, an bei den Ecken über den Gebälkkröpfen je ein Panther und Löwe. In der Giebelmitte einst ein Kopf mit schwer herab wallendem Haar, als Giebelakroter die Sonnenscheibe zwischen Hörnern und Ahren: das Symbol der ägyptischen Isis, deren Reliefbild darüber die Front des kleinen Rundtempels schmückt. In den übrigen Feldern des Obergeschosses Flügelfiguren und tanzende Amazonen; in den Friesen darüber von Ammonsköpfen gehaltene Fruchtschnüre. Auf den gebrochenen Giebeln der Flügelbauten sitzende Adler und endlich über dem Kegeldach auf korinthisierendem Kapitell eine bauchige Urne. – Wie sollen wir das seltsam reiche Monument bewerten?
Grab und Tempelkammern in den Fels zu treiben, außen aber eine Scheinfassade aus der Felswand herauszumeißeln war in Ägypten und Vorderasien seit frühen Zeiten Brauch. In den baumlosen Steinwüsten des südlichen Syriens und Arabiens gewann die Technik solcher Felsbearbeitung und des Steinbaues überhaupt weitergreifende und dauernde Bedeutung. Im Hausbau mußte dort der Stein bis zu Türen, Fensterrahmen und Hausgerät so gut wie alles leisten. Die Ruinen in dem syrischen Gebiet Haurân sind von dieser Art.
In der von wilden Schluchten zerrissenen, imposanten Felslandschaft südlich vom Toten Meer, in der Petra, die Hauptstadt der Nabatäer, aus kleinen Anfängen wachsend sich ausgebreitet hat, ist von Freibauten nur weniges erhalten: dafür sind die zahllosen Felsgräber erstaunliche, eindrucksvolle Zeugen einer langen Geschichte. Wir sehen den Typus der älteren Grabfassaden, auch hier das Abbild der einfachen, turm- oder pylonförmigen Wohnungen mit Zinnenkrone, sich wandeln unter dem Einfluß hellenistischer Kunstformen; Gesimse und Giebel, Attika, kapitellgekrönte Pilaster kommen auf. Aber erst in den Zeiten des römischen Regiments erscheint auch die Säule an den Gräbern. Das gibt eine nicht all zu frühe Zeitbestimmung für das hier abgebildete Beispiel und eine kleine Zahl davon beeinflußter Fassaden.
In der Deutung unseres Monuments auf einen Isistempel sieht man außerdem noch einen besonderen Hinweis auf Hadrian, der 131 n. Chr. in Petra war und gerade diesen Kult für den Osten des Reiches aus politischen Gründen nachdrücklich begünstigt habe. Entstand dieser Felsentempel aber damals auf kaiserliche Initiative, so verstünde man gut, daß er in der Sorgfalt und Schönheit seiner, zum Teil ganz hellenistisch anmutenden Formen unter allen peträischen Ruinen einzigartig dasteht. Denn die neuerwachte Pflege reiner, griechischer Formen, die wir an den Bauten Trajans bemerken (S. 60), hat noch lange in hadrianischer Kunst nachgewirkt. Für die Frage endlich, woher der ganze barocke, malerische Aufbau stammt, genügt der Hinweis, daß man jenem Apaturios gerade die gebrochenen Giebel und tholosartigen Rundbauten vorwarf, die er im Obergeschoß seiner Dekorationen vierten Stiles zu malen liebte.
Al-Khazneh bedeutet auf Arabisch „Die Schatzkammer“, ein Name, der von Legenden über die dekorative Steinurne hoch oben auf der zweiten Ebene abgeleitet ist, die in Wirklichkeit aus massivem Sandstein besteht. Man nimmt heute an, dass das Bauwerk das Mausoleum des nabatäischen Königs Aretas IV. im 1. Jahrhundert n. Chr. war. Es ist eine der beliebtesten Touristenattraktionen sowohl in Jordanien als auch in der Region. Im frühen 19. Jahrhundert wurde es von den Beduinen der Gegend als „Al-Khazneh“ oder Die Schatzkammer bekannt, da sie glaubten, es enthalte Schätze.
Rom, Trajanssäule.
Tafel 160
Mit dem einst auf ihrer Spitze stehenden Erzbild des Kaisers knüpfte sie an hellenistisch-ägyptische Statuensäulen an, die selbst wieder älteren Mustern (S. 116) folgten. In solcher Höhe konnte freilich das Kaiserbild nur noch wie eine abschließende Bekrönung wirken, und der Nachdruck lag auch nicht auf ihm, sondern auf dem 200 m langen Spiralband der bemalten Reliefs, das die Dakerkriege des Kaisers verherrlicht. Eine geistreiche Erklärung sieht darin die zur Monumentalität gebrachte Rolle eines ganz nur in Bildern erzählenden antiken Buches. So werde auch verständlich, daß die Säule gerade zwischen den bei den Bibliotheken des Kaiserforums stand. Doch wird an der eigentlichen Kunstform des ganzen Denkmals auch das Vorbild jener älteren, schlanken Rundbaumonumente (S. 116) nicht ganz unbeteiligt gewesen sein. Der gewaltige Schaft, im Inneren hohl, so daß eine Wendeltreppe zur Plattform seines Kapitells führen kann, ist gleichsam der zur Säule erst wieder zurückgebildete Zylinder, den Würfel-Unterbau bildet die mächtige, 5 m hohe, vierseitige Basis, die in besonderer Grabkammer die goldene Aschenurne Trajans bewahrte. Aber statt der Trophäen stand oben das Kaiserbild: jene mußten sich ihren Platz am Sockel suchen.
Mit dem Forum Trajans, zu dem die Säule gehört, haben die Kaiserfora Roms ihren glänzenden Abschluss gefunden. Deren einfacher Typus des rings umschlossenen Marktes, in den ein Tempel (vgl. Pompeji S. 87) eingriff, ist diesmal verlassen und durch eine reiche Gruppenanlage nach ägyptischem Tempelschema (S. 23) ersetzt. Ein Triumphbogen (117 n. Chr.) führt gleich dem Pylon in den ersten, 126 m weiten Säulenhof. Ihm schließt sich als »breite Halle«, in gleicher Breite, die Basilika Ulpia an, von deren Doppelperistyl das Bild gerade einen Ausschnitt der Mitte gibt. Auch die Säule selbst, in kleinem Zwischenhof, hatte in ägyptischen Tempelobelisken ihre Analogien. Dahinter folgte schließlich als Allerheiligstes der Kulttempel Trajans, das »tiefe Gemach«.
Die großartige Anlage, durch bedeutenden Skulpturenschmuck gehoben und auf starke, sich steigernde, malerische Raumwirkung berechnet, bildete einen Ruhmestitel des großen Architekten und Ingenieurs Apollodoros von Damaskos (* um 65 in Damaskus; † um 130). Seine Person kann jene ägyptisierende Planlegung verständlich machen; seinem, des Griechen, Einfluß wird auch die Rückkehr zu klassischen, einfach klaren Architekturformen zuzuschreiben sein. Gibt es doch für den ausgesprochenen Gräzismus des Schöpfers der Basilika Ulpia keinen besseren Maßstab, als daß er über die konstruktiven Prinzipien der Basilika Julia (Tafel 96) nicht hinausgegangen, sondern zum reinen Säulenperistyl mit Horizontaldeckung zurückgekehrt ist. In dem folgenden Jahrzehnt entsteht die Kuppel des Pantheon, und der von Hadrian selbst entworfene Doppeltempel der Venus und Roma erhält überwölbte Innenräume: der größte Wendepunkt in der antiken Baugeschichte. Apollodoros war am Pantheon schwerlich, an dem Kaisertempel sicher nicht mehr beteiligt.
Quelle: Die Baukunst des Altertums von Ferdinand Noack (1865-1931). Berlin: Fischer & Francke, 1910.
1) Ein Architrav (von italienisch: architrave „Hauptbalken“, auch Epistyl genannt; von griechisch ἐπίστυλον epistylon „Türrahmen“) ist in der klassischen Architektur der Sturz oder Balken, der auf den Kapitellen von Säulen ruht.
2) Eine Archivolte (oder Voussure) ist eine Zierleiste oder ein Band, das dem Bogen an der Unterseite eines Bogens folgt. Sie besteht aus Bändern von Zierleisten (oder anderen architektonischen Elementen), die eine bogenförmige Öffnung umgeben, entsprechend dem Architrav im Falle einer rechteckigen Öffnung. Das Wort wird manchmal verwendet, um sich auf die Unterseite oder die innere Krümmung des Bogens selbst zu beziehen (genauer gesagt, die Laibung). Das Wort hat seinen Ursprung in den italienischen (bzw. französischen) Entsprechungen der englischen Wörter arch und vault.
3) Kymation, die oberste Leiste am oberen Ende des Gesimses in der klassischen Ordnung, besteht aus der s-förmigen Kyma-Leiste (entweder Cyma recta oder Cyma reversa), die ein konkaves Cavetto mit einem konvexen Ovolo kombiniert. Es ist charakteristisch für ionische Säulen und kann als Teil des Gebälks, des Epistyls oder Architravs, der der Sturz oder Balken ist, der auf den Kapitellen der Säulen ruht, und des Kapitells selbst erscheinen. Oft ist das Kymatium mit einem Palmetten- oder Eierstab-Ornament auf der Oberfläche des Gesimses verziert.
4) Lykier ist der Name verschiedener Völker, die zu verschiedenen Zeiten in Lykien lebten, einem geopolitischen Gebiet in Anatolien (auch bekannt als Kleinasien).
5) Die ionische Ordnung ist eine der drei kanonischen Ordnungen der klassischen Architektur, die anderen beiden sind die dorische und die korinthische. Es gibt zwei kleinere Ordnungen: die toskanische (eine schlichtere dorische) und die reiche Variante der korinthischen, die Kompositordnung genannt wird. Von den drei klassischen kanonischen Ordnungen hat die ionische Ordnung die schmalsten Säulen.
Ionien war eine antike Region im zentralen Teil der westlichen Küste Anatoliens in der heutigen Türkei, die Region, die Izmir, dem historischen Smyrna, am nächsten lag. Es bestand aus den nördlichsten Gebieten des Ionischen Bundes der griechischen Siedlungen. Nie ein einheitlicher Staat, wurde es nach dem ionischen Stamm benannt, der in der archaischen Periode (600-480 v. Chr.) hauptsächlich die Küsten und Inseln der Ägäis besiedelte. Ionische Staaten wurden durch Tradition und durch die Verwendung von Ostgriechisch identifiziert.
6) Das Choragische Denkmal des Lysikrates in der Nähe der Akropolis von Athen wurde vom Choregos Lysikrates, einem wohlhabenden Mäzen der musikalischen Aufführungen im Theater des Dionysos, errichtet, um an den Preis im Dithyramb-Wettbewerb der Stadt Dionysia 335/334 v. Chr. zu erinnern, dessen Liturge er war. Das Denkmal ist bekannt als die erste Verwendung der korinthischen Ordnung an der Außenseite eines Gebäudes. Es wurde, wie der Turm der Winde, weithin in modernen, klassizistischen Denkmälern, Pavillonbauten und Bauelementen reproduziert.
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