Die Berner Tracht. Schweizer Trachtenfest Zürich 14. März 1896.
7. Kanton Bern
Die bekannteste alle Schweizer Trachten ist die Berner Tracht, wie sie unser Bild 1 der II. Serie darstellt. Früher hatten die verschiedenen Landesgegenden des weitläufigen Kantons Bern verschiedene Trachten, so zum Beispiel das Oberhasli, das Simmenthal, Guggisberg etc.; aber alle sind verschwunden mit Ausnahme dieser einen, allerdings sehr kleidsamen Tracht. Von Fremden hört man etwa die Frage ob das die eigentliche Nationaltracht der Schweizerinnen gewesen sei.
In Hotels, auf Bahnhöfen, bei Festen sieht man allerdings die Berner Tracht so häufig, dass man jene Frage schon begreift und wir ließen es uns schließlich auch ganz gern gefallen, dass die wohlgebauten, starken und hübschen Töchter jener bei Grauholz unter anderem an Männerkampf teilnehmenden Frauen als Repräsentantinnen der Schweiz angesehen würden.
Betrachten wir nun die Berner Tracht etwas genauer! Der Kopfputz, wie ihn das Bild zeigt, ist eine Rosshaarhaube. Sie kommt nur noch selten vor, da die dazu nötigen Rosshaarspitzen im Handel nicht mehr zu haben sind. Auch das „Schwefelhütchen“ (Vergleich neben stehendes Bild) wird nicht mehr getragen. Das dem Hals anliegende Göller wird von einer Brosche zusammen gehalten. Auf schwarzem Samt erblickt man reiche Stickereien und an den Zipfeln befinden sich Rosetten, an denen zwei oder vierfache Silberketten hängen die unter den Armen durchgehen und hinten am Göller ebenfalls in Rosetten eingehängt werden.
Der Stolz der Bernerin sind die blütenweißen Hemdärmel und das „Brüstli“. Das Mieder besteht aus gepresstem Samt, wie unser Bild besonders deutlich zeigt. Es ist mit Perlen verziert und mit zwei Reihen Silberhaften versehen, die manchmal mit einer kreuzweise genestelten Silberschnur verbunden sind. Was den Rock selbst betrifft, so wird derselbe aus irgendeinem Modestoff angefertigt. Das Festtagskleid aber ist, mit Ausnahme der Seidenschürze, immer schwarz.
Wenn bei irgend einer Schweizer Tracht, so ist bei der Tracht der Bernerinnen die Hoffnung berechtigt, dass dieselbe noch eine geraume Zeit erhalten bleibt und wenn, wie es den Anschein hat, in Zukunft auch bei den Familienfesten der Wohlhabenderen die Sitte geübt wird, in den verschiedenen Landestrachten zu erscheinen so bleiben gewiss die hübschen Trachten, die wir heute noch besitzen, für einige Generationen bestehen.
Julie Heierli (geb. Julie Weber, 1859 – 1938) war eine Ethnologin, die die erste Untersuchung von Schweizer Trachten initiierte. Julie Weber wurde 1859 in San Francisco geboren; Tochter von Julius Weber und Elize Niedermann, Schweizer Expatriates aus Zürich. Die Familie kehrte nach Europa zurück und Julie heiratete 1882 den Archäologen Jacob Heierlin. Während der Ausgrabungsreisen ihres Mannes sammelte sie wissenschaftlich Elemente der traditionellen Trachten. Bei der Gründung des Schweizerischen Landesmuseums in Zürich war sie für die Kostümsammlung verantwortlich, die zum Teil aus den Feierlichkeiten zur Eröffnung 1898 hervorging; Heierli beriet dann ab 1901 das Historische Museum Bern bei der Präsentation der ihm zur Verfügung stehenden Kostüme. Außerdem verfügte sie über eine Fotosammlung mit mehr als 2.000 Fotos von Alltags- oder Sonntagskostümen sowie von Volksfesten, die zwischen 1855 und 1938 aufgenommen wurden. In den 1920er Jahren hielt sie Vorträge in Zürich und veröffentlichte dann zwischen 1922 und 1932 ihr Hauptwerk „Die Volkstrachten der Schweiz“ in fünf Bänden, das bis heute als Referenz auf diesem Gebiet gilt.
Julie Heierli starb 1938 im Urlaub im Schwarzwald an einem Herzinfarkt. Das Fotoarchiv wurde der Schweizerischen Gesellschaft für Volkstraditionen vermacht, die sich für deren Restaurierung und Digitalisierung verantwortlich zeigte.
Quelle: Die Schweizer Trachten vom XVII – XIX Jahrhundert nach Originalen. Dargestellt unter der Leitung von Frau Julie Heierli (1859-1938, gründete die Trachtensammlung der Schweiz) und auf Fotomechanischem Wege in Farben ausgeführt. Originalaufnahmen vom Schweizer Trachtenfest. Zürich 14. März 1896. Druck und Verlag: Polygraphisches Institut Zürich.
Ähnlich
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!