Bürgerliche und Kriegstrachten im 14. Jh. Pourpoint, Jaquet, Poulaines.
BÜRGERLICHE UND KRIEGS-TRACHTEN. DIE SÄNFTE.
EUROPA. MITTELALTER 14. JAHRHUNDERT.
Die Figuren dieser Tafel sind einem italienischen Manuskript des XIV. Jahrhunderts, einem Roman vom heiligen Gral (Mser. 6964 in der Pariser Nationalbibliothek) entlehnt.
Die enge Tracht des 14. Jahrhunderts tritt im Norden von Frankreich ungefähr um 1340 unter der Regierung Philipps von Valois auf. Sie war schon seit einer Reihe von Jahren in Marseille üblich gewesen, und den Italienern zufolge, welche ihr katalanischen Ursprung geben, war sie allen Städten des mittelländischen Meeres von Barcelona bis Genua gemeinsam.
An die Stelle der langen Röcke trat die enge und kurze Jacke, die den Namen jaquet oder jaquette erhielt, und der pourpoint oder gipon, ein stark mit Haaren oder Werg gefütterter Leibrock, welcher als Überrock diente und vorn oder an den Seiten zu öffnen war. Die Beinkleider, welche über den Schenkeln befestigt wurden, hatten Füsslinge, die durch Socken verstärkt und mit Sohlen versehen waren. Man brauchte daher bei gutem Wetter keine Schuhe zu tragen, bei schlechtem Wetter band man hölzerne oder mit Eisen beschlagene Galoschen unter.
Diese Fussbekleidungen liefen spitz zu, und diese Spitze verlängerte sich allmählich mehr und mehr. Sie wurde durch Fischbein unterstützt und fehlte weder bei den gewöhnlichen Schuhen und Stiefeln, noch an den Beinschienen der Ritter. Man nannte diese Schuhe poulaines (Schnabelschuhe), welcher Ausdruck von polonaises abgeleitet wurde. Nachdem sie im westlichen Europa aus der Mode gekommen waren, tauchten sie nämlich in Polen wieder auf und kehrten von da als Neuheit nach dem Westen zurück. Die Engländer nannten sie crakowes (Krakauer).
Im 14. Jahrhundert nahmen die Schnabelschuhe so ungewöhnliche Dimensionen an, dass man sogar ihre Spitzen, um das Gehen zu ermöglichen, um bog und mit einer Schnur am Schienbein befestigte. Ritter und Junker nahmen überdies die Gewohnheit an, ihre Beine in zwei verschiedene Farben zu kleiden: das eine Bein war weiss, gelb, grün, das andere schwarz, blau oder rot. Man trug sogar Schuhe von verschiedenen Farben (Mode des Mi-Parti).
Die Staatstracht der Richter, Advokaten, Gelehrten und ähnlicher Personen, die auch im Äusseren eine gewisse Würde dokumentieren wollten, behielt im Gegensatz zu der engen Tracht der Stutzer die weiten Überröcke und Mäntel bei. Danach teilte man die Männer in zwei Klassen: die gens de robe courte und die gens de robe longue.
Die von uns dargestellte Tracht war gleichzeitig in Italien, Frankreich und England üblich. Die Jacke hat nur halbe Ärmel bis zum Ellbogen, die Ärmel des Rocks reichten dagegen bis ans Handgelenk. Damit sie besser anschlossen, wurden sie vom Ellbogen an zugeknöpft. Die Jacke musste sich so fest an den Körper anschmiegen, dass sie keine Falten schlug. Deshalb wurde der Stoff wattiert und namentlich um den Körper herum ausgestopft. Aus dieser Auspolsterung entwickelte sich allmählich eine Art Höcker, der bald eine grosse Ausdehnung annahm und die Bezeichnung Gänsebauch erhielt. Der Gürtel wurde unterhalb der Hüften getragen, bisweilen dicht über der Borte oder am Rande des Jaquets selbst; man befestigte an demselben nur den Dolch.
Das Jaquet ist vorn durch eine Reihe von Knöpfen geschlossen, Die Knopflöcher sind mit Seide ausgenäht. Das Wamms wurde damals noch nicht mit Wappenstickereien verziert. Man sieht jedoch an unseren Abbildungen, dass die Initialen des Trägers (bei dem Könige Nr. 5) und geometrische Figuren in Seide und Perlen auf den Stoff genäht oder gestickt wurden, Perlen wurden damals überall, an den Gürteln, Kronen, Hüten und selbst an den Schuhen getragen. Die Beinkleider waren von Tuch; besonders im Gebrauch waren der Scharlach (écarlate) von Brüssel, die yreigne, ein dünnes, spinnennetzartiges Gewebe von Ypern (Belgien) und andere Gewebe aus Rouen und Montivilliers.
Die Kopfbedeckung von Nr. 4 besteht aus einer Kapuze und einem steifen, kegelförmigen Hut, der darauf gesetzt ist. Die Straussenfeder war zu jener Zeit eine Seltenheit, die mit Gold aufgewogen wurde.
Der Mantel von Nr. 8, der an der Seite offen ist, wurde Glocke (cloche) genannt, was der deutschen Bezeichnung Hoike (Heuke) entspricht.
Um 1340, unter Philipp von Valois, hatte auch die Kriegstracht und -Rüstung eine vollständige Änderung erfahren. Der Waffenrock reichte nun bis über die Hüfte hinab, und die ganze Tracht wurde eng anschliessend. Die Vorderseite des Körpers wird durch Platten geschützt, die am Maschenhemd mit Riemen befestigt sind. Die Gelenke der Schulter und des Ellenbogens werden durch runde Schildchen geschützt. Die Schenkel werden mit Beinschienen aus gesottenem Leder bekleidet, die noch einen besonderen Knieschutz erhalten. Auch werden die Oberschenkel mit Stahlplatten geschützt, ebenso wie die Unterarme in vollständige Eisenröhren (canons genannt) gesteckt werden.
Auch die Fussbekleidung, welche, wie schon bemerkt, der unbequemen Mode der Schnabelschuhe folgte, bestand aus beweglichen Stahlplatten. Der Helm, die Kesselhaube, wurde nicht, wie früher, auf die Ringelkapuze, sondern direkt auf den Kopf gestülpt. Die zum Nackenschutz dienende Kapuze wurde nur an den unteren Rändern des Helms befestigt. Das Gesicht wurde durch eine eiserne, mit Löchern zum Sehen und mit einer Ausbauchung zum Platz für die Nase versehene Maske geschützt, die durch ein Scharnier am Helme befestigt war. Diese Maske ist das Visier, das lange Zeit im Gebrauche blieb. Um 1300 wurde die Kapuze vom Halsberg getrennt. Um dieselbe Zeit kam die Sitte der Helmzierden (cimiers) auf. Sie nahmen mit der Zeit groteske Formen und grosse Dimensionen an. Es gab solche von zwei Fuss Höhe. Die Finger der Eisenhandschuhe sind ebenso gegliedert wie die Füsslinge. Der Radsporn war seit dem Ende des 13. Jahrhunderts in Gebrauch.
Das Hauptkleidungsstück der Frauen war damals die cotte hardie, ein eng anschliessender, kurzärmeliger Rock, welcher die Körperformen plastisch hervortreten liess, Diese Röcke wurden am Halsausschnitt, an den Ärmeln und Schultern mit Besätzen verziert. Die Haare wurden in der Mitte gescheitelt und fielen dann lose auf den Rücken herab.
Die Sänfte war ein offenes oder oben mit einem Dache versehenes Bett, welches von zwei Pferden getragen wurde. Sie wurde hauptsächlich von Frauen und Kranken benutzt und diente auch dazu, die Verwundeten von den Turnierplätzen zu schaffen.
DIE ABBILDUNGEN STELLEN IN DEM MANUSCRIPT FOLGENDES DAR:
- Nr. 2. Eine kranke Königin, der ein Ritter am Arm zur Ader lässt.
- Nr. 3. Ein mit dem Schilde bewehrter Ritter, der sein Schwert zieht.
- Nr. 4 . Ein Junker (damoiseau).
- Nr. 5. König Artus.
- Nr. 6. u. 7. Königin Isolde, welche ein Ritter des Hosenbandordens dem König Marke von Cornwallis zuführt.
- Nr. 8. Ein Ritter im Mantel.
Quelle: Geschichte des Kostüms in chronologischer Entwicklung von Albert Charles Auguste Racinet. Bearbeitet von Adolf Rosenberg. Berlin 1888.
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