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Der Donjon. Inneres einer Wohnung im Mittelalter.

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Inneres einer Herrenwohnung im Mittelalter.

MITTELALTER WESTLICHES EUROPA – IX., X. UND XI. JAHRHUNDERT.

INNERES EINER HERRENWOHNUNG. – RESTAURATION.

Unsere Tafel macht den Versuch, das Innere eines Prachtraumes aus einem fürstlichen Schloss zu rekonstruieren und zwar für eine Zeit, aus welcher uns keine Reste der Privatarchitektur erhalten sind. Der Restaurationsversuch konnte sich deshalb in Bezug auf die Dekoration nur an die kirchlichen Gebäude jener Epoche halten. Karl der Grosse musste für seine Palastbauten in Nymwegen, Aachen, Ingelheim u. s. w. Bauleute und Bildhauer aus Rom und Ravenna kommen lassen, wo der antike Baustil sich allmählich zur Architektur des Mittelalters umwandelte, indem er sich zugleich mit byzantinischen Einflüssen kreuzte.

Auch Karl der Kahle bediente sich griechischer Künstler, und so verbreitete sich nach und nach der byzantinische Stil über das ganze westliche Europa. Während die Architekturformen sich noch mehr an die römische Art anschlossen, waltete in der Dekoration der Innenräume der byzantinische Geschmack vor, den wir am besten und reinsten aus den Miniaturmalereien der griechischen Manuskripte vom 6. bis 9. Jahrhundert kennen lernen. Diese Malereien bewegen sich in demselben engen Formalismus, in derselben Stilstrenge, welche für die gesamte byzantinische Kunst massgebend sind, und deshalb darf unsere Restauration einen gewissen Anspruch auf Wahrscheinlichkeit erheben.

Natürlich dürfte eine so reiche Dekoration zu den Ausnahmen in einer Zeit gehört haben, in welcher das Leben auf den Schlössern einen durchaus militärischen Charakter hatte. Bis in das 12. Jahrhundert hinein war der Donjon *), ein zwei oder drei Stockwerke hohes, turmartiges Gebäude, die einzige dauerhafte Behausung in der befestigten Umfriedung, welche das damalige „Schloss“ umgab, das aber in Wahrheit nur ein verschanztes Lager war. Innerhalb der Umfriedung befanden sich Baracken für die Besatzung, Stallungen, Küchen, Vorrats- und Wirtschaftsräume, welche ein vollkommenes Dorf um den Donjon herum bildeten. Dieser enthielt in jedem Stockwerk nur einen oder zwei Räume.

Die Dekoration der oberen Wandhälfte schliesst sich an den Stil der Mosaiken von Ravenna an. Der Fussboden ist einfach mit Ziegeln gepflastert. Ein Kamin fehlt in dem Raume, weil damals noch die antike Sitte herrschte, das Heizen durch Röhren unterhalb des Fussbodens zu bewirken. Gegenüber dem Bett ist eine Vorrichtung von buntbemalten, gitterartig angeordneten Eisenstäben angebracht, durch welche die warmen Dämpfe hindurch dringen können. Die Form des Bettes, welches sich durch seine Einfachheit von den römischen Luxusbetten unterscheidet, erhielt sich bis zum 13. Jahrhundert. Seit dem 6. Jahrhundert diente es nicht mehr als Sitz bei den Mahlzeiten, sondern zur Ruhe. Man legte sich unbekleidet in das Bett und deckte sich mit einem umfangreichen Tuch zu. Erst mit dem 12. Jahrhundert, als der Luxus wieder zunahm, kam zu dem Bett ein oben an der Wand befestigter oder auf Säulen ruhender Himmel.

Auf unserer Tafel ist eine Art Bettschirm angebracht, welcher aus einer Gardine besteht, die mit Ringen an einer Eisenstange hin- und hergezogen werden kann. Solche Vorhänge zum Schutze der Betten waren zu einer Zeit überaus nötig, wo die Bauart der Wohnungen an sich noch nicht hinreichenden Schutz gegen die Unbilden der Witterung gewährte. Durch die Vorhänge wurden auch die Betten von einander geschieden und so in demselben Raume mehrere Schlafzimmer hergestellt.

(Nach der Restauration des Architekten Paul Bénard aquarelliert von Stephan Baron.)

*) Der französische Donjon als Wehrturm entspricht dem deutschen Bergfried. Wobei der Bergfried im Gegensatz zum Donjon in der Regel nicht bewohnt war.

Quelle: Geschichte des Kostüms in chronologischer Entwicklung von Auguste Racinet. Bearbeitet von Adolf Rosenberg. Berlin 1888.

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