Indien. Herrscher aus der Mogul Dynasty. Kleidung der Frauen.
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INDIEN. HERRSCHER AUS DER MOGUL DYNASTIE UND FRAUEN.
Die von Tamerlan, dem Eroberer Indiens, abstammenden Herrscher tatarischen (turko- mongolisch) Volksstammes werden in Europa gewöhnlich Großmogul, Mogulkaiser oder nur Mogul genannt, ein Wort, welches aus mughalisch korrumpiert worden ist. Ihre Herrschaft über Indien dauerte von 1526 bis 1858, und ihre Residenz war abwechselnd Agra oder Delhi.
Von dem Glanze, der an den Höfen der Mogul Dynastie herrschte, haben Tavernier, Roe und andere Reisende berauschende Schilderungen entworfen. Bernier, welcher einem überaus glänzenden Feste des Grossmoguls Aurangzeb (1618 – 1707) beigewohnt hat, erzählt darüber folgendes: „Mogulkaiser Aurangzeb sass im Hintergrund des Saals auf einem Throne; er war mit einem weissen Zeuge von höchster Feinheit bekleidet; sein Turban war aus Goldstoff gefertigt und mit einem Federbusch versehen, der von Diamanten gehalten wurde; ein Halsband von dicken Perlen fiel auf die Brust herab. Der Thron ruhte auf sechs Füssen von massivem Golde. Reiche seidene Teppiche von erstaunlicher Länge und Breite bedeckten den Fussboden.“
Nr. 1. Das Portrait von Djehanguir (Nuruddin Muhammad Jahangir 1569 – 1627), welcher zweiundzwanzig Jahre (1605 – 1627) regiert hat, liefert den bildlichen Kommentar zu der obigen Beschreibung. Das heisse Klima macht den Sonnenschirm nötig und erklärt auch, weshalb die Füsse unbekleidet geblieben sind. Die Finger und Zehe sind auf dem Original reich mit Ringen besetzt. Der bis auf die Knie herab reichende Rock besteht aus einem durchsichtigen, baumwollenen Stoffe von der Art, wie sie in dem Gebiete von Dacca, auf dem Gebiet des heutigen Bangladesh, fabriziert wurde. Das Gefäss in der Rechten scheint zum trinken von Tee bestimmt zu sein.
Nr. 2. Der nach orientalischer Sitte mit untergeschlagenen Beinen auf dem Throne sitzende Kaiser ist Schah Djehander (Jahandar Shah 1712–1713), welcher 1712 zu dieser Würde erhoben, aber wenige Monate darauf enthauptet wurde. Seine Kleidung besteht aus seidenen Stoffen. Bemerkenswert ist der grosse Ring am Daumen der rechten Hand und das Armband am linken Oberarm. Er hält in der Rechten einen kleinen mit Perlen besetzten Federbusch, wie er einen von gleicher Art auf dem Turban trägt. Es ist vermutlich das Zeichen einer Würde, das er Jemandem verleihen will.
Nr. 3. Die Frauen tragen Schleier von jenem weichen, seidenartigen, durchsichtigen und doch sehr festen Musselin, welchen die Römer ventus textilis (gewebten Wind) und nebula linea (leinenen Nebel) nannten. Denn die Inder erfreuten sich schon im Altertum des Ruhmes, die geschicktesten Weber der Welt zu sein.
Stirn, Finger, Ohren, Hals, Brust, Arme und Zehe sind mit Schmucksachen, besonders mit Perlen, überladen. Viele zogen sich auch Ringe oder Perlen durch die Nase. Das Kleid; welches die Arme halb frei lässt, besteht aus dem durchsichtigen Daccastoff. Der Oberkörper ist unter dem dünnen Gewebe völlig sichtbar, während der Unterkörper mit Beinkleidern von geblümter Seide verhüllt ist. Das vom Gürtel herabfallende breite Band von gesticktem Goldstoff ist eines der berühmten Gewebe, die im Tal von Kaschmir angefertigt wurden. Die Fussbekleidung besteht aus leichten Pantoffeln ohne Hacken und Absätze.
Nach dem Bade pflegten sich die indischen Damen mit Pulver aus Sandelholz zu parfümieren. Die Augen wurden mittels einer Haarnadel, die man in Antimonpulver tauchte, mit schwarzen Linien umzogen, um ihren Glanz zu erhöhen. Die Fingerspitzen wurden mit dem Saft einer Pflanze (Madroni en tamoul) rot gefärbt. Es bestand auch noch die merkwürdige Sitte, dass man den Busen mit zwei Etuis von Holz bedeckte, das so fein und weich war, dass es sich der Haut völlig anschmiegte, ohne zu drücken. Diese Holzetuis, die von den Frauen aller Stände getragen wurden, befestigte man mit hinten zusammengeknüpften Bändern.
Nr. 4. Die Haut der Frau scheint mit Safran gefärbt zu sein, der häufig für das Gesicht, den Hals, die Arme und Beine angewendet wurde.
Die Figuren der beiden Kaiser stammen aus einer Sammlung indischer Malereien, welche zwanzig Portraits von Nachkommen Tamerlans darstellen und von dem Obersten Gentil 1774 in Delhi zusammengebracht worden sind. Sie gehören der Bibliothek von Ambroise Firmin-Didot. Die beiden weiblichen Figuren sind aus einer Sammlung sehr alter persischer und indischer Malereien entnommen, die sich in derselben Bibliothek befindet.
Quelle: Geschichte des Kostüms in chronologischer Entwicklung von Albert Charles Auguste Racinet. Bearbeitet von Adolf Rosenberg. Berlin 1888.
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