Indien Radschputen. Portraits der letzten Herrscher von Golkonda.
Indien. Die Rajputen.
Unter Radschputen (eigentlich Königssöhne) versteht man die Mitglieder einer besonders im nördlichen Indien verbreiteten Kaste, die in die Rechte der alten Kriegerkaste getreten ist. Aus ihnen rekrutierte sich die waffenfähige Mannschaft Indiens, die in den Dienst der Radschas oder Rajas (Sanskrit: raja, „Herrscher, Fürst, König“) trat, die früher unabhängige Beherrscher der kleinen Fürstentümer waren und dann zu Vasallstaaten der Engländer wurden (Protektorate). Im 17. Jahrhundert gab es noch hundert unabhängige Radschas, von denen ein jeder 25.000 Pferde in’s Feld stellen konnte. Radschputana 1) ist die Bezeichnung für achtzehn Vasallenstaaten des nordwestlichen Vorderindiens. Indessen sind die Radschputen in Radschputana selbst geringer vertreten als in anderen Teilen Indiens.
Die Qutb-Shahi-Dynastie regierte das Golconda-Sultanat in Südindien von 1518 n. Chr. bis 1687 n. Chr. Die Qutb Shahi waren Nachkommen von Qara Yusuf aus Qara Qoyunlu, einem turkmenischen muslimischen Stamm. Nach dem Zusammenbruch des Bahmani-Sultanats wurde die „Qutb Shahi“-Dynastie 1518 n. Chr. von Quli Qutb Mulk gegründet, der den Titel „Sultan“ annahm. Im Jahr 1636 zwang Schah Jahan die Qutb-Schahis, die Oberherrschaft der Moghul-Dynastie anzuerkennen. Die Dynastie endete 1687 während des siebten Sultans Abul Hasan Qutb-Schah, als der Moghul-Kaiser Aurangzeb die Festung Golconda einnahm und das Königreich besetzte.
Die von uns publizierten Abbildungen gehören dem 17. Jahrhundert an und sind Teil einer Reihe von Portraits der letzten Beherrscher des Königreichs Teliugana, dessen Hauptstadt Golconda, vier Kilometer von Hyderabad, war. Golconda wurde von den Mogulen zerstört. Da die Inder mehr als ein anderes Volk ihre alten Sitten und Gebräuche bis in die neueste Zeit hinein bewahrt haben, darf man annehmen, dass die Trachten der dargestellten Personen sich von denen älterer Zeiten nicht viel unterscheiden.
Nr. 1. – Djihan Khan trägt einen Turban aus schwerem Goldstoff, dessen Form sich von der islamischen unterscheidet. Derselbe läuft in einer Spitze über der Stirn aus, ist mit Perlenschnüren umwunden und mit Smaragden, Rubinen und zwei Federn geschmückt, von denen noch zwei Quasten mit Perlen oder Diamanten herabfallen. Die Federn stecken in einer Agraffe, die von einem Rubin und einer goldenen Sonne gebildet wird. Der obere Teil des Körpers ist mit einer eng anliegenden Jacke bekleidet, deren Flügel vorn übereinander geschlagen sind und die um den Körper von einem Gürtel zusammengehalten wird. Dieser feste Anschluss an den Körper ist durch den schroffen Temperaturwechsel geboten, welcher durch das Wehen des Monsuns verursacht wird.
Das weite Beinkleid von Seide reicht bis auf die Knöchel herab und schliesst dort ebenfalls eng zusammen. Der rote Samtpantoffel hat keine Hacken, weil man sich desselben oft entledigte. Über den Beinkleidern trägt der Fürst einen Rock von durchsichtigem Gewebe. Es ist eine Art von Musselin, dessen Feinheit stets die Bewunderung der Reisenden erregte. Einer erzählt, dass man ein Stück von zehn Ellen in eine Tabaksdose legen oder durch einen Ring hindurchziehen konnte, und ein anderer berichtet, dass ein solches Gewebe, welches von einem Engländer auf das Gras gelegt worden war, nicht mehr gesehen wurde, weil das Gras nicht dadurch verdeckt wurde.
Der Gürtel, von welchem vier Enden herabhängen, ist mit kostbaren Steinen besetzt. Ausserdem trägt der Dargestellte eine Schärpe mit goldenen Borten. Mit Ausnahme des Daumens sind alle Finger mit Ringen versehen. Ein grosses Perlenhalsband mit Edelsteinen, zwei Armbänder am Handgelenk und ein drittes am Oberarm vervollständigen den kostbaren Schmuck der Radschas. Wenn die Füsse unbedeckt wären, würde man auch Ringe an den Zehen sehen. Auch das Gefäss und der obere Teil der roten Samtscheide des langen Degens sind mit Edelsteinen besetzt. Man nennt diese Waffe kunda. Im Gürtel steckt ein Dolch, der nur in Hindostan bekannte khuttar, eine Waffe mit dreieckiger zweischneidiger Klinge und eigentümlich gestaltetem Griff, dessen Form bei Nr. 3 ersichtlich ist. Bei Nr. 1 ist der Griff mit Email dekoriert.
Nr. 2. – Schah Soliman, Sohn des Schah Abbas, ist mit einem Schild aus Rhinozerushaut versehen, welches mit sechs goldenen Buckeln besetzt ist. Die Blume in seiner Hand, deren Wohlgeruch er einatmet, erinnert an die Vorliebe der Inder für duftende Essenzen und Parfüms.
Nr. 3. – Suliman Moasfdin ist bis auf den Turban ganz in Weiss gekleidet. Der Stoff scheint aus dem feinsten Kaschmirgewebe zn sein. Auch trägt er keine Schmucksachen.
(Nach altindischen Originalmalereien der Bibliothek von Ambroise Firmin-Didot.)
1) Radschputana, Land der Radschputen, Gebiet im Brit.-ind. Reich, besteht aus dem unmittelbar brit. Distr. Adschmir-Merwara und 18 (mit Tributärstaaten 21) unter eingeborenen Fürsten stehenden Staaten, letztere unter einem brit. Agenten in (Mount) Abu (mit 8 ihm unterstehenden polit. Chargen), zusammen 330.318 qkm, (1901) 9.723.301 E.; größte Staaten Dschodhpur, Bikanir, Dschaisalmir, Dschaipur, Mewar, Kota, Alwar; größte Stadt Dschaipur. (Quelle: Brockhaus‘ Kleines Konversations-Lexikon, 1911. https://www.zeno.org – Contumax GmbH & Co.KG)
Quelle: Geschichte des Kostüms in chronologischer Entwicklung von Albert Charles Auguste Racinet. Bearbeitet von Adolf Rosenberg. Berlin 1888.
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