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Reifröcke, Paniers und Justaucorps. Die Mode im 18. Jh.

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Frankreich 18. Jahrhundert. Der Herrenrock (Justaucorps). Die Paniers.

1, 2, 3, 4, 5,
6, 7, 8, 9,

Das Justaucorps. Die Panniers. Der Reifrock oder die Krinoline.

FRANKREICH XVIII. JAHRHUNDERT.

Ein Justacorps oder Justaucorps ist ein langer, knielanger Mantel, den Männer in der zweiten Hälfte des 17. und im gesamten 18. Jahrhundert trugen. Das Kleidungsstück ist französischen Ursprungs und wurde als Bestandteil eines dreiteiligen Ensembles eingeführt, zu dem auch eine Reithose und eine lange Jacke oder Weste gehörten. Dieses Ensemble diente als Prototyp des Gehrockes, der sich wiederum zum heutigen dreiteiligen Anzug entwickelte.

Gegen 1710 tritt der Herrenrock (Justaucorps) mit glockenförmig aufgebauschten Schössen (à pans bouillonés), die der weiblichen Tracht nachgebildet waren, auf. Derselbe schloss sich enger an die Taille an, als es bisher üblich war, und wurde von den Hüften abwärts mit Hülfe von Fischbein rund aufgesteift. Er wurde auch leichter, enger und kürzer. Um die Teile des Schosses bauschig zu machen, wurden an den Seiten, von einem an den Hüften angenähten Knopf ab, fünf oder sechs runde Falten angebracht, die sich nach unten erweiterten, sodass die Einbiegung der Taille stark akzentuiert wurde.

Um 1719 wurden die Falten durch Papier- oder Rosshaareinlagen gesteift. Später wurden die Falten an die hintere Seite des Schosses rechts und links vom Schlitz verlegt. Das Luxuskleid, das aus dem Rock (Justaucorps), der Weste und den Beinkleidern besteht, welche drei Stücke an Reichtum oder an Einfachheit mit einander harmonierten, veranlasste zu äusserst beträchtlichen Ausgaben, da gewisse vornehme Herren das tägliche Wechseln der Kleider als eine Sache der Etikette ansahen.

Der Anzug Nr. 7 ist das Galakleid eines Ritters vom weissen Adler, dessen Orden von August II., König von Polen, 1705 gestiftet wurde. Der Orden ist in farbiger Seide gestickt mit der Devise pro fide, rege et lege. Der Rock hat Aufschläge an der Brust und an den Ärmeln, die mit Knöpfen und Knopflöchern versehen sind. An der linken Seite des Schosses ist eine Öffnung zum Durchstecken des Degens angebracht, wie man an Nr. 4 sehen kann. Die Weste, deren Ärmel keine Aufschläge haben, steigt bis zum Hals hinauf. Die Knöpfe und Knopflöcher gehen nicht, wie man es bei den anderen Röcken sieht, bis unten herab. Das Beinkleid wurde unter dem Strumpf befestigt und hat weder Schnalle noch Hosenband. Das Kleid befindet sich im historischen Museum zu Dresden.

Die bürgerlichen Klassen kleideten sich in Tuch, Ratiné (aufgerauter Wollstoff) und grobem Camelot. Je nach der Jahreszeit wählte man ganz- oder halbwollene Stoffe. Fast immer waren Rock, Weste und Beinkleid von übereinstimmender oder gleicher Farbe, deren Nuancen von Dunkelrot zu Hellbraun gingen. Das Schwarz fing erst gegen 1750 an, die Farbe des Festkleides zu werden. Die Nrn. 3 und 4 sind die ältesten unserer Tafel. Der Rock ist sehr weit und die Schossteile sind nicht gebauscht. Die Nrn. 6, 8 und 9 sind aus der Zeit von 1730-1740. Nr. 8 mit geschlossener und gegürteter Weste, mit ledernen Gamaschen nach Art der Kavalleristen (Dragoner) und Sporen, trägt eine Reisekleidung. Die Strümpfe hielten damals so wenig warm, dass man bei grosser Kälte mehrere Paare über einander anziehen musste. Im Jahre 1729, dessen Winter ausserordentlich streng war, trug man auch in der Stadt lederne Reitgamaschen.

Man sieht an Nr. 3 und 9 die Weste bis zur Magengegend geöffnet, so dass die langen herabfallenden Enden der Linon- oder Musselinkravatte sichtbar sind. Das Jabot mit seinen getollten Falten war damals noch nicht üblich. Man pflegte den Hut, um die Perücke zu schonen, in der Hand oder unter dem Arm zu tragen. Die Bürger trugen Strümpfe von schwarzer, grauer oder geflammter Wolle nach der alten Mode, die bis 1730 herrschte, d. h. dass die Strümpfe soweit über die Hose gingen, wie der Reiterstiefel reichte. Später wurde dann das Beinkleid mit einem Strumpfband über dem Knie befestigt, Die Nrn. 6, 8 und 9 sind Stichen von Leclerq entnommen, der in denselben das Talent zu versuchen begann, dass er später in der Galerie des modes et costumes française entfaltete.

Die Nrn. 1, 2 und 5 stellen Frauen mit Paniers dar. Der Ursprung dieser die Gestalt eines Hühnerkorbes nachahmenden Röcke ist dunkel. Nach der Meinung Einiger ist diese Mode aus England, nach der Meinung Anderer aus Deutschland nach Frankreich gekommen; eine dritte Ansicht führt ihren Ursprung auf die Bühne zurück. Die Heroinen der Tragödie, die an den Wülsten aus dem Ende des XVI. und dem Anfang des XVII. Jahrhunderts festhielten, hatten ihren Röcken stets einen weiten Umfang durch künstliche Mittel gegeben. Im Jahr 1711 sah man die Reifröcke, die hoop petticoat, auf den Strassen Londons, und die englischen Journalisten ergossen die Fluten ihres Spottes über diese Mode.

In Frankreich verbreitete sich dieselbe seit 1718 durch zwei englische Damen, die in den Tuilerien mit solchen Röcken erschienen waren. Diejenigen auf unserer Tafel gehören der ersten Periode dieser Mode an. Die dargestellten Röcke sind nicht die grossen, wie ein weiter Schlafrock herabfallenden, hinten wie ein Abbémantel zusammengefalteten Kleider, welche die gewöhnliche Damentracht des XVIII. Jahrhunderts waren. Die Robe mit ihrer langen, eng anschliessenden Taille bewahrte immer noch die gesuchte Steifheit aus dem Anfang des Jahrhunderts. Erst allmählich, seit den ersten Jahren der Regierung Ludwig XV., verstiegen sich die Frauen zu jenem losen, negligéartigen Kleid, das einen der grössten Reize der weiblichen Tracht bildete.

Reifrock, Krinoline, Marie Antoinette, Grande Robe à la Française, Rokoko, Mode, Kostüm
Grande Robe à la Française 1778. Jeune Dame de Qualité en grande Robe coëffée avec un Bonnet ou Pouf élégant dit la Victoire.

Das Panier war bis zu den letzten Jahren des Königtums in der Mode. Selbst alte Frauen konnten sich von dieser Mode nicht trennen, wie aus dem Buch von Jules und Edmond de Goncourt La Femme au XVIIIe siècle (1882) hervorgeht, in dem vom Tode einer hundertjährigen Greisin die Rede ist, der durch die Anprobe eines Paniers verursacht worden war. Im Jahre 1765 sah man nur noch halbe Paniers (demi-paniers), auch jansénistes genannt.

Reifrock, Krinoline, Französisches Hofkleid, Rokoko
Comtesse d’Arvilly bei einem offiziellen Empfang bei Hof, am 2. Januar 1785. La galerie des modes et costumes français

Unter Marie Antoinette nahmen sie in den Hofkostümen wieder einen ungeheuren Umfang an, ohne jedoch die früheren Verhältnisse zu erreichen, welche es erforderlich gemacht hatten, dass die Prinzessinnen von Geblüt neben sich ein leeres Tabouret (Hocker) haben mussten. Es gab Paniers à l’anglaise, à la française, à l’espagnole, à l’italienne, in allen Grössen und Formen, bis zu den kleinen Morgen-Paniers, die man considérations nannte. Sie waren unzertrennlich von allen städtischen Toiletten, selbst von dem einfachsten Negligé, welches man casaquin oder pet-eun-l’air nannte und bei welchem die Schösse auf das Panier herabfielen.

Reifrock, Krinoline, Rococo, Kostüm, Kleid, Comtesse de Sabran
Grande Robe de Cour à l’étiquette. A madame la comtesse de Sabran 1788.

Das Panier wurde nach dem Muster der Hühnerkörbe aus Reifen von Fischbein, Binsen oder leichtem Holz konstruirt, die mit Bändern oder gedrehtem Garn an einander befestigt waren. Nach 1725 erhielt dieser Bau einen Überzug aus ungebleichter Leinwand, grobem Taffet oder sogar aus gewirktem Seidenzeug und wurde so zu einem wirklichen Rock, der an die Stelle der früher üblichen Röcke trat. Die Paniers wurden in allen Schichten der Gesellschaft allgemein, seitdem Mlle. Margot das Mittel gefunden hatte, ungeachtet ihres fürstlichen Umfangs Paniers zu billigen Preis zu liefern, in dem sie ganz einfach Fischbeinreifen auf eine Leinwand nähte, die den Unterrock bildete.

Obwohl die Kirche an dieser Mode anfangs Anstoß nahm, in dem sie das Panier als eine Ermutigung zur Ausschweifung ansah, weil es die Folgen der selben zu verbergen im Stande war, musste sie die Mode schließlich gewähren lassen. Dieselbe war im Theater, in den Salons, auf den Spaziergängen und besonders im Wagen – Zwei Paniers füllten die Karosse – äußerst unbequem. Nichts desto weniger war sie noch 1745 in ihrer vollen Blüte. In diesem Jahr hätte, wie der Advokat Barbier bezeugt, noch keine Frau gewagt, sich von der selben zu emanzipieren. Man fürchtete nicht die Indiskretionen, welche die selbe im Gefolge hatte, obwohl man das tragen von Hosen damals für ein Zeichen lockerer Sitten hielt. In der Enzyklopädie von 1765 Liest man: „Diese Mode ist im sinken; man geht heute ohne Panier auf die Straße und ins Theater; man trägt es auch nicht mehr auf der Bühne.“ Doch war diese Reform nicht von langer Dauer.

Nr. 2, die noch den langen herabfallenden Überwurf (volant en queue) trägt, ist die älteste unserer drei Frauentrachten. Das Panier, welches die Gestalt eines umgestülpten Trichters hat, ist die erste Entwicklungsstufe des gesteiften Rockes, der criarde, an dessen Stelle er trat. Nummer 1, deren oberer Rockteil gerundet ist, heißt Panier à guéridon, Nummer 2 Panier à la coupole. Man kam aber bald zu dem Panier à coudes (Nr. 5), welches man so nannte, weil es an den Seiten eine derartige Breite angenommen hatte, dass man die Ellenbogen darauf stützen konnte. Dieses Panier hatte fünf Reifen übereinander, deren oberster traquenard hieß.

Maintenon, Montespan, Marquise, Portrait, Kostüm, Frankreich, Rokoko
Françoise d’Aubigné, marquise de Maintenon 1635-1719. Quelle: Memoirs of Madame la Marquise de Montespan, „Montespan, Franðcoise-Athâenaèis de Rochechouart de Mortemart, marquise de, 1641-1707.

Nachdem man die Fontange hatte fallen lassen, verfiel man in das Gegenteil, den Kopf recht niedrig zu machen. Das Haar wurde nur wenig frisiert und reichte an den Seiten nur bis zu den Schläfen. Dazu trug man ein leichtes Spitzenhäubchen mit herab flatternden Bändern, welches mit Nadeln befestigt war. Dieser Kopfputz erhielt sich bis 1760. Man trug kleine Schuhe mit 3-4 Zoll hohen hölzernen Hacken, die bis zur Einbingung der Sohle vorgerückt waren. Die Falbelröcke, die schweren Brokat Stoffe mit großen Arabesken mussten aufgegeben werden, da man Röcke zu tragen hatte, zu welchen man 10-12 Ellen Stoff brauchte. Der schwerste Stoff war Seide mit großem Blatt- und Zweigmuster. Für den Sommer wählte man leichte Seide, indische Baumwolle, Musselin, Gaze oder einen geköperten Stoff aus Leinen und Baumwolle (basin).

Robe, anglaise, Rokoko, Modegeschichte, Kostümgeschichte, 18. Jahrhundert
Jolie Femme, vetue d’une Robe à l’anglaise, ceinture à la Levite

Die Neigung des Jahrhunderts für das Landleben, welche damals erst in ihrem Anfang stand, machte sich gleichwohl schon im Charakter von Nr. 5 bemerkbar. Der breitrandige Strohhut mit flachen Kopf, die auf das Kleid gemalten Blumensträuße und die mit großem Erfolg wieder hervor geholte Schürze deuten auf den ländlichen Geschmack. Die Schürze wurde aber im Gegensatz zu der Gewohnheit der Damen am Ende des 17. Jahrhunderts ohne Latz getragen, der jetzt das Unterscheidungszeichen für die Schürzen der Kammermädchen wurde. Das offene Leibchen erinnerte in seiner Steifheit immer noch an die alte Gourgandine; der Halsausschnitt bleibt derselbe.

Bevor das von der Taille hinten auf den Rock herabfallen Mäntelchen oder Volant ganz unterdrückt und das Leibchen mit Schössen und der Casaquin daraus wurde, trug man, wie Nr. 1 zeigt, den Volant hinten zu einem Paket zusammengerafft. Im vorderen Ausschnitt des Leibchens waren immer noch Bänder und Schleifen wie die Sprossen einer Leiter über einander angebracht. Im Winter trug man die Palatine, einen Kragen aus Marderpelz oder Grauwerk, im Sommer Blonden, farbige Bänder, Chenille oder angezackte Taffetstreifen um den Hals (Nr. 5). Die Mode stellt sich also als ein Kompromiss zwischen den letzten Zeiten Ludwig XIV. und den ersten der Regentschaft dar.

Quelle: Geschichte des Kostüms in chronologischer Entwicklung von Auguste Racinet. Bearbeitet von Adolf Rosenberg. Berlin 1888.

Reifrock-Mode (19. Jh). Zum Sterben schön. Von Christian Neeb. Spiegel Artikel vom 30. 06. 2015

Illustration, Kobolde,

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