Frauentrachten des Rokoko. Extravaganz der Kleidung und Frisuren.
FRANKREICH. 18. JAHRHUNDERT. FRAUENTRACHTEN. MODEN AUS DER ERSTEN PERIODE DER REGIERUNG LUDWIG XVI.
1, 2, 3, 4, 5,
6, 7, 8, 9,
- Nr. 1. Junge Frau mit einer halbrunden Mütze, à la latière genannt, die von einem rosafarbigen Band zusammengehalten wird. Der Umhang von Atlas ist mit Pelz gefüttert, der Überwurf polonaise genannt, ist von rosenfarbenen Taffet mit blauen Streifen, der Rock von demselben Stoff.
- Nr. 2. Junge Mädchen im Caraco von Taffet. Die Bürgerinnen von Nantes erschienen in dieser Tracht bei der Durchreise des Herzogs von Aiguillon im Jahre 1768. Militär, sowie Außen- und Kriegsminister unter Ludwig XV.
- Nr. 3. Frau in der Taffetpolonaise. Der Gazeschleier , der um die runde Mütze geschlungen ist, wurde thérèse genannt.
- Nr. 4. Junge Frau mit Kopftuch, einen fichu en Marmotte, einer Polonaise und einem weissen Mäntelchen.
- Nr. 5. Junge Frau, deren Kopfbedeckung en baigneuse hiess. Sie tragt einen Umhang von Atlas mit Pelz gefüttert. Der Rock ist mit einem falbala verziert.
- Nr. 6. Kleid à la Circassienne verziert à la Chartres.
- Nr. 7. Junge Mädchen in der Robe en levite mit Taffetgürtel. Kopfbedeckung à l’enfance und Hütchen à la Jâquet.
- Nr. 8. Bildnis einer Unbekannten.
- Nr. 9. Robe anglaise. Die Kopfbedeckung aus gestreifter Gaze hiess Calèche.
Während der bewegten Regierung Ludwig XVI. machten die französischen Moden drei grosse Wandlungen durch. Die erste Periode bietet das Übermaß eines Luxus, einer Frivolität und einer Ausschreitung, die gleichsam den Schlusseffekt des Karnevals bildete, welcher mit den Dominos der Regentschaft begann.
Es ist die Zeit der hohen Coiffuren. Die zweite Phase war die Revolution der Einfachheit. Die Frauen, welche für Battiste und Gazestoffe schwärmten, erschienen in hemdartigen Röcken, in Négligés, die man Pierrots nannte, in Camisolen à la colinette und mit der Haustracht à l’enfant. Das reizende Kostüm des Kammermädchens Susanne, welches namentlich durch die Aufführung der Hochzeit des Figaro von Beaumarchais populär wurde, ist für diese Zeit charakteristisch. Die dritte Periode wird vom Eindringen der englischen Moden beherrscht. Die Frauen trugen Überröcke, Westen und Hüte wie die Männer und führten auch Spazierstöckchen in den Händen.
In der ersten der drei Perioden überstiegen die weiblichen Trachten an Extravaganz alles, was man unter Ludwig XV. zu sehen bekommen hatte. Obwohl sich die Paniers, die korbartigen Reifröcke, ihrem Ende nahten, nahmen sie doch noch an Ausdehnung zu, so dass ihr Umfang bis auf fünf Meter stieg. Dadurch wurde das Zeigen der Füsse und der Schuhe mit hohen Hacken begünstigt. Bei Festlichkeiten trug man Schuhe, die mit Gold gestickt und mit Perlen und Edelsteinen besetzt waren.
Besonders gab sich die Übertreibung in der Frisur zu erkennen. Der Aufbau derselben wurde bis zu einer solchen Höhe getrieben, dass der Kopf zwei Drittel der Körperlänge zu haben schien. Die loge d’opera (1772) genannte Coiffure gab dem Gesicht einer Dame die Länge von zweiundsiebenzig Zoll von der Spitze des Kinns bis zur Spitze der Frisur. Dieses Gebäude wurde mit allem nur möglichen Kunstaufwand hergerichtet. Die Haare wurden gekräuselt, geflochten, pomadisiert, frisiert und weiss gepudert. Obenauf wurde eine mit Bändern und Federn geschmückte Mütze gesetzt; man zählte solcher Mützen nicht weniger als zweihundert, nach welcher jeder Kopfputz einen besonderen Namen hatte.
Die Puffs wurden aus gefalteter Gaze hergestellt. Ein Frisurenkünstler dieser Art, Namens Léonard, verbrauchte einmal zu einem solchen Puff vierzehn Ellen Gaze. Der Pouf au sentiment wurde mit Blumen, Früchten, Gemüsen, mit ausgestopften Vögeln, mit den Namenschiffern geliebter Personen, mit Schäfern, Schäferinnen, Jägern und mythologischen Figuren verziert. Der Puff war bald ein ländliches Gedicht, bald ein englischer Park mit Windmühlen, Bosquets, Bächen und Schafen, bald eine Dekoration aus einer Oper.
Da die Coiffuren allmählich so hoch wurden, dass die Damen nicht mehr durch niedrige Türen hindurch kommen konnten und beim Fahren entweder im Wagen niederknien oder den Kopf zum Fenster hinausstecken mussten, half man sich durch die von Beaulard erfundene Coiffure à la Grand-Mère, die im Innern ein Federwerk hatte, mittelst dessen man den künstlichen Aufbau um einen oder zwei Fuss nötigenfalls kleiner machen konnte. Unsere Nummern 6, 8 und 9 zeigen, bis zu welchem Grade sich diese Extravaganz verstieg. Die Roben waren überdies mit Dekorationen aller Art überladen: Schleifen, Schalen aus Stoff, Ranken, Bouquets, Bauschrosen von Gaze in Girlanden und mit Perlen und Steinen besetzt, dazu die Falbalas und die Menge von Schmuck am Hals, an der Brust, an den Handgelenken und am Gürtel.
Um 1780 machte sich die Reaktion bereits geltend. Man trug einen Rock à l’austrasienne, eine Jacke à la péruvienne und darüber einen Gürtel. Der Busen war bei dieser Tracht fast ganz entblösst. Die Nrn. 6 und 9 gehören dem Jahre 1778 an. Sie sind seltenen Kupferstichen nachgebildet, deren einer L. Berthet gezeichnet ist. Bei gewöhnlicher Toilette trug man einen kurzen Reifrock, darüber die Polonaise, einen kurzen Überrock mit weit ausgeschnittenem Leibchen, der ringsherum so gerafft war, dass er drei Flügel bildete. Beim Ausgehen warf man ein Mäntelchen von Textil oder einen Umhang von Pelz über.
Die Coiffure Nr. 8 wurde à la Montgolfier nach dem bekannten Luftschiffer benannt. Die Figur ist einem englischen Stiche von 1783 oder 1784 nachgebildet. .
(Die Nrn. 1, 2, 3, 4, 5 und 7 sind der Galerie des modes et costumes français entlehnt. Die fünf ersten Figuren sind von Desrais , die sechste von Meunier. Vgl. Quicherat, Histoire du costume en France, E. und J. de Goncourt, La Femme au XVIIIe siècle, Lacroix, le XVIIIe siècle et Mercier, Tableau de Paris.)
Quelle: Geschichte des Kostüms in chronologischer Entwicklung von Auguste Racinet. Bearbeitet von Adolf Rosenberg. Berlin 1888.
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