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Ungarische Kopf- und Haartrachten

Ungarische Kopf- und Haartrachten.

Von Franz v. Gabnay.

Der fortschreitende Zeitgeist tritt alle volkstümlichen Bauten und Trachten erbarmungslos nieder, und wir müssen uns darauf beschränken, für die Erinnerung zu retten, was nicht schon egalisiert ist.

Besonders die Kopftrachten, als da sind die Tücher, ferner aber die volkstümlichen Haartrachten: sie verschwinden in viel rascherer Geschwindigkeit als die Kleidertrachten, da jene außerordentlich viel mehr individuelle Mühe und Aufwand machen als die meist inzwischen konfektionierte Herstellung der traditionellen Trachten.

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Abb. 1. Gretchenfrisur, auch Kranz genannt.

Im Zeitraum von 25 Jahren habe ich die Frisuren der verschiedensten Ortschaften dem internationalen Schopf und der Gretchenfrisur, wie man hier den Kranz nennt, weichen gesehen. Ersterer ist ein aus einfach zurück gestrichenen Haaren geflochtene rund rückwärts fest zusammen gesteckter Zopf und wird auch „Nest“ genannt; letztere besteht aus zwei Zöpfen, die rund um den Kopf gewunden werden, der rechte nach links, der linke nach rechts (Abb. 1).

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Abb. 2. Deutsche Frau aus Vecsés.

Etwas komplizierter wird die Frisur, wenn man jeden Zopf auf seine Seite, also den rechten rechts, den linken links hinaufführen will, denn das kann man nur, wenn man sie eher bindet. So tragen sie die alten Frauen von Vecsés *) und anderen deutschen Ortschaften (Abb. 2).

*) Vecsés (deutsch: Wetschesch) ist eine Stadt im Großraum Budapest, Komitat Pest, Ungarn, und liegt in der Nähe des Budapester Flughafens Ferihegy. Die erste urkundliche Erwähnung des Dorfes stammt aus dem Jahr 1318. Im 14. und 15. Jahrhundert gab es in der Region ein dichtes Netz von Dörfern, und in erhaltenen Dokumenten wird es als kirchlicher Ort erwähnt. Im Jahr 1786 siedelte Graf Antal Grassalkovich 50 Familien in Vecsés an, bei denen es sich hauptsächlich um schwäbische, in geringerem Maße aber auch um slowakische und ungarische Einwohner aus den umliegenden Dörfern handelte. Die schwäbischen Bauern bauten Kohl an und brachten ihre germanische Tradition der Sauerkrautherstellung mit, und Vecsés ist noch heute für sein Sauerkraut berühmt.

Die eigentliche Grundlage der deutschen Frisuren ist aber der sogenannte „breate“ (breite) Zopf. Die Haarsträhnen werden beinahe überall „Zandl“ (Zähne) genannt. Je nach Ortschaft besteht der Zopf aus unterschiedlich vielen „Zandl“; so in Budakesz 12, in Budaörs 24, in Zsambek 40 Zandln in einem Zopf!

Die Flechtart ist überall dieselbe. Breate (breite) Zöpfe kann sich niemand selber machen, überall sind Mütter, Schwestern oder bezahlte ältere Frauen die noch um die lokale Tradition wissen und diese in der Anwendung beherrschen, die Friseusen.

Die Frau nimmt auf einem Stuhl Platz und breitet sich ein starkes Tuch als Frisiermantel um die Schultern. Die „Friseuse“ kämmt ihr das Haar aus und hält ein Töpfchen mit kaltem Zuckerwasser bereit, aus dem sie zeitweilig einen Mund voll nimmt, um mit ihm das Haar beim Teilen und Flechten fortwährend und ausgiebig zu besprühen und zu bespucken, damit es ja nicht trocknet, sondern glatt und klebrig bleibt.

Das äußerste Zandl rechts wird zwischen den anderen nach links abwechselnd bald über bald unter denselben durchgeführt, dann folgt das nächste so, wie dies aus der beigegebenen Abb. 3. sehr deutlich zu erkennen ist.

Nach dem Flechten zum Aufstecken wird aufgestanden und der Sitz gewechselt, denn dann ist der Fußboden rings um den Stuhl eine einzige große Lache mit einer trockenen Insel unter dem Arbeitsstuhl. (Abb. 4).

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Abb. 5. Mädchen aus Budakesz mit aufgestecktem „breaten“ Zopf.

In Budakesz (deutsch Wudigeß) wird ein einziger 12 zandliger Zopf mit Bändern geschmückt und auf einen schönen Steckkamm gewickelt und recht hoch gesteckt (Abb. 5). Ebenso wie die Mädchen den Zopf, so stecken sich die Frauen das ungeflochtene Haar und binden ein schwarzseidenes Tuch darüber, das sie vorn binden (Abb. 6).

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Abb. 6. Deutsches Mädchen aus Budakesz.

In Budaörs (deutsch Wudersch) wird der Zopf aus 24 Zandln, also breiter, flacher und kürzer hergestellt und niedriger gesteckt, das Tuch der Frauen aber hinten gebunden.

In Törökbálint (deutsch Großturwall) wird das Haar vorher Y-artig abgeteilt, so daß Scheitel entstehen, die hier „Scharl“ heißen, und der breate Zopf nicht um einen Steckkamm, sondern um die eigene Achse schopfartig gewickelt und aufgesteckt. Viele flechten den Zopf nicht vom Grund auf, sondern beginnen ihn erst in der Hälfte der Haareslänge, wodurch sie natürlich in der Hälfte der Zeit fertig werden.

In allen diesen Ortschaften braucht man über eine Stunde zu einer Frisur, bezahlt sie mit 20 Heller und trägt sie als Braut oder „Kranzeljungfer“ mit rund herum gewundenen künstlichen Blumen; auch nennt man die als Zierde aufgesteckte Masche allgemein „Steckmasche“.

In Hidegkút (auch Pesthidegkut oder Ófalu Altdorf) finden wir schon zwei Zöpfe, indem das Haar von der Stirn bis zum Nacken geteilt wird. Jeder Zopf enthält 12 Zandln und wird gretchenartig, also kranzförmig, der rechte nach links, der linke nach rechts aufgesteckt. Eine Frisur kostet hier schon das Doppelte, also 40 Heller.

In Budakaläsz finden wir sogar schon vier Zöpfe, und, weil dies eine gemischte Gemeinde ist, sowohl bei den Deutschen als auch bei den Serben, die hier noch ganz patriarchalisch „Ratzen“ = Raitzen genannt werden.

Das Haar wird von der Stirn bis zum Nacken geteilt und jeder Teil nur hinten im Nacken noch einmal geteilt, so daß alle vier Zöpfe in der gleichen Höhe beginnen und in je neun Zandln geflochten werden; nur sind die der Deutschen äußerst glatt und präzis, dank der Zuckerwasserkur, hingegen die der Serbinnen bedeutend struweliger, da sie nur etwas Schweinefett zwischen den Händen verreiben und das Haar vor dem Flechten damit schmieren.

Auch bei der Nahrung spielen bei der serbischen Bevölkerung traditionell das Schwein und die daraus entstandenen Produkte eine große Rolle, weshalb die Deutschen die Serben auch „Speckratzen“, diese hingegen jene „Schwaben“ nennen.

Das Aufstecken geschieht auch hier gretchenartig, zuerst die zwei inneren und dann die beiden äußeren Zöpfe, die linken nach rechts und umgekehrt (Abb. 7. u. 8.). Die jungen unverheirateten serbischen Frauen nehmen in die Mitte auch einen Steckkamm und eine Kunstblume über das linke Ohr. Letzteres bedeutet aber schon den Brautstand, also „Hand von der Butten“ für fremde Burschen! Die serbischen verheirateten Frauen tragen den Kopf stets zugebunden und nehmen das Tuch nicht einmal vor dem Ehegatten vom Kopf, sonst würden sie von den übrigen Frauen verfemt werden.

In Tarján haben wir ebenfalls vier Zöpfe zu je zwölf Strähnen, die aber hier schon nicht mehr Zandl, sondern „Drahrl“, von „drehen“, genannt werden. Diese Zöpfe beginnen auch nicht in ein und derselben Höhe, sondern die beiden äußeren am Scheitel, die inneren im Nacken, weil sie die Abteilung in zwei aufeinander senkrechten Linien machen. Das Aufstecken geschieht wiederum Gretchen- oder kranzartig, sehr tief, bis zum Nacken hinabreichend.

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Abb. 9. Deutsches Mädchen aus Duna-Bogdány mit 33-teiligem Zopf.

Ihre schönsten Blüten erreicht aber die deutsche Flechtkunst in Dunabogdány und in Zsámbek. In ersterer Ortschaft teilt man das Haar in T-Form von einem Ohr zum anderen und in der Mitte des Oberhauptes, erhält also das Hinterhaar und zwei Scheitel. Das Hinterhaar wird gebunden und in 30 Strähnen, hier Draht (= Drähte), geteilt und geflochten.

Die beiden Scheitel werden bis zu diesem breiten Zopf gedreht, später wieder zusammengenommen und oberhalb des breiten Zopfes einfach in drei Teile geflochten, so daß der dreiteilige Zopf auf dem 30-teiligen Zopf liegt (Abb. 9). Jetzt werden beide Zöpfe auf das Haupt gelegt, wodurch wieder der breite Zopf den schmalen bedeckt, beide werden dann vorn eingeschlagen und mit Haarnadeln und Steckkamm befestigt. Die Scheitel heißen hier „Lascherl“ (Abb. 10 und 11).

Natürlich ist das nur eine Frisur für Hochzeiten, Kindstaufen, Begräbnisse und größere Feiertage, denn die Herstellung nimmt bis zu zwei Stunden in Anspruch. Für gewöhnlich tragen auch die jungen Mädchen so wie die Frauen stets Nester oder Kränze.

In Zsámbek dagegen wird nur sehr wenig in die Scheitel und das meiste in die Hinterhaare genommen. Die schmalen Scheitel werden einzeln in je fünf kleineren und fünf größeren Zandln in „Lickerln“ geflochten. Dieses Lickerlflechten geschieht so, daß die zu Frisierende den mittleren Leitstrang so lange straff angezogen hält, bis die „Friseuse“ die anderen vier Strähne um jenen so herum flicht, daß man dieses Geflecht am Leitstrang hin und her schieben und richtige allerliebste spitzenartige Lickerl verschieben kann.

Die zwei kleineren, feineren Lickerln werden dann rechts und links halb auf die Stirn, halb auf die Schläfen gelegt, die breiteren, größeren Lickerln werden angeschmiegt, alles hoch über den Ohren nach rückwärts geleitet, dann mit dem Hinterhaar vereint und mit schwarzen Pertln *) gebunden; danach teilt man dieses Hinterhaar in drei Partien, jede Partie in vierzig Zandln, so daß man drei breite Zöpfe bekommt, die man mit schwarzem Zwirn der Länge nach aneinander heftet, wodurch ein Zopf oder vielmehr eine richtige Haarmatte von 120 Zandln entsteht.

*) Pertl: ein dünnes, schmales Band.

Diese Matte wird ebenfalls auf den Kopf gelegt, unterschlagen und mit Haarnadeln und Steckkamm befestigt, hinten aber wird ebenfalls mit Haarnadeln eine hübsche Steckmasche (Schleife) knapp am Haarbund angebracht (Abb. 12, 13, 14).

Die Frauen tragen zweieinfache Zöpfe in U-Form, indem sie die dünnen Enden der Zöpfe am Oberhaupt unter die dickere Lage einschlagen, und so tragen sie auch die Mädchen zu gewöhnlichen Zeiten, denn die geschilderte Parade- oder Prachtfrisur verlangt mindestens drei Stunden und kostet unter Freundinnen 60 Heller.

Die magyarischen Mädchen tragen überwiegend hängende Flechten, die verheirateten Frauen stets aufgesteckt.

In Érd und in Gödöllö sowie in den meisten magyarischen Ortschaften tragen die Mädchen das Haar einfach nach rückwärts gestrichen; im Nacken zu einem einfachen, dreiteiligen Zopf zusammen geflochten und am Ende mit einem einfachen Band als Masche (Schleife) zusammengehalten, ganz frei den Rücken entlang herabhängend.

Das bezieht sich in Gödöllö aber nur auf die katholischen Magyarinnen, denn die Haartracht der dortigen reformierten, d. h. der Calviner Konfession angehörenden Mädchen und Frauen ist viel komplizierter.

Was vorerst die Mädchen betrifft, so haben diese das Haar gescheitelt (Abb. 15) und über den Ohren gedreht zum Hinterhaar geführt und dort zusammengebunden, dann sind drei Seidenbänder auf eine Schnur geheftet (Abb. 16), und die Schnur wird auf das obere dicke Ende des Haares gebunden, so daß jedes Band je einen Haarstrang bedeckt.

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Abb. 17. Reformiertes magyarisches Mädchen aus Gödöllö mit Bänderzopf.

So wird dann erst der Zopf geflochten, folglich sieht man, vom Kopfe angefangen, kein Haar mehr, denn die Bänder bedecken alles und werden immer in gleicher Länge bis zu den Waden hinab geflochten, auch wenn das Haar nur bis zu den Schultern reicht. Am unteren, dünnen Ende beschließt dann eine Masche (Schleife) den hängenden Bänderzopf (Abb. 17).

Noch komplizierter wird der Bänderzopf in Rákospalota (Deutsch: Palota), in Fót und in Dunakesz, obzwar deren Bewohner katholisch sind; denn hier werden die Scheitelhaare erst geteilt, jeder Teil besonders gedreht, dann erst je zwei Teile miteinander verdreht und ins Hinterhaar geführt; dann hat man eben dort am Hinterkopf, wo die Scheitelhaare mit dem Hinterkopfhaar vereint gebunden werden, außer der Masche des Zopfendes noch eine zweite, vielgrößere Masche gebunden (Abb. 18), deren lange und breite Seidenbänder den ganzen Bänderzopf bis zur unteren Endmasche, sogar auch diese noch verdecken (Abb. 19, 20, 21).

Abb. 18. Mädchen aus Rákos-Palota (Rákospalota), zeigt das Binden der großen Kopfmasche (Schleife).

Weil so eine Bänderpracht 20 bis 40 Kronen kostet, trägt man sie auch nur an Sonn- und Feiertagen. Zur Arbeit wird das Haar ebenso geflochten, nur werden die zwei teuren, schweren Maschen und die drei Zopfbänder in der Schublade gelassen, das Ende des hängenden Zopfes aber mit einer kleinen Pertlmasche zusammengehalten (Abb. 22).

Die magyarischen Frauen tragen sie nicht minder verschieden und interessant. Da haben wir in Esztergom-Bajna das Haar genau so geteilt, wie es die Mädchen von Tarján tun, nur sind die oberen zwei Teile gedrehte Scheitel oder, besser gesagt, Scheitel mit Dreher, die unteren zwei Teile aber einfache Dreierzöpfe mit einem dazwischen geflochtenen Bändchen. Das Ganze wird dann zu einem Haarknoten zusammengesteckt und eine sogenannte Haube darauf befestigt, die diesen Knoten bedeckt.

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Abb. 23. Haube der Frauen aus Bajna, Kreis Estergom.

Diese Haube ist fünfeckig, wird von den dortigen Frauen aus Pappe genäht, nicht geleimt, dann mit gewöhnlicher Leinwand und diese wiederum mit roter Seide, überzogen; die Basis erhält ein rotseidenes Moireband, dessen Enden bis zu den Hüften herabhängen; die Spitze der Haube wird dagegen mit Silberfäden durchwirkt. Innen ist ein zweiteiliger Spagat, durch den eine Haarnadel in den Haarknoten gesteckt ist, die als Halt der Haube dient (Abb. 23).

Auf das wird sodann ein am Rande schön geschlungenes weißes Tuch gebunden, das sie jedoch im Zimmer abnehmen. In die Kirche gehen sie ohne Tuch, zur Arbeit natürlich auch ohne diese Prachthaube.

In Mogyoród dagegen streichen die Frauen ihr meist sehr schönes und üppiges, auch wohlgepflegtes Haar einfach zurück, binden es mit Pertln am Hinterkopf, rollen es dann bis zur Wirbelhöhe hinauf und stecken einen Blechkamm hindurch, dessen Drahtzähne beinahe bis zum Halsansatz hinabreichen.

Diesen Kamm machen wandernde Rastelbinder (Kesselflicker) auf Bestellung in jenen Dörfern, wo man sie begehrt, schlagen auch Buchstaben und andere Verzierungen in Punktformen mit einer stumpfen Ahle hinein, und zwar die Anfangsbuchstaben des Names vom Ehemann, „weil bei uns die Frau ganz im Manne aufgeht und die Rosalia Barna als Frau des Michael Molnar nicht Rosalia Molnar, sondern Frau Michael Molnar heißt, wozu bei eigenen Fällen, also nur äußerst selten, hinzugesetzt wird: geborene Rosalia Barna.“

Auf die Frisur kommt dann eine weiße, hinten zusammengezogene Haube und darüber ein gewöhnliches, unter dem Kinn gebundenes Kopftuch von meist dunkler Farbe.

Die katholischen magyarischen Frauen von Gödöllő tragen den gewöhnlichen Schopf oder das Nest, die reformierter Konfession dagegen gehen schon um einen Schritt weiter als die vorher geschilderten von Mogyoród, indem sie das glatt zurückgestrichene Haar nicht hohl, sondern auf ein 12 cm langes, 3 cm breites und 5 mm dickes Hölzchen aufwickeln und es dann erst oberhalb des Haarbundes mittels eines Eisenblech-Steckkammes feststecken (Abb. 24).

Auf diesen Haarknoten binden sie dann hinten ein schwarzseidenes Spitzenhäubchen (Abb. 25), und erst auf dieses kommt dann das schwarzseidene Kopftuch, ebenfalls hinten im Genick gebunden, so daß die Spitzen des Häubchens vorn an den Schläfen hervorlugen (Abb. 26). Noch weiter gehen die katholischen magyarischen Frauen von Rákospalota, Dunakeszi und Fót.

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Abb. 27. u. 28. Magyarische Frau aus Rákospalota. Links mit Haarbrett. Rechts mit über Haarbrett und Haube gebundenem unteren Tuch.

Diese scheiteln und drehen das Haar über den Ohren gerade so wie die Mädchen dieser Ortschaften, binden die Scheitelhaare genau so wie diese am Hinterkopf zu dem übrigen Haar, wickeln es auf ein Brettchen von 15 cm Länge, 11 cm Breite und 3 mm Dicke und stecken es dann erst mit dem Steckkamm in den Haarbund (Abb. 27).

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Abb. 29. Magyarische Frau aus Rákos-Palota (Rákospalota) mit unter dem Kinn gebundenem oberen Tuch.

Auf diese höchst eckige Frisur binden sie von hinten im Genick ein zusammengezogenes Häubchen, dann ein ebenfalls an derselben Stelle gebundenes Tuch (Abb. 28) und dann noch ein zweites Kopftuch von schwarzer Seide oder für gewöhnlich eines von buntem Perkal, vorn unter dem Kinn gebunden, so daß man diese Frauen mit der eckigen Frisur und der dreierlei Kopfbedeckung auf einem hauptstädtischen Markt sogleich von allen anderen herausfindet (Abb. 29).

Selbst der Arzt von Bunakesz, der doch mit dem Volk am nächsten verkehrt, wußte nicht was die dortigen Frauen alles auf dem Kopf tragen, da er die zu behandelnden Frauen im Krankenbett nur mit herabgelassenen Haaren sah.

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Abb. 30. Slowakisches Mädchen aus Isaszeg (Kreis Gödöllő, Komitat Pest) mit kurzem und dickem Bänderzopf.

Die slowakischen Mädchen von Isaszeg und Péteri haben auch hinten hängende Bänderzöpfe wie die magyarischen Mädchen, nur viel kürzer und bedeutend dicker (Abb. 30), weil sie die Bänder nicht leer, ohne Haar, weiter flechten wie diese, und weil sie die drei Haarsträhnen erst einzeln mit alten Bändern spiralförmig umwickeln und erst dann die drei Deckbänder anbringen und den Zopf flechten. Auch haben sie nur am Zopfende Maschen (Schleifen), und auch die sind viel kleiner als jene der Magyarinnen.

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Abb. 31. Geflochtene Scheitel der slowakischen Mädchen von Isaszeg (Kreis Gödöllő, Komitat Pest).

Endlich drehen sie die Scheitelhaare nicht, sondern sie flechten sie über den Ohren in je einem kleinen Dreierzopf und führen sie so ins Hinterhaar (Abb. 31).

Die Frauen von Isaszeg (Kreis Gödöllő, Komitat Pest) haben ebensolche geflochtene Scheitel, wickeln aber das ungeflochtene Hinterhaar auf ein ebensolches Hölzchen wie die Frauen von Gödöllő und biegen außerdem die Zähne der Eisenblech-Steckkämme um 90° auswärts, so daß der Rand des aufgesteckten Kammes sich nicht an den Hinterkopf anschmiegt, sondern wie ein Halbmond himmelwärts strebt.

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Abb. 32. u. 33. Slowakische Frau aus Isaszeg (Kreis Gödöllő, Komitat Pest). Links mit Spitzenhaube. Rechts mit Stirnband.

Dann umwickeln sie die Enden des Halbmondes mit Fetzen, damit die weiße, hinten zusammengezogene Spitzenhaube nicht so bald durchgestoßen wird (Abb. 32). Hierauf binden sie ein handbreites Spitzenstirnband darüber, ebenfalls hinten im Nacken gebunden (Abb. 33). Endlich kommen noch zwei aufeinander gelegte Tücher darüber, so daß das Gewöhnliche vom Schwarzseidenen bedeckt ist.

Die Slowakinnen von Peteri haben dieselben Tücher, denselben halbmondförmigen Steckkamm, nur kein Stirnband und das Haar ungescheitelt, einfach zurückgestrichen und ohne Holz in einen dreifachen Zopf geflochten und als Nest aufgesteckt.

Zum Schluß will ich nur noch die magyarischen Mädchen von Monor und die serbischen Mädchen von Érd besonders erwähnen, weil deren Haartracht in keines der vorgetragenen Schemen passt. Letztere haben nämlich das Haar ebenso in T-Form abgeteilt, wie wir es hei den slowakischen Mädchen sahen, und haben die Scheitelhaare über den Ohren ebenso in Dreierzöpfe geflochten wie diese. Sie binden jene aber nicht in das Hinterhaar hinein, denn dieses wird gar nicht gebunden, sondern hängt ganz frei in den Rücken; es werden vielmehr jene beiden Scheitelzöpfe unter dem Hinterhaar zu einem einzigen Dreierzopf vereint weitergeflochten und sind dann vom offenen Hinterhaar bedeckt.

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Abb. 34. Serbisches Mädchen aus Érd mit Sonntagsfrisur.

Letzteres wird dann ganz am Ende von einer kleinen, farbigen Masche (Schleife) zusammengehalten, so daß man hier seine wahre Augenweide hat an natürlichen, schönen Haaren (Abb. 34).

Die magyarischen Mädchen von Monor haben dagegen noch viel schöneres und sehr gepflegtes Haar, das sie einfach zurückstreichen und am Hinterkopf in drei Teile teilen, so daß ein Teil oben am Wirbel in der Mitte, die anderen zwei Teile aber rechts und links unten im Genick entstehen.

Jeder Teil wird zum einfachen Dreierzopf verflochten und der obere zu einem runden Nest zusammengesteckt, danach werden die beiden anderen herum gewunden und daran genestelt, was die ungekünsteltste, einfachste Volksfrisur ist, und die mit ihrer wohlgepflegten üppigen Pracht schwerer, fast seidener Flechten beinahe den Eindruck einer Modefrisur macht.

Erschöpfen läßt sich dies Thema so wenig wie alle anderen in diesen Kreis gehörigen Schilderungen, aber eine kleine Übersicht glaube ich doch geboten zu haben, und auch eine rein physiologische Erfahrung habe ich diesen meinen volkskundlichen Studien zu danken: daß nämlich bei uns in Ungarn das blonde, gelbe Haar unter dem Volk nur sehr selten in wenigen magyarischen und noch weniger in deutschen Ortschaften zu finden ist, wogegen es in Städten nicht so selten ist, von den unnatürlichen Haarfarben daselbst gar nicht zusprechen.

Quelle: Globus; illustrierte Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde. Herausgegeben von H. Singer. Volume v.96. Braunschweig, Verlag F. Vieweg und Sohn, 1909.

illustration, manis, Smutsia, Steppenschuppentier, Manis temminckii
Manis temminckii

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