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Über alte Wiener Brunnen. Blütezeit der Wiener Barockkunst.

ÜBER ALTE WIENER BRUNNEN.

VON HARTWIG FISCHEL – WIEN.

ES ist schön und vielsagend zugleich, daß das Wort „Quelle“ ebenso wie das ehemals gleichbedeutende „Brunnen“ nicht nur das Leben erhaltende Element bezeichnet, wo es der mütterlichen Erde entspringt, sondern zugleich für den Ursprung aller Eigenschaften und Tätigkeiten, aller Kraft und allen Lebens in Anwendung kommt.

Mit dieser tieferen symbolischen Bedeutung, mit dem hohen Wert des Wassers für den menschlichen Haushalt, hängt es wohl auch zusammen, daß die Menschen die Stelle, wo sie dasselbe fanden, den Ort, wo sie es sammelten und zur Benützung gaben, hoch hielten und stets zu schmücken und sinnvoll auszugestalten suchten. Der bildenden Kunst ist es leicht geworden, in unendlicher Mannigfaltigkeit diese Aufgabe zu lösen, weil der hohe Reiz der Erscheinung, welcher der Wasserfläche innewohnt und die Gestaltungsfähigkeit des flüssigen Elementes ihr entgegenkamen.

Dichtkunst, Legende und Sage haben auch so vielfach die Ereignisse festgehalten, die mit der Bedeutung des Brunnens, der Quelle verbunden sind, daß auch dadurch wieder Anregung und Ansporn gegeben war für plastische Gestaltung, für Denkmale.

Es heißt, daß Kaiser Matthias auf einem Jagdzug in der Nähe des Gatterholzes bei Wien 1619 ein prächtiges Trinkwasser fand, das er den „schön Brunn“ nannte. Auch seine Nachfolger haben die Quelle wert gehalten und sie mag nicht wenig dazu beigetragen haben, daß in ihrer Nähe Bauten entstanden. Heute ist sie eingeschlossen von der herrlichsten alten Parkanlage unserer Monarchie und das prächtige Schloß, zu dem sie gehört, trägt seinen Namen: Schönbrunn.

Die prunkliebende Zeit, welcher diese Anlage ihre Entstehung verdankt, hat es besonders gut verstanden, den Reiz des Wassers in großem Stil auszunützen. Und wenn auch bei uns nicht so immense Mittel verwendet wurden, wie bei dem Urbild dieser Art, im grandiosen Versailles, so besitzt doch auch Wien im trefflich erhaltenen Schönbrunner Park ein glänzendes Denkmal. Der Garten beim Sommerpalast des Fürsten Schwarzenberg, jener beim ehemaligen Lustschloss des Prinzen Eugen nebenan (dem „Belvedere“) sind weitere Wiener Zeugen der Freude, welche die Architekten und Garteningenieure des XVIII. Jahrhunderts am künstlerischen Gestalten des Brunnens und der Wasserkünste überhaupt hegten.

Artesische Brunnen, Schöpfbrunnen und eigens angelegte kleine Wasserleitungen kostspieliger Art waren die technischen Hilfsmittel, die einst zur Verfügung standen, als der große Bedarf so luxuriöser Betriebe noch ungewöhnliche bauliche Leistungen verursachte.

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Brunnen auf dem Neuen Markte von G. R. Donner, 1739.

Bild: Brunnen auf dem Neuen Markte von G. R. Donner, 1739.

Wenn wir hören, daß Wien noch 1868 in 9429 Häusern 10.000 Schöpfbrunnen besaß, von denen jedoch nur ein Drittel trinkbares Wasser enthielt, daß nebenbei nur wenige öffentlich benutzbare Wasserleitungen vorhanden waren, so fällt der Aufwand noch mehr ins Gewicht, der in den barocken Parkanlagen getrieben wurde. In entsprechendem Verhältnis steht auch der künstlerische Aufwand, zu dem das Wasser Veranlassung geben konnte. Die mannigfaltigen Aufgaben, die eine Anlage, wie der Schönbrunner Park bot, sind an Umfang und Vielseitigkeit den städtischen Gelegenheiten weit überlegen.

Schon der große Vorplatz des Schlosses zeigt in Beziehung zu der Mittelachse des architektonischen Aufbaues regelmäßig verteilte Bassins mit niedrigen Figurengruppen, aus deren Mitte heraus hohe Wasserstrahlen ihre dekorative Parabel beschreiben.

Das mächtige, blumengeschmückte Parterre auf der Parkseite hat als Abschluss eine Terassenwand, die über geliedertem Unterbau einen felsigen Aufbau mit reichem Figurenschmuck trägt. Hier bildet Neptun mit seinem berittenen Gefolge eine lebhaft bewegte Gruppe, die den glitzernden Strahl und den breiten Fall in kunstvollem Spiel der mannigfaltigsten Formen zur heitersten Wirkung bringt. Das breite vorgelagerte Becken sammelt die Wassermassen und spiegelt den Himmel und die grünen Hänge.

Bild: Brunnen auf dem Sobieskyplatz, IX. Bezirk.

In den breiten Alleen, die sternförmig verteilt sind, zwischen den hohen geschnittenen Laubwänden, dort wo sich Kreuzungen bilden, sind wieder große Bassins angebracht, in regelmäßigen Formen, von Marmorbänken und Marmorvasen umstanden; und marmorne Nixen und allerhand Wassergetier werfen feine Wasserstrahlen hoch in die Luft, die gegen die dunklen grünen Wände in allen Farben des Regenbogens hellglänzend zerstieben.

An den Enden der Alleen, wo sich die Points de vue, eine Ruine, ein Obelisk in architektonischem Aufbau erheben, strömt aus verwittertem Gestein über graue Felsblöcke Wasser in schilfbewachsene Becken; hier stößt ein waldartiges Gebiet an den architektonisch gegliederten Park und darum ist ein malerisch-naturalistischer Zug auch bei den Wasserkünsten am Platze.

Und endlich erhebt sich an abseits gelegener Stelle ein einsamer Tempel. In grottenartiger Brunnenstube bewacht eine marmorne Egeria den Auslauf der kostbaren Quelle des „schönen Brunnens“. Ein kleines Monument für die göttliche Gabe.

Die große Anlage stammt ihren Grundzügen nach aus der Blütezeit der Wiener Barockkunst; der große Johann Bernhard Fischer von Erlach hat sie angegeben, der französische Garteningenieur Jean Trehet hat den Park disponiert, wenn er auch später erst vollendet wurde. Der figurale Schmuck wurde wohl erst durch Maria Theresia angeordnet und unter besonderer Kontrolle des Fürsten Kaunitz vom Hofstatuarius eh. W. Beyer (geboren 1725, gestorben 1797) und einem zahlreichen Stab von Hilfskräften in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts ausgeführt.

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Brunnen im Schönbrunner Park.

Bild: Brunnen im Schönbrunner Park.

Aber der Geist der Disposition jener ersten Anlage wirkte nach. Nur wer näher zusieht, merkt den klassizistischen Einfluß, der schon in Aktion ist.
Der ganze Apparat der antiken Mythologie wird aufgeboten, um tiefsinnige Zusammenhänge sowie sentimentale Beziehungen zum Ausdruck zu bringen. Dabei geht die flotte Bewegtheit der figuralen Gestaltungsfreude gänzlich verloren, die noch im Schwarzenberg- und Belvederegarten zu finden ist. Obwohl der aus Gotha eingewanderte Beyer die Befreiung vom französischen und italienischen Einfluß gefordert und „die Rückkehr auf den Pfad der ewig schönen Antike“ auch in einer theoretischen Arbeit gepredigt hat – ist der Einfluß der Kreise, für die er arbeitet, die Tradition in seiner Umgebung noch so mächtig, daß es ihm nicht gelingt, selbständige Pfade zu betreten. Anlehnung an die Antike bleibt eine äußerliche Formsache, nur die klassizistisch steife Pose tritt an die Stelle ungebundener Kühnheit.

So atmen die Schönbrunner Plastiken mehr Gelehrsamkeit, Tendenz und Absichtlichkeit als künstlerische Freiheit, doch ihre Einfügung in den grünen und architektonischen Rahmen verrät den großen Zug der jüngstvergangenen Zeit. Allerdings sind sie auch sehr ungleich in der Qualität. Fast alle „kommenden Frauen und Männer“ der nächsten Generation haben bei ihnen schon mitgewirkt, die Fischer, Zauner, Hagenauer etc. und so sind auch feine Schöpfungen strengen Geschmacks dabei neben bedeutungslosem Mittelgut.

Im ganzen genommen ist hier auch der Wert der Einzelleistung nicht von so großer Bedeutung. Was hier besonders wertvoll bleibt, ist die großzügige Art barocker Brunnen- und Gartenkunst; wir wissen, daß Fischer in einem ersten Projekt das hügelige Terrain noch mehr durch Wasserkünste belebt dachte; das Schloß war auf der Höhe des Hügels geplant und der ansteigende Vorplatz durch Terrassen mit Bassins und Kaskaden gegliedert. Von dem zweiten einfacheren Entwurf Fischers kam nur ein kleiner Teil in seiner Zeit zur Vollendung; was jetzt vor uns liegt, ist von dem Architekten Pacossi, und später von Hohenberg ausgebaut worden; auch am Garten haben Steckhofen und Hohenberg weitergebildet und doch wirkt das Ganze wie ein Vermächtnis jener großen baulustigen Zeit, die ihren Sinn für Monumentalität und Größe auch im architektonisch geregelten Park zum Ausdruck brachte.

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Brunnen auf dem Vorplatze des Schönbrunner Schlosses.

Bild: Brunnen auf dem Vorplatze des Schönbrunner Schlosses.

Der Brunnen und im erweiterten Sinne die Wasserkunst ist ihr ein willkommenes Hilfsmittel, weite Räume durch fernwirkende Elemente zu gliedern. Die ebene Fläche des Bassins betont ihr Bestreben, geneigte Terrains in horizontale Terrassen aufzulösen; der Wasserfall, die Kaskade, die Brunnengruppen sind in Verbindung mit Grotten, Stützmauern, Treppenanlagen ihr großer Apparat, der Übergänge vermittelt, Augenpunkte festlegt, Richtungen bestimmt.
Glänzende Leistungen dieser Art sind in unserer Monarchie zerstreut, aber die Wiener Parkanlagen gehören unter ihnen gewiß zu den schönsten und besten.

Wenden wir nun unser Augenmerk den städtischen Leistungen jener Zeit zu, so weist auch hier der Wiener Brunnen große Züge auf. Wohl fehlten dem städtischen Gemeinwesen ebenso die Gelegenheiten, als Mittel und Lust zu großen künstlerischen Aufträgen, die Kunst war noch im Solde der Herrscher, des Adels, der Kirchenfürsten. Und doch erhielt Wien ein Brunnendenkmal vornehmster Art, wie es wenige andere Städte besitzen.

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Egeria, Brunnen im Schönbrunner Park, von Ch. W. Beyer.

Bild: Egeria, Brunnen im Schönbrunner Park, von Ch. W. Beyer.

Raphael Donner (1693 bis 1741) gehört zu jenen großen Künstlern, die jede Aufgabe, welcher sie sich widmen, in das Niveau ihrer eigenen Bedeutung zu rücken vermögen. Sein Brunnen am Mehlmarkt gehört zu den besten Werken der Plastik seiner Zeit und erhebt sich in Bezug auf künstlerische Qualität hoch über die vielen zum Malerischen hinneigenden, wenn auch tüchtigen Leistungen seiner Wiener Zeitgenossen. Im Dienst der Architektur hat die Mehrzahl der barocken Bildhauer Wertvolles geleistet, ohne immer ein tiefergehendes Interesse zu befriedigen oder größere Selbständigkeit zu betätigen. Donner hat der schon so oft gelösten Aufgabe des Brunnenbeckens als Mittelpunkt einer geschlossenen Platzanlage einen ganz besonderen Reiz abzugewinnen verstanden, ihr eine durchaus persönliche Lösung von hohem bleibenden Wert gegeben.

Der Form des Platzes angepaßt und im Zusammenhang mit der ehemals mäßigeren Höhe der umgebenden Bauwerke, die einen zumeist einfachen aber einheitlichen und heiteren Charakter trugen und zueinander stimmten, entstand die breit gelagerte Form des Beckens mit den kühn und sicher hingesetzten Randfiguren und dem mäßig hohen graziösen Aufbau der Mittelfigur und wasserspeienden Puttigruppen; feinste Empfindung beseelt die Behandlung der allseitig freistehenden Figuren, die in Bewegung und Silhouette von jedem Standpunkt anmutig erscheinen und in einem edlen Naturalismus jedes kleinliche Beiwerk vermeiden.

Leider hat gerade dieses schöne Werk ein sehr böses Schicksal verfolgt. Nach langen Kämpfen konnte das ursprünglich von der Wiener Gemeinde nur teilweise genehmigte Denkmal im Jahre 1739 fertiggestellt werden, der Bleiguss der Figuren litt aber so bald, daß diese im Jahre 1774 das erste Mal und nach einer Ausbesserung (1801) durch M. Fischer später noch ein zweites Mal ins Depot der Gemeinde wandern mußten. Erst seit ihre Umformung durch Bronzeguß (1873) vollendet ist, scheint ihnen Ruhe gegönnt.

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Andromeda-Brunnen von Donner (1740).

Bild: Andromeda-Brunnen von Donner (1740)

Dafür sind sie nun von ihrer Umgebung bedroht, die den stilistischen Wankelmut und die Zerfahrenheit unserer heutigen bürgerlichen Baukunst widerspiegelt. Dadurch wird es der Nachwelt nicht mehr vergönnt sein, die treffliche Arbeit im Zusammenhang mit dem so liebenswürdigen Platzbild zu genießen, wie das noch vor wenigen Jahren intakt erhaltene war.

Noch eine andere Brunnenschöpfung, jene im Hofe des alten Rathausbaues in der Wipplingerstraße hat uns Donners Kunst geschenkt. Der Andromeda-Brunnen (1740) gehört unter die letzten Schöpfungen des Meisters und steht in engerem Zusammenhang mit der malerisch erzählenden Art der Reliefbehandlung seiner Zeit. Das ganze Werk, wie es in graziös umrahmter Nische unter einem Balkonvorbau mit trefflichem Schmiedewerk den Schmuck eines geräumigen Hofes bildet, ist ein heiteres und feines Stück.

Es war eine prächtige, einst sehr beliebte Sitte, die Wand eines Haushofes, die einem Eingang gegenüberlag oder sonst eine architektonische Bedeutung besaß, mit einem dekorativen Kunstwerk zu schmücken; bei geringeren Mitteln hat auch oft die Malerei ausreichen müssen, um dekorative Architekturen oder gar Fernblicke vorzutäuschen; viele der Wiener Bürgerhäuser haben ganz reizvolle Hofeinblicke erhalten, in denen zumeist der so wichtige Hausbrunnen eine Rolle spielte.

Größere und wertvollere solcher Werke vom Ausgang der Barockzeit sind noch im ehemaligen Palais Lobkowitz und im Savoyenschen Damenstift (Johannesgasse 15) erhalten.

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Brunnen im Damenstift Johannesgasse 15.

Bild: Brunnen im Savoyschen Damenstift, Johannesgasse 15 (Witwe-von-Sarepta-Brunnen. Palais Savoyen-Carignan in der Johannesgasse 15–17 im 1. Wiener Gemeindebezirk Innere Stadt.).

Insbesondere das letztgenannte Beispiel ist ein reizvolles und charakteristisches Werk, in dem Architektur, Malerei und Plastik zusammenzuwirken bestimmt waren.

Auch zwei Künstlergenerationen traten hier vereint ans Werk. Der ältere Franz Xaver Messerschmidt (1732-1783), dem die figurale Ausschmückung der Architektur des Hauses anvertraut war und sein Schüler Johann Martin Fischer (1740-1820), der ihm dabei behilflich war. Von des Letzteren Hand stammt die Figur der Witwe von Sarepta, welche die Mitte des Immakulata Brunnens bildet (Ilg). Er zeigt sich darin noch von dem Geist der barocken Plastik beeinflußt, von dem er sich später immer mehr zu befreien strebte. Bevor wir aber dieser späteren, gerade auf dem Gebiet der städtischen Brunnen so fruchtbaren Tätigkeit Fischers gedenken, müssen wir eines anderen Bauwerkes Erwähnung tun, in dem gleichfalls Architektur und Plastik vereint ein Brunnendenkmal geschaffen haben.

Der dekorative Bau, der den Hohen Markt schmückt, ist heute im Stadtbild ein vereinzeltes Schmuckstück. Auch hier lag ein geschlossenes Platzbild vor (die heutige Form desselben ist schon verändert), aber diesmal war es ein Architekt, der das Denkmal entwarf. Ein älteres provisorisches Werk des Joh. Bernhard Fischer von Erlach wurde durch das definitive seines Sohnes Joseph Emanuel ersetzt, mit dem der Bildhauer Corrodini zusammenwirkte (1733).

Es ist ein Erinnerungsdenkmal an eine Begebenheit aus dem Leben des Kaisers Joseph I., der es darum auch dem heiligen Joseph gewidmet hat. Erst Karl VI. gab ihm eine definitive Gestalt. Der Platz war einst Fischmarkt und Richtstätte, und steht auch heute noch für Marktzwecke in Verwendung.

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Brunnen im ehemaligen Palais Lobkowitz.

Bild: Brunnen im ehemaligen Palais Lobkowitz.

In diesem reizvollen Bauwerk spielen die Brunnenbecken wohl nur eine untergeordnete Rolle; es ist typisch für die enge Verbindung, in der einst Plastik und Architektur standen und für die große Sicherheit der Barockkünstler in der Gestaltung freistehender Denkmäler. Im XVIII. Jahrhundert gehörte es zu den häufigen Aufgaben der Architekten, bei feierlichen Anlässen, Einzügen, Huldigungen, Festen Bauten zu errichten, die auf öffentlichen Plätzen vorwiegend als Augenblicksdekorationen dienten. In ihnen war eine kräftige Phantasie lebendig, die einen reichen architektonischen Apparat lebendig handhabte. Mitunter waren es großartige Brunnenanlagen, die Wein statt Wasser spendeten; oft ist die Form eines Rundtempels das Grundmotiv gewesen.

In diesen temporären Bauwerken, die uns aus Kupferwerken bekannt sind, sprach sich die gestaltungsfreudige Zeit mannigfaltig aus und übten sich die Baukünstler in vergänglichem Material für ihre ernsteren Aufgaben. Auch von den Fischer v. Erlach sind solche Arbeiten bekannt. Der Brunnentempel am Hohen Markt ist ein bleibendes, in edlem Material durchgebildetes Denkmal dieser barocken Dekorationskunst, das uns ahnen läßt, wie trefflich jene alten Baukünstler Platz und Straßenbilder zu schmücken verstanden.

Noch zwei andere Plätze besitzt die innere Stadt Wien, die wohl ebenfalls in Form und Ausgestaltung heute verändert, in großen Umrissen aber erkennen lassen, wie einst die Denkmalkunst die Platzbilder beherrschte. In beiden Fällen war ein hoch aufgebautes Denkmal in der Mitte von zwei seitlichen Brunnenanlagen, die freistehend disponiert waren, begleitet.

Am Hof ist nur mehr die Mariensäule erhalten, beide seitlichen Brunnenbecken mit ihrem Figurenschmuck sind leider entfernt worden. Diese Bassins waren 1732 vom Bildhauer Lorenzo Mattielli errichtet und 1812 von Johann Martin Fischer (1740-1820) mit neuem figuralen Schmuck versehen worden. Bewegte Gruppen in Bleiguss haben die Vaterlandsliebe und den Ackerbau dargestellt. Hingegen besitzt der Graben noch seine alten Brunnen. Auch hier waren rechts und links von dem hoch aufgebauten mittleren Denkmal der Pestsäule ältere Bassins disponiert, die später von J. M. Fischer mit Figuren aus Bleiguss geschmückt wurden (1804); sie stellen den hl. Josef und den hl. Leopold dar; die ruhige Behandlung ihrer Massen, die zu dem lebendigen, malerisch unruhigen Detail barocker Plastik in Gegensatz steht, versetzt uns in die Sphäre geänderter Zeitanschauungen ; ebenso ist der einfache Aufbau, der strenge Sockel mit den Reliefs und den wasserspeienden Löwenköpfen dem klassizistischen Geist entsprungen, der zu Ende des XVIII. Jahrhunderts zur Herrschaft gelangte.

  • Hygiea-Brunnen von J. M. Fischer (im Hofe des ehemaligen „Josephinum“) 1783.
  • Brunnen auf dem Piaristenplatz, VIII. Bezirk.
  • Brunnen im Kriegsministerium (ehemals Profeßhaus der Jesuiten), renoviert 1776
  • Wandbrunnen im Palais Kinsky auf der Freiung.

Und doch verstand Fischer durch seine Betonung charakteristischer Bewegungen und aus der Kleidung geholter, einfacher dekorativer Hilfsmittel vornehm bewegte Silhouetten zu erreichen, welche die freistehenden Figuren von allen Seiten lebendig wirken lassen.

Wenn wir uns das alte, einst gegen den Stephansplatz zu geschlossene und von weniger hohen Wohnhäusern gebildete Platzbild vergegenwärtigen, wie es uns alte Darstellungen vermitteln, so gibt es zu denken, daß zwei innerlich einander so fremde Kunstanschauungen, wie jene der Pestsäule und jene der Brunnen, in ihren Denkmälern doch so gute Nachbarschaft zu halten vermögen.

Was das Ende des XIX. Jahrhunderts an Bauwerken daneben stellte, vermag nicht dasselbe sichere Kunstgefühl aufzuweisen. Wenn am Graben auch nicht die Barbarei stilistischer Experimente so aufdringlich wirkt wie anderwärts, von der Geschlossenheit einer zusammengestimmten Platzbildung, in der Alt und Neu verträglich und respektvoll nebeneinander schalten, kann auch dort kaum mehr gesprochen werden.

Glücklicherweise sind in Wien noch kleinere Platzbildungen erhalten, die in ihrer Intimität reizvoll wirken und den ruhigen Ernst der von Johann Martin Fischer gestalteten Plastik und die liebenswürdige Einfachheit seiner Kunst im rechten Licht erscheinen lassen.
Der „Moses-Brunnen“ am Franziskanerplatz steht noch in wenig veränderter Umgebung. Ein älteres Bassin, das aus einem Hof aus der Nähe stammte, wurde 1798 von Fischer mit seiner Figur geziert, die auf dem typischen Sockel mit Reliefs und Löwenköpfen steht. Wie gut abgewogen ist die Masse und wie würdig die einfache Gesamterscheinung im Rahmen des Platzes.

Ein zweites Beispiel, der Hygiea-Brunnen im offenen Vorhof des Josephinischen Spitalbaues in der Währingerstraße (1783), ist heute noch ganz in jener ernsten Umgebung, für die er gedacht war. Hier scheint Fischer zum ersten Mal den einfachen Brunnentypus festgelegt zu haben, den er dann so glücklich und oft angewendet hat.

In der Alserstraße befindet sich wohl eine der letzten seiner Brunnenanlagen, die heute inmitten des regen Verkehrslebens einer stark benützten Straßenkreuzung so recht einen Gegensatz zu den beiden früher erwähnten Fällen bildet.

Fischer kam 1780 als Lehrer der Anatomie und Bildhauerkunst an die Wiener Akademie, wo er durch seine gediegene künstlerische wie allgemeine Bildung zu ansehnlichem Einfluß gelangte. Charakteristisch ist der Spott, den er in seinem Ansuchen um die Professur gegen die Wiederholung der zu oft verbreiteten Darstellungen aus der klassischen Mythologie geäußert hat; als Mitarbeiter Beyers hatte er die Vorliebe damaliger höfischer Kreise für dieses Vermächtnis älterer Anschauungen anläßlich der Schönbrunner Arbeiten kennen gelernt und stellt sich nun bewußt in Opposition zu ihr. Er ist in seinen Arbeiten auch vorwiegend für Aufgaben der Wiener Gemeinde tätig und repräsentiert die Zeit, in welcher der Bürgerstand seinen Einfluß auf die Aufgaben der Kunst zu üben begann.

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Brunnendenkmal auf dem Hohen Markt von Joseph Emanuel Fischer von Erlach d. J. (1732).

Bild: Brunnendenkmal auf dem Hohen Markt von Joseph Emanuel Fischer von Erlach d. J. (1732)

Es ist jene Zeit, in der auch die höfische Kunst immer mehr den bürgerlichen Empfindungen sich nähert, in der wirtschaftliche Verhältnisse den Prunk auch dort entfernten, wo er von alters her als unentbehrlich galt.
Wenn Fischer einmal die „Wachsamkeit des Staates“ (Alserstraße), ein anderes Mal die „Bürgertugenden“ (Hof) zum Gegenstand seiner plastischen Darstellungen an öffentlichen Brunnendenkmälern wählt oder zu wählen hat, so ist das wohl ebenso bezeichnend wie etwa der Neptun oder die Egeria in Schönbrunn.

Im künstlerischen Ausdruck gelangt wieder das intensive Studium der Natur, das bereits in Donner so lebhaft spricht, in Verbindung mit einer möglichst weitgehenden Annäherung an die Ruhe und Einfachheit der Antike, die diesen bürgerlichen Bestrebungen entgegenkommt, zur Herrschaft. Fischers bekannte „anatomische Figur“ drückt beide Neigungen sehr deutlich aus. Ein Hauch von ihrem Geist lebt in allen Brunnen Fischers.

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I. Wandbrunnen am alten Akademiegebäude (1755).

Bild: I. Wandbrunnen am alten Akademiegebäude (1755).

Wenn nun die Epigonen auch nicht an die Größe Donners heranreichen, so verdienen sie trotzdem aus der Vergessenheit befreit zu werden, in die sie geraten sind. Je geringer die äußeren Mittel sind, welche die Baukunst anwendet, um so mehr vermag der plastische Schmuck einfachster Art zu wirken. Die Häuser aus dem Ende des XVIII. und Beginn des XIX. Jahrhunderts streben die äußerste Einfachheit und Schmucklosigkeit an: es sind sehr ruhige Flächen, in welchen sich der Bildhauer betätigen kann. Da spielt denn ein einfacher Wandbrunnen mit einer dekorativen Maske, wie jener im alten Hofkriegsratsgebäude (Kriegsministerium am Hof) immerhin schon eine wirksame Rolle. In einem Zinshaus der inneren Stadt (Wollzeile 12) konnte die Büste des Eigentümers (A. von Henikstein) in Verbindung mit einigen ganz einfachen Zierformen doch schon durch ihre Anordnung in einer glatten Bogenöffnung einen wirksamen Schmuck der Brunnenanlage und des Hofraumes bilden (1802).

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II. Wandbrunnen am alten Akademiegebäude (1755). II. Wandbrunnen am alten Akademiegebäude (1755).

Bild: II. Wandbrunnen am alten Akademiegebäude (1755).

Die öffentlichen Auslaufbrunnen auf Plätzen, die bloß geradwandige Bassins und mittlere Sockel mit Vasen ohne figuralen Schmuck erhielten, wie jener am Piaristenplatz, vermögen durch die Abmessungen zu wirken, oder wie jener im Hofe des Bäckenhäusels gut in grüne Umgebungen zu stimmen. Manchmal zeigte der mittlere Aufbau Formen, die an den Grabsteintypus gemahnen (Sobieskyplatz), wie ihn die antikisierende Richtung liebte. Immer aber ist zu erkennen, daß ein sicherer Geschmack in der Wahl der Verhältnisse und des Materials lebendig ist, der bei aller Beschränkung und Vereinfachung oder vielleicht gerade deswegen, sein Ziel erreicht, dekorativ zu wirken. In solcher Einfachheit liegt meist mehr Monumentalität trotz bescheidener Abmessungen, wie in der Unruhe reicher Werke späterer Tage. In ihr ruhen gewisse Stimmungs werte verborgen, deren Geheimnis nicht aus dem Detail des einzelnen Denkmals, sondern aus dem Zusammenhang eines Platzbildes, der ganzen Raumwirkung hervorgeht.

Es konnte natürlich nicht fehlen, daß auch die reizvollen kleinen Hofanlagen der Vorstadthäuser ihren Brunnenschmuck erhielten. In der Westbahnstraße (Nr. 8) ist noch ein solches kleines Werk der Plastik erhalten, bei dem die populäre Figur einer Wasserausträgerin mit ihrer Holzbutte geschickt verwendet wurde, den Wasserauslauf in der Mitte eines gegen den Garten zu offenen Hofes zu betonen.

In diesen Werken klingt die letzte Periode heimischer Kunsttätigkeit aus, der Einheitlichkeit, Zusammenhang mit einer alle Tätigkeit beherrschenden Überzeugung zugesprochen werden kann, deren Äußerungen tiefer wurzeln als jene in ihrer Richtung und Meinung so schwankenden, wenn auch oft glänzenden Schöpfungen der nächsten Zeit.

Eine Nachwirkung dieser Empfindungsweise ist zeitweilig noch fühlbar. Auch Preleuthner, Schwanthaler, Gasser, Wagner, die um die Mitte des XIX. Jahrhunderts der Stadt in ihrer Art bemerkenswerte Brunnendenkmale schenkten, erinnern oft an die einfache Empfindungsweise der Biedermeierzeit oder erreichen mitunter beinahe die monumentalen Wirkungen früherer Perioden. Aber gleichzeitig tritt an diesen Werken bereits die Unsicherheit des Stilempfindens auf, das die zweite Hälfte des XIX. Jahrhunderts charakterisiert.

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Moses-Brunnen von J. M. Fischer (Franziskanerplatz), 1798.

Bild: Moses-Brunnen von J. M. Fischer (Franziskanerplatz), 1798.

Es wächst die Neigung zur Stilkopie; der Zusammenhang mit der Umgebung wird immer unvollkommener, der Verband zwischen Architektur und Plastik immer lockerer. Und so geht mancher erhebliche Aufwand an Talent, an materiellen Mitteln in einem fruchtlosen Ringen nach Monumentalität verloren. Nicht nur die Platzbildungen, Straßenführungen, Parkanlagen bereiten der Aufstellung solcher Werke immer größere Schwierigkeiten, auch die Dimensionen der städtischen Bauwerke, die wachsende Auflösung ihrer Massen werden dem Denkmal immer feindlicher. Die einst verbrüderten Künste stehen sich innerlich immer fremder gegenüber.

Es wäre sehr interessant zu verfolgen, wie eine so besondere Aufgabe der städtischen Bedürfnisse, wie das Brunnendenkmal, alle diese Kämpfe und Metamorphosen widerspiegelt. Die zahlreichen Wiener Brunnen der neueren Zeit, die ja auch die begabtesten Künstler der letzten Dezennien beschäftigt haben, die einen großen Aufwand an materiellen Mitteln und künstlerischen Ambitionen repräsentieren, bilden einen wertvollen Beitrag zur Wiener Kunst- und Zeitgeschichte und geben darum auch zu ihrer Kritik vielfach Veranlassung.

  • Brunnen mit der Figur des heiligen Josef von J. M. Fischer (1804).
  • Brunnen mit der Figur des heiligen Leopold von J. M. Fischer (1804).
  • Brunnen im Hof Waisenhausgasse 8 (beim Bäckenhäusl).
  • Brunnen im Hof des Hauses Westbahnstraße 8.

Gerade das aber war nicht die Absicht dieser Zeilen. Sie wollten nur zeigen, wie ein solches Problem einst mit Hilfe des größten Aufwandes an künstlerischen Mitteln, durch den es gelöst wurde, zu einer hervorragenden Bedeutung wuchs, dann, als die Mittel bescheidener wurden, doch wieder durch die Intimität ihrer Lösungen seine Bedeutung behielt. Wie sich die bürgerlich-städtische Kunstempfindung eine Aufgabe zurechtzulegen verstand, welche die prunkvolle höfische Kunstempfindung schon glänzend variiert hatte.

So vermag die Vorführung einiger Bilder solcher Brunnendenkmale, von denen viele dem Untergang geweiht sind, einen liebenswürdigen Zug auch aus dem Kunstempfinden jener Zeit aufzudecken, welche so lang mit Unrecht gering geachtet wurde und heute wieder neuerdings von den Genießenden geschätzt und verstanden wird.

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Brunnen im Hof Wollzeile 12 (A. von Henikstein), 1802.

Hartwig Fischel (1861–1942).

Quelle: Kunst und Kunsthandwerk; Monatsschrift herausgegeben vom Österreichischen Museum für Kunst und Industrie von Arthur von Scala und Franz Ritter. Österreichisches Museum für Angewandte Kunst. Wien, Artaria and Co, 1898.

Über den Autor:

Hartwig Fischel. Jüdisch-österreichischer Architekt und Kunstschriftsteller
Geboren 1861 in Wien, Österreich, gestorben 1942 in London, Großbritannien.

Er ist vor allem als Architektur- und Kunsthistoriker international bekannt. Er studierte Architektur an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Von 1887 bis 1888 arbeitete er im bedeutenden Atelier von Fellner und Helmer, dann als Architekt sowie Ingenieur der Kaiser Ferdinands-Nordbahn und wurde einer der führenden Experten für den Eisenbahnbau in der Monarchie. Der Architekt floh hochbetagt vor den Nazis nach London, wo er wenig später starb.

Weiterführend:

Ursula Prokop
ZUM JÜDISCHEN ERBE IN DER WIENER ARCHITEKTUR
Der Beitrag jüdischer ArchitektInnen am Wiener Baugeschehen 1868 – 1938

On the Jewish Legacy in Viennese Architecture
The contribution of Jewish architects to building in Vienna 1868–1938

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