The Veiled Vestal. Engraved by Richard Austin Artlett, 1807-1873. From the statue by R. Monti. In the possession of his Grace The Duke of Devonshire.
Die verschleierte Vestalin. Kupferstich von Richard Austin Artlett, 1807-1873. Statue von R. Monti. Im Besitz des Herzogs von Devonshire.

Fackel und Kerze. Geburt, Hochzeit und Tod.

Kapitel V.

In Rom wurde bei der Geburt die Göttin Candelifera, die Kerzenträgerin (die, die die Kerzen bringt), angerufen, weil bei der Geburt eine Kerze angesteckt wurde. 1) Preller meinte, diese bei der Geburt angezündete Kerze sei wahrscheinlich eine sinnliche Darstellung des Lichts, an welches das Kind durch die Geburt gelange, auch Jordan hat in seiner Neubearbeitung des Prellersehen Buches diese Erklärung unbeanstandet gelassen 2), obwohl sie viel zu abstrakt gedacht ist, als daß sie für die primitive Kulturstufe, auf die derartige Bräuche zurückgehen, richtig sein könnte. Aust bemerkt in seiner Darstellung der römischen Religion, man zündete Kerzen an, um die hilfreiche Nähe der Göttin (Candelifera) anzudeuten 3), wobei es unerklärt bleibt, warum die Göttin die Kerzenträgerin sei, und in seiner späteren Behandlung der Candelifera erklärt er zwar die Existenz der Göttin aus der Sitte, bei der Entbindung Kerzen anzuzünden, läßt es aber dahingestellt, ob diese Kerzen die Nähe der die Geburt fördernden Lichtgöttin Juno Lucina andeuten oder Mutter und Kind vor den im Dunkeln schwärmenden Dämonen schützen sollen. 4) Daß nur diese letztere Erklärung, die schon Liebrecht vor mehreren Jahrzehnten gegeben 5), zutreffen kann, mögen die nachfolgenden Darlegungen zeigen. Daß die römische Sitte des Licht anzünden bei der Entbindung nicht aus dem Kult der Juno Lucina erklärt werden kann, beweist die Tatsache, daß derselbe Brauch oder doch ein eng verwandter, sich auch bei zahlreichen andern Völkern findet.

1) Tertull. ad nat. II. 11.
2) Preller-Jordan, Römische Myth. II, 208.
3) Aust, Religion der Hörner S. 223.
4) Pauly-Wissowa, Realenzykl. III, 464.
5) Liebrecht. Zur Volkskunde S. 31 (Abdruck eines in der Germanin Bd, V erschienenen Aufsatzes). Crusius (Roschers Lex. I, 850) schließt sich Liebrechts Erklärung an. Auch Diels (Sibyll. Blätter S. 48, 2) hat auf die lustrale Bedeutung des Brauchs hingewiesen.

In Deutschland muß bis zur Taufe in der Wochenstube des Nachts eine Lampe oder ein Licht brennen. 1) Im Mittelalter tanzte man mit dem neugeborenen Kinde um brennende Kerzen.2) Bei den Wallonen zündet man im Augenblick der Geburt eine geweihte Kerze an. 3) In Russland im Gouvernement Wilna hält die Hebamme der Kreißenden ein angezündetes Licht vor das Gesicht. 4) Nach koptischer Sitte fand am achten Tage nach der Geburt im Hause unter Gebet und Segnung eine Waschung des Neugeborenen durch den Priester bei brennenden Kerzen statt. 5) In Siam wird die Mutter nach der Entbindung mit einem Feuer umgeben, in oder neben dem sie sich mehrere Wochen nach der Gehurt aufhalten muß. 6) Die Prabhus in Bombay stellen eine Lampe in der Nähe des Gesichts eines neugeborenen Kindes einen Monat oder wenigstens zehn Tage lang auf oder schwingen eine Lampe jeden Abend rund um sein Gesicht. 7) Diese Beispiele zeigen, daß Juno Lucina zur Erklärung nicht herangezogen werden darf, eine andere Erklärung aber ergibt sich aus ihnen noch nicht. In einer Reihe von andern Fällen aber hat sich der wirkliche Grund des Licht- oder Feuer anzünden bei oder nach der Entbindung noch lebendig erhalten.

1) Wuttke S. 383, § 583. Drechsler, Sitte, Brauch und Volksglaube in Schlesien I, 188.
2) Franz, Des Frater Rudolfus Buch de off. Cherubyn, Theolog. Quartalsschrift LXXXVII (1906), S. 422.
3) Monscur, Le folklore Wallon p. 37, nr. 746.
4) Ploß, Das Weib II, 309. Mit diesem Brauch verbinden sich die oben (S. 17 u. 36) erwähnten Riten.
5) Denzinger, Ritus eccl. orientalis I, 192. – In Böhmen trägt bei der Taufe der Pate in einem Arm das Kind, im anderen eine brennende Kerze (John, Sitte und Brauch im deutschen Westböhmen S. 114), ebenso die Mutter beim ersten Kirchgang (ebenda S. 117).
6) Frazor, On certain burial customs. Journal of the Anthropological Institute of Gr. Britain and Ireland XV, 84. Über die gleichen oder verwandte Bräuche in Birma, Madagaskar, bei den Parsi vgl. Frazer a. a. O.
7) Campbell. Spirit basis of belief and custom , Indian Antiquary XXVIII, 18. V gl. auch im Allgemeinen die hier gegebenen Zusammenstellungen über Geistervertreibung durch Feuer.

In Bengalen brennt im Zimmer der Wöchnerin Tag und Nacht eine Öllampe, da man annimmt, daß Dunkelheit das Eindringen böser Geister begünstigt. 1) In Atje sucht man das Eindringen des bösen Geistes, der die Geburt stört, u. a. dadurch zu hindern, daß man an den vier Ecken des Hauses vier kleine Feuer anzündet. 2) Ebenso zünden die Ureinwohner der Philippinen zum gleichen Zweck, wenn die Geburtsweben am heftigsten sind, ein großes Feuer an. 3) Bei den Parsen und ebenso bei den Zigeunern in Siebenbürgen muß bei der Gebärenden drei Tage lang ein großes Feuer brennen, um die bösen Geister zu vertreiben. 4) Auch Stämme der malaiischen Halbinsel zünden in der Nähe einer Mutter, die im Kindbett liegt, Feuer an, um die bösen Geister zu verscheuchen. 5) Bei den Tajiks in Bokhara brennt zum Schutze gegen böse Geister 40 Tage lang nahe der Wiege der neugeborenen Kinder ein Licht. 6) Auch in Europa finden wir noch vielfach die gleiche Begründung für den Brauch. In England wagten alte Weiber ohne eine Kerze nicht, ein Kind in die Wiege zu legen, aus Furcht vor Hexen. 7) In Schottland trägt man, um die „fairies“ fernzuhalten, wenn die Entbindung vorüber ist, dreimal ein brennendes Licht um das Bett der Wöchnerin. 8). Auch die Bevölkerung der Hebriden schützt Mutter und Kind vor bösen Geistern dadurch, daß man ein Feuer um sie herum führt. 9) In Schweden darf, solange das Kind nicht getauft ist, das Herdfeuer nicht ausgelöscht werden, damit der Troll das Kind nicht vertausche. 10)

1) Schmidt, Liebe und Ehe in Indien S. 502. Vgl. Crooke, Popular religion and folklore of Northern India I, 265.
2) Ploß, Das Weib II, 325.
3) Ebenda.
4) Ploß II, 322.
5) Tylor, Anfänge der Kultur II, 196.
6) Spiegel, Eran. Altertumskunde I, 339.
7) Bericht aus dem 17. Jahrhundert bei Brand, Popular antiquities ed. Hazlett (London 1870), II 144 (zitiert bei Liebrecht. Zur Volkskunde S.11).
8) Liebrecht, Zur Volkskunde S. 360, Vgl. auch Frazer. Journal of the Anthrop. Inst. of Gr. Britain XV, 85.
9) Tylor, Anfänge der Kultur II, 196.
10) Liebrecht a, a, O. S. 31.

Science Trimming The Lamp Of Life. Engraved by Freebairn (By the Anaglyptograph) From the Medal (The Brodie Testimonial) By William Wyon. R. A. 1795-1851
Die Wissenschaft beim Beschneiden der Lampe des Lebens. Graviert von Freebairn (mit dem Anaglyptographen). Medaille (The Brodie Testimonial) von William Wyon. R. A. 1795-1851

Bei den Albanesen wird während der ersten sechs Wochen nach der Entbindung zum Schutz gegen Behexung im Haus ein Feuer unterhalten; wer nachts ins Haus kommt, muß an der Tür über eine lodernde Fackel springen. 1) Die Esten unterhalten vor der Taufe ein Feuer bei dem Kinde, um dadurch den Teufel zu bannen. 2) Auch in Deutschland begegnet uns dieselbe Erklärung: das Licht dient zum Schutze gegen böse Geister. In Westfalen z. B. mußte bei Wöchnerinnen in jeder Nacht, bis das Kind getauft war, ein Licht brennen, und man mußte genau aufpassen, daß es nicht erlosch, sonst hatten böse Wesen Gewalt, Wechselbälge einzubringen. 3) Dieselbe Vorstellung treffen wir auch in anderen Landschaften Deutschlands, so in Hessen 4), in Schleswig-Holstein 5), in Thüringen. 6)
Nach allen diesen Analogien muß auch die in Rom bei der Geburt angezündete Kerze erklärt werden: das Licht soll die Geister, die Mutter und Kind bedrohen, aus dem Hause verscheuchen. 7) Daß der Kerze eine solche Kraft bei der Geburt zugeschrieben wird, kann nicht wundernehmen, denn Feuer, Fackel oder Kerze werden auch sonst vielfach zu dem gleichen Zwecke verwendet. Südamerikanische Indianer führen aus Furcht vor bösen Dämonen Feuerbrände oder Fackeln mit sich, wenn sie sich ins Dunkele wagen.

1) v. Hahn, Albanesische Studien S. 14-9.
2) Grimm, Deutsche Myth. III, S. 489, Nr. 44. Der Teufel ist auch hier natürlich, wie so oft, an die Stelle der alten Geister getreten.
3) Kuhn, Sagen, Gebräuche und Märchen ans Westfalen II, 33f.
4) Lyncker, Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen S. 55.
5) Müllenhoff, Sagen von Schleswig-Holstein und Lauenburg S. 579, vgl. 313, 2. Vgl.. auch Christ. Jensen, Sitten und Gebräuche auf den Halligen sonst und jetzt, Ausland LVII (1884), S. 782.
6) Ploß, Das Weib II, 450.
7) Vielleicht bezieht sich, wie Baur (Eileithyia, Philologus 8. Suppl. S. 471) vermutet, auch die Fackel, die Eileithyia trägt (Paus. VII, 23, 5, vgl. Imhoof-Blumer and Gardner, Num. Comm. on Paus. p. 83, Tf. R. VI/VII) auf die reinigende Kraft des Feuers.

Im südlichen Indien wagt aus Furcht vor bösen Geistern ein Mann nur in äußerster Not nach Sonnenuntergang auszugehen; muß er sich aber in die Dunkelheit wagen, so führt er einen Feuerbrand mit sich, um die feindlichen Gespenster abzuhalten. Die alten norwegischen Ansiedler auf Island führten rings um die Ländereien, die sie in Besitz zu nehmen beabsichtigten, Feuerbrände, um die bösen Geister zu verjagen. 1)

Aus dieser Dämonen abwehrenden Kraft des Feuers erklärt sich jedenfalls auch in der Hauptsache seine häufige Verwendung im griechischen und römischen Ritus: die Fackel oder Kerze erscheint bei jeder Art des Sühnekultes, sie gehört zu allen Reinigungszeremonien. 2) Bei den römischen Säkularspielen – um hier nur ein Beispiel anzuführen – wurden unter anderen Reinigungsmitteln Fackeln an das Volk verteilt. 3) Dieser Ritus lebt noch fort in der katholischen Lichtmess. In der Kirche werden an diesem Feste in Rom Kerzen verteilt, und der dabei über die Kerzen ausgesprochene Segensspruch zeigt sehr deutlich den Zweck dieser Lichter. Er soll ihnen die Kraft verleihen, den bösen Geist, der auch hier wieder an die Stelle der Geister des antiken Glaubens getreten ist, zu vertreiben „aus allen Wohnungen der Verehrer Gottes, aus Kirche, aus Häusern, aus den Winkeln, aus den Betten, aus den Speisezimmern, aus allen Orten, wo immer Knechte Gottes wohnen und ruhen, schlafen und wachen, gehen und stehen.“ 4)

1) Tylor, Anfänge der Kultur II, 196.
2) Diels, Sibyllinische Blätter S. 47. Usener, Weihnachtsfest S. 312. Samter, Antike und moderne Totengebräuche, Neue Jahrbücher XV (1905), S. 35.
3) Zosimus II, 5.
4) Usener a. a, O. S. 311. Die Formel lautet vollständig (Vetus missale de angulis, de lectulis, de refectoriis, de cunctis locis, in quibusctumque deo famulantes habitant et requiescunt, dormiunt vigilant, ambulant et consistunt, nee valeat amplius inquietare vel pavores immittere.“ Rom, Latoranense ed. de Azevedo p. 181 f., abgedruckt bei Usener a. a. 0.).

Scherenschnitt, Herz, Marterwerkzeug, Oberösterreich
Scherenschnitt. Herz mit Marterwerkzeugen. Klosterarbeit aus Oberösterreich. Ende 18. Jahrhundert.

Wenn in Oberbayern zu Mariä Lichtmess das heilige „Wachs“ geweiht wird, so kauft jeder Hausvater in der Kirche eine geweihte weiße Kerze für sich, für die Frau einen roten Wachsstock. Die Hauskerze wird das ganze Jahr hindurch sorgsam bewahrt und nur bei schwerem Unwetter in der Nacht angebrannt, denn – so fügt der Berichterstatter hinzu – Gewitter, besonders Hagel, in der Nacht kommen nie von Gott, sondern stets von bösen Gewalten; ebenso wird die Hauskerze am Sterbebett angezündet, um den Teufel von der scheidenden Seele fernzuhalten. Das rote Wachs des Frauenwachsstocks dient besonders, um Hand, Fuß und Gerät der Wöchnerin gewunden zu werden und alle Zauber von Mutter und Kind abzuwehren; auch wird daraus ein Drudenfuß gegen Hexen und Alp geflochten. 1) Wir sehen, auch hier werden die Kerzen, wie es die römische Formel ja deutlich ausspricht, zur Abwehr der bösen Geister verwendet.

Auch bei der Hochzeit spielt die Fackel eine wichtige Rolle. In Griechenland geleitet die Mutter die Braut mit Fackeln, und die Mutter des Bräutigams führt sie mit Fackeln in das Haus ein. 2) Ebenso gehen in Rom dem Brautzuge Fackelträger voran. 3) Mag nun auch vielleicht einerseits diese Verwendung der Fackeln damit zusammenhängen, daß der Hochzeitszug am Abend stattfand 4), mag andererseits in Rom die Fackel irgend wie bei dem aqua et igni accipere verwendet worden sein 5), jedenfalls läßt sich zum mindesten für den römischen Brauch deutlich erweisen, daß die beiden Gründe zur Erklärung nicht ausreichen.

1) Bavaria (Landes- und Volkskunde des Königreichs Bayern, München 1860), I, 1, 366.
2) Schol. Eurip, Troad, 315. Eurip. Iph. Aul. 732. Phoen. 345. Medea 1024 ff. Schol. Apoll. Arg. IV, 808. Schol. Eurip. Phoen. 344.
3) Marquardt, Privataltert, S. 54. Roßbach, Untersuchungen über die römische Ehe S. 337 ff.
4) Serv Ecl. VIII, 29. Fest. 245 a (s. S. 73,
5). Vgl. Samter, Familienfeste der Griechen und Römer S. 18.

Während die übrigen Fackeln, die im Hochzeitszug getragen werden, aus Fichtenholz bestehen 1), ist die Fackel, die ein Knabe, dem Vater und Mutter leben, der Braut voranträgt, aus Weißdorn. 2) Der Weißdorn aber besitzt die Kraft, dämonische Einflüsse abzuwehren. In Rom legt man ihn ans Fenster, um die Kinder gegen die bösen Strigen zu schützen, die ihnen das Blut aus dem Leibe saugen. 3) Auch in Asien wurde er zur Sühnung benutzt. 4) Die Griechen glaubten gleichfalls, daß er gegen Zauber und Geister schütze. 5) In Athen kaute man ihn deshalb am Feste der Choes, an dem die Seelen der Toten emporsteigen. 6)

1) Ovid fast. II, 558. Seneca Medea 37. 111. Vergil. Cir. 439. Catull. 61, 15.
2) Fest. p. 245 a, 1. Patrimi et matrimi pueri praetextati tres nubentem deducunt, unus, qui facem praefert ex spina alba, quia noctu nubebant, duo, qui tenent nubentem.
Varro b. Non. p. 112, 23. cum a nova nupta iqnis in face adferretur, foco eius sumptus, cum fax ex spina (cod. pinu) alba esset, ut eam puer ingenuus adferret.
Plin. XVI, 75. spina nuptiarum facibus auspicatissima.
3) Ovid, fast. VI, 129 (Janus gibt der Göttin Carna den Weißdorn).
sic futus spinam, qua tristes pellere posset
a foribus noxas (huec erat alba) dedit

virgaque Ianalis de spina ponitur alba,
qun lumen thalamis parva fenstra dabat.
post illud nec ares (Striges) cunus violasse feruntur
ac rediit puero, qui fuit ante, color.
4) Varro b. Charis p. 144, 22. In Asia fax ex spina alba praefertur, quod purgationis causa adlhibetur.
5) Rohde, Psyche I, 237, 3. Harrison, Prolegomena to the study of greek religion p. 39.
6) Phot. S.

Man hängt ihn auch an die Türen, um bösen Zauber abzuhalten 1), namentlich aber bei Totenopfern, um sich dadurch gegen Gespenster zu schützen. 2) In Zusammenhang mit solchem Glauben an die reinigende, sühnende Kraft des Dorns steht es wohl auch, wenn Teiresias befiehlt, die von Herakles erwürgten Schlangen auf Dornsträuchen zu verbrennen. 3)
Nach dem, was wir im vorhergehenden über die Kraft des Weißdorns kennen gelernt haben, ist es klar, was er bei der römischen Hochzeit zu bedeuten hat: die Weißdornfackel, die der Braut vorangetragen wird, soll die bösen Geister fernhalten, die sie am Hochzeitstage bedrohen. Hier trägt dazu auch das Holz bei, aus dem die Fackel gefertigt ist, aber schwerlich wäre dies gewählt worden, wenn nicht die Fackel selbst dem gleichen Zwecke gedient hätte, und wir dürfen deshalb nach allem, was wir über die Verwendung der Fackeln oder Kerzen zur Geistervertreibung in anderen Fällen erfahren haben, annehmen, daß sie auch, wo sie nicht aus Weißdorn besteht, bei der Hochzeit – neben anderen Zwecken – auch zur Abwehr der Geister getragen wird.

1) Pedanius Dioscurid. de mat. med. I, 90 (ed. Wellmann). Vgl. auch Laert. Diog. IV, 57.
2) Sehol. Nic. Theriaka 861. Vgl. auch Anonymus de virib. herb. 9 ff. (Haupt, opuscula II, 477). v. 20 ff. (Pallas Athene).
Bötticher (Baumkultus der Hellenen S. 361) gibt unter Hinweis auf die Stelle der Nikander-Scholien und die in der vorhergehenden Anmerkung erwähnte Stelle an, daß man Weißdorn vor den Türen der Häuser, die nach einem Todesfalle lustriert wurden, verbrannt habe, um die verunreinigte Luft wieder gesund zu machen, wovon an keiner von beiden Stellen etwas gesagt wird. Ebenso ist es irrig, wenn er auf Grund der oben (S, 73, 7) zitierten Stelle des Photios erwähnt, in Athen habe man aus der Pflanze eine Salbe gemacht, mit der man sich und die Häuser bestrich.
3) Theokrit. XXIV, 87 ff. – Über … im Zauber vgl. jetzt auch noch O. Crusius, Über das Phantastische im Mimus , Neue Jahrb. XXV (1910), S. 87.

Außer im antiken griechischen und römischen Brauch finden wir auch sonst die Fackel oder Kerze, die ja der Fackel gleich zu achten ist, bei der Hochzeit. Im modernen Griechenland gehen dem Hochzeitszuge nicht nur Fackelträger voraus, sondern auch das Brautpaar selbst trägt Fackeln. 1) Nach dem Ritus der griechischen Kirche übergibt der Priester dem Brautpaar beim Beginn der Trauung brennende Lichter. 2) In der koptischen Kirche gehen, wie bei anderer Gelegenheit oben (S. 63) erwähnt, die Priester der Braut mit Kerzen und Glöckchen entgegen. Was die Glöckchen bedeuten, haben wir oben bereits gesehen: sie verscheuchen mit ihrem Schall die bösen Geister. 3) Daß sie sich hier mit den Kerzen verbinden, zeigt wieder, daß auch diese dem gleichen Zweck dienen. – In Clenze im hannövorschen Wendland wurde die Braut vor der Haustür mit vier Lichtern empfangen und damit in alle Winkel des Hauses begleitet. 4) In der Eifel geht ein kleines Mädchen mit einer Kerze in der Hand, der „Brautkerze“, der Braut voraus und begleitet sie bei der Trauung zum Altar und von demselben zurück. 5) Noch im Bewusstsein lebendig ist der Zweck der Kerzen bei den Hindus. Bei ihren Hochzeiten werden Lichter (und andere Gegenstände) der Braut und dem Bräutigam um das Haupt geschwenkt als Schutz gegen böse Geister. 6)

1) Wachsmuth, Das alte Griechenland im neuen S. 93.
2) Goar, Euchologia (Venet. 1730) S. 310.
3) S. oben S. 62 f.
4) Tetzner, Die Drahwener im hannöverschen Wendlande um 1700, Globus LXXXII (1902), S. 271.
5) Schmitz, Sitten und Bräuche des Eifler Volks S. 54.
6) Sartori, Zeitschr. des Vereins für Volkskunde XVII (1907), S. 370, 1.

Beachtenswert ist auch eine Sitte der buddhistischen Khmers in Kambodscha. Hier wurde das Brautpaar bei der Hochzeit von einer Schar im Kreise umgeben, und diese ließ siebenmal eine brennende Lampe kreisen. 1) Kohler sieht hierin eine siebenmalige Anrufung der Geister, es handelt sich aber, wie man nach den übrigen angeführten Bräuchen annehmen darf, auch hier sicher um ihre Verscheuchung.

Bei der Besprechung der Lichtmesskerze hatte ich erwähnt, daß diese in Bayern auch am Sterbebett angezündet wird. Die Sitte, neben dem Sterbenden ein Licht zu halten oder ihm eine Kerze in die Hand zu geben, ist weit verbreitet. 2) Wir finden sie in den verschiedensten Gegenden von Deutschland. 3) In Böhmen geht man, wenn die Todesstunde naht, mit einer brennenden, am Lichtmesstage geweihten Kerze oder einem Wachsstock dreimal um das Bett des Sterbenden. 4) In Rumänien werden eine, in manchen Gegenden auch zwei oder mehrere Kerzen neben den Kopf des Sterbenden gehalten und dann dem Toten in die Hand gegeben. Es gilt dort als ein schweres Unglück, wenn jemand im Krieg, durch Unfall oder sonst irgendwie ums Leben kommt, ohne daß ihm eine brennende Kerze zu Häupten gehalten werden konnte. 5) Ebenso wie neben dem Sterbenden Kerzen gehalten oder gestellt werden, läßt man in Deutschland auch neben der Leiche, solange sie über der Erde ist, Lichter brennen 6), ja bisweilen wird die Kerze auch nach dem Begräbnis nicht ausgelöscht, sondern man läßt sie ruhig ausbrennen. 7)

1) Kohler, Zeitschr. für vergleichende Rechtswissenschaft XVIII (1905), S. 319).
2) Ich führe hier nur einige Beispiele dafür an, die zum größeren Teil meinem Aufsatz „Antike und moderne Totengebränche“ (Neue Jahrbücher XV [1905], S. 34 f.) entnommen sind, und verweise im übrigen auf die umfassenden Zusammenstellungen von Sartori, Feuer und Licht im Totengebrauche, Zeitschr. des Vereins für Volkskunde XVII (1917), S. 361 f.
3) Wuttke S. 157, § 723. E. H. Meyer, Deutsche Volkskunde S. 268.
4) Sartori a. a. O. S. 362.
5) Flachs, Rumänische Hochzeits- und Totengebräuche S. 43 f.
6) Wuttke S. 461, § 729.
7) E. H. Meyer a. a. O. S. 271 f. – In Südhannover brennt auf dem Sarg der „Krüsel“, eine kleine Öllampe; nach der Wegführung der Leiche leuchtet man damit in jede Ecke des Hauses, damit die Furcht vor dem Verstorbenen vertrieben wird. Dann stellt man den Krüsel so hin, daß er ungestört ausbrennen kann; ausgelöscht wird er nicht, damit nicht einem Lebenden im Hause das Lebenslicht ausgeblasen werde (Sohnrey, Robinson in der Lindenhütte S. 3).

Auch diese Sitte ist nicht auf Deutschland beschränkt. In Schottland wird eine Kerze dreimal um den Leichnam geschwenkt. 1) In der Beschreibung eines Begräbnisses der russischen Lappen (aus dem Jahre 1671) heißt es, daß rings um den Sarg viele Tannenwurzeln angezündet wurden, die wie Lichter brannten. 2) Die Armenier legen nach dem Leichenbade zwei Kerzen in die Hand des Toten. 3) Die Bulgaren und Rumänen zünden Kerzen nahe der Leiche an 4); auch die Chinesen stellen Kerzen um den Sarg 5), ebenso wird in Bengalen bei einem Todesfall eine brennende Lampe im Sterbezimmer aufgestellt. 6) Auch im alten Rom begegnet uns diese Sitte. Auf der Darstellung einer Aufbahrung, dem im Lateran befindlichen Relief vom Haterier Monumente (Haterii, einer Familie von Bauherren, die in den ersten Jahren des 2. Jh. n. Chr. eine eigene Grabstätte längs der antiken via Labicana errichtet hatte.), sehen wir neben dem Bett, auf dem die Tote liegt, außer kleinen Räucherpfannen brennende Fackeln. 7)
In Rom zog auch der Leichenzug unter Fackelschein dahin. 8) Auch dieser Brauch kehrt bei zahlreichen anderen Völkern wieder.

1) Sartori a. a. O. S. 365.
2) Kahle, Von de la Marlinières Reise nach dem Norden. Zeitschr. des Vereins für Volkskunde XI (1901), S. 434.
3) Abeghian, Der armenische Volksglauben S. 21f.
4) Strauß, Die Bulgaren S. 446. Flachs a. a. O. S. 47.
5) Sartori, Feuer und Licht im Totengebrauche, Zeitschr. des Vereins für Volkskunde XVII (1907), S. 363.
6) Sarat Chandra Mitra, One some superstitious prevalent in Bengal, Journal of the Anthrop. Society of Bombay II, p. 589, nr. 69.
7) Benndorf-Schöne, Die antiken Bildwerke des lateranischeu Museums S. 221, Nr. 348. Brunn, Annali dell‘ ist. 1849, 364 (= Kleine Schriften I, 73 ff.). Helbig, Führer durch die öffentlichen Sammlungen klassischer Altertümer in Rom I, Nr. 691. Abbildungen: Mon. dell‘ ist. V, 6. Garucci, mus, Lat. Tf. 37. Brunn, Kl, Schrift I, 74. Baumeister, Denkmäler I, S. 239. Schreiber, Kulturhistor. Bilderatlas Tf. C, 8. Sittl, Gebärden der Griechen und Römer S. 69. Daremberg-Saglio, Dict. II, 2, Fig. 3360.
8) Marquardt-Mau, Privatleben der Römer S. 343 f. Angeblich geschah dies, weil in ältester Zeit die Begräbnisse bei Nacht stattfanden (Serv. Aen. VI, 224.

In Steiermark z. B. wird dem Sarge eine Laterne mit brennendem Lichte vorangetragen. Im Sausaler Weingebirge muß die nächste Verwandte mit der Laterne auf dem Sarg sitzen, der mit der dort üblichen Ochsenbespannung zum Kirchhof gefahren wird. 1) In Japan geht im Leichenzug ein grau gekleideter Mann mit einer brennenden Fackel in der Hand. Wenn der Zug zum Scheiterhaufen gelangt ist, schwingt der Priester die Fackel, mit der nachher der Scheiterhaufen angezündet wird, dreimal um das Haupt des Toten. 2) Im wallonischen Gebiete geht eine große Zahl Kerzen oder Fackeln tragende Kinder dem Leichenzug voran 3), ebenso schreitet in Borneo dem Zuge ein Mann mit einer brennenden Fackel voraus. 4)

Mannigfache Gründe werden für die Verwendung der Lichter und Fackeln beim Tode angegeben. Im Vogtland z. B. heißt es, man stelle das Licht neben die Leiche, damit die Seele nicht im Finstern zu wandeln brauche. 5) In Rumänien sagt man, die brennende Kerze, die man neben den Sterbenden stellt, solle bedeuten, daß er ein Christ sei und mit allen Menschen versöhnt aus dem Leben scheide, und gleichzeitig soll sie ihm dazu dienen, den Weg ins Jenseits wahrnehmen zu können. 6) Ähnlich heißt es in China, die um den Sarg gestellten Kerzen sollen dem Geiste des Toten auf seinem Wege leuchten. 7) Nach armenischem Volksglauben sollen die dem Toten in die Hand gelegten beiden Kerzen dazu dienen, daß er seine Verwandten und Bekannten in der dunklen jenseitigen Welt erkenne. 8)

1) Weinhold. Aus Steiermark, Zeitschr. des Vereins für Volkskunde VIII (1898), S. 447 f.
2) Andreä, Die Totengebräuche der verschiedenen Völker der Vor- und Jetztzeit S. 68 f.
3) Sartori a. a. O. S. 367 f.
4) Sartori a. a. O. S. 367. Weitere Beispiele bei Sartori a. a. O.
5) Kühler, Volksbrauch im Vogtlande S. 442.
6) Flachs, Rumänische Hochzeits- und Totengebräuche S. 43.
7) Sartori a. a. O. S. 363.
8) Abeghian, Der armenische Volksglauben S. 21 f.

Ein neuerer Forscher meinte, die in der Nacht vor dem Begräbnis angezündete Kerze beweise, daß man die Grabesnacht erst nach dem Begräbnis angebrochen wissen wolle. 1) Diese Erklärung ist, wie Bernhard Kahle richtig dazu bemerkt 2), zu abstrakt gedacht, als daß sie für den Volksglauben richtig sein könnte.
Was die Kerzen beim Tode wirklich zu bedeuten haben, kann keinem Zweifel unterliegen, wenn wir das erwägen, was wir im vorhergehenden über die sonstige Verwendung der Kerzen kennen gelernt haben: wie in den anderen besprochenen Fällen dient auch beim Tod die Kerze oder Fackel zur Geisterabwehr. Diese Bedeutung ist denn auch längst erkannt worden 3), und sie ist auch hie und da noch im Volksglauben lebendig. In Bengalen heißt es, die Lampe im Sterbehause solle die bösen Geister verscheuchen, die es besuchen. 4) Schon oben (S. 72) erwähnt hatte ich, daß nach oberbayerischem Glauben die Kerze den Teufel von der scheidenden Seele fernhalten soll; ebenso sagt man in manchen Gegenden von Rumänien, die Kerze solle den Unreinen, d. h. den Teufel, fern halten 5), und in der Oberpfalz heißt es, die Kerze, die man dem Sterbenden vorhalte, solle die bösen Geister vertreiben. 6) Außer den bösen Geistern, die das Sterbehaus bedrohen, soll das Feuer wohl auch die Seele des Toten selbst aus dem Hause verjagen. 7) Wie aber Sartori richtig hervorhebt, läßt sich nicht in jedem Falle bestimmt sagen, gegen welche Mächte sich die Abwehrmaßregeln richten. „Der Sterbende wird gegen böse Geister und allerlei Zauber, vielleicht noch im letzten Augenblicke gegen den Tod selbst geschützt werden sollen, der Tote aber bringt seinerseits die Überlebenden in Gefahr, teils durch die lebensfeindlichen Mächte, die noch längere Zeit an ihm haften, teils durch seine eigene Seele, die gern andere mit sich ins Jenseits zieht. 8)

1) v. Negelein, Die Reise der Seele ins Jenseits, Zeitschr. des Vereins für Volkskunde XI (1901), S. 18.
2) Zeitschr. des Vereins für Volkskunde XI (1901), S. 434, 1.
3) E. H. Meyer, Germanische Mythologie S. 70, § 101. Sartori a. a. O. S. 369 f.
4) Journal of the Anthrop. Society of Bombay II, p. 589, nr. 69.
5) Flachs a. a. O. S. 43.
6) Wuttke S. 457, § 723.
7) E. H. Meyer a. a. O.
8) Sartori a. a. O. S. 370.

Wenn nun aber auch der Wunsch, durch die Kerzen die Seele selbst und die beim Tode erscheinenden Geister abzuwehren, das Hauptmotiv für ihre Verwendung ist, so scheinen gelegentlich auch noch andere Vorstellungen mit hineinzuspielen. 1) Namentlich nach dem Begräbnis scheinen die im Haus angezündeten Lichter den Zweck zu haben, der Seele, die noch im Haus weilt, zu leuchten, sie zu wärmen, sie anzulocken. So werden bei den Wadschagga (Dschagga, die sehr fruchtbare unterste Terrasse der Südabhänge des Kilimandscharo in Deutsch-Ostafrika (Bez. Moschi), bewohnt von den hellfarbigen Wadschagga. Quelle: Zeno.org) am Tage nach dem Begräbnis eines Mannes im Hofe Feuer angezündet und zwei bis drei Tage lang unterhalten. An dem Feuer soll sich die Seele wärmen und sich zugleich an den Speisen ergötzen, die ihr zur Ehre über jenen Feuern gekocht werden. Im hannöverschen Wendland geht man nach dem Begriäbnis in die Bauernstube, wo die Angehörigen Bier geben müssen. Auf die letzte, leere Tonne setzt man zwei Lichter, ein Glas Bier und eine Semmel und schließt die Tür zu. Das Seelchen soll dann kommen und etwas davon nehmen. In Ostpreußen wird nach dem Begräbnis ein Stuhl in die Stube an die Tür gestellt, ein Handtuch daneben gehängt, und die Nacht über brennt ein Licht; der Tote kommt sich dann bedanken. 2) Ferner scheint es, als ob bisweilen das Licht als Repräsentant der Seele aufgefaßt worden sei 3), so wenn in Rumänien das Totenlicht genau die Länge des Leichnams erhält und in manchen Orten mit begraben, in anderen nach der Verwendung beim Begräbnisse nach Hause genommen und an den drei

1) Sartori a. a. O. S. 371, 379f.
2) Sartori a, a. O. S. 379. S. 386, 1 vermutet Sartori, daß ursprünglich bei der Speisung der Seelen das Licht den Spendern Schutz gewähren solle. Die Toten sollten zwar das Ihrige erhalten, aber auf einen bestimmten Bezirk beschränkt und an Übergriffen in den Bereich der Lebenden gehindert werden. Mir erscheint diese Erklärung zweifelhaft, denn das Licht wird in Fällen, wie die oben angeführten, doch gerade dahin gestellt, wo man die Seele erwartet und speist, nicht dorthin, wo man sie nicht haben will.
3) Auch hierauf hat schon Sartori a. a. O. hingewiesen. Vgl. S. 373: „Manchmal sieht es beinahe aus, als ob man zwei verschiedene Feuer unterscheide, von denen das eine als Abwehrmittel, das andere in irgendeinem anderen Sinne, als Repräsentant des Toten, als Ehrung, Opfer oder dergleichen aufgefaßt wird.“ Vgl. auch v. Negelein, Zeitschrift des Vereins für Volkskunde XI, 20.

nächsten Abenden gleich nach Sonnenuntergang an der Stelle, wo des Sterbenden Kopf war, brennend aufgestellt wird, da die Seele dann noch zurückkommt.1) Mit solcher Vorstellung hängt es wohl auch zusammen, daß beim Tod des Serbenkönigs Milan Obrenowitsch I. († 1860) 40 Tage lang ein brennendes Öllicht auf das leere Bett gestellt wurde 2), und daß nach jüdischem Ritus der Leidtragende während der acht Tage nach dem Todesfall, die er auf der Erde hockend verbringt, den Blick nach dem Tag und Nacht brennenden Totenlichte wenden muß. 3) Auffallend wäre eine solche Vertretung der Seele durch ein Licht nicht, da in dem Volksglauben die Vorstellung vom Lebenslicht, d. h. doch also vom Licht als Repräsentanten der Seele 4), weit verbreitet ist, ich erinnere nur an das Märchen vom „Gevatter Tod“ 5) und die mannigfachen Arten, in denen das längere oder kürzere Brennen eines Lichts zur Wahrsagung über die Lebensdauer benutzt wird. 6) Sehr charakteristisch ist folgender Brauch der Oberpfalz. 7) Wie man sonst zum Zauber Puppen oder Wachsbilder einer Person anfertigt, mit denen man irgendwelche Handlungen vornimmt, die der entfernten Person gelten sollen 8), so wird in der Oberpfalz statt des Bildes eine Kerze verwendet. Das von ihrem Liebhaber betrogene Mädchen steckt um Mitternacht in eine unter Beschwörungen angezündete Kerze einige Nadeln und spricht: „Ich stech das Licht, ich stech das Licht, ich stech das Herz, das ich liebe,“ Daran muß der Ungetreue sterben. 9) Daß die bei uns üblichen Geburtstagskerzen in den Kreis der Lustrationsriten gehören, hat Diels zutreffend bemerkt. 10)

1) Flachs, Rumüniscbe Hochzeits- und Totengebräuche S. 53.
2) Rochhotz, Deutscher Glaube und Brauch I, S. 196.
3) Franzos, Der Pojaz S. 42. Blogg, Israelitisches Andachtsbuch bei Krankheitsfällen usw. (Hannover 1875) S. 78.
4) Vgl. B. Kahle, Seele und Kerze, Hessische Blätter für Volkskunde VI (1907), S. 9 ff.
5) Grimm, Kinder- und Hausmärchen Nr. 44.
6) Kahle a. a. O. S. 15 f.
7) Von Kahle a. a. O. S. 13 angeführt.
8) Ebel, Hessische Blätter für Volkskunde III, 130 ff.
9) Wuttke S. 367 § 554.
10) Diels, Sibyll. Blätter S. 48.

Wenn aber das zu den übrigen Kerzen hinzutretende „Lebenslicht“ nicht ausgelöscht werden darf, so wird es doch wohl als Repräsentant der Seele betrachtet. Eine Spur davon, daß diese uns geläufige Vorstellung vom Lebenslicht auch im Altertum existierte, hat RieB aus Artemidoros‘ Traumbuch nachgewiesen. 1)

1) Rieß, Rhein. Mus, XLIX (1894), S. 183. Artemidor. I, 74 (67, 12ff. H.) … Vgl. II, 9 (96, 15 ff. H.): ein hell brennendes Licht verkündet dem Kranken Genesung, ein dunkles verkündet seinen Tod. – Die Auffindung von Lampen in Gräbern führt Rieß jedenfalls mit Unrecht als eine weitere Spur dieser Vorstellung im Altertum an. Die Lampen in den Gräbern erklären sich vielmehr aus ihrer Verwendung im Lustrationsritus.

Quelle: Geburt, Hochzeit und Tod: Beiträge zur vergleichenden Volkskunde von Ernst Samter. Leipzig: B. G. Teubner, 1911.

Vögel, Scherenschnitt, Illustration

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