Adriaen Brouwer, flämischer Maler in der ersten Hälfte des 17. Jh.
Adriaen Brouwer.
Geb.
Adriaen Brouwer war als Maler in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Flandern und der Niederländischen Republik tätig. Sein Vater, der auch Adriaen genannt wurde, arbeitete als Tapetengestalter in Oudenaarde, damals ein wichtiges Zentrum für die Tapetenproduktion in Flandern. Der Vater starb in Armut, als Adriaen der Jüngere erst 15-16 Jahre alt war. Brouwer hatte zu diesem Zeitpunkt bereits das väterliche Haus verlassen. Brouwer trug zur Entwicklung des Genres der Tronien bei, d.h. Kopf- oder Gesichtsstudien, die Ausdrucksvarianten untersuchen. In seinem letzten Jahr produzierte er einige Landschaften von tragischer Intensität. Brouwers Werk hatte einen wichtigen Einfluss auf die nächste Generation flämischer und niederländischer Genremaler.
Brouwer wurde um das Jahr 1605 oder 1606 wahrscheinlich zu Oudenaerde in Flandern geboren. Früher nahm man an, daß er aus Haarlem stammte, von Franz Hals die Malerei erlernt, und, da dieser ihn eingeschlossen hielt, um sich mit seinen Arbeiten zu bereichern, sich auf die Flucht begeben und bei Rubens in Antwerpen Aufnahme gefunden habe, in folge seiner tollen Lebensweise aber noch jung bei Jahren im Hospital gestorben sei. Diese Lebensgeschichte wurde mit zahlreichen anekdotenhaften Zügen ausgeschmückt und mochte um so leichter glaubhaft erscheinen, je mehr Einzelheiten aus dem Tun und Treiben des Malers angeführt werden konnten.
Neuere Untersuchungen haben indessen ergeben, daß die angedeuteten Erzählungen aus dem Leben Brouwers auf Erfindung beruhen und deshalb für seine Biographie wertlos sind. Bis jetzt aber ist man nicht imstande, die als Legendenhafte erkannte, ziemlich lückenhafte Lebensbeschreibung durch eine auch nur annähernd vollständige, auf beglaubigte Angaben gestützte zu ersetzen. Die Schülerschaft bei Franz Hals hat sich allerdings bestätigt. Man weiß jetzt, daß sich Brouwer im Jahre 1628 in Haarlem aufhielt. Während der letzten sieben Jahre seines Lebens war er in Antwerpen ansässig, wo er im Winter von 1631 auf 1632 als Meister in die Lukasgilde aufgenommen wurde. 1633 wurde Brouwer in der Zitadelle von Antwerpen inhaftiert. Der Grund für die Inhaftierung ist nicht klar. Möglicherweise handelte es sich um Steuerhinterziehung oder auch um politische Gründe, weil die lokalen Behörden ihn möglicherweise als Spion für die Niederländische Republik angesehen haben. Wiederholt kam er wegen seiner Schulden mit den Behörden in Konflikt. Der Betrieb der Bäckerei in der Zitadelle Antwerpen lag in den Händen des Bäckers Joos van Craesbeeck. Es wird davon ausgegangen, dass sich Brouwer und van Craesbeeck in dieser Zeit kennengelernt haben. Basierend auf Informationen des zeitgenössischen flämischen Biographen Cornelis de Bie in seinem Buch Het Gulden Cabinet van Craesbeeck wird angenommen, dass er Brouwers Schüler und bester Freund geworden ist. Die stilistischen Ähnlichkeiten von van Craesbeecks frühem Werk mit dem von Brouwer scheinen dies zu bestätigen.
1635 nahm Brouwer Jan-Baptist Dandoy (aktiv 1631-1638) als seinen einzigen offiziell registrierten Schüler auf. Im Januar 1638 starb Adriaen Brouwer in Antwerpen. Einige frühe Biographen verbanden seinen frühen Tod mit seinem Lebensstil und dem Missbrauch von Alkohol. Houbraken führt seinen Tod jedoch auf die Pest zurück. Letzteres beweist, dass seine Überreste ursprünglich in einem Gemeinschaftsgrab begraben waren. Einen Monat nach seinem Tod am 1. Februar 1638 wurde sein Leichnam nach einer feierlichen Zeremonie und auf Initiative und Kosten und in Anwesenheit seiner Künstlerfreunde in der Karmelitischen Kirche Antwerpen wiederbeigesetzt.
Brouwer hat mit Vorliebe das Leben und Treiben der niederen Stände seiner Zeit in den Schenken und Baderstuben geschildert und keine Bedenken gehabt, dasselbe genau nach der Wirklichkeit und ohne Milderung seiner ursprünglichen Gemeinheit darzustellen. Haben daher seine Bilder für alle diejenigen, die in der Kunst nur das Schöne, nicht aber auch das Charakteristische suchen und das Allgemein gültige dem Individuellen ein für allemal vorziehen, viel abstoßendes, so sind sie für alle Freunde einer scharfen Beobachtung und alle Kenner malerischer Feinheiten von jeher ein Gegenstand der Bewunderung gewesen. Denn abgesehen von dem reichen Humor in Brouwers Gemälden, der auch das Häßliche in eine idealere Sphäre erhebt, entzücken dieselben sowohl durch ihre geschickte Gruppierung, als namentlich durch ihre technische Meisterschaft, welche zu erringen der Künstler unausgesetzt bemüht war.
Es ist immer noch umstritten, ob er eine moralische Botschaft vermitteln wollte. Er scheint sich mehr oder weniger auf den Ausdruck seiner Probanden konzentriert zu haben, die die Emotionen von Schmerz, Wut, Ekel und Freude durchlaufen.
Dies wird besonders deutlich in seinen vielen Gemälden von Wirtshausschlägereien, wie die der zwischen Bauern und kämpfenden Kartenspielern (beide in der Alten Pinakothek, München). Diese Kompositionen zeigen, wie sich Wut in ihren unterschiedlichen Stadien und Graden in den Gesichtsausdrücken der Personen widerspiegelt. Brouwer scheint diese Ausbrüche von Wut nicht als christliche Sünde zu verurteilen, sondern als Ausdruck mangelnder Selbstkontrolle. Diese Sichtweise basierte wahrscheinlich auf den ethischen Ideen von Seneca, die vom flämischen Philologen und Humanisten Justus Lipsius wiederentdeckt und zum Neostoizismus weiterentwickelt wurden. Diese neuen Ideen wurden im humanistischen Kreis von Antwerpen, zu dem Brouwer gehörte, allgemein akzeptiert.
Brouwers stilistische Entwicklung kann nicht mit Sicherheit verfolgt werden. Es wird angenommen, dass Bilder in leuchtenden Naturfarben in den 1620er Jahren gemalt wurden. Um 1630 begann Brouwers Palette eine starke Präferenz für Braun, Grau und Grün zu zeigen. Der Maler hatte eine freie, skizzenhafte Malweise und trug die Farbe dünn auf.
Ungefähr 50 Gemälde von seiner Hand beweisen, daß er die kurze Zeit seines Lebens nach Kräften ausgenutzt hat. Von diesen befinden sich allein 18 in der alten Pinakothek zu München, 5 in Dresden, andere in Wien, Berlin, Frankfurt a. M., Karlsruhe, Schwerin, Amsterdam, Brüssel, Paris und in englischem Privatbesitz, wo der Meister übrigens seltener, als man erwarten sollte, anzutreffen ist.
Da Brouwer seine Bilder nicht zu datieren pflegte, muß man aus inneren Gründen an ihnen den Gang seiner künstlerischen Entwicklung darzulegen suchen. Auf diesem Wege hat man festgestellt, daß die »Bauernkneipe« und die „Bauernschlägerei“ in Amsterdam zu den frühesten Gemälden Brouwers gehören.
Als Frühwerke sind ferner anzusehen, die »Bauernmahlzeit« in Schwerin und das etwas drastische Bild der Dresdener Galerie, das uns einen Bauern zeigt, wie er seinen Sohn mit aufgehobenem Röckchen über die Knie legt, um ihn mit einem Tuche zu reinigen. Den Übergang zu der mittleren Periode des Künstlers bilden die »Raufenden Kartenspieler« und die »Dorfbaderstube« in München. Dort befinden sich auch etwa 12 Bilder, welche seiner mittleren Zeit angehören, in welcher er einen s „körnig-email-artigen“ Farbenauftrag liebte. Drei davon stammen wahrscheinlich ans der Folge der »fünf Sinne«. Sie veranschaulichen das Gehör durch eine singende Bauerngesellschaft, das Gefühl durch eine Verbandsanlage von seiten eines Dorfarztes und den Geruch durch eine Gruppe von sechs Bauern, welche rauchend um einen Schanktisch sitzen. Aus Brouwers letzter Zeit, in der er sich am meisten seinem Lehrer Franz Hals näherte, rühren unter den Münchener Bildern her: die »Trinkstube«, »zwei Soldaten beim Würfelspiel« und die »Bauernkneipe mit dem schlafenden Wirte«.
In die letzte Zeit Brouwers werden auch die meisten seiner breit und stimmungsvoll gehaltenen Landschaften verlegt, welche in Wien, Berlin, Brüssel und London aufbewahrt werden. Eigenhändige Radierungen Brouwers gibt es nicht, wohl aber eine Anzahl von holländischen Stechern gefertigte, denen Handzeichnungen aus seinen Jugendjahren zu Grunde liegen.
„In seiner Art“, so charakterisiert Woermann das Gesamtwerk des Künstlers, „gehört Brouwer trotz, vielleicht auch wegen seiner Einseitigkeit zu den bedeutendsten Meistern des 17. Jahrhunderts, und wenn er auch seiner künstlerischen Entwicklung nach zwischen den Flamen und den Holländern in der Mitte steht, die individualisierende Kraft von den Holländern, die dramatische Lebendigkeit von seinen Flämischen Landsleuten hat, so bleibt er vor allen Dingen doch immer der Originalkünstler, der seine eigenen Wege gesucht und gefunden hat“.
Quelle: Das Zeitalter des Dreissigjährigen Krieges (1600-1670). Allgemeines historisches Portraitwerk. München 1895. Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft vormals Friedrich Bruckmann. Nach den besten gleichzeitigen Originalen nach Auswahl von Dr. Woldemar von Seidlitz mit biografischen Daten von Dr. H. Tillmann und Dr. H. A. Lier.
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