Der Apfel „Andenken an Palandt“ aus Hildesheim.
Der Apfel „Andenken an Palandt“,
von C. Mathieu.
Unter den vielen Neuheiten in Früchten, die jährlich Frankreich, England, Amerika ganz besonders, Deutschland etc. liefert, die versucht werden und sich vielfach als nicht geeignet für unseren Himmelsstrich, Lage, Boden etc. erweisen, lieferte uns diesmal eine deutsche Firma Westenius Nachfolger Hildesheim (Gebr. Palandt Besitzer), einen Apfel, den die Söhne zu Ehren des verstorbenen Vaters, des allen Obstzüchtern bekannten Pomologen und Waisenhaus-Inspektors Palandt, als von ihm gezüchtet, „Andenken an Palandt“ benannten, einen Apfel, den der Verstorbene bei Lebzeiten hoch schätzte und den Söhnen zur Verbreitung dringend empfahl.
Wir erhielten prächtig gefärbte Exemplare dieser Neuheit übersandt, damit diese der Kommission für Erteilung des Wertzeugnisses des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues vorgelegt, geprüft und des Zeugnisses würdig befunden würden (25. November v. J.)
Dieser Apfel ist in seinem schönen Äussern und Färbung derartig, dass beim ersten Anblick jedermann glaubt, es mit einem der Tiroler Apfel zu tun zu haben, wie dies auch uns gegenüber von einigen Kollegen behauptet wurde, die erst nach Erklärung der Sache ihr Urteil zurückzogen und auf die Eigenschaften des Apfels neugierig wurden.
Der Apfel ist im Durchschnitt mittelgross, ca. 70 mm hoch und ebenso breit, rundlich, der Bauch sitzt ziemlich in der Mitte und flacht sich sodann die Frucht gleichmässig zum Kelche und Stiel ab; Schale sehr fein, glatt, glänzend, hier und da mit rötlichen und rostfarbigen Punkten bedeckt; auch kommen geringe Rostfiguren vor, besonders traten auf der prächtig gefärbten Sonnenseite die Punkte in derselben schroff hervor, welches den Früchten den so anziehenden Anblick gewährt.
Die Grundfarbe ist weissgelb oder wachsgelb, an der Sonnenseite prächtig rot gefärbt, wie bei den bekannten Tiroler Sorten, wodurch geriebene Geschäftsleute sich veranlasst fühlen könnten, diesen Hildesheimer als Bozener, Meraner etc. zu verkaufen, denn zwei solche zarte Farben in weisslich und leuchtend rot besitzen sehr wenige unserer norddeutschen Äpfel; Stiel ziemlich lang, dünn, holzig, in einer flachen, wenig vertieften Einsenkung stehend; Kelch halb offen bis geschlossen in ganz flacher, gerippter Einsenkung, die so flach ist. dass der Kelch mit den einwärts eingeschlagenen Kelchblättchen mit der Oberfläche der Frucht abschneidet und der Apfel auf dem Kelch und seinen Rändern steht; Fleisch weiss, mürbe, saftig, weinsäuerlich, fein gewürzt, sehr wohlschmeckend und fein; Kernhaus herzförmig. Kammern ziemlich gross, einen auch zwei vollkommene, braune, herzförmige, zugespitzte Kerne enthaltend; Reife der Frucht November, bis in den März, selbst bis in den April sich haltend.
Der Baum bildet sich ähnlich einer Baumanns Reinette, gedrungen und aufrecht, trägt früh und setzt reichlich Fruchtholz an, die Früchte hängen wie bei der Landsberger Reinette vielfach unter den Blättern versteckt, sie sitzen fest am Baum, werden nicht leicht vom Wind herab geworfen.
Die Sorte ist als Hochstamm sehr geeignet für Obstfelder und Obstgärten, selbst für Landstrassen und Wege, trotzdem die Früchte durch ihr Äusseres die Aufmerksamkeit des Wanderers auf sich ziehen könnten, was ja am Ende auch kein Unglück ist, denn wozu sind Pächter, Wärter, Feldhüter u. s. w. für die Wege und Felder?
Für Zwergformen erscheint der Baum seines gedrungenen Wuchses und seiner Tragbarkeit sowie seiner einladenden Früchte wegen ganz besonders geeignet. Die Blüte findet spät statt, daher ist jährlich auf eine mehr oder weniger günstige Ernte zu rechnen und ist die Blüte nicht den Folgen des Frostes so ausgesetzt, wie die der frühzeitig blühenden Sorten, wo oft die ganze Ernte in Frage gestellt wird. Der Baum ist hart gegen den Winter und Krankheiten wenig unterworfen, trotzdem der Mutterstamm und die Baumschule der Besitzer frei und offen den Ost- und Nordwinden ausgesetzt sind.
Da der Apfel in Hildesheim von so guter Beschaffenheit und Schönheit ist, so ist nicht zu zweifeln, dass in anderen Gegenden die Sorte auch gut gedeihen und den Erwartungen, wie in dem guten Boden Hildesheims, entsprechen wird und fordern wir die Züchter auf, sich mit diesem Apfel eingehend zu beschäftigen und Anbauversuche zu machen, um so mehr, als es eine deutsche Züchtung ist, die uns eine grössere Bürgschaft bietet als ausländische Sorten, die erst unserem Himmelsstrich sich anpassen müssen und infolge dessen nicht so den Erwartungen entsprechen werden wie in ihrem Geburtsland.
Im Herbst 1898 wird von der Firma die Sorte in den Handel gebracht werden und wünschen wir dem guten Apfel reichliche Verbreitung und den Besitzern gute Einnahmen. C. Mathieu.
Quelle: Gartenflora. Deutsche Gartenbau-Gesellschaft. Erlangen: F. Enke, 1898.
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