Ludwig van Beethoven an die Unsterbliche Geliebte
Ludwig van Beethoven an die Unsterbliche Geliebte
Die unsterbliche Geliebte ist die Adressatin eines Liebesbriefes, den der Komponist Ludwig van Beethoven am 6. und 7. Juli 1812 in Teplitz schrieb. Der gesamte Brief ist auf 10 kleinen Seiten geschrieben, in Beethovens eher uneinheitlicher Handschrift.
Der offenbar nicht abgeschickte Brief wurde nach dem Tod des Komponisten im Nachlass des Komponisten gefunden, danach blieb er bis zu seinem Tod in den Händen von Anton Schindler, wurde anschließend seiner Schwester vermacht und von ihr 1880 an die Berliner Staatsbibliothek verkauft, wo er bis heute erhalten ist. Der Brief ist mit Bleistift geschrieben und besteht aus drei Teilen.
Siehe auch:
Da Beethoven weder ein Jahr noch einen Ort angab, war eine genaue Datierung des Briefes und die Identifizierung des Adressaten bis in die 1950er Jahre spekulativ, bis eine Analyse des Wasserzeichens des Papiers das Jahr und damit den Ort ergab. Seit dieser Zeit sind die Gelehrten hinsichtlich des vorgesehenen Empfängers des Briefs an die Unsterbliche Geliebte geteilter Meinung. Die beiden von den meisten zeitgenössischen Gelehrten bevorzugten Kandidatinnen sind Antonie Brentano und Josephine Brunsvik.
LUDWIG VAN BEETHOVEN AN DIE „UNSTERBLICHE GELIEBTE“
An Josephine Brunsvik(?).
Am 6. Juli morgens. MEIN Engel, mein Alles, mein Ich! — Nur einige Worte
heute und zwar mit Bleistift — (mit Deinem). Erst bis morgen ist meine Wohnung sicher bestimmt; welcher nichtswürdige Zeitverderb in dergleichen. — Warum dieser tiefe Gram, wo die Notwendigkeit spricht? — Kann unsre Liebe anders bestehen als durch Aufopferungen, durch nicht alles verlangen? Kannst Du es ändern, daß Du nicht ganz mein, ich nicht ganz Dein bin? — Ach Gott, blick in die schöne Natur und beruhige Dein Gemüt über das Müssende! — Die Liebe fordert alles und ganz mit Recht; so ist es mir mit Dir, Dir mit mir. — Nur vergißt Du so leicht, daß ich für mich und für Dich leben muß. — Wären wir ganz vereinigt, Du würdest dieses Schmerzliche ebensowenig als ich empfinden. —
Meine Reise war schrecklich — ich kam erst morgens vier Uhr gestern hier an. Da es an Pferden mangelte, wählte die Post eine andere Reiseroute, aber welch schrecklicher Weg! Auf der vorletzten Station warnte man mich, bei Nacht zu fahren, machte mich einen Wald fürchten, aber das reizte mich nur — und ich hatte unrecht. Der Wagen mußte bei dem schrecklichen Wege brechen, grundlos, bloßer Landweg! Ohne solche Postillione, wie ich hatte, wäre ich liegen geblieben unterwegs. — Esterhazy hatte auf dem andern gewöhnlichen Wege hierhin dasselbe Schicksal mit acht Pferden, was ich mit vier. —Jedoch hatte ich zum Teil wieder Vergnügen wie immer, wenn ich was glücklich überstehe. — Nun geschwind zum Innern vom Äußern! Wir werden uns wohl bald sehen. Auch heute kann ich Dir meine Bemerkungen nicht mitteilen, welche ich während dieser einigen Tage über mein Leben machte. — Wären unsre Herzen immer dicht aneinander, ich machte wohl keine dergleichen. Die Brust ist voll, Dir viel zu sagen. — Ach — es gibt Momente, wo ich finde, daß die Sprache noch gar nichts ist. — Erheitere Dich — bleibe mein treuer, einziger Schatz, mein Alles, wie ich Dir. Das übrige müssen die Götter schicken, was für uns sein muß und sein soll. —
Dein treuer Ludwig.
Abends Montags am 6. Juli.
Du leidest, Du mein teuerstes Wesen. — Eben jetzt nehme ich wahr, daß die Briefe in aller Frühe aufgegeben werden müssen, Montags — Donnerstags — die einzigen Tage, wo die Post von hier nach K(orompa]. geht. — Du leidest. — Ach, wo ich bin, bist auch Du mit mir, mit mir und Dir. Werde ich machen, daß ich mit Dir leben kann? Welches Leben!!!! so!!!! ohne Dich — verfolgt von der Güte der Menschen hier und da, die ich meine — ebenso- wenig verdienen zu wollen, als sie zu verdienen. — Demut des Menschen gegen den Menschen — sie schmerzt mich. — Und wenn ich mich im Zusammenhang des Universums betrachte, was bin ich, und was ist der — den man den Größten nennt! — Und doch — ist wieder hierin das Göttliche des Menschen. — Ich weine, wenn ich denke, daß Du erst wahrscheinlich Sonnabends die erste Nachricht von mir erhältst. — Wie Du mich auch liebst — stärker liebe ich Dich doch. — Doch nie verberge Dich vor mir. — Gute Nacht! — Als Badender muß ich schlafen gehen. Ach Gott — so nah! so weit! Ist es nicht ein wahres Himmelsgebäude, unsre Liebe? — aber auch so fest, wie die Feste des Himmels? —
Guten Morgen am 7. Juli — Schon im Bette drängen sich die Ideen zu Dir, meine unsterbliche Geliebte, hier und da freudig, dann wieder traurig, vom Schicksale abwartend, ob es uns erhört. — Leben kann ich entweder nur ganz mit Dir oder gar nicht. Ja, ich habe beschlossen, in der Ferne so lange herumzuirren, bis ich in Deine Arme fliegen kann und mich ganz heimatlich bei Dir nennen kann, meine Seele von Dir umgeben ins Reich der Geister schicken kann. — Ja, leider muß es sein. — Du wirst Dich fassen, um so mehr, da Du meine Treue gegen Dich kennst. Nie eine andre kann mein Herz besitzen, nie — nie! — O Gott, warum sich entfernen müssen, was man so liebt! Und doch ist mein Leben in Wien so wie jetzt ein kümmerliches Leben. — Deine Liebe machte mich zum Glücklichsten und zum Unglücklichsten zugleich. — In meinen Jahren jetzt be- dürfte ich einiger Einförmigkeit, Gleichheit des Lebens — kann diese bei unserm Verhältnisse bestehen? — Engel, eben erfahre ich, daß die Post alle Tage abgeht — und ich muß daher schließen, damit Du den Brief gleich erhältst. — Sei ruhig! Nur durch ruhiges Beschauen unsres Daseins können wir unsern Zweck zusammen zu leben erreichen. — Sei ruhig — liebe mich! — Heute — gestern — welche Sehnsucht mit Tränen nach Dir — Dir — Dir — mein Leben — mein Alles! — Leb wohl! — O, liebe mich fort — verkenne nie das treuste Herz
ewig Dein,
ewig mein,
ewig uns!
Deines geliebten Ludwig.
Quelle:
- Ludwig van Beethovens Briefe, herausgegeben von Albert Leitzmann.
- The art-revival in Austria by Charles Holme. London, Paris, New York, Offices of ‚The Studio‘ 1906.
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