Die Kultur der westlichen Alpenvölker der Schweiz.
Die westlichen Alpenvölker.
Wallis, Kanton Glarus, Veltlin, Berner Jura, Berner Oberland, Evolena, Graubünden.
I.
Pfahlbauspeicher im Lötschental. 2. Handmühle für Weizen und Mais, Kanton Wallis. 3. Hölzernes Türschloß, Kanton Glarus, 4. Handmühle für Salz, Kanton Wallis. 5. Kessel aus Topfstein als Salzbehälter, Val Barona. 6. Backglocke aus Topfstein, Veltlin. 7./8. Specksteinlampen, Lötschental. 9. Kerbbalken als Treppe im Val d’Anniviers. 10. Webegatter, Berner Jura. 11. Steinlampe für Kien, Wallis. 12. Kesselhaken aus Holz, Evolena. 13. Specksteinlampe, Evolena. 14. Stampfer für Gerste, Chur. 15. Käsedeckel,
Berner Oberland.
Nr. 2, 4, 7, 8, 10, 12, 13, 14 in der Sammlung für Völkerkunde in Basel.
Die Bevölkerung der Westalpen setzt sich aus einem alt-alpinen Element, das in Pfahlbauten siedelte, einem keltischen Element, das Einzelhöfe bevorzugte, und einem germanischen Element, das sich in Dörfern vereinigte, zusammen. Die Abgeschlossenheit ihres Landes hat an vielen Stellen die Bedingungen ihrer Kultur, sowohl die äußerlichen der physischen Umgebung wie die innerlichen des Bewusstseins, bis in die neueste Zeit vor umstürzenden Änderungen bewahrt und deshalb altertümliche Formen erhalten, die für ethnologische vergleichende Problematik von großem Werte sind. Wirtschaft, Haus, Gerät, Sitte weisen vieles auf, was seit Jahrtausenden unverändert genau so aussieht, wie es am Anfang, in seinem bodenständigen Ursprung gewesen ist.
In Hochtälern des Wallis hat sich eine nomadisierende Wirtschaftsform erhalten: Derselbe Mann treibt auf der Alp Viehzucht mit Milch- und Käsewirtschaft, auf den mittleren Höhen Korn-, Hanf- und Flachsbau, wofür Wasserleitungen mit festen Benutzungsvorschriften vorhanden sind, und im Rhonetal Weinbau, dessen Trauben er oft 1000 m hoch in die Pressen seines Bergdorfes befördern muß. Zugleich ist er selbst der Färber und Weber seiner braunen Tuchstoffe, deren Wolle er von selbstgezüchteten Schafen nimmt, und die er mit Rinde von Nußbaumwurzeln färbt.
In entlegenen Tälern wird Brot nur alle 3-4 Monate gebacken und mit kerbgeschnitzten Modeln gestempelt. Korn wird in Holz- und Steinmörsern zerquetscht. Handmühlen für Weizen und Mais sind noch viel in Gebrauch, die Steine ruhen entweder auf Holzblöcken (Bild 2) oder sind in einen napfartig ausgehöhlten Holzklotz eingelassen (Bild 4).
Backglocken, die Vorläufer des Backofens, kommen aus Topfstein gemacht vor: der Fladen aus Mais-, Kastanien-, Weizenmehl wird auf den durch ein Holzfeuer erhitzten Boden des Küchenkamins gelegt und mit der Glocke bedeckt, auf die glühende Kohlen kommen. Reste des Grabstocks leben im Setzholz, die kurzstielige Feldhacke wird im Bündner Oberland von Frauen gebraucht, die sie auf den Knien rutschend in die Erde schlagen. Gezähnte Sicheln und primitive Pflüge gehören hierher.
Reste alter vorgeschichtlicher Bauweise sind die Pfahlbau Speicher des Lötschentals, an Speichern kommen auch noch Treppen aus schräggestellten dicken Balken vor, an denen die Stufen durch tiefe Einkerbungen hergerichtet sind. Holzschlösser mit Fallklötzen, in Europa und Vorderasien mit seinen arabischen Ausläufern allgemein verbreitet, fehlen nicht. Hölzerne Kesselhaken haben genau die gleiche Form wie im Norden und im Baltikum; ein roh hergerichtetes knieförmig abgebogenes, teilweise noch mit Rinde versehenes Aststück ist für eine mittels Löcher verschiebbare Stange schlitzförmig ausgeschnitten. Zu ihm gehört der offene Herd aus drei großen Feldsteinen für den Kessel auf einem Sockel aus Steinplatten.
Die altertümliche Beleuchtung durch Birkenfackeln, Kienspäne, Steinlampen ist noch im Gebrauch, bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts nahm man noch Hanfstengel dazu. Talk oder Topfstein wird wie in vorgeschichtlichen Zeiten zu Gefässen verarbeitet.
Literatur u. a.
Schweizerisches Archiv für Volkskunde. Rütimeyer, „Urethnographie der Schweiz“.
Quelle: Die Völker Europas. Atlas der Völkerkunde. Herausgegeben von Prof. Dr. R. Karutz, 1926.
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