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Über die Inquisition gegen die Ketzer der römisch-katholischen Kirche.

Dritter Abschnitt

Die Inquisition des mittelalterlichen Christentums.

Die Ketzer und die römisch-katholische Kirche.

Von Max Philipp Albert Kemmerich

Wilhelm Pelisso (De fratre Guillelmo Pelisso oder Guillem Pelisson), ein zwischen 1220 und 1240 im Bezirk von Toulouse tätiger Dominikaner hat ein Tagebuch „Chronikon“ hinterlassen, dessen Handschrift die Bibliothek von Carcassone (n. 6449) bewahrt. Er schreibt: „Zum Ruhme und Lobe Gottes und der seligen Jungfrau Maria und des hl. Dominikus, unseres Vaters, und der ganzen himmlischen Heerschar will ich einiges aufzeichnen, das der Herr in der Gegend von Toulouse gewirkt hat durch die Brüder des Predigerordens (Dominikaner) und auf die Bitten hin des hl. Dominikus … : Damals starb ein ketzerischer Kleriker, der im Kreuzgang der Kirche beerdigt wurde. Als dies Magister Rollandus hörte, ging er mit den Brüdern (Dominikaner) dorthin, sie gruben ihn aus, schleiften ihn durch die Straßen und verbrannten ihn.

Zu gleicher Zeit starb ein Ketzer namens Galvanus. Das entging dem Magister Rollandus nicht; er rief die Brüder (Dominikaner), den Klerus und das Volk zusammen; sie gingen in das Haus, wo der Ketzer gestorben war, sie zerstörten es von Grund aus und machten es zu einer Dungstätte; den Galvanus gruben sie aus.

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Forteresse de la Foi. Festung des Glaubens.

Festung des Glaubens.
Die von Gottlosen und Ketzern belagerte Festung des Glaubens wird vom Papst, Bischöfen, Mönchen und Ärzten der Kirche, die die Ritter des Glaubens sind, verteidigt. Die Umrandung des Rahmens ist dem Manuskript der Festungen des Glaubens, Nr. 20, 967 der Nationalbibliothek Frankreichs entnommen; sie stellt das Wappen Ludwigs von Brügge dar. Miniatur des fünfzehnten Jahrhunderts. Sammlung von M. Ambr. Firmin-Didot.

Forteresse de la Foi.
La forteresse de la foi assiégée par les impies et les hérétiques, est défendu par le pape, les évêques, les moines et docteurs de l’Eglise, qui sont les chevaliers de la foi. La bordure d’encadrement est tirée du manuscrit des Forteresses de la Foi, no 20, 967 de la Biblith. nationale; elle représente les armes de Louis de Bruges. Miniature du quinzième siècle. Collection de M. Ambr. Firmin-Didot.

Seinen Leichnam schleppten sie in ungeheurem Zuge durch die Stadt (Toulouse) und verbrannten ihn außerhalb der Stadt. Das ist geschehen im Jahre 1231 zur Ehre unseres Herrn Jesu Christi und des hl. Dominikus, und zur Ehre der römischen und katholischen Kirche, unserer Mutter.

Arnoldus Catalanus (Frère Arnaud Cathala gest. 1311), damals Inquisitor, vom päpstlichen Legaten ernannt, verurteilte zusammen mit einem anderen Inquisitor, Guillem de Lombers, zwei Ketzer, Peter von Puechperdut und Peter Bomassipio (Pierre de Puechperdut, Pierre Bomassipio. Pelisso Chron. pp. 20-1.) zum lebendig verbrannt werden; beide wurden zu verschiedenen Zeiten verbrannt. Auch einige Verstorbene verurteilte er, ließ sie ausgraben und verbrennen.

Der Inquisitor Bruder Ferrarius (Dominikaner) ließ viele Ketzer ergreifen, ließ sie einmauern; einige ließ er auch verbrennen, unter Beistand des gerechten Gerichtes Gottes. Der Ketzer Johannes Textor wurde mit anderen verbrannt.

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Zur selben Zeit ließen die Inquisitoren Bruder Peter Cellani und Bruder Wilhelm Arnaldi (Dominikaner) einige Verstorbene ausgraben, durch die Straßen schleifen und verbrennen. In Montemsegurum (Montsegur) ließen sie den Johannes da Garda mit 210 anderen Ketzern verbrennen. Und ein großer Schrecken entstand unter den Ketzern der ganzen Gegend. (Dieser Wilhelm Arnaud wurde zur Belohnung für dieses christliche Wirken am 1. September 1866 von Papst Pius IX. „selig“ gesprochen!!!)

Inzwischen ließ der Bruder Pontius de S. Egidio, Prior (des Dominikanerkonvents) zu Toulouse, den Handwerker Arnold Sancerius vorführen und nahm gegen ihn viele eidliche Zeugnisse entgegen. Er selbst aber leugnete alles. Der Prior und die Brüder aber verurteilten ihn. Er wurde zum Scheiterhaufen geführt, rief aber fortwährend: „man tut mir unrecht, ich bin ein guter Christ und glaube an die römische Kirche“. Dennoch wurde er verbrannt.

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La salle de l’inquisition. B. Picart del. 1722 (Picart, Bernard, 1673-1733). Ein Verhörraum der spanischen Inquisition mit zwei Priestern und einem angeklagten Ketzer. Kupferstich von B. Picart, 1722.

Im Jahre 1234 wurde die Heiligsprechung unseres hl. Vaters Dominikus in Toulouse verkündet. Der Bischof Raimundus von Miromonte feierte die Messe im Dominikanerkloster, und nachdem der Gottesdienst fromm und feierlich beendet war, wuschen sie sich die Hände, um im Speisesaal zu speisen. Da kam, durch göttliche Fügung und wegen der Verdienste des hl. Dominikus, dessen Fest man feierte, einer aus der Stadt und meldete, daß einige Ketzer zu einer kranken Ketzerin gegangen seien. Sogleich gingen sie (der Bischof und die Dominikaner) dorthin.

Der Bischof setzte sich an das Bett der Kranken und sprach ihr viel von der Verachtung der Welt. Und weil die Kranke im Glauben war, es sei der Vorsteher der Ketzer, so antwortete sie frei auf alle Fragen. Der Bischof entlockte ihr mit vieler Vorsicht ein Bekenntnis dessen, was sie glaubte, Dann fügte er hinzu: Du darfst nicht lügen und nicht an diesem elenden Leben hängen. Deshalb sage ich dir, du sollst standhaft sein in deinem Glauben und nicht aus Todesfurcht anders aussagen, als du in deinem Herzen denkst. Sie antwortete: Herr, wie ich sage, so glaube ich, und wegen dieses elenden Lebens ändere ich meinen Vorsatz nicht. Da sagte der Bischof: Du bist eine Ketzerin, was du bekannt hast ist ketzerisch. Ich bin der Bischof von Toulouse und verkünde den römisch. katholischen Glauben, den ich dich ermahne anzunehmen. Aber er richtete nichts aus. Da verurteilte sie der Bischof in Kraft Jesu Christi (!) als Ketzerin. Er ließ sie mit dem Bett, in dem sie lag, zum Scheiterhaufen tragen und sofort verbrennen. Nachdem dies geschehen, gingen der Bischof und die Brüder (Dominikaner) zurück in den Speisesaal, und was dort bereitet war, aßen sie mit großer Fröhlichkeit, Dank sagend Gott und dem hl. Dominikus. Dies hatte der Herr gewirkt am ersten Festtage des hl. Dominikus, zur Ehre und zum Ruhme seines Namens und seines Dieners, des hl. Dominikus, zur Erhöhung des Glaubens und zur Niederwerfung der Ketzer 1). In dieser Tonart geht es fort, doch dürfte die Probe genügen, um eine Vorstellung von dem kirchlichen Wirken in christlicher Liebe zu geben, das für Südfrankreich noch so segensvoll werden sollte.

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Diverses manières dont le Saint Office fait donner la question. Verschiedene Arten der Befragung, Folter, des Heiligen Offiziums. Kupferstich von B. Picart, 1722.

Als die ersten Katharer – darunter 10 Domherren – 1022 zu Orleans verbrannt wurden, sträubten sich noch vereinzelt die zwar rohen aber nicht raffinierten Gemüter gegen diese Art der Verbreitung der Religion der Liebe. Bischof Wazon von Lüttich (1042-1048) antwortete auf die Frage des Bischofs Roger von Chalons, ob er die Ketzer verbrennen lassen dürfe, daß Blutvergießen gegen den Geist und die Aussprüche Christi sei, der das Unkraut mit dem Weizen stehen lassen will, bis zum Tage seines Gerichtes. Gab es damals, wenn auch nur sehr sporadisch, noch unter den Christen Menschen, so hörte das bald genug auf, wenigstens soweit die tonangebenden Diener der Mutter Kirche in Frage kommen.

Kardinal Heinrich, Bischof von Albano, der 1180 von Innozenz III. (1198-1216) gegen die Albigenser in Südfrankreich geschickt wurde, gebührt der Ruhm, den ersten Kreuzzug von Christen gegen Christen gepredigt zu haben. Er hatte glänzenden Erfolg. Ein auf päpstlicher Seite stehender Augenzeuge schreibt, daß er „ein weit und breit verwüstetes Land, zerstörte Dörfer und Städte, ein Bild des Todes“ hinterließ.

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Le Jugement de l’Inquisition sur la Grand’Place de Madrid. Claude Dubosc (1682-1745). Das Gericht (Urteil) der Inquisition auf der Grand’Plaza von Madrid.

Papst Innozenz III. forderte mit glühenden Worten zur Vertilgung der „Gottlosen“ auf. Unter Berufung auf des Apostels Paulus (!) Worte „Dieweil ich tückisch war, habe ich euch mit Hinterlist gefangen“, mahnt der Statthalter Christi in einem Schreiben an seine Legaten, den Grafen von Toulouse, die Hauptstütze der „Ketzer“, schlau zu täuschen, als ob man es nicht so sehr auf ihn abgesehen habe. Dadurch werde verhindert, daß der Graf sich mit den Streitkräften der übrigen Ketzer vereinige. Es sei dann leichter, ihn später, nach Niederwerfung der übrigen, allein zu besiegen.

Dieser Kreuzzug führte 1209 im Juli und August zur Eroberung von Béziers und Carcassonne. Da man nicht wußte, welche von den Bewohnern Béziers ketzerisch, welche rechtgläubig waren, ließ der päpstliche Legat mit den von echt christlicher Milde zeugenden Worten „Tötet sie alle, Gott wird die Seinen zu erkennen wissen“, alle hinschlachten. Es waren ihrer zwanzigtausend, Männer, Frauen und Kinder! In der einen Kirche Maria Magdalena mordete man 7000 Menschen, die sich dorthin geflüchtet hatten. In Carcassonne wurden zu gleicher Zeit 400 Ketzer verbrannt und 50 gehängt. Triumphierend berichtete der Legat dies dem Papst: die göttliche Rache habe die Ketzer wunderbar vernichtet.

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Der Papst und der Inquisitor (1882) bekannt als Sixtus IV. und Torquema des Künstlers Jean Paul Laurens (Museum: musée des beaux-arts de Bordeaux).

Im weiteren Verlaufe dieses Kreuzzuges, der so glänzend die zivilisatorische Macht der Kirche dokumentiert, wurden 1211 in Lavaur über 100 Ketzer mit Feuer und Schwert gemordet. Und zwar vollzogen die päpstlichen Scharen dieses Blutbad, laut Berichten „mit ungeheuerer Freude“.

Am 20. Februar 1213 richteten zahlreiche zu Lavaur versammelte Bischöfe an Innozenz folgendes Schreiben: „Wir bitten Euere Gütigkeit mit gebührender Ehrfurcht, kniend und unter Tränen (die bekanntlich im frühen Mittelalter nie fehlen durften), daß Ihr, gemäß dem Eifer des Phineas (Die biblische Erzählung von Pinchas, dem Eiferer), den Ihr besitzt, diese schlechteste Stadt (Toulose) mit aIl – ihren Verbrechern, mit all ihrer Unreinheit und ihrem Schmutz, der sich angesammelt hat in dem aufgeschwollenen Leibe dieser giftigen Schlange, die in ihrer Bosheit nicht geringer ist als Sodom und Gomorrha, von Grund aus der gebührenden Vernichtung anheimfallen zu lassen“.

Papst Innozenz entsprach diesen frommen Bitten. Man unterzog sich dem Liebeswerk mit solchem Eifer, „daß nicht nur offenbare Ketzer, sondern wer immer verdächtig erschien, dem Scheiterhaufen überliefert wurde“.

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La procession de l’Inquisition a Goa. Bernard Picart. Die Prozession der Inquisition in Goa (Portugiesisch-Indien).

Als unter Papst Honorius III. die Stadt Marmande (Département Lot-et-Garonne in der Region Nouvelle-Aquitaine) gestürmt wurde, fielen dem Rat der Bischöfe, alle Einwohner zu töten, 5000 Männer, Frauen und Kinder, zum Opfer. Der Kardinal Bertrand wiederholte in seinen Predigten beständig, daß „Tod und Schwert die ständigen Begleiter des Kreuzheeres sein müßten; alles Leben müßte vertilgt werden.“

Der päpstliche Vernichtungskrieg gegen die Albigenser dauerte noch bis zum Ende des 13. Jahrhunderts mit glänzendem Erfolg: Südfrankreich, die Heimat der Troubadours und feinen ritterlichen Sitten, war zur Wüstenei geworden, der heimische Adel verdrängt, die geistige Führung endgültig an den Norden abgetreten. Es herrschte Ruhe, Grabesfrieden 2).

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L’Autodafé ou l’acte de Foi. Bernard Picart. Das auto-da-fe (Gerichtsurteil) oder der Akt des Glaubens.

Den Waldensern ging es nicht viel besser. Die Inquisitoren verfolgten die Waldenser und verbrannten, wen sie auffinden konnten. Der von Papst Gregor IX. entsandte Franziskaner und Inquisitor Lorelli schlachtete in den Alpentälern Savoyens und der Dauphine die Waldenser zu Hunderten ab.

Der 22. Mai 1393 wurde in Embrun festlich begangen. Die Stadt und die Altäre der Kirchen waren geschmückt, die Priester in kostbaren Gewändern umstanden sie. Die Christenheit hatte auch Grund sich zu freuen, denn 80 Waldenser aus den Tälern von Freissinières und Argentière und 150 Waldenser von Vallouise wurden zum Feuertod verurteilt. Die Hälfte der Gesamtbevölkerung dieser Täler verschwand, ganze Familien: Vater, Mutter, Kinder.

Ein Jahrhundert später drang der Kardinallegat des Papstes Innozenz VIII., Albert von Cremona, in das Tal Vallouise ein. Da die Waldenser sich in eine große Höhle des Berges Pelvoux geflüchtet hatten, ließ der fromme Vertreter des Statthalters Christi am Eingang der Höhle Feuer anzünden. Fünfzehnhundert Menschen, darunter Frauen und Kinder, kamen teils durch Feuer und Rauch, teils durch das Schwert um. Den päpstlichen Vizelegat Mormoiron ließen Alberts Lorbeeren nicht ruhen. Daher machte er es später fünfundzwanzig Waldensern gegenüber ebenso. Er ließ vor einer Höhle Feuer anmachen und alle kamen um.

Bis zum Jahr 1550 schätzt man die in der Provence geschlachteten und verbrannten Waldenser, Männer, Frauen und Kinder, auf über dreitausend!

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Suplice des Condamnez. (Picart, Bernard, 1673-1733). Hinrichtung der Verdammten.

Wenigstens wußten die Legaten immer, was sie der Mutter Kirche schuldig waren: Der päpstliche Franziskanerinquisitor verbindet sich im Jahre 1382 mit einer Räuberbande von 22 Mann, um Ketzer zu ergreifen und zu töten! Dem Räuberhauptmann Girardo Burgarone wurde dafür ein Preis gezahlt!

Im Jahre 1373 starb ein Ketzer fünf Tage vor dem Urteil. Deshalb wurde seine Leiche in ungelöschtem Kalk aufbewahrt, um möglichst unversehrt verbrannt zu werden.

Leo X. verdammte den Satz Luthers „Häretiker zu verbrennen ist gegen den Willen des Hl. Geistes“ als häretisch 3).

Unter diesen Umständen ist es befremdend, daß die Kirche noch heute gegen die Feuerbestattung ist. Etwa weil es sich ausschließlich um Leichen handelt?

Um welcher Sünden willen wurden die Waldenser so verfolgt? – Hoensbroech stellt noch eine Fülle von Daten zusammen – waren sie keine Christen? verfluchten sie die Bibel? führten sie einen unmoralischen Lebenswandel? Das Gegenteil war der Fall: sie lasen die Bibel, führten ein von den Vorschriften der Bergpredigt geleitetes Leben und verwarfen den Ablass.

Eine Versammlung von Bischöfen in Goslar verurteilte im Jahre 1051 mehrere Ketzer zum Tod, weil sie sich geweigert hatten Hühner zu töten und ausschließlich von Pflanzennahrung lebten. Sogar die Vegetarier können auf Märtyrer zurückblicken!

Als im Jahre 1184 Disputationen mit den Ketzern in Straßburg zu keinem Ergebnis führten, weil sie alles aus der Bibel belegen konnten, wurden die Lehren der Kirche als allein maßgebend hingestellt und – ohne Rücksicht auf Übereinstimmung mit dem Evangelium – wer gegen sie verstieß ohne Urteil verbrannt. Achtzig fanden gemeinsam auf dem. Scheiterhaufen den Feuertod.

Erzbischof Gerhard II. von Bremen hatte sich mit den Stedingern *), einem Bauernvolk in den Weserflußmarschen im heutigen Oldenburg, überworfen, wohl weil sie gegen kirchliche Bedrückung sich aufgelehnt hatten. Deshalb erklärte Papst Gregor IX., erfüllt von Milde und Nächstenliebe, ihnen am 29. Oktober 1232 und am 19. Januar 1233 den Kreuzzug. Aus ganz Norddeutschland strömten die Scharen zu diesem gottgefälligen Werk, ein freies deutsches Bauernvolk auf kirchlichen Befehl hin zu vernichten, herbei. „Raub und Plünderung wüteten weit und breit; auch Frauen und Kinder wurden erschlagen; wie die Erde blutig sich färbte, so auch der Himmel; aber nicht bloß der Brand der Ortschaften zeigte die Wut der Sieger. Auch die Lohe der Scheiterhaufen, auf denen die Gefangenen verbrannt wurden, verkündete die Grausamkeit, die im Namen der christlichen Kirche verübt ward.“

*) Die Stedinger, ein sächsisch-friesisches Bauernvolk, bewohnten die oldenburgische Wesermarsch des Großherzogtums Oldenburg (Stedingerland).

In der dritten Stedinger Bulle verlieh Gregor IX. allen gegen dieses arme Volk ziehenden die gleichen Ablässe, die den Kreuzfahrern im Heiligen Lande zuteil wurden. Es war dem Statthalter Christi ernst mit der Ausrottung des Bauernvolks.

Die Bevölkerung am Ostufer der Weser hatte sich nicht ausreichend verteidigt, so dass die Kreuzzugsarmee dort zuerst angriff und den Großteil der Bevölkerung massakrierte; die wenigen Überlebenden wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Danach kehrten die Kreuzritter nach Bremen zurück, um den Angriff auf das stärker befestigte Westufer der Weser vorzubereiten. Am 6. Juli 1233 griffen sie die West-Stedinger an, wurden aber mit schweren Verlusten am Hemmelskamper Walde (bei Hasbergen) zurückgeschlagen.

Im Winter desselben Jahres kam Erzbischof Gerhard auf den Gedanken, würdig eines Kirchenfürsten, er wollte die unbeugsamen Stedinger Bauern ertränken, indem er Löcher in die Deiche der Weser bohrte, „um die Stedinger zu ersäufen!“, aber die Arbeiter wurden von den Deichwachen vertrieben, wieder waren sie stärker als ihr Seelenhirte.

Im Frühjahr des Jahres 1234 predigten die Dominikaner in Westfalen, Holland, Flandern und Brabant einen neuen Kreuzzug gegen die Stedinger. Eine große Armee wurde in Bremen unter dem Kommando Heinrichs I., Herzog von Brabant, zusammengestellt, während die Stedingers von Bolko von Bardenfleth, Tammo von Huntrop und Detmar tom Diek angeführt wurden.

Nachdem die Predigermönche nachdrücklich auf die billige Gelegenheit, sich den christlichen oder doch päpstlichen Himmel zu sichern hingewiesen und dadurch gewaltige Erbitterung und wohl auch geistige Habsucht heraufbeschworen hatten, versammelte sich die Blüte des deutschen Adels zu diesem gottgefälligen Vernichtungswerk. Selbst der Papst fühlte ein menschliches Rühren und wollte die Möglichkeit eines Vergleiches einräumen. Aber es war zu spät. Am 27. Mai 1234 beim Ort Altenesch fiel die Entscheidung.

Die Stedinger unter Bolko von Bardenfleth rückten an einem der befestigten Tore des Territoriums gegen die Kreuzritter vor; keine Seite konnte sich einen entscheidenden Vorteil verschaffen, bis ein einzelner Kreuzritter sein gepanzertes Schlachtross bis in den hinteren Teil des Bauerntrosses drängte und damit den anderen Kreuzrittern den Weg freimachte.

Das blut- und beutegierige kirchliche Kreuzzugsheer, numerisch und wohl auch an Bewaffnung dem Bauervolk weit überlegen, erdrückte die Stedinger. Nur wenige wandten sich zur Flucht; über sechstausend wurden getötet. Der Rest der Stedingers hatte eine Stellung bei Altenesch unter Detmar tom Diek und Tammo von Huntrop eingenommen, wo auch sie nach heftigem Widerstand besiegt wurden.

Unterdessen stand auf einer Anhöhe die zahlreiche Geistlichkeit mit Kreuz und Fahne und sang das schöne, hier wirklich passende Lied: Media vita in morte sumus.

Für Bremen wurde die Schlacht bei Altenesch, eine der grausamsten und blutigsten der deutschen mittelalterlichen Geschichte, ein kirchlicher Feiertag! Man wußte Kulturtaten zu ehren.

Viele Menschen namens Steding leben noch heute über ganz Norddeutschland verstreut. In der Region Hameln (südlich der Weser) gibt es Familien Steding, ein Schuhgeschäft Steding in Hessisch-Oldendorf und eine Metzgerei Steding in der Hamelner Altstadt. Es gibt auch Steding-Familien, die in den Vereinigten Staaten leben, die meisten stammen ursprünglich aus der gleichen Region südlich der Weser (Hessisch-Oldendorf, Fuhlen).

Konrad von Marburg eröffnete seine glorreiche Laufbahn als Inquisitor im Jahre 1212 mit der Verbrennung von achtzig Waldensern in Straßburg! „Im Jahre 1214 fing Bruder Konrad von Marburg an zu predigen, und welche Ketzer er immer wollte, ließ er in ganz Deutschland ohne Widerspruch auffinden und verbrennen. Und so predigte er zehn Jahre lang.“

Dieser Streiter Gottes und seine Helfer hatten dabei ein sehr praktisches Verfahren. „Sie ließen in Städten und Dörfern verhaften, wen sie nur wollten und übergaben diese Leute den Richtern ohne alle weiteren Beweise mit den Worten: das sind Ketzer, wir ziehen unsere Hand von ihnen zurück. So waren die Richter genötigt, dieselben zu verbrennen. Indessen sahen diese Richter ohne Erbarmen ein, daß sie ohne die Beihilfe der Herren nicht die Oberhand gewinnen konnten. Daher wandten sie sich an König Heinrich und andere Herren und gewannen sie, indem sie sagten: wir verbrennen viele wohlhabende Ketzer, und ihre Güter sollt ihr haben.

In den bischöflichen Städten soll die eine Hälfte der Bischof, die andere aber der König oder ein anderer Richter bekommen. Darüber freuten sich nun diese Herren, leisteten den Inquisitoren Vorschub, beriefen sie in ihre Städte und Dörfer. Auf diese Weise gingen viele Unschuldige zugrunde, bloß um der Güter willen, welche jetzt die Herren erhielten“.

Das Geschäft blühte also, zumal sie auf die Frage, weshalb sie so barbarisch vorgingen, antworteten: „Hundert Unschuldige verbrennen wir, wenn nur ein Schuldiger darunter ist“.
Die Ketzerverfolgung, die von 1231 bis 1233 in Deutschland unter diesem im Namen und mit Wissen des Statthalters Christi „arbeitenden“ Konrad wütete, wurde mit bewunderungswürdigem Eifer durchgeführt. Ein Zeitgenosse schreibt: „Niemand wurde Gelegenheit gegeben, sich zu verteidigen, oder auch nur die Zeit sich die Sache zu überlegen, sondern sofort mußte man sich entweder als schuldig bekennen und wurde dann als Büßer geschoren, oder man leugnete das Verbrechen, und dann wurde man verbrannt. War man aber geschoren, so mußte man die Mitschuldigen angeben, widrigenfalls man verbrannt wurde. Daher glaubt man, daß auch (!) Unschuldige verbrannt wurden. Denn viele bekannten aus Liebe zum eigenen Leben und um ihrer Erben willen, sie seien gewesen, was sie nie waren. Darauf wurden sie gezwungen, Mitschuldige anzugeben. Sie verklagten Leute, ohne sie verklagen zu wollen, Dinge aussagend, von denen sie nichts wußten. Auch wagte es niemand, für jemand, der verklagt war, Fürsprache einzulegen oder auch nur Milderungsgründe vorzubringen, denn dann wurde er als Verteidiger der Ketzer betrachtet, und für diese und die Hehler der Ketzer war vom Papst die gleiche Strafe wie für die Ketzer selbst bestimmt. Hatte jemand der Sekte abgeschworen und wurde er rückfällig, so wurde er, ohne noch einmal widerrufen zu können, verbrannt“.

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Der Triumph des Todes. Fresken von Orcagna, im Kreuzgang von Campo-Santo in Pisa (um 1350). Vierzehntes Jahrhundert.

Und wie verhielt sich der Papst zu diesen Greueltaten? Gregor IX. erließ 1231 eine Verfügung: „Berufungen derlei Personen (der Ketzer) sind nicht zuzulassen; kein Anwalt, kein Notar darf ihnen seine Dienste leihen, sonst verlieren sie für immer ihr Amt“.

Der Erzbischof Siegfried von Mainz schrieb, als Hekatomben der Verfolgungswut dieses Konrad geopfert wurden, nach Rom: „Magister Konrad erlaubte keinem sich zu verteidigen und seinem eigenen Pfarrer zu beichten. Jeder mußte bekennen, er sei ein Ketzer, habe eine Kröte berührt und geküßt. Manche wollten lieber sterben, als so Schreckliches von sich auszusagen; andere erkauften das Leben durch Lüge und sollten nun angeben, wo sie solche Dinge gelernt hätten. Da sie niemand zu nennen wußten, baten sie um Bezeichnung der Verdächtigen, und als man ihnen die Grafen von Sayn und Arnsberg und die Gräfin von Looz nannte, sagten sie: Ja, diese sind schuldig. So wurde der Bruder vom Bruder angeklagt. Ich (der Erzbischof von Mainz) habe den Meister Konrad zuerst unter vier Augen, dann in Gemeinschaft mit den Erzbischöfen von Köln und Trier ersucht, er möge mit mehr Mäßigung verfahren, aber er gab nicht Ruhe“.

Am 10. Juni 1233 schrieb der Statthalter Christi, Gregor IX., überfließend von Menschenliebe, dem frommen Konrad, „wenn lindernde Arznei nicht hilft, müsse das faulende Fleisch mit Feuer und Schwert entfernt werden“. Gleichzeitig schrieb er an König Heinrich: „Wo ist der Eifer eines Moses, der an einem Tage 23000 Götzendiener vernichtete? Wo ist der Eifer eines Phineas, der den Juden und die Madianiterin mit einem Stoße durchbohrte? Wo ist der Eifer eines Elias, der die 450 Baalspropheten mit dem Schwerte tötete? Wo ist der Eifer eines Mathatias, der entflammt für das Gesetz Gottes am Altare den Juden tötete?“

Als Konrad von Marburg endlich erschlagen worden war, schrieb Gregor, ein Verbrechen, wie die Ermordung Konrads, „eines Mannes von vollendeter Tugend und eines Heroldes des christlichen Glaubens“ könne überhaupt nicht nach Gebühr gezüchtigt werden!!!

Im alten Rom wurden bekanntlich die Christen auch verfolgt, es genügte aber die Teilnahme der Angeschuldigten am Götterdienst und dem Kaiser dargebrachte Opfer als Beweise der Unschuld! Und zwar selbst bei einer im Verdacht des Christentums stehenden Priesterin. Die Ausstellung einer Urkunde über Opfer, Libation und verzehrtes Opferfleisch genügte als Schutz gegen Verfolgungen. Origines sagt ausdrücklich, daß „wenige und nur sehr leicht zu zählende“ bis zur Verfolgung des Decius den Märtyrertod erlitten haben 4). Aber selbst in dieser haben in der großen Gemeinde in Alexandria nur 10 Männer und 7 Frauen für den Glauben geblutet! Ein Vergleich mit den der Inquisition zum Opfer Gefallenen ist weder numerisch noch hinsichtlich der Grausamkeit in der Verfolgung auch nur im aller entferntesten zulässig. Allerdings waren die Römer auch nur Heiden.

Die maurischen Herrscher Spaniens gewährten den unterworfenen Christen und Juden volle Glaubensfreiheit, sie durften Kirchen und Klöster haben und ihren Gottesdienst frei üben. Weit entfernt, diese zum Abfallen vom Christenglauben zu zwingen, sahen die mohammedanischen Herrscher der Pyrenäenhalbinsel ihn nicht einmal gern. Trotzdem gingen viele zum Glauben des höheren Kulturvolkes über. Juden standen sogar hohe Staatsämter offen, während sie unter christlichem Regiment furchtbar unterdrückt worden waren. Damals war Spanien geistig und materiell das blühendste Land Europas“).

Unter Isabella von Kastilien und Ferdinand dem Katholischen wurden die letzten Mauren aus Spanien vertrieben, und die Segnungen der Kirche ergossen sich über das Land. 1480 begann die vom Papst Sixtus IV. geförderte Tätigkeit der Inquisition besonders gegen die Reichsten und Vornehmsten. Thomas von Torquemada wurde 1483 Oberinquisitor. 1492 erging ein Edikt, das alle Juden ohne Ausnahme aus Spanien vertrieb. Sie durften ihre Habe veräußern oder vertauschen, aber die mindestens 160.000 (nach anderen 800.000) Vertriebenen durften den Erlös dafür, Gold, Silber und andre verbotene Ware nicht mit sich nehmen! Beim Fall von Granada, 1492, wurde den Mauren Glauben, Moscheen und Recht vertraglich zugebilligt, und ganze 10 Jahre lang hielten die katholischen Fürsten ihre Zusagen. 1502 wurden alle freien Mauren ausgewiesen 6).

Nach der geringsten Schätzung wurden unter Karls V. Regierung in den Niederlanden 50.000, nach andern 100.000 Ketzer hingerichtet. Herzog Alba rühmte sich, in den 5 bis 6 Jahren seiner Regierung mehr als 18.000 mit kaltem Blute hingerichtet zu haben. Auf dem Schlachtfeld habe er noch viel mehr getötet. Demnach war er der Henker von mindestens 40. 000 Menschen.

Philipp II. von Spanien führte gegen die Ketzer einen 30 Jahre dauernden Krieg. Er ließ jeden Ketzer, der nicht widerrufen wollte, verbrennen. Widerrief er, wurde ihm Gnade erwiesen; da er sich aber einmal befleckt hatte, mußte er natürlich auch sterben, nur genügte statt des Feuertodes in diesem Falle der durch das Schwert 7).

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Prozession eines auto-da-fé in Spanien, im Anschluss an das seit dem vierzehnten Jahrhundert übliche Zeremoniell. Faksimile eines großen Kupferstichs der Historia Inquisitionis von Philippe de Limborch. Amstelodami, 1692, in-fol.

Man hat die allein in Spanien während des 16. Jahrhunderts wegen protestantischer, jüdischer oder mohammedanischer „Ketzerei“ Verbrannten auf etwa 18.000 berechnet. Mag diese Zahl auch um etliche Tausende übertrieben sein, so muß doch berücksichtigt werden, daß außer in Spanien und den Niederlanden noch in Mexiko, Cartagena (Kolumbien), Lima (Peru), sowie dem damals noch spanischen Sizilien und Sardinien gleichzeitig in derselben Weise die Religion der Liebe verbreitet wurde 8).

Die letzte Verbrennung in Rom dürfte am August 1761 stattgefunden haben; in Spanien fand in Sevilla am 7. November 1781 das letzte Autodafe statt. Im römischen Falle war der Delinquent vorher gehängt worden 9).

Voltaire hat in seiner Schrift „Dieu et les hommes“ berechnet, daß während der Glanzperiode des Papsttumes 10 Millionen von Menschen der „Mutter Kirche“ zum Opfer fielen. Von ihr befreiten die Menschheit die Philosophen der verhaßten Aufklärung, die französische Revolution und die Naturwissenschaften. Als die Religion der Liebe in ihrer bisherigen Form abgewirtschaftet hatte, fing die Menschenliebe an; gewiß nicht aus Verschulden ihres erhabenen Stifters.

Anmerkungen:

1) Vgl. Paul Graf von Hoensbroech , „Das Papsttum in seiner sozial-kulturellen Wirksamkeit“, I. Buch, VI. Abschnitt 1., dem auch sämtliche folgende Daten, wo nicht anders bemerkt, entnommen sind. 2) Vgl. Ferdinand Gregorovius, Wanderjahre in Italien, II. Band, „Avignon“, S. 327 ff. 3) Nach K. Müller, „Über religiöse Toleranz“, Beil. 1903, Nr. 1. 4) Friedländer. Sittengeschichte Roms, III. Bd., 6. Aufl., S. 631 ff. und C. Wessely im Anzeiger der Philos. hist. Klasse der Wiener Akademie der Wissenschaften 1908. 5) Theodor Lindner, Weltgeschichte seit der Völkerwanderung, II. Bd., S. 106ff und H. Schurtz in Helmolts Weltgeschichte, 4. Bd., S. 495f. 6) Th. Lindner, Weltgeschichte, 4. Bd., S. 224ff. und Hoensbroech 1. c. 1. B., 1., 4. Abschnitt. 7) H. Th. Buckle, „Geschichte der Zivilisation in England„, übers. v. A. Runge, 7. Aufl., S. 20-24. 8) Vgl. Landau, Beil. 1905, Nr. 71. 9) Eb. 1905, Nr. 55.

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