Geschichte der Waffen. Trutzwaffen. Hiebwaffen. Das Schwert.
Geschichte der Waffen. Hiebwaffen.
A. Trutzwaffen.
Kapitel I.
II. Hiebwaffen.
1. Das Schwert.
Das Schwert (franz. glaive, ital. spada, engl, sword), im Steinzeitalter und in der Bronzezeit nur mit kurzer, dolchartiger, für den Stoß berechneter Klinge, bei den Römern noch Kurzschwert (ensis, dann gladius), erscheint bei den Germanen als zweischneidiges Langschwert (spatha) in der Hand des Vornehmen und des römischen Söldners, sonst aber anfangs nur als Messer, einschneidig mit starkem Rücken (Sass, Sax oder Scramasax). Die Unterschiede zwischen dem Breitsax (Beowulflied) und dem Langsax (bis 60 cm lang und bis 5 cm breit) sind fließend; beide herrschen in der Zeit der Wurfaxt, der Franciska, vom 5. bis 8. Jahrhundert, kommen vereinzelt aber noch im Mittelalter vor.
Aus dem Scramasax entwickeln sich später gewisse Jagdwaffen (Waidmesser und Hirschfänger, Plötze). Während der Scramasax einen langen Griff, aber eine kurze, gerade Parierstange hat, besitzt das Schwert des 10. bis 13. Jahrhunderts, dessen Entwicklung an die Spatha anknüpft, anfangs nur einen kurzen Griff; die gleichfalls gerade Parierstange (kreuzfürmiger Griff) erreicht erst im 14. Jahrhundert etwa die Länge des damals schon schlanker und länger gewordenen Griffes, der meist mit einem lederüberzogenem Holz (Gehilze) umkleidet ist.
Der Knauf macht alle Wandlungen von der Kugel zum Pilz und zur Scheibe durch; auf dem Teppich von Bayeux (1070) ist er meist halbkreisförmig. Damals schon findet man Vertiefungen in der Klinge längs des Rückens, zum, Zweck der Gleichgewichtsverteilung, die man Blutzüge (Blutrinnen, meist fälschlich auch Giftzüge) nennt. Tauschierte Inschriften auf Klingen und Marken erscheinen seit dem 9. (Ulfberht-, Ingelredgruppe), damaszierte Klingen schon seit dem 6. Jahrhundert. Der verlängerte Griff („zu anderthalb Hand“) erreicht im 14. Jahrhundert die Maßverhältnisse, die sich dann bis ins 16. Jahrhundert erhalten. Als reine Hiebwaffe, mit gerade verlaufender Schneide, tritt das Schwert später bei den Fußtruppen des 15. und 16. Jahrhunderts auf. Wir unterscheiden u. a.:
Das Landsknechtsschwert. Katzbalger. Zweihänder.
a. Das Landsknechtsschwert (Katzbalger) mit kurzer, breiter, wenig zugespitzter Klinge („breitem Ort“), kurzem Griff, meist fächerförmigem Knauf und horizontal S-förmig gebogenen Parierstangen, in der meist reich dekorierten Scheide ein Besteck. Mit schwerem, gitterartigem Korbgefäß und längerer Klinge seit dem Ende des 16. Jahrhunderts „Schiavona“, als Waffe der italienischen Söldner, die sich vielfach aus dalmatinischen Slaven rekrutierten, dann auch bei der Reiterei der westeuropäischen Nationen eingeführt.
b. Der Zweihänder (Bidenhander), die Klingen 120 bis 200 cm lang, an der Angel meist ein, auch zwei Paar kurze, abwärts gebogene Parierhaken, die Angel mit Leder bezogen, weil das Schwert ohne Scheide auf der Schulter getragen wurde; bis 60 cm langer, gedrehter Griff mit kleinem, kaum angedeutetem Knauf, langen, schneckenförmig nach unten gebogenen Parierstangen, kleinem Parierbügel. Die Zweihänder mit geflammter, im Kampfe wenig brauchbarer Klinge hießen Flamberge.
Die Umbildung des Schwertes von der Hieb- zur Stichwaffe setzt im 14. Jahrhundert, mit der Entwicklung der besonders in Italien geübten Fechtkunst, ein. Als Küriß- oder Reitschwert, mit 100-130 cm langer, gerader Klinge (Ende 15. Jahrhundert), besitzt es einen reicher durchgebildeten, die Hand besser schützenden Griff (Gefäß), mit einem oder zwei Parierringen und Faustschutzbügeln, die vom Kreuzungspunkt des Gehilzes mit den Parierstangen ausgehend die Angel im Bogen umgeben.
Die Parierringe sind manchmal durch eiserne, ornamental durchbrochene Platten ausgefüllt. Zwischen dem Degen (als nicht kriegerische Waffe, Fechtwaffe, Rappier), der, für den vornehmeren Fechtkampf bestimmt, eine dünnere, meist kantige Klinge hat, und dem Reitschwert wird im 16. und 17. Jahrhundert nicht genau unterschieden.
Die Reiterwaffe dieser Zeit ist ein Haudegen, der Pallasch (ungar. pallos). In Schottland findet sich im 16. Jahrhundert ein Langschwert mit spitzer Klinge, langem Griff und stark nach abwärts gerichteten Parierstangen, der Claymore. Zu derselben Zeit kommen Kurzschwerter mit geätzten Kalendern auf der Klinge (Kalenderschwerter) und mit zahlreichen abgesetzten Hohlschliffen (Paternosterklingen) in Mitteleuropa vor. Das Richtschwert hat schon seit dem Mittelalter eine breite, gerade Klinge, ziemlich kurzen Griff und gerade Parierstangen. Die Bedeutung des häufig vorkommenden Loches in der Nähe der Spitze (Bleieinsätze zur Gewichtssteigerung? Aufhängen an die Wand?) ist noch nicht genügend geklärt.
2. Der Säbel
Der Säbel, das einschneidige Krummschwert, infolge dieser Krümmung beim Hieb besser schneidend als die gerade Klinge, stammt aus Persien (chimicher, daher im Arabischen: scymithar, franz. verstümmelt cimeterre, sauveterre) und wurde durch die Kreuzzüge in Europa bekannt. Eine kurze, messerartige Waffe, deren Klinge am unteren Rücken scharf geknickt ist und sich dort verbreitert, kommt im 13. Jahrhundert in Frankreich als fauchon (von faux, Sense) vor, später mit etwas längerer Klinge, als badelaire, als Waffe der Seeleute, mit sehr schwerer, nur an der Spitze zweischneidiger Klinge craquemart, in Deutschland (15. Jahrhundert) malchus.
Die Italiener nennen das kurze Krummschwert coltelaccio (= großes Messer), daraus dann cordelas und in Deutschland Kordelatsch. Bei den italienischen Reitern des 16. Jahrhunderts findet sich der Kordelas, oft mit reicher Ausstattung des in der Regel nur kreuzförmigen Griffes, neben dem Langschwert, der spada; in Deutschland wird er damals auch viel als Hauswehr von den Bürgern und Studenten getragen.
Die Dusägge (czech.) oder der Dussack ist eigentlich nur eine Fechtwaffe, eine breite, gebogene Klinge ohne Griff, mit einem schlitzartigen Loch für die Hand, böhmischen Ursprungs; der Name wird im 16. und 17. Jahrhundert oft für alle Arten Krummschwerter gebraucht.
Der türkische Säbel (kilidsch, auch sarass, d. i. Sarazenenwaffe), mit starker Krümmung der dünnen, in der Regel mit Blutrinnen versehenen, an der Konkavseite scharf geschliffenen und unten spitzen Klinge, mit kreuzförmigem, im 16. Jahrhundert noch knauflosem Griff, gewinnt später großen Einfluß auf die Entwicklung der europäischen Hiebwaffe.
Charakteristisch und für die Formenwandlung der Griffe maßgebend sind die metallene Kappe des mit dem Griffe ein Stück bildenden Knaufes und die auf- und abwärts gerichteten Ansätze der Parierstange am Gehilze (Mitteleisen). Der Griffbügel fehlt oder wird durch eine Kette ersetzt. Das Gehilze ist mit Stoff bezogen, meist aber aus Metall, Elfenbein, Fischhaut oder dgl..
Neben den persischen Klingen (Khorassanklingen) werden indische geschätzt, die gelegentlich Rinnen mit eingelassenen Perlen aufweisen. Die Scheiden haben als Metallbeschlag nicht nur das Ortband unten, sondern auch das, dem europäischen Mittelalter unbekannte Mundblech, beide breit und ornamental reich entwickelt, dazu mehrere (bis sechs) Spangen mit Ringen für das Gehenke. Diese Griff- und Scheidenbildung finden sich, in entsprechender Weiterentwicklung, an den Säbeln der europäischen Armeen bis in die Gegenwart.
Die Karabela, ein polnisches Krummschwert, zeichnet sich durch einen Griff mit kurzen, stark abwärts bis an die Angel gebogenen, meist in Köpfe ausgehenden Parierstangen aus. Sichelschwerter, d. h. Klingen, deren Schneide nach innen gekrümmt ist, sind der türkische Khandschar oder Handschar; die Klinge ist hier erst konvex, nach der Spitze zu leicht konkav gebogen; der Griff, aus dem Kopfe eines Röhrenknochens entstanden, hat demnach einen zweilappigen Knauf (Ohren), aber keine Parierstangen. Die kleinere Form des Handschars, der Yatagan, nähert sich mehr dem Dolch; er stammt aus Indien.
Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts ist der Säbel (aus dem slavonischen: sabla) die herrschende Blankwaffe der Hiebwaffen; sein Griff, mit dem metallenen Rückenbeschlag, wird kaum weiter durchgebildet. In dem Pallasch verbindet sich dieser Griff, der ein wenig gebogen ist, mit der langen, einschneidigen, geraden oder nur wenig gekrümmten Klinge des Haudegens.
Das japanische Schwert.
Das japanische Schwert 1) steht an idealer und materieller Bedeutung wie an künstlerischem und technischem Wert dem orientalischen und europäischen nicht nach. Die Kunst der japanischen Klingenschmiede kann auf eine jahrtausendelange glänzende Tradition zurückblicken. Das Besondere ihrer Verwendung liegt darin, daß die kostbare, oft aus edelstem Damast gearbeitete Klinge nicht mit dem Griff fest verbunden ist, sondern leicht von diesem getrennt und mit neuen, in einzelne Gruppen geordneten Griffteilen verbunden werden kann. Über die Zunge (Angel) der Klinge (katana) wird ein Stichblatt (tsuba) gesteckt, und dann erst wird sie in den Holzkern des Griffes eingeschoben, der mit Rochenhaut überzogen ist und eine kunstvolle Schnürenumwicklung trägt; ein Holzpflöckchen greift durch ein Loch in der Angel und hält diese an dem Griffe (touka) fest. Das Ende des Griffes deckt ein Kopfstück (kashira), durch dessen Durchbohrungen die Griffschnur geht; am andern Ende des Griffes wird in einem Ring (fuchi) die Dekoration der Kashira fortgesetzt. Zwei kleine metallene Zierstücke (menuki) sitzen in der Umschnürung des Griffes, ursprünglich aber wohl am Griffpflock, um diesen zu sichern. In der scheibenförmigen tsuba sind außer dem Schlitz für die Angel bei dem Kurzschwert (wakizashi) noch zwei weitere Öffnungen für das Schwertmesser (kozuka) und die Schwertnadel (kogai), deren Bestimmung unbekannt ist. An der künstlerischen Durchbildung dieser verschiedenen Metallteile haben Generationen bedeutender Meister ihr Können erprobt.
1) Vgl. Bd. 2 dieser Bibliothek: Kümmel, Kunstgewerbe in Japan, Seite 69-94.
In den frühesten bekannten Tsubas, aus dem 10.-12. Jahrhundert, herrschen einfache Durchbrechungen in der Form von wappenmäßig stilisierten Tieren, Pflanzenornamenten u. dgl. Die Stichblätter der Kamakuraperiode (1185-1337) weisen auch flache Reliefdekoration auf; in der Ashikagaperiode (1337 bis 1573) werden die Durchbrechungen feiner, filigranartiger, und Einlagen von Edelmetall, Kupfer und Messing treten auf. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts finden sich schon voll rund ausgearbeitete Verzierungen, als Material neben dem Eisen auch Bronze verwendet, und bei den Arbeiten der Gotoschule Ziselierungen von unerhörter, später nicht wieder erreichter Feinheit.
In der Zeit des Usurpators Hideyoshi und seiner Nachfolger, der Tokugawadynastie (bis 1868) tritt der praktische Gebrauch des Schwertes immer mehr in den Hintergrund. Vielfach werden die Tsubas der klassischen Meister noch nachgeahmt, aber in der Hand der Goldschmiede, die jetzt, statt der Plattner und Schwertfeger, das Handwerk beherrschen, wird die Tsuba immer mehr zum Gegenstand einer raffinierten, auf üppige Materialwirkungen ausgehenden Luxuskunst.
Alle Arten von Metallgemischen treten auf; oft wird die Grundplatte aus weicherem Metall gearbeitet: Bronze, Kupfer, einer hellgrauen Silberbronze (shibuichi) oder der, von den Gotomeistern viel benutzten schwarzen Goldbronze (shakudo). In den Vertiefungen werden Wappen, Blumen und Vögel aus opaken Glasflüssen oder Goldzellenschmelz eingeschmolzen (Hiratafamilie), oder die Fläche wird zu hohen Reliefs ausgetrieben (Narafamilie). Die ziselierten oder tauschierten Darstellungen umspannen nun das ganze Gebiet bildmäßiger Vorstellungen der Japaner, enthalten daneben historische und mythologische Szenen. Zu den zwei großen Schulen der Tokugawazeit gesellt sich als dritte die von Yokoya Somin (gest. 1733), der in Gravierung die kalligraphischen Züge der Tuschmalerei nachzubilden versucht. Die Erzeugnisse der neuesten Zeit, seit dem Eintritt Japans in die abendländische Kultur mit der Ära Meiju, sind Epigonenarbeit mit allen Kennzeichen industrieller Verflachung und Verweichlichung.
3. Der Degen
Der Degen (von daga, span. und ital., langer Dolch = Dêgen im Mittelhochdeutschen), seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts in Deutschland als Stoßwaffe im Gebrauch der Berittenen und Vornehmen, hat hier seinen Vorläufer im Bohrschwert (Borschwert, Bratspieß, franz. Bordelaise), mit pfriemenartiger, bis zu 1,50 m langer Klinge mit einem starken Mittelgrat oder drei- bis vierseitigem Querschnitt mit stumpfen Kanten. Aus ihm bildet sich dann der Panzerstecher, gleichfalls noch mit einfachem, kreuzförmigem Griff.
Diese festen, harten Klingen wurden in der Türkei, Ungarn und Polen noch späterhin neben dem Säbel geführt. Der spanische Stoßdegen eroberte sich in der Zeit Karls V. und Ferdinands I. die Gunst der germanischen Völker, und die von Italien aus immer wissenschaftlicher durchgebildete Fechtkunst brachte die reiche Entwicklung seines Griffes zu dem, die Hand völlig schützenden Degengefäß mit sich.
Folgende Teile des Griffes sind zu unterscheiden: a) Knauf, b) Gehilze, c) Parierstangen, d) Parierringe, anfangs nur an der Außenseite, später an beiden Seiten, e) Parierbügel (nach abwärts gegen die Klinge herabgebogen), f) Faustschutzbügel (Eselshuf), d. h. eine gebogene Stange, welche die Parierbügel verbindet, g) Griffbügel, aus der nach oben bis zum Knauf gebogenen, verlängerten Parierstange entstanden. Der Griffbügel tritt dann neben den Parierstangen auf, spaltet sich und geht in die Parierbügel über. h) Parierknebel, von der Parierstange abwärts oder von den Parierbügeln aufwärts gebogene kurze Haken; i) Stichblatt, eine meist durchbrochene Metallplatte im Parierring. Die Kombinationen dieser Einzelteile ergeben den Degenkorb (Spangenkorb), der um 1600 vollkommen entwickelt ist.
Eine durchbrochene Halbkugel, die Glocke, verbunden mit langen, geraden, oft gedrehten Parierstangen und manchmal einem einfachen Griffbügel, kennzeichnet den spanischen Rauf- oder Fechtdegen. Degen und Rappier (Feder) unterscheiden sich nur im allgemeinen durch geringere oder größere Elastizität der Klinge.
Der Haudegen, als Fußknechtswaffe, ist einschneidig und nur an der Spitze zweischneidig. Der Italiener nennt die harte, unbiegsame Klinge stocco, die geschmeidige pinna (Feder), woraus dann im Deutschen die Bezeichnung Federfechter für den, in der eleganten italienischen Fechtkunst Geübten entstand. Der Hofdegen des 18. Jahrhunderts behält nur noch den geraden, mit deutlich abgesetztem Knauf versehenen Griff und kurze, kräftig gebildete Parierstangen bei, dazu manchmal eine kleine, leicht gekrümmte Parierscheibe. Im kriegerischen Gebrauch finden wir den Degen seit dem Anfange des 17. Jahrhunderts nur noch bei Offizieren.
Das Degengefäß ist stets zum besonderen Gegenstand aller Dekorationskünste, des Eisenschnittes der Tauschierung, Vergoldung, Emaillierung, der Ausstattung mit Edelsteinen und Perlen, Kameen und Korallen u. dgl. gemacht worden. Nicht weniger zeigte sich die Prachtliebe der Besitzer in dem Verlangen nach hervorragenden Klingen. In Spanien waren Toledo und Sevilla, in Italien Mailand, Brescia, Bergamo, Serravalle und Florenz, in Frankreich Tours und Lyon, in Deutschland Solingen Hauptstätten der Klingenerzeugung.
Die Fähigkeit der Schwertfeger, die Klingen zu durchbrechen, den Namenszug des Meisters in den tiefen Rinnen als erhabene Schrift stehen zu lassen, Marken, Devisen und Dedikationen in den Stahl zu schneiden, ohne dessen Stärke und Widerstandsfähigkeit zu schädigen, hat sich in zahllosen wundervollen Stücken, die zum stolzesten Besitz unserer Museen zählen, kundgegeben. Der Reichtum und die Wandlungsfähigkeit der Erfindung, die wir in der rein ornamentalen wie in der, von naturalistisch frei behandelten Motiven getragenen Bildung der Degen im 16. und 17. Jahrhundert beobachten können, ist unerschöpflich.
4. Der Dolch
Der Dolch (ital. pugnale, französ. poignard, engl, dagger), dessen Name aus dem althochdeutschen tolg = Wunde abgeleitet ist, erscheint in der Bronze- und La Tènezeit als breite, bald blattförmige, bald scharf zugespitzte Klinge mit merkwürdig S-förmig gebogenem Griff.
In den ersten Jahrhunderten der germanischen Geschichte vom Scramasax verdrängt, findet er sich vom 13. Jahrhundert ab als wichtiges Stück der ritterlichen Bewaffnung, das der Krieger an einer Kette von der rechten Brust herabhängen läßt, oder am Gürtel, dem tief unter den Weichen sitzenden Dupsing befestigt. Der Griff zeigt ein derbes, oft gewundenes Gehilze (Griffstück, auch Hilze, Griffhilze) der Knauf ist rund oder kantig, die Leiste (zwischen Griff und Klinge) zu einer kleinen Parierscheibe ausgebildet.
Der Gnadgott (misericordia) des 14. und 15. Jahrhunderts, mit dem man dem gefallenen Feind den Gnadenstoß gab, zeigt eine dünne, kantige, pfriemartige Klinge. Eine Scheide ist ihm in dieser Zeit nur selten beigegeben, nie, wenn er an einer Kette vom Lentner herabhängt. Im 15. Jahrhundert wird der Dolch, dessen Klinge rund, kantig oder flach, blattförmig, mit Mittelrippe erscheint, rechts an den Bauchreifen oder am Gürtel befestigt, dann auch, in Verbindung mit der Ledertasche, als bürgerliches Waffenstück vorn am Gürtel getragen.
Die Landsknechte führen einen Dolch mit langer, starker Klinge oder den Schweizerdolch: dieser zeichnet sich durch eine breite, flache Klinge, einen Holzgriff, dessen Knauf und Parierstange gleichmäßig gebildet, und zwar in leichter Krümmung gegeneinander gebogen sind, und eine Scheide aus durchbrochenem, mit Samt unterlegtem Messingguss mit figürlichen Darstellungen aus (Entwürfe Hans Holbeins d. J., 1. Hälfte 16. Jahrhundert).
Als kräftig entwickelten Dolch, nicht als Hiebwaffe, muß man die Ochsenzunge ansprechen (langue de boeuf, cinque-dea, weil die Klinge an der Angel eine Hand oder fünf Finger = cinque dea breit war, anelace, von anneau = Ring und lace = Schnur), eine italienische Hauswehr mit breiter, nach unten energisch zugespitzter, mit Hohlschliff und Ätzdekoration versehener Klinge. Knauf und Griff sind aus einem Stück gearbeitet, die kurzen Parierstangen leicht abwärts gebogen, alles oft aus kostbarem Material und in Niello oder mit Medaillen reich ausgestattet. (Zwei Typen: die venezianische, meist aus Verona stammend, mit elfenbeinernem Griff, und die reichere ferraresische.)
Die Fechtkunst des 16. Jahrhunderts erhebt den Dolch zur Schutzwaffe; in der linken Hand geführt (Linkhand, main gauche), trägt er dann ein Gefäß, in dem sich, ähnlich dem Korb des spanischen Raufdegens, eine mehr oder weniger durchbrochene, gebogene Platte, die sich von dem Knauf zu den Parierstangen verbreitert, mit dem Kreuzgriff verbindet. Dolche mit gezähnten Klingen, deren Öffnungen durch Federbolzen nach außen geschlossen sind, Degenbrecher, sollen die Klinge des Gegners abfangen und seiner Hand entwinden; Springklingendolche lassen neben der pfriemartigen Hauptklinge durch Federkraft je eine Seitenklinge im Winkel von ca. 45° herausspringen, nicht etwa um die Wunde des Feindes zu erweitern, sondern um eine größere, fast fächerförmige Parierfläche zu gewinnen, zwischen deren Zacken sich der gegnerische Stahl wohl auch verfangen konnte.
Der Ohrendolch (dague à oreilles), zwischen dessen, in zwei flache Blätter geteilten, metallenen Knauf man den Daumen legte (15. Jahrhundert), geht wohl auf orientalische Vorbilder zurück. Wenigstens zeigen maurische Dolche diese, an den Griff des Handschars erinnernde Form. Aus dem Orient kamen auch die breiten, geraden persischen Dolche und die mit gekrümmten oder geflammten Klingen versehenen türkischen (pâlé) nach Europa; daneben findet sich der indische Khuttar, eine Stoßwaffe mit kurzer, fast dreieckiger Klinge und einem leiterförmigen Griff, dessen, zwischen einer breiten Gabel liegende Querstangen man von oben packt (es kommen auch solche mit doppelten Klingen vor) und der malayische Kris, mit geflammter Klinge und asymmetrisch gebildetem Griff, in vielen europäischen Waffensammlungen.
Als kriegerische Waffe verschwindet der Dolch im 17. Jahrhundert; nur in Italien, wo die Sienesen und Venezianer seit dem 15. Jahrhundert mit langen (Sieneser) und kurzen (fussetti, durch Gradeinteilung als artilleristisches Werkzeug maskiert, venezianisch) Dolchen die, schnellem Dreinschlagen nur allzu geneigte Bevölkerung versehen hatten, spielt das Stilet (stiletto, vom latein. stilus) selbst als Ausstattungsstück der weiblichen Garderobe noch später eine nicht zu übersehende Rolle. Hier finden auch die orientalischen Dolche, deren kostbare Ausstattung mit Edelsteinen, besonders Türkisen und Granaten, Treibarbeit in Gold und Silber, Email und Tausia (Einlegearbeit) dem Luxus stets zahlungsfähige Liebhaber, entgegenkam. Als Dolchmesser (Faschinenmesser) wird der Dolch praktisch heute nur noch von der Marine geführt.
Abbildungen im Text:
- Fig.10. Romanisches Schwert. 13. Jahrhundert. Veste Coburg.
- Fig. 11. Gotisches Prunkschwert. Italien, Ende 15. Jahrhundert. Dresden.
- Fig. 11a. Reitschwert des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig. Von Ulrich Jahn, Oreaden, um 1580. Dresden.
- Fig. 12. Reitschwert, das Gefäß mit Gold tauschiert, die Klinge von Clemens Horn in Solingen. Ende 16. Jahrhundert.
- Fig. 13. Rappier. Ende 16. Jahrhundert. Dresden.
- Fig. 14. Rappier, das Gefäß in Eisen geschnitten, die Klinge von Pedro de Velmonte in Toledo. Um 1590.
- Fig. 15. Säbel, Ende 16. Jahrhundert. Dresden.
- Fig. 16. Säbel mit orientalischem Griff aus Jaspis, mit Edelsteinen besetzt. 18. Jahrhundert.
- Fig. 17. a) Säbel des Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen, 1675. b-e) Polnische Säbel (Karabelas), 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts.
- Fig. 18. Schiavona. 2. Hälfte des 16. Jahrh. Berlin, Zeughaus.
- Fig. 19. Italienische Ohrendolche. Ende 15. Jahrh.
- Fig. 20. Italienischer Fechtdolch (Linkhand). Um 1550.
- Fig. 21. Schweizerdolch, auf der Scheide die Darstellung des Parisurteils. 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Zürich, Landesmuseum.
- Fig. 22. Plötze (Waidblalt) mit Scheide und Besteck. München, um 1610. Dresden.
- Die Teile des Jap. Schwertes. Nach Kokkwa H. 182. a Kashira, b. Menuki, c. Fuchi, d. Tsuba, e. Koszuka, f. kôgai.
- No. 1. Das Brustschild von Moritz Kurfürst von Sachsen, 1553, im Besitz des Hollingworth Magniac Esq. 2 & 3 Rapiers aus der Rüstkammer Ihrer Majestät, Schloss Windsor.
Quelle:
- Alte Waffen von Erich Haenel (1875-1940). Berlin, R. C. Schmidt & co., 1920.
- Das Kunstgewerbe in Japan von Otto Kümmel. Berlin, R. C. Schmidt & co., 1911.
- Art treasures of the United Kingdom from the Art Treasures Exhibition, Manchester. Edited by J. B. Waring. London, Day and Son, 1857.
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