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Die Moden unter dem Konsulat. Spazierfahrt nach Longchamp.

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FRANKREICH. DIE MODEN UNTER DEM CONSULAT. SPAZIERFAHRT NACH LONGCHAMP IM JAHRE X. (1802).

Frankreich. Die Moden unter dem Konsulat. Spazierfahrt nach Longchamp im Jahre X. (1802)

Modische Pariser genießen einen schönen Frühlingstag beim Pferderennen an der Promenade de Longchamp im Jahr 1802.

Der Schöpfer der oberen Darstellung auf unserm Blatt, dass das bunte Leben auf der sogenannten „Promenade de Longchamp“ bei Paris in karikaturartiger Übertreibung schildert, ist unbekannt. Man glaubt annehmen zu dürfen, dass der Kunsthändler und Kupferstecher Martinet, der mit Karikaturen und Modeartikeln handelte, der Urheber dieses kolorirten Stiches ist.

Bei seinem Erscheinen hatte das Blatt nur einen mässigen Preis. Heute wird es, wegen seiner Seltenheit, mit 400 Francs bezahlt. Die Promenade nach der Abtei Longchamp, wo in der Karwoche geistliche Musikaufführungen stattfanden, war seit dem XVIII. Jahrhundert der Sammelplatz der eleganten Welt, wo man die extravagantesten Moden zur Schau trug. Eine Zusammenstellung der letzteren lag auch in der Absicht des Zeichners (evtl. Constantin Guys 1805- 1892, nach Carle Vernet), der zugleich in der Charakteristik der verschiedenen Nationen Vortreffliches geleistet hat. Aus diesem Bestreben wird auch die Steifheit der Komposition erklärt. Man war damals in Paris ernst und gravitätisch geworden. Noch im Jahre 1807 schrieb Prudhomme im Miroir de Paris: „Man sieht an den Parisern nicht mehr jene Heiterkeit und Fröhlichkeit, die sie noch vor fünfundzwanzig Jahren auszeichneten; ihre Gesichter sind nicht mehr so lachend, ihre Miene ist nicht mehr so offen. Man liest auf ihren Gesichtern geschäftliche Verlegenheiten, Verpflichtungen, Projekte. Jeder verhält sich reserviert, der eine beargwöhnt den andern, jeder beobachtet den andern.“

Im Jahre 1802, als Frankreich sich mit allen Nationen im Frieden befand, war Paris wieder der Mittelpunkt der internationalen Gesellschaft. Auch die Emigranten kehrten zurück, und einer von ihnen scheint der Herr im Mittelgrunde rechts zu sein, der noch den schwarzen Kragen der vergangenen Epoche, die gepuderte Perücke mit Zopf und ebenfalls nach alter Mode den Hut unter dem Arm trägt. Auch der Herr auf dem Stuhl im Vordergrund, der einer Dame zuhört und eine Kleidung von englischem Charakter trägt, scheint zu den Royalisten zu gehören (Incroyable). Der Mann in der grünen Uniform und dem Zweispitz mit dem gewaltigen Federbusch ist vermutlich einer der Kriegs-Kommissare oder überschüssigen Offiziere, die damals ohne Beschäftigung waren. Erst im Jahr 1803 wurden Verordnungen in Bezug auf Militärpersonen erlassen, welche u. a. das Tragen von Federbüschen verboten.

Das ausschliessliche Kleidungsstück der eleganten Herren war damals der Frack von grauem, blauem, grünem, braunem oder violettem Tuch mit Metallknöpfen; dazu ein runder breitkrempiger Hut, kurze Hosen, weisse Strümpfe oder weite Beinkleider und russische Stiefel mit breiten Aufschlägen.

Der Frack war ausserordentlich knapp und der Kragen desselben hochstehend und eng anliegend. Unter dem Frack trug man scharlachfarbene oder weisse Westen mit einer Reihe von Knöpfen, feine gefaltete Jabots und Manschetten. Ausser den runden Hüten wurden auch zweispitzige, sehr grosse Chapeaux claques (Klappzylinder) getragen, die ganz flach zusammengelegt werden konnten und die man à la Vintimille nannte. Die Herren waren meist à la Titus oder à la Caracalla frisiert.

Zu dem blauen Frack gehörten gelbe Knöpfe; zu dem grünen Frack, der in allen Nuancen getragen wurde, weil grün die Leibfarbe des ersten Consuls (Bonaparte) war, nahm man weisse Knöpfe. Das Tragen von hohen Stiefeln, welches militärische Neigungsn andeuten sollte, wurde schliesslich so allgemein, dass Herren mit hohen Stiefeln auch in den Salons zugelassen wurden.

Obwohl die weibliche Tracht unter dem Consulat der Grécomanie nicht mehr in so übertriebenem Massstab huldigte, wie unter dem Directorium, geht sie in der Entblössung des Körpers immer noch sehr weit. Die Damen brachten dieser unsinnigen Mode nicht nur das Opfer ihrer Gesundheit, sondern auch das ihres Lebens. Man zitiert als solche Opfer Frau Ch. de Noailles, die, neunzehn Jahre alt, beim Verlassen eines Balles starb, Fräulein de Juigné, achtzehn Jahre alt, Fräulein Chaptal, sechzehn Jahre alt, und die Fürstin Tufaikin, siebenzehn Jahre alt.

Gleichwohl war die weibliche Tracht unter dem Consulat bei weitem gemässigter als diejenige unter dem Directorium, wo man bereits so weit gediehen war, die Nacktheit für die Lieblingsmode der Damen zu erklären und über eine Tracht à la sauvage zu beraten. Immerhin verriet die enganliegende, weit ausgeschnittene, mit ganz schmalen Achselstücken versehene Robe noch genug von den weiblichen Reizen. Man trug jedoch keine Gazekleider mehr und schlitzte die Kleider auch nicht mehr an der Seite auf, so dass das ganze Bein sichtbar wurde. Doch wirft noch Prud’homme 1) in seinem Miroir de Paris (1807) den Damen vor, dass sie das Aussehen hätten, als kämen sie aus der Badewanne und als wäre ihnen daran gelegen, ihre Formen durch die durchsichtigen Gewänder sehen zu lassen. Obwohl die Vorliebe ihr das Altertum immer noch vorherrschend war, gab man doch schon um 1800 die Tunika auf. Das kurze Leibchen hat ebensowenig etwas Griechisches wie der Hut, die Kapuze und der Turban mit Federstutz. Auf unserem Bild sieht man jedoch noch eine Dame, welche ihren Kopf mit einem Schleier nach antiker Manier umwunden hat. Im Jahre 1802 wurden allgemein gelbe Strohhüte getragen, von denen man damals zwanzig Facons kannte.

Schon seit 1800 war es Sitte, dass die Damen blonde oder braune Perücken trugen, die nach antiken Mustern, meist nach Büsten römischer Kaiserinnen, frisiert waren. Solche Perücken gehörten auch zu den Hochzeitsgeschenken. Die Tochter des ermordeten Deputierten Louis-Michel Le Peletier, Marquis de Saint-Fargeau, die von der Republik ausgestattet wurde, erhielt zwölf Perücken. Doch gab es Damen, die ihrer vierzig hatten.

Die Halbfiguren unterhalb der Hauptdarstellung sind Modejournalen aus der Zeit von 1800-1803 entnommen.

Nr. 1. Kapotthut aus Perkal (indischer Kattun.).
Nr. 2 und 3. Negligéhauben mit Tüllbesatz; dazu ein Fichu (Busentuch).
Nr. 4. Turban mit Stirnlöckchen.
Nr. 5. Hut von durchbrochenem Stroh, chapeau de sparterie genannt.
Nr. 6. Kostüm à la Vestalin.
Nr. 7. Atlasjäckchen mit Schwanenpelz besetzt.
Nr. 8. Leibchen mit offenen Ärmeln à l’athénienne.
Nr. 9. Grosse Haube, die im Hause getragen wurde.
Nr. 10. Strohhut mit einer Tüllhaube darunter.
Nr. 11 und 12. Zwei Merveilleuses. Die eine trägt eine kapottartige Haube mit gesteiften Rüschen.
Nr. 13. Beispiel bürgerlicher Tracht, bei welcher Busen und Hals verdeckt wurden, ohne dass das Leibchen eiuen andern Schnitt erhielt.
Nr. 14. Turban mit Federn.
Nr. 15. Frisur nach antiker Mode.
Nr. 17. Hut nach ungarischer Art (à la hongroise).

1) Louis-Marie Prudhomme, (1752, Lyon, Frankreich – 20. April 1830, Paris, Frankreich) war ein französischer Journalist und Historiker.

Quelle: Geschichte des Kostüms in chronologischer Entwicklung von Auguste Racinet. Bearbeitet von Adolf Rosenberg. Berlin 1888.

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