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Historische Hochzeitsbräuche in Gröden, Tirol um 1860.

Gröden, Fassatal, Südtiroler Trachten, Dolomiten, Tirol, Österreich, Volkstrachten, historische Kleidung, Modegeschichte, Kostümgeschichte, Arthur Achleitner
Südtiroler Trachten aus Gröden (Bräutigam), Fassatal, Gröden (Braut)

Hochzeitsbräuche in Gröden Tirol um 1860.

Wenn Zwei sich zum heiligen Ehestand entschlossen haben, gehen sie zuerst nach Bozen, um verschiedene Gegenstände für sich und Geschenke für die Hochzeitgäste einzukaufen. Unter ersteren darf ein Amulet für den Bräutigam nicht fehlen, um denselben vor Untreue und allem Unglücke zu bewahren. Bald darauf erfolgt an einem Samstag der Handschlag, d. i. die feierliche Verlobung, der die zwei Väter und die nächsten Verwandten als Zeugen beiwohnen.

Im Hause der Braut werden bei dieser Gelegenheit Strauben (fanedes) gekocht, wovon auch Nachbarn und Verwandte erhalten. Beim ersten Aufgebot, das am nächsten Sonntag erfolgt, dürfen die Brautleute nicht gegenwärtig sein, sondern müssen entweder zu Hause bleiben oder in ein anderes Dorf sich begeben, aus dem sie erst abends heimkehren. Beim zweiten Aufgebot erscheinen beide in vollem Staate. Der Bräutigam trägt den langen Festrock, einen schönen Blumenstrauss auf dem Hut und einen an der rechten Seite, unter dem linken Arme aber hängt das Amulet an einem farbigen Band, das sich über die rechte Schulter zieht.

Er wird von seinem Bruder oder einem andern Verwandten begleitet. Die Braut ist nach alter Volkstracht gekleidet, die aus einem breitkrempigen grünen Hut und scharlachrotem Korsett mit schwarzem oder grünem Oberkleid besteht und nur mehr bei Hochzeiten getragen wird.

An der Seite der Braut geht die Kranzeljungfer, gleichfalls in der Volkstracht. Gehören die Brautleute nicht derselben Gemeinde an, so muss der Bräutigam an den Tagen des Aufgebotes im Wohnort der Braut beim Nachmittagsgottesdienst erscheinen und sie nach demselben in’s Wirtshaus führen und nach Hause begleiten.

Acht Tage vor der Hochzeit beginnen die Einladungen zu derselben. Die Brautleute gehen zuerst zu den Nachbarn, dann zu den Gevatterleuten, endlich zu den Verwandten. Nachdem sie den bei dieser Gelegenheit üblichen Spruch hergesagt haben, werden verschiedene Speisen, Kaffee zum Schlusse, aufgetischt. Die Braut erhält von den Geladenen ein Geschenk für das Hochzeitmahl, weshalb selbes für die Hochzeitgäste kostenfrei ist. Jedem Begegnenden müssen die Brautleute die Hände reichen und ihn wenigstens auf Besuch einladen.

Am Tag vor der Hochzeit bringt die Kranzeljungfer dem Bräutigam das Hochzeitshemd, worein eine kleine Puppe genäht ist. Sie wird mit Böllerschüssen empfangen. Endlich kommt der Hochzeitstag. Da erfordert vor Allem das Ankleiden der Braut eine besondere Aufmerksamkeit, weshalb stets eine kundige Person hierbei zu Rate gezogen werden muss.

Der Anzug der Braut besteht nun ausser dem schon Erwähnten noch im folgenden. Um die Stirne erhält sie ein breites schwarzes Samtband, um die Lenden aber einen grossen ledernen Riemen mit vielen Zierraten aus Zinn oder Kupfer und versilbert, woran zur linken Seite ein Messerbesteck über das seidene Fürtuch herunterhängt. An beiden Seiten des Kleides flattern rote und grüne Bänder, die genau geordnet sein müssen. Kein Bändchen, keine Farbe darf verwechselt werden; jedes Stück hat seinen bestimmten Platz. Die Braut muss sich allen Anordnungen auf’s Genaueste fügen. Sie muss nun einen langsamen, majestätischen Gang annehmen, ganz demütig einhergehen, darf nicht viel sprechen und lachen, was überhaupt während des ganzen Brautstandes zu beobachten ist.

Unterdessen erscheinen die Geladenen in Volkstracht. Die Jungfrauen tragen grüne, die älteren Frauen schwarze Hüte. Endlich kommt der Brautvater, der nächste Nachbar des Bräutigams, und begehrt unter vielen Zeremonien von den Eltern die Braut. Diese küsst ihnen die Hand, dankt für Alles und geht weinend ab. Alle folgen. Unter dem Geläut der grossen Glocke, unter Böllerknall und Musik zieht man in die Kirche. Jedes der Brautleute ist von seinem Zeugen begleitet.

Während der Trauung müssen beide recht nahe aneinder stehen, damit der Teufel zwischen ihnen keinen Platz finde. Nach der Messe wird geweihter Wein (St. Johannessegen) getrunken. Die Kranzeljungfer gibt dann die in einem mit Bändern gezierten Körbchen befindlichen Geschenke für den Priester und Messner ab. Dann bindet sie einen Kranz dem geladenen Priester an den rechten Arm, der die Braut aus der Kirche begleitet. Jetzt geht der Zug in’s Wirtshaus, wo zugleich der erste Tanz beginnt, den die Kranzejungfer mit dem Begleiter des Bräutigams macht. Hierauf ist das Mahl.

Inzwischen erscheinen Masken und teilen allerlei komische Geschenke aus. Die Braut erhält eine Wiege, die Geschwister der Brautleute eine Ziege ohne Hörner. Am Ende des Mahles werden grosse Krapfen aufgetragen, die nie fehlen dürfen. Nun kommen Besuche, und der Tanz beginnt. Spät abends ist der Brauttanz, wobei die Braut mit jedem Hochzeitgast tanzen muss. Vor Mitternacht gehen die Brautleute nach Hause, begleitet von der Musik, die eine ganz eigene Melodie spielt.

Am andern Tage ist grosse Schlittenfahrt oder ein Schmaus im Wirtshaus. Gewöhnlich gehen dann die Brautleute zu den Eltern der Braut, um die Kleidertruhe und die Ausfertigung abzuholen. Diese besteht in einem schönen Kleiderkasten und andern Möbeln, sowie in einem ganz aufgerichteten Bett. Auf dem Rückweg versperren Bettler mit Stangen und Seilen den Weg, und der Durchzug muss durch ein Geldgeschenk erkauft werden.

Am nächsten Sonntag erscheint die neu verheiratete Frau noch in Volkstracht in der Kirche, und im Wirtshause wird von den Hochzeitsgästen der letzte Abschied mit Anwünschung alles Glückes und Segens gefeiert.

(Tiroler Volkskalender für’s Jahr 1856.)

Quelle: Sitten, Bräuche und Meinungen des Tiroler Volkes. Gesammelt und herausgegeben von Ignaz Vinzenz Zingerle. Innsbruck, Druck und Verlag der Wagner’schen Universitäts-Buchhandlung 1871.

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Illustration, Delphin, Putte
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