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England. Mode des Regency 1795-1815.

England, Regency, Mode, Kostüme
England Regency Mode 1795—1815

ENGLAND REGENCY 1795—1815.

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An der Vorbereitung der Directoire- und der darauf folgenden Empiremode hat England einen sehr bemerkenswerten Anteil gehabt. Englische Herrenmoden des späteren 18. Jahrhunderts, mit dem zum Reiten bequemen Frack und seinem Kragen, den Keilhosen und Stulpenstiefeln, dem Zylinder, haben die kommende Tracht des Kontinents geradezu bestimmt, vom Wertherkostüm (Werther-Mode nach „Die Leiden des jungen Werthers“ von J. W. Goethe. Blauer Frack mit Messingknöpfen, gelbe Weste, braune Stulpenstiefel und runden Filzhut) bis zu dem der französisch „Aufgeklärten“ und Englandschwärmer.

Es war die Absage der freier Denkenden an das Hofkostüm mit Dreispitz, Justaucorps, Kniehosen, Seidenstrümpfen und Schuhen. Und in den englischen Damenerscheinungen mit ihren hochgegürteten, leichten, hellen, glatten, reifrocklosen Kleidern (Jane Austen, Mode des engl. Regency, Georgian) künden sich schon geraume Zeit vor der Revolution ungefähr diejenigen grundsätzlichen Wünsche an, auf die endlich nach der Revolution und nach eingetretener Beruhigung der wilden neuen Modesuche, auch Frankreich und mit ihm das übrige Festland hinauskommen sollten.

In Großbritannien umfasste die Ära des Regency die Jahre in denen König George III. als regierungsunfähig galt, und sein Sohn, der Prince of Wales, als Prinzregent, vor seinem Amtsantritt als König George IV., England regierte. Aber die weiteste Definition der Zeit, die von Trends in Mode, Architektur, Kultur und Politik geprägt ist, beginnt mit der Französischen Revolution von 1789 und endet mit dem Aufstieg von Königin Victoria zur Macht.

Nichtsdestoweniger ist es begreiflich, daß in England keine Freude über die kostümgeschichtlichen Vorgänge in Frankreich seit 1795 aufkam. England war die weitaus erste Weltmacht geworden, es hatte am meisten zu fürchten von einer politischen Verjüngung der rivalisierenden Nation jenseits des Kanals. Daher ist England ja auch die tatsächlich oder heimlich leitende und antreibende Macht in den Kriegen der „Koalitionen“ gegen Frankreich und später der alten Monarchien gegen den Imperialismus Napoleons gewesen; es hat auf diese Weise den französischen Konsul und Kaiser an den beabsichtigten Plänen gegen England von Fall zu Fall gehindert und endlich aus seinem Sturz heraus das Beste verhandelt. Hinzu kommen, bei den bekannten Eigenschaften der Pariser Directoire Mode, ein teils gesund-natürlicher, teils heuchlerischer Widerstand gegen diese extravaganten Neuerungen, und obendrein eine verständliche Abneigung des nationalstolzen und historisch fühlenden England, sich zu ähnlicher Begeisterung für das Kostüm der antiken Republikaner herbeizulassen.

Die Folge dessen ist, daß man in der Sphäre des Hofes von St. James, gerade in der Zeit nach dem Thermidor (Regierungsform der Französischen Revolution) mit viel Bestimmtheit die herkömmliche Tracht des 18. Jahrhunderts betont, eine konservative Bemühung, der man sogar wieder den Reifrock des Rokoko, der Pompadourzeit (Madame de Pompadour, Mätresse des französischen Königs Ludwig XV.) zugute kommen läßt. Unsere Figuren 1 bis 4 zeigen solche offiziellen Hoftrachten, aus den Jahren 1795 (Fig. 1 und 2, 1796 (Fig. 3) und 1798 (Fig. 4) in sich steigernder Schrecklichkeit, wozu nicht wenig die — für ein altgeschichtliches, gewissermaßen ritterzeitliches Merkmal gehaltene — Feder in der Frisur mitwirkt.

Aber aufgehalten haben diese Bestrebungen den Sieg der neuen Mode auch in England nicht. Es ist nicht zutreffend, wenn man öfters lesen kann, England sei durch seinen überwiegenden Kriegszustand mit Frankreich von der Kenntnis der französischen Moden abgeschnitten gewesen. Man hatte zur Vermittlung Hamburg, Göttingen und andere damalige Zentralen der illustrierten Modeliteratur; die französischen Modeschneider und -Schneiderinnen, die in der Revolutionszeit nach London übergesiedelt waren (z. Bspl. Rose Bertin, Schneiderin von Marie Antoinette), hatten ihre Beziehungen nicht verloren; der Krieg zwischen Frankreich und England ist nur zeitweilig mit Nachdruck geführt worden, und zahlreiche Engländer haben in den Zwischenzeiten Paris besucht, um die Dinge, durch die sie entrüstet und skandalisiert waren, sich doch persönlich anzusehen.

So hat denn von 1797 an die sich an der klassischen Antike orientierende Tendenz der Damenmode auch nach England übergegriffen. Die Damenmode folgte klassischen Idealen, und eng geschnürte Korsetts wurden vorübergehend zugunsten einer hochtaillierten, natürlichen Figur aufgegeben. Diese natürliche Figur wurde unterstrichen, indem man den Körper unter der Kleidung sehen konnte. Sichtbare Brüste gehörten zu diesem klassischen Look, und einige bezeichneten die Brüste in der Mode als rein ästhetisch und asexuell. In England hingegen wahrte man mehr Würde (englische Prüderie) und Diskretion, und man sucht mit der neuen Tracht etwas traditionell-englisches und sogar romantisches zu vereinigen.

Diese Richtung läßt sich in unseren Figuren 3 und 7—11, mit zunehmender Deutlichkeit, erkennen. Eine Erinnerung an das statuenhaft Antike will von all diesen Typen doch nur Fig. 5 erwecken, in wenig glücklicher Weise. Das paßt nach England auch nicht. Anstatt der Pose hat man den englischen Sachsinn, und dieser wünscht die Oberhand wieder zu erlangen. Man macht der Zeittracht Konzessionen, aber hebt sie durch — etwas kleinliche — Zutaten wieder auf, weil man sich damit wohler und heimischer fühlt. Auf die einzelnen Jahre verteilen sich diese Modekleider folgendermaßen: Fig. 5: 1797, Fig. 7: 1807, Fig. 8 und 9: 1809, Fig. 10 und 11: 1813. Der Herr im einheimischen Frack- und Stiefelanzug (Fig. 6) ist einem Modeblatt von 1801 entnommen.

Quelle: Geschichte des Kostüms von Adolf Rosenberg. Text von Prof. Dr. Eduard Heyck. Erschienen bei Ernst Wasmuth, Berlin 1905.

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