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Der grosse Saal eines mittelalterlichen Schlosses im 12 Jh.

Mittelalter, Wohnraum, Saal, Schloss, Gemach
Wohnraum eines französischen Schlosses Mitte des 12. Jahrhunderts.

Europa Mittelalter. Inneres eines französischen Schlosses Mitte des XII. Jahrhunderts.

(DOPPELBLATT)

Gemach, Schloss, Mittelalter
Grundriss eines Schlosses im 12. Jahrhundert

Nach den Angaben Viollet-le-Duc’s ist diese Restauration von dem Architekten Paul Bénard entworfen und von Stéphane Baron gemalt worden. Man nahm dabei an, dass das geräumige, saalartige Gemach eine Ecke des Hauptgeschosses einnahm, wie aus dem obigen Grundriss ersichtlich ist.

Der grosse Saal.

In der Ecke zur Linken befindet sich der Speisetisch mit dem Armstuhl des Hausherrn und den übrigen Sitzen. An der Wand neben dem Fenster eine Kredenz mit kostbaren Gefässen, zwischen den beiden Fenstern der mächtige Kamin, dessen Mantel mit Malereien geschmückt ist. An jeder Seite eine mit Teppichen belegte Bank. Neben dem Fenster zur Rechten eine hohe Truhe, die unten auch als Sitz eingerichtet ist. Dann folgt an der Wand befestigt ein Madonnenbild und eine eisenbeschlagene Tür, die den Eingang zum Turmgemach bildet, das als Ankleidezimmer dient, und zuletzt das grosse Himmelbett. Der Plan zeigt die Anordnung der vierten Seite, die auf der farbigen Restauration nicht sichtbar ist: dort sind drei Eingänge angebracht, zwischen dem ersten und zweiten von rechts gerechnet eine Truhe, zwischen dem zweiten und dritten ein grosser Schrank, zwischen zwei Anrichtetischen oder Bänken, die zugleich als Kästen dienen, und ganz in der Ecke links ein dritter Anrichtetisch.

Das Innere der französischen Schlösser des XII. Jahrhunderts bestand gewöhnlich aus einem Erdgeschoss, in welchem sich Küche, Keller und Wirtschaftsräume befanden, und aus einem Hauptgeschoss, dessen Mittelpunkt der grosse Saal bildete, um den sich Kemenaten, Schlaf- und Arbeitszimmer gruppierten. Der grosse Saal diente nicht nur als Fest- und Empfangsraum, sondern auch als gewöhnlicher Aufenthaltsort der Familie, in welchem sich das tägliche Leben abspielte. Auch die Diener und Arbeiter, die an den Mahlzeiten Teil nahmen, durften ihn betreten. Die Balken der Decke waren nicht verdeckt, sondern bunt bemalt, worin grosser Luxus getrieben wurde. Die grossen Querbalken ruhten auf geschnitzten, konsolenartigen Kragsteinen (corbeaux), und darüber kamen die schwächeren Längsbalken oder Lagerhölzer (solives), die den Fussboden des oberen Raumes trugen. Der Fussboden war entweder mit hellen und dunkeln, schachbrettartig abwechselnden Marmorplatten oder, wie auf unserem Bild, mit farbig glasierten, reich mit Tier- und Pflanzenfiguren ornamentierten Tonfliesen belegt, von denen noch schöne Exemplare, besonders in Kirchen, erhalten sind.

Die Fenster sind auf unserem Bild mit kleinen Butzenscheiben verglast, die jedoch erst am Ende des XII. Jahrhunderts in Privathäusern üblich wurden. Durch diese grünlichen in Blei gefassten Scheiben konnte man nicht viel sehen; auch waren sie nicht sehr dicht und wetterfest, sodass man sich gegen das Eindringen der Kälte noch durch einen Vorhang schützen musste. Deswegen war auch der Kamin äusserst umfangreich. Derjenige unseres Bildes stammt aus einem Hause der Stadt Cluny. Von dem Mantel, der von grossen Kragsteinen getragen wird, hängen zwei metallene Griffe herab, an welchen sich diejenigen festhielten, die die Wohltat des Feuers geniessen wollten. Auf den Brettern rechts und links stehen Leuchtapparate.

Die dem Kamin zunächst befindlichen Sitze galten als die Ehrenplätze, die der Hausherr und seine Gemahlin, einnahmen. Die Bank zur Linken hat eine bewegliche Rückenlehne, sodass sie auf beiden Seiten benutzt werden kann. Auf die Sitze wurden Federkissen (Plumit) oder gefütterte Decken gelegt. Die Füsse wurden auf ein starkes Brett gestellt, das mit der Bank zusammenhing. Der Fussboden war hie und da mit Teppichen belegt; auf unserem Bilde unter dem Esstische, an welchem der Hausherr im Armstuhl sass, während sich die übrigen Tischgenossen mit niedrigen Schemeln begnügten. Stühle waren selten im Gebrauch, am meisten noch die Faltstühle ohne Lehne, die zusammengeklappt werden konnten.

Eine der Seiten des Tisches blieb immer frei, um das Auftragen der Speisen zu erleichtern. Ob die Kredenztische mit ihrem reichen Schmuck von goldenen, silbernen und kristallenen Gefässen schon im XII. Jahrhundert üblich waren, wie unser Bild zeigt, ist zweifelhaft. Die Betten waren im allgemeinen nicht sehr breit, aber mit grossem Luxus ausgestattet. Das Holzgestell war reich geschnitzt und bunt bemalt oder mit graviertem und niellirtem Elfenbein ausgelegt.

Der Boden war entweder von Holz oder häufiger durch quer und lang gespannte Stricke elastisch gemacht (Spannbett). Das Unterbett, das Ohrkissen (oreillier) und die Decke waren mit Seide überzogen und reich gestickt. Am Tage sass oder lag man auf den Betten, in der Nacht schlief man darin. Dann zog man auch die Vorhänge zusammen, die von den Querbalken herabhingen. Dadurch konnte das Bett alkovenartig abgeschlossen. werden. In der Ecke ist ein Madonnenbild zur Verrichtung der Hausandacht angebracht, mit einem kleinen Betaltar darunter, auf dem auch die Kissen zum niederknien liegen. An eisernen Armen zu den Seiten des Madonnenbildes wurden die Votivkerzen gesteckt. Die Truhe neben dem Altar dient als Wäschebehältniß.

Der Kronleuchter ist nicht für die Aufnahme von Wachslichtern bestimmt, sondern besteht aus einer Anzahl von an Ketten befestigten Öllampen. Während in Deutschland die Wände meist glatt verputzt und geweisst, höchstens bei feierlichen Gelegenheiten mit Teppichen behängt wurden, liebte man in Frankreich eine farbige Wanddekoration, bei der ockergelb, rot, rotbraun, grün und blau die Hauptrolle spielten. Meist sind Blumenmuster gewählt, seltener figürliche Darstellungen. Das Gold wurde für gewöhnlich für die Wappen reserviert, die auf unserem Bild den Rauchmantel des Kamins umgeben.

Vgl. Viollet-le -Duc, Dictionnaire de l’architecture und Dictionnaire du mobilier français und Alwin Schultz, Das höfische Leben zur Zeit der Minnesinger. I. S. 51 ff.

Quelle: Geschichte des Kostüms in chronologischer Entwicklung von Auguste Racinet. Bearbeitet von Adolf Rosenberg. Berlin 1888.

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