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Slawische Trachten des osmanischen Reiches. Europäische Türkei.

Slawische Trachten, Slawen,  osmanisches Reich, Kostüme, Balkan, Bulgarien, Albanien,
Europäische Türkei. Manner,- und Frauentrachten.

EUROPÄISCHE TÜRKEI. MÄNNER- UND FRAUENTRACHTEN.

Nr. 1, 2, 3, 6, 8 und 9, Trachten aus Scutari in Albanien.

Nr. 1. Hodja (islamischer Religionsgelehrter).

Nr. 2. Christliche Frau; Tracht für das Haus und die Stadt.

Nr. 3. Christlicher Priester.

Nr. 6 u. 9. Türkische Frau; Tracht in und ausser dem Hause.

Nr. 4 u. 7. Hirte und Bäuerin aus Malissor (Albanien).

Nr. 5. Christliche Bäuerin aus Matefre.

Die slawischen Trachten.

Diese Trachten stammen aus den Vilajets 1) von Prizren (Prizrin Vilayeti) und Skutari, dessen zwei Gouvernements noch im Jahre 1873, wo die Figuren photographiert wurden, das ehemalige obere Moesien 2) und Ober-Albanien umfassten. Die Bevölkerung ist eine überwiegend slawische, deren Ursprung in das hohe Altertum zurückreicht und die auch in Bezug auf ihre Tracht noch alten Traditionen folgt. Das zeigt sich besonders in der Stickerei ihrer Gewänder mit bunten Fäden und mit metallischer Seide. Die Leinwand, welche für diese Tapisseriearbeiten als Canvas dient, ist äusserst fein und stark. Die Stickereien bilden immer regelmässige Figuren und stimmen in ihrem Charakter mit ähnlichen Arbeiten in Bulgarien und Rumänien überein.

Die Tracht der Bäuerin von Malissor, Nr. 7., ist ein Beispiel für die verschiedenartigen Anwendungen dieser Stickereien. Man dekoriert damit den Geuckluk, das anschliessende Leibchen, den Dubliten, einen steifen Rock ohne Falten, die Schürze, die Terba, einen Arbeitsbeutel, die dicken und starken, bis zur Hälfte der Oberschenkel hinaufsteigenden Strümpfe und den Fransen des, wie alle genannten Kleidungsstücke aus Wolle gefertigten Gürtel, der zusätzlich durch einen zweiten Gürtel aus Goldborte zusammengefasst ist, zu welchem ein silbernes Schloss gehört. Die Haartracht besteht aus Zechinen, die an goldenen Ketten auf die Stirn herabhängen. Der weite Baschlik (von türk. baş „Kopf“), der den Kopf bedeckt und auf die Schulter herabfällt, ist ein mit Gold gestickter Schal. Die Ustrugka, der über die linke Schulter geworfene, befranste Mantel, ist einfacher. Er wird von einem Tsckaprass zusammengehalten, einer aus Silbermünzen gebildeten Agraffe. Diese Bäuerin gehört zu denjenigen, die Teppiche für den Verkauf herstellen. Sie trägt in ihrer Rechten ein Etui mit einer Schere und in der Linken ihren Arbeitsbeutel. Sie hat alle Stücke der Tracht selbst angefertigt.

Der Hirte von Malissor Nr. 4 ist mit Fellen von neu geborenen Lämmern bekleidet. Passementerien und Stickereien von schwarzer Seide verdecken die Nähte. Der Schalwar (Hose), der Entari (Jacke), beide fest anschliessend, ein breiter und dicker Gürtel von Wolle, wollene Strümpfe, der Tscharyk, die Fussbekleidung, die der Bauer gewöhnlich selbst anfertigt, der gerade Fez mit dem Puckul, der seidenen Quaste, bilden das Kostüm dieses Hirten. Am Gürtel trägt er eine Art Patronentasche und zwei Flöten.

Nr. 5, eine Bäuerin aus Matefre, charakterisiert wie Nr. 4 und 7 die Trachten Bulgariens. Ihr auf den Nacken herabfallendes Kopftuch ist mit Münzen und Metallplatten geschmückt. Ihr Wollhemd zeigt an der Brustöffnung zwei Borten mit geschmackvoller Stickerei. Die kurze Schürze ist ebenfalls reich gestickt. Ihre Pantoffeln (Babuschen) sind mit Rosetten versehen. Sie trägt grosse Ohrringe. Die bulgarischen Frauen tragen gewöhnlich nicht den Tschalvar, die weite orientalische Pluderhose, und auch nicht immer Strümpfe. Die Frauen der Ackerbauern, die nur mit einem Hemd und einer Schürze bekleidet sind, ziehen gewöhnlich, wenn sie das Haus verlassen, auf ihre nackten Füsse Pantoffeln von rotem oder schwarzem Leder oder, wenn es das Terrain erlaubt, von Filz. Wenn der Bulgare, der gewöhnlich eine Kleidung von Schaffellen trägt, auf dem Feld oder im Garten arbeitet, legt er die Jacke ab und behält nur seine Hose an. (Die Tafel „Europäische Türkei“ bietet unter Nr. 6, 8, 4, 3, 7 und 9 Beispiele bulgarischer Trachten.)

Eine charakteristische Eigentümlichkeit des slawischen Kostüms sind die Stickereien, mit denen fast alle Kleidungsstücke der Frauen bedeckt sind. Es sind teils eingewebte, teils gestickte, teils aufgedruckte oder gemalte Blumen und Ranken in orientalischem Geschmack.

Der Hodja (islamischer Religionsgelehrter) oder auch Hodscha, Chodscha genannt, vom persischen Lehrer, Meister abgeleitet, Nr. 1, hat ein weites, bequemes Kostüm. Seine Kopfbedeckung bildet ein Fez mit dicker Quaste, der mit einem weissen Tuch (Saryk) umwunden ist. Ein Oberhemd von bedruckter Baumwolle bedeckt seine Brust. Die ärmellose Weste ist mit dicken Knöpfen besetzt. Schalgürtel; Hose von Tuch. Zwei kaftan artige Röcke, von denen der längere keine Ärmel hat, und Maroquinpantoffeln vervollständigen das Kostüm.

Der christliche Priester, Nr. 3, trägt das Kostüm eines Arnauten (Albaner) bürgerlichen Standes: den Fez, ein seidenes Hemd, eine Weste, ein Beinkleid von glänzendem, faltenreichem Gewebe, einen wollenen Gürtel, weisse Strümpfe, weite Schuhe und einen Überrock mit Ärmeln.

Die unter Nr. 2 und 8 dargestellten Christinnen tragen das weite Beinkleid wie die Türkinnen. Nur die bulgarischen Frauen haben dasselbe nicht von der osmanischen Kultur übernommen. Die beiden Figuren stellen dieselbe Frau in der Tracht für die Strasse und das Haus dar. Die Kopfbedeckung für das Haus ist ein einfaches, mit Seide und Gold gesticktes Baumwolltuch, das von einem dicken Streifen zusammengehalten wird. Ohrringe aus Silberfiligran; Halsband aus demselben Stoff mit einem daran gehängten Kreuz, in dem sich Reliquien befinden. Das Hemd wird auf der Brust durch silberne Knöpfe oder Nadeln zusammengehalten. Der breite Gürtel von Goldschmiedearbeit, unter dem sich ein zweiter Gürtel von Gaze befindet, hält das aus dünnem, schillerndem Stoff gefertigte Beinkleid um die Taille fest. Weit ausgeschnittene Babuschen (ein aus Stoff gefertigter Hausschuh) mit Schnäbeln; die gefälteten Ärmel des Hemdes bedecken die halbe Hand. Für den Aufenthalt ausser dem Hause kommt noch ein Tuchmantel mit Überschlag und Kapuze hinzu (Nr. 2), des weiteren ein leichter Schleier aus Musselin, der gewöhnlich unter dem Kinn zusammengeknüpft, selten ganz herabgelassen wird.

Nr. 6 und 9 stellen eine Frau aus Shkodra (albanisch auch Shkodër) im Ausgeh- und im Hauskleid dar. Die Kopfbedeckung ist eine Art Helm aus Goldstoff mit einem Busch aus Goldschmiedearbeit. Die Stirn ist mit einer dreifachen Reihe von Zechinen geschmückt, die an kleinen goldenen Ketten von der Haube herabhängen. Die längsten der Ketten reichen bis auf die drei Reihen von Gold- und Silbermünzen herab, die sich über die Brust hinwegziehen. Das Hemd ist von durchsichtigem Stoffe, die Jacke von gewirkter Seide und unten an den Ärmeln ausgezackt. Der ärmellose Kaftan reicht bis zu den Knien. Das an den vier Ecken mit goldenen Blumen gestickte Taschentuch wird durch ein Knopfloch hindurchgezogen. Ein anderes Tuch mit reicher Bordüre ist durch den Gürtel gesteckt, der aus einem dichten Gewebe aus Gold- und Seidenfäden, mit Fransen besetzt, besteht. Die Samtpantoffeln haben Ornamente, die aus kleinen Perlen gebildet sind. Wenn man ausgeht, wird der Zierath auf der Haube aus der darunter befindlichen silbernen Platte herausgeschraubt und ein Mantel über den Kopf gezogen, in den sich die ganze Gestalt einhüllt.

(Nach Photographien und nach Modellen, die 1874 von der Union centrale des beaux-arts appliqués à l’industrie ausgestellt waren.)

1) Das Vilayet von Skutari, Shkoder oder Shkodra (türkisch: Iskodra Vilayeti oder Vilayet-i Iskodra; Albanisch: Vilajeti i Shkodrës) war eine Verwaltungsabteilung (Vilayet) der ersten Ebene des Osmanischen Reiches, die von 1867 bis 1913 bestand und sich in Teilen des heutigen Montenegro und Albaniens befand.

2) Moesia war eine antike Region und spätere römische Provinz auf dem Balkan südlich der Donau. Sie umfasste den größten Teil des Territoriums des heutigen Zentralserbiens, das Kosovo und die nördlichen Teile des heutigen Nordmakedoniens (Moesia Superior), Nordbulgarien, die rumänische Dobrudja und die Südukraine (Moesia Inferior).

Quelle: Geschichte des Kostüms in chronologischer Entwicklung von Auguste Racinet. Herausgegeben von Adolf Rosenberg. Berlin 1888.

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