Die alte tschechische Volkstracht der Gegend von Domažlice in Böhmen.
Die alte tschechische Volkstracht der Gegend von Taus, Domažlice in Böhmen.
Die Choden sind der am weitesten gegen Westen vorgeschobene Stamm der Tschechen, wie diese selbst wieder das westlichste Volk der slawischen Völkergruppe bilden. Zwischen zwei Bergmassiven der böhmisch-bayrischen Grenze, dem des Tscherchov im Norden und dem des Osser mit dem gegen den Tscherchov zielenden Hohen Bogen im Süden, öffnet sich eine breite Pforte ins Böhmerland, die besonders in älterer Zeit von hoher strategischer Wichtigkeit war.
Von hier aus zogen Wege über Klentsch, Vollmau, Eschlkam Neumark und über Neukirchen-Neuern ins Innere Böhmens. Die Hut der nördlicheren Wege beschützten die Choden, die südlichere Straße gegen Neuern hatten die künischen Freibauern von St. Katharina und Hämmern zu bewachen und im Kriegsfall durch Verhaue zu schützen. Die Konischen wohnten südlich von den Choden. Von deren Gebiet waren sie durch die Linie Luft—St. Katharina—Chodenangel getrennt. Sie bewohnten die Orte St. Katharina, Hämmern, Eisenstraß, Seewiesen, Haidl, Kochet, Stadeln und Stachau im ehemaligen Prachiner Kreis.
Diese alten »Gerichte« gehören nun zu den politischen Bezirken Klattau (die drei erstgenannten) und Schüttenhofen (die fünf anderen). Die Künischen oder Königlichen 1) waren mit Ausnahme der Bewohner des Stachauer Gerichtes — des südöstlichsten 2) — Deutsche und siedelten in zerstreut liegenden Höfen. Eine Anzahl derselben bildete immer zusammen ein Gericht. Um so manchen dieser Höfe herum entstand später eine ganze Ortschaft.
Ganz anders lebten die Choden; diese waren Tschechen und lebten in geschlossenen Ortschaften und in diesen wieder in ummauerten Höfen, deren sämtliche Fenster gegen den Hof und nicht auf die Strasse sahen.
Die Künischen werden hie und da mit den Choden für identisch gehalten oder verwechselt. In einem Buch über den Böhmerwald wird sogar die Tracht der Choden den Künischen, ihren deutschen Nachbarn, auf den Leib geschrieben. 3)
Die Choden hatten wie die Künischen die Aufgabe, im Fall der Gefahr eines feindlichen Einfalles die Grenzwege zu verhauen, das heißt mit Baumstämmen zu versperren; ferner den Wald vor den Eingriffen der anwohnenden Bayern zu schützen, die hier an der bis 1764 strittigen Grenze rodeten, Kohlen brannten, Dörfer anlegten, Pech schabten und dergleichen.
Die Choden werden zuerst in der Reimchronik dos böhmischen Ritters Dalimil genannt, die um 1300 entstanden ist und auch die Niederlage des Kaisers Heinrich III. bei Taus (1041) beschreibt, wo es heißt (Vers 2021):
kazal hoed vsem v les vjiti.
A Chodum les zasekali. (Andere Lesart: zarubiti. 4)
Und weiter (Vers 2029):
Kdoz da se na utek
Chodum jej zabiti (jsem kazal 5).
In Urkunden werden die Choden (zuerst 1489) Chodowé genannt. Dieser Name wird von ihrer Verpflichtung, die Grenze zu begehen (choditi, gehen), abgeleitet. Anfangs lagen nur zehn Dörfer innerhalb des Tauser Chodenbezirks, der von der bereits bezeichneten Südgrenze gegen Norden bis an die Straße von Muttersdorf nach Bayern reichte.
1) Mundartlich heißt der König „Küni“ oder „Küne“.
2) Dieses ehemalige Stachauer Gericht bildet mit seinen Siedlungen, deren Namen alle auf ov (Hof?), zum Beispiel Jirkalov, Krousov, Churunov u. s. w. endigen, und seinem andersartigen Dialekt eine merkwürdige Insel zwischen den umliegenden deutschen und tschechischen Ortschaften.
3) Zeithammer, Sumava: Krej a Lid. S. 150.
4) Und befahl gleich allen in den Wald zu gehen. Und den Choden, den Wald zu verhauen.
5) Wer sich auf die Flucht begibt, Den sollen die Choden erschlagen (befahl ich).
Es werden genannt: Possigkau (Postřekov), Klentsch (Klenec), Drasenau (Drazenov), Hochwartl (Straz), Aujezdl (Oujezd), Tilmitschau (Tlumacov), Mrdaken (Mrakov), Klitschau (Kyüov), Putzenried (Pocinovice) und Melhut (Lhota). 6)
Diese Reihe vermehrte sich mit der Zeit um Eigelshof (nun Meigelshof, Chodov), dann Chudiwa (Chudenin), Hadruwa, Neupossigkau, Neuklitschau, Hochofen (Pec) und Chodenschloß (Trhanov).
Die Orte Putzenried und Melhut, dann Chudiwa und Hadruwa waren von dem Gebiet der übrigen Chodenorte, die um Taus lagen, durch einen vom Riesenberg bis zur Grenze reichenden mehrere Kilometer breiten Streifen fremden Grundes getrennt. Pulzenried und Melhut sind in mancher Beziehung von den übrigen Chodendörfern verschieden; die alte Tracht ist hier seit etwa fünfzig Jahren schon außer Gebrauch. Die seinerzeit verödeten Orte Chudiwa und Hadruwa wurden um 1600 von der Stadt Taus, die zu jener Zeit die Chodendörfer in Pfand hatte, mit Deutschen aus der Oberpfalz neu besiedelt.
Paul Stransky hat uns in seinem »Staat von Böhmen« (1634) 7) überliefert, dass die Vorfahren der Choden, die zu seiner Zeit auch mit dem Spitznamen »Psohlavci« (Hundsköpfler) beehrt wurden, 8) von Herzog Bretislav I. im Jahre 1038 hierher übersiedelte Polen seien, die Einwohner aus dem Gebiet der Burg Gdec oder Chodzec am Fluß Netec in Groß-Polen. Diese Ansicht vertritt auch Erben in seiner »Geschichte der Choden von den ältesten Zeiten bis nach dem Hussitenkriege.« 8)
Wenzig spricht in seinem Buch »Der Böhmerwald« (162 fff.) auch von Überresten aus dem Polnischen im Chodendialekt, was allerdings entscheidend wäre, wenn er sie auch nachgewiesen hätte. Die Choden- und die Tauser Mundart weisen wohl sehr viele Besonderheiten auf, ihre Erforscher Hruska und Kebrle bezeichnen diese aber nicht als Polonismen. 10)
Jirecek (»Das Recht in Böhmen«, I. b. 20) glaubt, daß die Einwohner von Gdec seinerzeit an die Litawa und in die Gegenden der heutigen Ortschaften Zditz und Lochowitz im Hofowitzer und Cernin im Berauner Bezirk umgesiedelt wurden.
6) Nach Pangerls Arbeit über die Choden zu Taus in den Mitteil. d. Ver. f. Gesch. der Deutschen. Prag, 13, 147 ff.
7) De Republica Bojema. Amsterdamer Ausgabe von Friedrich Roth-Scholtz 1713, pag. 71. (Mitt. 13. 148.)
8) Wohl wegen des Hundskopfes in ihrer Fahne. Starke Hunde waren ihre Begleiter bei der Begehung der Grenze. Eine im Chodenlande spielende Oper sowie der ihr zugrunde liegende Roman von Jirasek führen den Titel „Psoblavci“. Ein anderer Spitzname der Choden ist „Bulaci“, weil sie das Hilfszeitwort „byl“ (war) wie bul aussprechen. Diesen Übernamen geben auch jene Chodendörfer, die das „bul“ noch sagen, den Bewohnern jener Orte, die noch an der alten Tracht festhalten, so daß derselbe für die Fernerstehenden die Choden überhaupt bedeutet und unter diesem Stamm selbst wieder nur die für uns interessanteren Orte bezeichnet.
9) Dèjiny Chodu od nejstarsich dobaz po po valky husitské. Ä Kvély‘, 1868, Nr. 8—11. (Mitt. 13. 144.)
10) Hruska Jan F.: O hláskoslovi chodském. Filolog. Listy XVIII, 30—58.) Kebrle V.: Grammatické zvlásinosti mluvy Domažlice (Taus 1901. Gymnasialprogramm.)
TAFEL I.
Haube (Kolac)
Gürtel und Brustklappen der Frauenjacke (Kazajka) bei den Choden.
TAFEL II.
Stickereien der Choden.
(Der Reihe nach: Mitte der Hosenklappe, Eckverzierungen von Leibchen, Stickereien am Hemd, Verzierungen an der Tasche der Kazajka, vom Kragen, Vorderteil und Mittelstück der Kragenstickerei.)
Dieser Ansicht schließt sich auch Helfen an. 11) Auch Pangerl, der Verfasser einer inhaltsreichen Abhandlung über die Choden zu Taus 12) hält die Choden für Tschechen. Palacký versetzt die (richtig 1039 übersiedelten) polnischen Gedcane ebenfalls in die Gegend des Beraunflusses, jedoch mehr westlich, in den Bezirk von Kralowitz, wo die Dorfnamen Hedcko und Hedcany noch an sie erinnern sollen. 13) In der Warschauer Zeitschrift »Wisla«, IX, 851, erörtert Bronislav Grabowski diese Meinung von der polnischen Abstammung der Choden.
In neuerer Zeit liest man die Begründung, daß die Polen auch deshalb nicht mit den Choden identisch sein können, weil man doch Fremde nicht mit der Aufgabe betraut hätte, die Pässe des Landes zu hüten. 14) Auch in der Zeitschrift des deutsch-historischen Vereines ist (XXI, S. 201) diese Erwägung ausgeführt: »Es würde auch höchst sonderbar gewesen sein, wenn Břetislav den im Jahre 1039 besiegten Polen noch in diesem und dem folgenden Jahre die Grenzen des Landes zur Verteidigung überlassen hätte.«
Bei näherer Betrachtung erscheint es mir doch nicht so sonderbar. Es liegt mir fern, in diesem Streit der Meinungen Partei zu ergreifen, ich will nur einiges anführen, was für die ältere Meinung spricht und zugleich die Wohnsitze und das eigenartige Volksleben des Chodenvolkes in einer gewissen Richtung beleuchtet.
Gerade das Wohnen an der Grenze war in älteren Zeiten ein unsicheres und höchst gefahrvolles Leben. Wer zum Beispiel die Geschichte des so reich mit Burgen bewehrten Angeltales von 1400 bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts verfolgt, die fast nur von Grenzkämpfen mit den Bayern ausgefüllt wird, läßt für unsere Gegend die Worte des serbischen Guslaren gelten:
So blutgetränkt beschaffen ist das Grenzland:
Mit Blut das Mittag- und mit Blut das Nachtmahl,
Ein jeder kaut im Munde blutige Bissen;
Und nimmermehr kein lichter Tag zur Ruhe! 15)
11) In seiner Abhandlung: Die ehemalige Wald-Veste Böhmen (Mitt. d. geogr. Ges. in Wien, 1870, S. 505, Anmerkung 13.) (Mitt. 13, 114 und 148.)
12) Mitt. 13, S. 144 ff.
13) Palacky: Geschichte von Böhmen, I. Aufl. 2. Abdr. I. 280. Anm. 88. Vergl. auch Bachmann: Geschichte Böhmens, I. Bd., Gotha 1899, S. 219 und 228.
14) Besedy Lidu, 6, 69.
15) Ethnolog. Mitt. aus Ungarn. IV. S. 37. Krauß.
Gerade das fremde Volk hatte da den ersten Ansturm des Feindes auszuhalten. Ebenso wie die böhmischen Herrscher auch die deutschen Freibauern südlich von den Choden als Grenzwächter bestellten gegen ihre bayrischen Stammesgenossen — auch die Grenze nördlich des Tauser Chodengebietes war Deutschen zur Verwahrung anvertraut, den Choden von Pfraumberg, Neustadtl, Tachau u. s. w. — so war es zum Beispiel auch bei den alten Magyaren die Regel, zu Hütern der Grenze immer fremde Stämme zu verwenden, wie die Kabaren, die Bessenyös, die Szekler. Letztere hielt man nie für Ungarn, sondern für Nachkommen der alten Kabaren. 16)
Ebenso wie die Bewohner des Angeltales und die Umwohner des Riesenberges durch zahlreiche Burgen und Festen geschützt waren, halten auch die Choden ihre Burg, das Chodenschloß in Taus, in dem sie ihre Greise, Frauen und Kinder zu Kriegszeiten bergen konnten. Jeder Hof hatte aber auch noch seinen eigenen festen Platz, den Schüttboden, einen massiv gemauerten höheren Hausteil mit starken Türen, eisernen Schlössern daran und vier schmalen Schießscharten statt der Fenster.
Hier verwahrte der Chode seine beste Habe, hierher flüchtete er bei plötzlichen Überfällen; die »Sýpka« war der Bergfried seines Hofes. Heute noch sind diese Baulichkeiten in manchem Chodendorf, zum Beispiel Tilmitschau, zu sehen, auch in dem altertümlichen ehemaligen Tauser Dorf Petrowitz sieht man sie noch. 17) Sie heißen in einigen Dörfern der Gegend bezeichnenderweise auch »Sruby« (Bollwerke).
Die treue Bewachung der Grenze war dem exponierten Stamm, dem Puffervolk, vor allem zur Deckung der eigenen Haut nötig, wie die Choden 1567 selber sagen: »weil es uns zunächst anginge.« 18)
16) Ebenda. V. 185.
17) Eine sehr gediegene und ausführliche Abhandlung „Über das chodische Bauernhaus und sein Gerät“ schrieb (Cesky Lid, II. 44, 153, 588, 675. II. 10, 382. III. 206, 315.).
18) Mitt 13, 227.Frühzeitig waren unter den Tauser Choden schon Deutsche angesiedelt. Aus Urkunden und Beschwerdeschriften werden uns Hanns Hagkhl, Anderl Deutschenschreiber (1564), Andrä Weiblinger von Tilmitschau, Hanns Plabmann von Klentsch (1571) bekannt. Es kommt in Chodendörfern der Hofname Nemec vor, der Familienname Pajdar ist die bayrische Dialektform von Peter. Unter den Choden finden wir noch andere deutsche Namen: Hausner, Hostreiter, Haindl, Thomayer, Hecht, Wuchterl, Knopf, Tauer, Größl (Kresl), Wiesner, Seidl, Etzl, Bachmaier, Baumann, Bohmann u. s. w. Aus einem Zoglmann wurde ein Cudlman. Die Stadt Taus errichtete vor 1600, die Freiherren von Lamingen nach 1620 zahlreiche deutsche Dörfer im Wald »Königreich« im Norden, Westen und Süden des Chodengebietes. So ist es auch verständlich, wenn Kebrle in der oben erwähnten Schrift über zahlreiche Germanismen im Chodendialekt klagt.
Über die alte Tracht des Landvolkes in Böhmen weiß man nichts Sicheres. Bei dem geringen Wohlstand und der ungemein gedrückten Lage der frühzeitig zu Leibeigenen des Adels herab gesunkenen weitaus überwiegenden Mehrheit desselben mag sich die Bekleidung kaum über die Erzeugnisse der Hausindustrie erhoben haben. Heute noch (1906) ist ja das Werktagsgewand des Landmannes zum großen Teil aus Leinen oder Scherke *). Weiße Scherke ist heute noch der vorherrschende Stoff der festtäglichen Tracht in slowakischen Gegenden. Und von dieser slowakischen Tracht nimmt Professor Koula an, daß sie ein Rest der allgemein slawischen Tracht sei, die in Böhmen, Mähren und der Slowakei üblich gewesen ist, bis sie von westlichen Einflüssen verdrängt wurde. 19)
*) Eine regionale Spezialität war die Scherke, ein sehr fester und qualitätvoller Stoff aus einer Kombination von Wolle und Leinen. Sie hatte umfassende Verwendung, aber am meisten erregte sie in Schönheit und Farbenreichtum auf den Damenröcken Aufmerksamkeit. Quelle: Stadtmuseum Horazdovice
19) Siehe Koulas Studie hierüber im Ceský Lid, I.
Böhmen war schon immer infolge seiner zentralen Lage und seiner Geschichte ein bedeutender Kulturmittelpunkt Europas; italienische, französische, spanische, englische, holländische und vor allem und am kräftigsten und nachhaltigsten deutsche Einflüsse haben — freilich nicht immer ungestört — hier eingewirkt, besonders im Adel und im Bürgertum. Bürgerliche Einrichtungen, Lebensweise und Tracht wirkten dann zunächst wieder auf die Bauern weiter. So gehen unsere Bauerntrachten zum großen Teile auf die Moden zurück, die einst von Städtern getragen wurden. Die Bauern haben deren Tracht stückweise angenommen, ihren Neigungen und Bedürfnissen angepaßt, teilweise umgemodelt und dann konservativer als ihre Vorbilder beibehalten.
So könnte man an jeder unserer Volkstrachten Einflüsse verschiedener Nationen, Zeitperioden und Kulturelemente wahrnehmen, überall aber auch etwas Volkseigenes, Reste der älteren Tracht, Eigenheiten in Farbe und Schnitt, in der Freude an der Verzierung der Kleidung durch Weberarbeit, Bänderschmuck und Ausnähkünste unterscheiden.
Bevor wir darangehen dürfen, das Volkseigene und Volksfremde zu unterscheiden, nach dem Ursprünglichen, Geschichtlichen und Eigentümlichen in den Trachten zu forschen, müssen wir unser Wissen von den einzelnen Trachten festlegen und so für das Studium präparieren.
Während dieser Arbeit wird sich uns schon mancher Vergleich mit anderen Erscheinungen ergeben; dieselbe wird unser Wissen von den Trachten bereichern und zur Weiterforschung anregen.
Fig. 7. Alle Votivtafel aus der Wallfahrtskirche bei Putzenried (Pocinovice), einem Chodendorf.
Die farbenfrohe und eigenartige Tracht, die eine erfreuliche Besonderheit der meisten Chodendörfer und anderer Orte der Tauser Gegend bildet, hat bereits zu wiederholten malen mehr oder minder eingehende Darstellung gefunden. Eine ausführliche Arbeit über dieselbe verdanken wir dem Heimatforscher P. Hippolyt Randa, der in seinem zu Taus 1887 erschienenen Buch »Chodové a jich osudy« (»Die Choden und ihre Schicksale«) auf den Seiten 162 — 69 der Volkstracht ausführlich gedenkt und mittels eines gelungenen Farbendruckes dieselbe in drei Figuren veranschaulicht.
Der gelehrte Kenner der Choden und Erforscher ihrer Sprache Prof. J. F. Hruschka (Pilsen) gedachte der Chodentracht in seinen Arbeiten »Krtny jdou!« (»Eine Kindstaufe kommt!«), 20) »Koláce (čepce)« (»Hauben«) 21), ferner im »Svetozor« 1895, 502, und einer reich illustrierten Notiz im »Ceský Lid« (VII, 395). Zahlreiche Künstler suchten im Land der Choden mit großem Erfolg nach Motiven. Liebscher malte den »Slavnostni průvod chodů« (»Chodischer Festzug«), Quido Mánes (1828-1880) das schöne Bild »Křešfanské cviceni na Domažlicku« (»Christenlehre im Tauserland«), Velc seine chodischen Typen, die das Tauser Museum schmücken; das Aquarell »Chode« von Jansa hängt im Stiegenhaus des Prager volkskundlichen Museums, in dem auch zwei Büsten, ein »Chode« und eine »Chodin« von Vlcek aufgestellt sind.
Christliche Exerzitien in der Region Domažlice, 1869, von Quido Mánes. Pfarrhaus in Štítary, zwischen Horšovský Týn und Belá nad Radbuzou. Auf dem Bild befragt der Štítarer Pfarrer Pater Matej Brauer die Kinder in ihrer Sonntagstracht im Beisein mehrerer Erwachsener über Religion. Quelle: Národní galerie Praha
20) Ceský Lid (Tschechische ethnologische Zeitschrift), V., 237-42.
21) Ceský Lid, VIII., 58.
Die Chodentracht, die Chodengeschichte, der Choden reiches Volksleben schilderte aber am glücklichsten und umfangreichsten der Chodenmaler par excellence Jaroslav Špillar, der seit Jahren seine Werkstätte und seinen Wohnsitz bleibend im Dorf Pec *) einnimmt. Die Namen einiger seiner Gemälde mögen hier folgen: Chodische Hochzeit, Fasching eingraben, Holzmacher, Schnitter, Mäher, In der schwarzen Küche, Der Dudelsackpfeifer, Spinnstube, Beim Großvater, Bei der Großmutter, In der Ausnahme, Auf der Bleiche, In die Rockenreise, Ausbesserung der Drischel, Ackern. Letzteres Bild zeigt, wie die armen Häusler von Neupossikau ihren Pflug selber ziehen.
*) Deutsch: Hochofen, etwa 8 km südwestlich von Domažlice am Fuße des Ceský les Gebirges, Oberpfälzer Wald, gelegen. Alfons Mucha verbrachte dort 1906 seine Flitterwochen.
Leider zeigte Špillar ab 1904 Anzeichen einer möglicherweise schweren Geisteskrankheit. Er musste schließlich in die psychiatrische Klinik in Dobřany eingewiesen werden, wo er starb. Die meisten seiner Gemälde und andere ethnografische Materialien werden in der Galerie der Brüder Špillar im Muzeum Chodska in Domažlice aufbewahrt.
In gelungenen Lichtbildern von hohem volkskundlichen Wert hielt Eduard Strouhal Momente aus dem Volksleben fest: Das Flachsbrechen, Holzmacher, Holzindustrie und ähnliches, ferner Typen von Chodenhäusern. 22) Der Schulrat Aloise Jiráska (1851-1930) schrieb aus der Chodengeschichte seinen Roman »Psohlavci« (»Die Hundsköpfe«) und regte damit den Prager Operndirigenten Karel Kovařovic (1862-1920) zur Schöpfung der gleichnamigen Oper an, Uraufführung 24. April 1898 Prager Nationaltheater, die ein Repertoirestück des Prager tschechischen Landestheaters bildet und unter dem Titel »Bauernrecht« auch am Prager deutschen Landestheater aufgeführt wurde.
22) Auch dem Tauser Photographen Tauber danken wir viele Aufnahmen von Choden. Das älteste chodische Trachtenbild ist wohl jene Votivtafel, die das Museum für österreichische Volkskunde besitzt und die ein bäuerliches Ehepaar darstellt. (Fig. 7.)
Die Chodentracht war schon auf der böhmischen Landesausstellung 1902 und auf der drei Jahre späteren tschechoslowakischen Ausstellung zu Ehren gekommen. Wie anderwärts in Böhmen und Mähren, entstand auch im Tauserlande aus dem in Prag zur Anschauung Gebrachten (in Taus selbst) ein Museum mit Figurinen in Volkstracht. Ein Verein zur Erhaltung der Volkstracht unter den Choden, dessen Gründung Prof. Hruška anregte, kam leider nicht zustande. Das Schwinden der Tracht hätte er vielleicht auch nicht aufgehalten. Die Männer haben sie nun schon fast gänzlich abgelegt. Trotzdem bietet ein Sonntag oder Markttag in Taus noch immer ein recht erfreuendes buntes Bild. Ich habe gehört, daß chodische Männer, denen man ihre Tracht lobte, ihnen sagte, sie mögen sie beibehalten, schätzen und in Ehren halten, sich äußerten: »Ihr Herrenleute wollt, daß wir ewig die dummen Bauern bleiben. Was Ihr anzieht, können wir auch tragen. «Kleiden sich aber Städter in Volkstracht, um derselben Wertschätzung zu erweisen, so sagen manche Bauern: »Seht Ihr, man macht sich aus uns einen Narren.«
Figurinen der Tauser oder Chodentracht besitzt das Tauser städtische Museum, das Museum für österreichische Volkskunde in Wien (nebst zahlreichen Trachtenstücken), das Daškovskysche ethnographische Museum in Moskau, größere Gruppen das Prager volkskundliche und das Museum des Königreiches Böhmen. Zahlreiche Trachtenstücke besitzt das Prager tschechische Nationaltheater.
Die Tracht des Tauserlandes wird meist Chodentracht genannt; da aber nicht alle Chodendörfer und auch andere tschechische Dörfer der Tauser Umgebung ohne Rücksicht auf alte Besitz- oder Pfarrverhältnisse sich mit derselben schmücken, ist der Name »Tauser Tracht« der richtigere.
Heraldik
Taus. Böhm. Domažlice, Drastov, lat. Tusta.
Stadt am Bach Rubřina.
Laut Nachrichten älterer Historiker soll Taus als eine Grenzfestung schon im Jahr 964 am Gebirgspass (Böhmerwald) angelegt worden sein.
Jedenfalls ist Taus einer der ältesten Orte dieser Grenzgegend, und soll seinen czecho-slavischen Namen Domažlice vom Ritter Domazel erhalten haben, dem diese Gegend einst gehörte.
Zu Ende des XIII. Jahrhunderts war Taus schon eine Stadt, erhielt aber erst im Jahr 1481 vom Könige Wladislaw II. sein Stadtwappen, das aus einer mit Zinnen versehenen silbernen Stadtmauer mit offenem Tor, Flügeltüren und aufgezogenem Fallgitter, in blauem Schild besteht, und hinter welcher sich zwei viereckige, silberne Türme, mit je einem Fenster, roten Satteldächern und goldenen Knöpfen erheben, zwischen welche ein in Silber gekleideter und geflügelter Engel mit goldener Stola kreuzweise über die Brust gelegt, und einem goldenen Kreuz auf dem Kopf, der in seiner Rechten ein blankes Schwert zum Schutz schwingt, hinter den Zinnen der Mauer wachsend erscheint.
Die Tracht der Kinder.
Des Säuglings erste Reise findet gewöhnlich schon an seinem ersten Lebenstage statt. Da die Kirche nicht überall im Orte ist, ist diese Reise in den meisten Fällen keine kurze. Zu derselben wird das Neugeborene mit einem hinten offenen Hemdchen bekleidet und nach sorgsamer Unterlegung der nötigen Windeln in ein Polster gehüllt. Das Wickelband ist von Seide, dasselbe Band, mit dem die Frauen den Saum ihrer Sonntagsröcke einfassen lassen. Das Häubchen, das dem Kleinen bei diesem Anlasse aufgesetzt wird, ist bei Wohlhabenden »hart«, das heißt mit Golddraht gestickt, mit Flitterscheibchen, Glasschmuck, roten Seidenmaschen, zuweilen auch Korallen geziert. 22a)
22a) Ein ähnliches Taufhäubchen aus roter Seide, mit Golddraht (dracounem) ausgestickt, aus der Straschitzer Gegend, ist im Cesý Lid, XIII., S. 451 abgebildet. Es zeigt auch denselben Schnitt wie das chodische.
Das Taufpolster, etwas schmäler als ein gewöhnliches Kinderpolster, hat einen seidenen Überzug aus dem Stoffe der Sonntagsschürzen. Das Kind wird zum Taufgang mit einem vielblumigen (padesátikvetovým = fünfzigblumigen) Seidentuch (podlavna) zugedeckt. Das Taufzeug ist ein Teil der Hochzeitsausstattuug, wird aber von der Großmutter erst dann ins Haus gebracht, bis der Rabe, der bei den Choden den Storch vertritt, zum ersten mal eingeflogen ist.
Ein Hauptbestandteil der Kinderkleidung ist die Haube; die Füße werden durch Vernachlässigung in der Bekleidung recht abgehärtet. Während das Kind noch lange keine Schuhe und Strümpfe am Fuße gehabt hat, ist sein Köpfchen schon aus mehreren Häubchen herausgewachsen. Das Kind läuft im Schnee barfuß, schwitzt aber am Kopf. Die Werktagshauben macht jede Mutter selbst. Die für Sonntage oder die Taufe läßt man bei der Näherin anfertigen. Die erhält dann als Stoff hierzu seidene Flecke von alten Tüchern oder schadhaften Schürzen. Diese Hauben erhalten auch ein Futter und werden von Buben und Mädchen bis ins vierte Jahr getragen, bis die ersteren einen Hut, letztere Kopftücher bekommen.
Der Schnitt des Häubchens ist sehr einfach und für Säuglinge wie für drei- bis vierjährige Kinder derselbe. Gehäkelte und gestrickte weiße Kinderhäubchen, wie man sie in deutschen und tschechischen Gegenden und selbst in einigen mit der Mode fortgeschritteneren Dörfern des Chodengaues findet, gibt es in dem noch altvaterisch gebliebenen Possigkau nicht.
Die alte chodische Kinderhaube hat einen heute wieder ganz modern gewordenen Schnitt. Ein breiter bunter Streifen, der von der Stirn bis in den Nacken reicht, ist mit zwei andersfarbigen Seitenteilen verbunden, die die Schläfen und Ohren bedecken.
Die Vorderseite ist mit einer weißen Krause oder Kaninchenfell eingefaßt. In den ersten Kinderjahren sind beide Geschlechter gleich gekleidet. Beide tragen über dem bauschärmeligen Hemdchen ein rotes Kittelchen aus leichtem Zeuge, meist aus einem abgetragenen Rock der Mutter geschnitten. Daran sind Träger von derselben Farbe genäht. Wenn zu Ostern die Knaben schon den ersten Hut erhalten haben, eine etwas kleinere Nummer als der Vater, sonst aber dieselbe halbmoderne Dutzendfasson, tragen sie noch geraume Zeit den roten Kittel dazu, der mit den nahenden Schuljahren der Hose weicht. Doch gibt es auch schon Mütter, die den Kleinen gar vorzeitig in die Hose zwingen.
Die Mädchen bekommen schwarze Kopftücher, die ähnlich wie die der Erwachsenen zu einer Haube gebunden werden. Als Quido Mánes seine »Christenlehre« malte, trugen die Mädchen noch fast lauter rote Kopftücher.
Mit zunehmenden Jahren wird die Kleidung der Kinder derjenigen der Erwachsenen immer mehr ähnlich. Die Alltagstracht am ehesten. Der Hauptstoff derselben ist für männliche Kleidungsstücke Scherke. Doch werden auch abgetragene Sonntagskleider zur Feldarbeit und zur Schule verwendet. Altere Männer und Greise bewahren noch teilweise die alte Tracht. Die Werktagskleidung ist im Sommer häufig aus weißer Hausleinwand, im Winter auch aus weißer Scherke.
Das Werktagsgewand der Frauen ist viel eigenartiger als das der Männer. Die vorherrschende Farbe ist rot. Nur Pantoffel und Kopftuch sind schwarz. Die Chodin, einerlei ob Schulkind, Jungfrau oder Bäuerin, trägt im Alltag einen gewöhnlichen kurzen roten Kittel mit Leibchen, den »Kanduš«; das Leibchen ist an Achseln und Brust sehr weit ausgeschnitten, was auch in den deutschen Dörfern der Rotenbaumer Gegend (Nýrsko, deutsch Neuern) üblich ist. Das Hemd ist beim Hals geschlossen. Es besteht wie im Deutschen aus zweierlei Leinwand. Von der Hüftgegend abwärts wird die gröbere verwendet. Es hat Bauschärmel. Um den Hals kommt ein geblümtes, farbiges Halstuch, das auf der Brust übers Kreuz gelegt wird. Über die Zipfel desselben wird die Schürze »fertoch« gebunden. Statt dieses Tüchels wird an kühleren Tagen, bei weiteren Gängen und im Hause herum eine kurze weite Joppe getragen, die »rozplášenka«. Dieselbe ist häufig so kurz, daß sie vorne nicht einmal die Brüste ganz bedeckt.
Film: Chodský ženský všední kroj – Choden Alltagskostüm für Frauen (Kanduš)
*) Ein Kanduš (auch Kaftan) ist ein Mieder aus Leinen oder mit Blaudruck behandeltem Leinen. Es ist Teil der nordböhmischen Trachten, sowie der tschechischen Nationaltracht. Dieses Kleidungsstück wurde vom Leinentuch abgeleitet, das als Unterwäsche getragen wurde. Noch im 19. Jahrhundert wurde der Kanduš im Sommer von Frauen und Mädchen als einfaches, ärmelloses Kleid getragen. Als Teil des Kostüms wurde es speziell für Kinder aufbewahrt
Ähnliche kurze Joppen heißen im benachbarten deutschen Dorf Tannawa, heute Ždánov: »Fluiga« (Flieger, vergl.: rozplášeti = verscheuchen). Die chodische Joppe, aus rotgemustertem Kattun, hat eine Handbreit vom unteren Rande des Rückenteiles einen breiten Streifen von aufgenähten weißen, blauen, grünen und gelben Krepinen. Diese Tracht wird auch an Sonntagen im Hause und im Dorfe herum getragen, aber immer in besseren Sachen. Im Winter kommt bei Ausgängen über das Leibchen statt des erwähnten Tuches die Joppe. Sie ist aus modernem Wollstoff, selten einfarbig. Lebhafte und gemusterte Stoffe sind dabei beliebter als einfärbige oder dunkle. An Sonntagen im Sommer oder im Fasching laufen die Mädchen mit dem Brusttuche (ohne Joppe) und bloßfüßig herum, besonders im Dorfe selbst.
So beachtenswert sie dem Volksforscher ist, dem Choden selbst hat die Alltagstracht nur geringe Bedeutung. Die Woche gehört der Arbeit und die Kleidung kann da nicht immer ganz schön, neu und gediegen sein. Der Landmann sieht es zum Beispiel sehr ungern, wenn man ihn im Arbeitsgewand photographieren will. Ein solches Bild zeigt er nicht einmal Bekannten, er sendet es weder der Tochter ins Kloster noch dem Sohne nach Amerika. Der Bauer ist ein Sonntagsmensch. Du brauchst die ganze Woche nicht nach ihm zu sehen. Der Sonntag ist die Apotheose seiner Arbeitswoche. Der Hauptpunkt der Sonntagsfeier aber ist der Kirchenbesuch, der ihn und sie aus dem engen Arbeitskreis des Dorfes hinaus in die Stadt oder den ansehnlichen Kirchort zur Frühmesse führt, den Bauern unter die Zahl der Bekannten, der Gevattern und Vettern, die Bäuerin unter Basen und Schwägersleute, Burschen und Mädchen zueinander. Es ist, als ob man die ganze Woche nur lebte und arbeitete, um dann um so froher atmen zu können im rosigen Lichte des Sonntags.
Nach der Frühmesse geht es wieder heim. Zum Mittagessen haben Bäuerin, Töchter, Söhne und Dienstboten bereits die besseren Gewandstücke abgelegt und auch nachmittags tragen sie nur Sachen zweiten Ranges, jedes an seinem Platze.
Die Sonntagstracht der Choden
Bei den Männern ist die alte Tracht schon fast ganz verschwunden. Nur einige Possigkauer Männer tragen noch Teile derselben auf ihrem Kirchgang nach Klentsch. Der charakteristische breitkrempige Chodenhut aus Filz, der sogenannte »širák« (široký = breit), wird fast gar nicht mehr getragen. Er hatte einen Durchmesser von 50 cm; der Kopfteil war niedrig und mit einem bis drei Finger breiten und mit einem roten Schnürchen eingefaßten schwarzseidenen Bande umwunden. Der Kopfteil war mit der breiten Scheibe auf drei oder vier Seiten durch doppelte schwarze Bändchen verbunden. Dieser Hut wurde nur von verheirateten Männern getragen.
Fig. 11 Männliche Figurine aus dem Museum für österreichische Volkskunde.
Vergl.: Der Hut der Slowaken heißt ebenfalls »širák«, wenn er auch gar nicht breit ist. 23) Im bayrischen Walde wurde ein schwarzer breitkrempiger Hut mit niederem Gupf und Schnallenband getragen. 24)
Im Iglauer Museum befinden sich Hüte, »deren Krempen so breit sind, daß sie mit einer Schnur hinaufgehalten werden müssen«. Sie wurden von Bauern bei Ausgängen getragen. 25) Breitrandige, steife Hüte, schwarz und mit niedriger Kappe trugen vor Zeiten auch die Bauern der Teplitzer Gegend. 26)
Eine Bäuerin in Zahořan bei Taus setzte bei regnerischem Wetter zu landwirtschaftlichen Arbeiten immer ihres Mannes alten »širák« auf, um keinen Regenschirm mittragen zu müssen, zum Beispiel wenn sie beim Häckerlingschneiden die Ochsen im Göpel führen mußte.
Die Burschen, von der Ehre des breiten Hutes ausgeschlossen, trugen als Kopfbedeckung eine Ottermütze (vydrovka). Sie war aus grünem oder rotem Samt und mit Fischotterfell eingefaßt. Vorne ist der Streifen breiter. Diese Mütze hat keinen Schild. Die Kappe wird von einem Quästchen gekrönt.
Die Fischottermütze war auch im Egerlande gebräuchlich. (John-Grüner, 111.) Die breitere Verbrämung wurde vorn getragen Zu Feierlichkeiten oder wenn der Bauer in die Stadt ging, setzte er den Hut darauf. Dann kam aber die breite Verbrämung nach hinten, damit der Hut besser saß.
Die Zunderhaube (hubka).
Als ich eines Sonntags in Silberberg die Stube des »Holzmacher-Wenzel« betrat, fand ich hier das halbe Dorf versammelt. »Schade, daß Sie so spät kommen, Herr Lehrer!« sagte der Ortsvorsteher. »Wir haben heute des (verstorbenen) alten Holzmachers (eines Choden) Sachen verlizitiert. Schauen Sie, dieses warme Leibi mit Fuchspelzfutter soll mir den Buckel warmhalten. Ich bekam es für siebzig Kreuzer. Und da die Haube, die setz‘ ich auf, wenn mir der Kopf weh tut.« — »Das wär’ was für Sie, ein Altertum!« riefen andere drein. Ein anderer erklärte: »Diese Haube ist aus einem Zunderschwamm gemacht. Die böhmischen Holzmacher machen solche.« Nachdem es mir gelungen war, die Haube — sie war schon recht alt und unansehnlich — zu erstehen, ließ ich mir die Anfertigung derselben erklären.
Der Buchen- oder Zunderschwamm, in unseren Buchenwäldern häufig, wird von der äußeren Rinde befreit, dann tüchtig geklopft. Er läßt sich bis in Tellerform zusammenschlagen und wird dabei weich. Dann kommt er in Aschenlauge, in der er drei Tage bleibt. Hier wird er weich wie Seide und läßt sich ziehen wie ein Strudelteig. Dann wird er auf der Ofenstange getrocknet. Die Teile der Haube werden dann zugeschnitten, zusammengesetzt und mit grünem Bande eingesäumt. 27) Oft wird die ganze Kappe aus einem einzigen Stück geformt, solange der Zunder noch weich ist. Nur am Rand derselben werden zwei Zunderstreifen genäht, der breitere hinten, der schmälere vorn.
Echter Zunderschwamm (Fotografie von „Heinonlein„). Lizenziert unter Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license.
Diese Kopfbedeckungen liegen knapp am Kopfe an und haben die Form kleiner Kappen. 1895 waren solche Hauben in der chodischen Abteilung der Prager volkskundlichen Ausstellung zu sehen.
23) Mus. Franc. Annales. Brünn 1897.
24) Reiter: „Bayerwald“, S. 91.
25) Uns. Zeitschr. III, S. 316.
26) Laube: Volkstümliche Überlieferungen aus Teplitz, S. 17.
27) In Schlesien auch mit rotem Bande. (Z. d. V. f. Volksk. V., 142.)
Eine solche Haube ist von schön gelbbrauner Farbe, leicht und fühlt sich weich an. Als die Verwendung des Zunders zum Feuer schlagen noch üblich war, gab es in jedem Dorfe Leute, die sich mit der Erzeugung von Zunder und der Anfertigung solcher Mützen abgaben. Heute noch sollen im Chodengebiet und in einigen deutschen Orten längs der bayrischen Grenze, wie zum Beispiel in Vollmau noch solche Kappen angefertigt werden. Als deutsche Namen nannte man mir »Schwâmakâppen«, der tschechische ist »hubka«.
Diese Hauben sind auch in anderen Teilen des Böhmerwaldes bekannt; Johann Peter schreibt in der Erzählung »Hochwürdens Spielgewinn« 28): «Der Lärchenwirt saß breitspurig auf der grünen Ofenbank und paffte seine Pfeife. Eine Zunderhaube bedeckte seinen kahlen Kopf.«
Die Verwendung und die Verarbeitung des Buchenschwammes oder ähnlicher zäher Pilze zu Kleidungsstücken ist uralt. Ernst Friedel (»Anfänge der Webekunst«, Z. d. V. f. V. V., 134 ff.) hält diese Technik für die primitivste der Textilkunst. Auf einer dort beigegebenen Tafel ist ein von Siebenbürger Sachsen aus Zunderschwamm gefertigter Bauernhut abgebildet.
Auch in der walachischen Abteilung der obenerwähnten Prager volkskundlichen Ausstellung (1895) waren solche Hüte ausgestellt. Laut Paul Kummers »Kryptogamischen Charakterbildern« 1878, S. 202, werden auch aus dem Riesenbovist (Lycop. gemmatum) neben Zunder- auch Kinderkäppchen und größere Mützen verfertigt. Noch vor wenigen Jahrzehnten wurden (nach Friedel) in den neu märkischen Dörfern um Küstrin, Mützen, Handschuhe, ja ganze Westen aus Zunder zusammengenäht.
Auch in Vorarlberg, Österreichisch-Schlesien, Preußisch-Schlesien und in den Karpaten ist diese Technik bekannt. In Schlesien gehen mit diesen Kappen Händler, »Schwammkappenmänner«, herum. 29) Diese Schwämmekappen sollen gegen Kopfschmerz heilsam wirken. Dies glaubt man auch in Schlesien. 30)
Ein anderer bei uns gemeiner Pilz, der Riesen-Bovist oder Pfüster (Lycoperdon gemmatum, auch Wolfsrauch oder Kugelschwamm genannt), der im geschlossenen Zustand so gross wie eine ansehnliche Kegelkugel wird, der Art, dass ein einziges Exemplar für mehr als eine Person eine Mahlzeit abgibt, in seiner Herbstform sich zu einem aus einer derben, zähen, dabei samtweichen bräunlichen Becher ausbreitet, der nicht bloss als Zunder beim Feuer anschlagen und zum Blutstillen, sondern auch als Käppchen von Kindern gebraucht wird. Es lassen sich von ihm auch grössere Mützen zurechtnähen. (Paul Kummer, Kryptogamische Charakterbilder, 1878, S. 202.)
28) Deutsche Arbeit 1903, S. 412, ff.
29) Friedei, a. a. O.
30) Friedei, a. a. O.
Der Volksglaube, daß Kopfbedeckungen gegen Kopfschmerz helfen, wird den nicht wundernehmen, der da weiß und erlebt hat, welch große Rolle Kleidungsstücke in der Volksmedizin bei der Abwehr von Krankheitsdämonen spielen. Ich erinnere nur an die Verwendung des Brautkittels, der über den Kopf des Kindes gehalten, dessen Fraisen stillen soll. In Oberbayern werden Kopfwehkranken Anastasia- oder Ignazihäuberln aufgesetzt. 31)
Haare und Bart
Die Choden trugen ihre Haare bis in den Nacken reichend, in der Mitte gescheitelt, wie noch heute die Slowaken. Auch die bayrischen Waldbauern trugen die Haare so lang. (Reder: »Bayerwald« 93.)
Bei den Choden ist es noch immer nicht üblich, sich die Gesichtshaare lang wuchsen zu lassen. Früher erlaubte es die hohe Obrigkeit nicht, nun ist der Bart ihren Frauen ein Greuel. Bärte sind immer noch Ausnahmen. Die deutschen Nachbarn der Choden waren nicht so konservativ, wenn auch der Wirt Peter Weber in Flecken bei Rotenbaum, der nach 1848 sich als erster in der Gegend den Bart lang wachsen ließ, davon den Spitznamen »Bartwirt« erhielt, der auch auf seinen Sohn und den Hof überging. Der alte »Bart« hat mir wiederholt davon erzählt.
Das Männerhemd.
Es ist für Sonn- und Festtage aus besserer Leinwand und wird nur wenig gestärkt. Der beiläufig drei Finger breite Kragen, dann der Bruststreifen sind reich mit weißer (früher auch schwarzer) Stickerei verziert. (Siehe die Tafel II.) Auf der Brust ist es offen und nur beim Hals mit Bändchen oder zwei gläsernen Knöpfchen, den sogenannten Pärchen, geschlossen. Die Ärmel sind weit, haben aber enge, blaue Büchslein. Die Ledigen tragen über dieses Hemd das Leibchen, das die bauschigen Ärmel recht zur Geltung kommen läßt.
Das Halstuch.
Um den Hals tragen die Männer ein braunes oder schwarzes Seidentuch mit roten Streifen am Rande. Es wird in einen Knoten gebunden. Meist ist es nur ein halbes Tuch. Auch die Egerländer machten vor hundert Jahren immer zwei aus einem Tuch; so kauften immer zwei Freunde ein Tuch zusammen und teilten es in zwei Dreiecke. 32)
Die Weste.
Ihre Bezeichnung »lajblik« weist auf ihre Abstammung hin. Sie ist oder war aus dunkelblauem Tuche, bis zum Halse geschlossen, vorne und hinten mit bunten Blümchen und Sträußchen aus Seide bestickt. Besonders reich ist diese Arbeit an den Stehkragen, am Rücken und den Taschen. Der Rand der Weste ist mit einem rotwollenen Band eingefaßt. Dieser rote Flanellstreifen bildet auf der inneren Seite noch etwa 4½ cm als Futter die Unterlage des Kragens, der Knöpfe und der Knopflöcher. Die zwei oder drei untersten Knopflöcher und das oberste sind offen, die übrigen fünfzehn sind blind, alle aber mit grüner Seide ausgenäht. Rechts sind in einer dichten Reihe achtzehn Messingknöpfe, von denen aber nur die zwei oder drei untersten ihrem Zweck dienen. Hie und da sieht man Westen, die unten sogar mit sechs Knöpfen geschlossen werden. Auch jede der beiden Taschen ist mit je vier solchen Knöpfen benäht. Die untersten Ecken sind mit eingestickten Blumen geziert. (Siehe die Tafel II.)
Die Burschen tragen diese Weste im Sommer und beim Tanz heute noch und dabei vorne offen; die großen und langen Bauschärmel des Hemdes bleiben frei, da zu dieser Zeit kein Rock getragen wird.
31) Höfler: Das Jahr im oberbayrischen Volksleben, 1899, S. 17, 31. Das Museum für österr. Volkskunde besitzt aus Niederösterreich eine „Fraisenhaube“ aus Seide, mit Kupferdrucken; vom Ende des 18. Jahrhunderts.
32) John-Grüner: Über die ältesten Sitten und Gebräuche der Egerländer, 109.
Auch im Egerland wurden nur die zwei untersten Knöpfe der Weste, des langen Rockes, wie des kurzen Kollers eingeknöpft. 33) Ähnlich wie die Uniform der Karlsschüler zur Zeit Schillers, die in der Woche vier, an Sonntagen nur drei Knöpfe der Weste schlossen, um das Jabot breit herausstehen zu lassen. Einen scharfen Gegensatz zu dieser eitlen Übung bildet der Mann aus der Gegend von Pilsen (Figurine im Prager tschechoslow. ethnogr. Museum), der alle Knöpfe der Weste mit Ausnahme der drei untersten zugeknöpft hat. Die ungarischen Slowaken des Niederlandes knöpfen ihre kurzen und buntscheckigen Leibchen (bruslaky) nur beim Hals zu, damit das Vorhemd sichtbar wird.
Die Hosen waren gelb und in der Regel von Leder. Sie reichten bis unter die Knie und waren oberhalb der Waden mit verzierten ledernen Bändchen gebunden oder auch mit je zwei Messingknöpfen geschlossen. Doch gab es auch Hosen aus gelbem Kloth.
Aus der Hosentasche hing den Alten der mit rotem Leder eingefaßte Tabaksbeutel, reiche Zier von Lederquästchen und Lederfransen tragend. Vorn hatte die Hose (überall) eine breite Klappe, die man an den Seiten aufknöpfen und hinunterlassen konnte. Die Mittellinie derselben war mit Stickereien verziert. (Siehe die Tafel II.)
33) John-Grüner, 108.
Gelbe Hosen waren in Böhmen früher auch im südlichen Böhmerwald, um Pilsen, um Leitomischl, Ruzyn bei Prag, bei den Kosaken, bei Jungbunzlau üblich; in Mähren werden sie von den Wischauer Hannaken und den Vacover Slowaken getragen.
Rote Hosen waren in Böhmen meines Wissens nirgends gebräuchlich, dafür bei den Olmützer und den Kremsierer Hannaken und den Slowaken von Lundenburg, Göding, Tovacov, Dřevohostitz und Landshut, bei letzteren mit blauen Stickereien, dann bei den Themenauer Kroaten in Niederösterreich.
Schwarze Hosen trugen die deutschen Nachbarn der Choden, die nördlich, westlich und südlich von ihnen wohnen. Die Wischauer Hannaken tragen außer gelben auch schwarze Hosen. Die mährischen Slowaken tragen mit den hier angeführten Ausnahmen durchaus dunkle Beinkleider.
Blaue Hosen trugen die Slowaken von Velec, Luhacovac und Gaya (hier mit Ausnahme von Vacov, wo man gelbe Hosen trägt), dann die ungarischen Slowaken von Bošác.
Weiße Hosen gehören zur walachischen Gebirgstracht und zur Kleidung der ungarischen Slowaken.
Strümpfe und Schuhe.
Die Strümpfe, die von den Bauern zu den kurzen gelben Hosen getragen wurden, waren wollen, gewirkt und von »kornblumenblauer« Farbe. Die Ledigen trugen weißwollene gewirkte Strümpfe. In Taus war früher die Strumpfwirkerei eines der zahlreichsten Gewerbe, das heute noch dort vertreten ist.
Rotenbaumer Gegend: Die Männer trugen weiße Strümpfe und Schnallenschuhe. Blaue Strümpfe wurden zu Halbstiefeln getragen. Auch die Frauen trugen weiße Strümpfe. 34)
Teplitzer Gegend: Die Strümpfe waren weiß, im Winter trug man graue. 35)
Bayrischer Wald: Die Männer trugen blaue Strümpfe. 36) Die Schuhe waren niedrig, sehr stark und vorn rund geformt. Als Zier hatten sie große schwarze Schnallen mit einer Unterlage von ausgezacktem Leder. Mit Vorliebe werden in neuerer Zeit hohe, bis über die Waden reichende Stiefel getragen.
Der Rock (kazajka) wird im Winter und zum Kirchgang getragen, und zwar zumeist von Ledigen, doch auch von Verheirateten. Er ist wie die Weste gearbeitet, nur ein weniges länger, hat außer dem lange Ärmel, die an den Achseln erhöhte Falten, bei den Händen Stickereien haben, ferner zwei Reihen von je zweiundzwanzig gelben Knöpfen, die von der Mitte der Achseln über die Ecken der Brust klappen in dichter Aufeinanderfolge bis an den unteren Rand der Vorderteile reichen. Den zwei Knopfreihen entsprechen auch zwei kürzere Reihen von je elf grün ausgenähten Knopflöchern. Den Raum über diesen nehmen die reichgestickten Brustklappen ein, deren Ecken von dem siebzehnten Knopf der Reihe niedergehalten werden. Auch die Rückseite des Rockes ist mit Stickereien und zwei Knöpfen geziert. (Siehe die Tafel II.)
Der Rock wird über der Weste offen getragen. Doch sind die Knopflöcher nicht falsch oder blind.
Fig. 13. Stickerei einer Brustklappe von der Kazajka. Fig. 14. Stickerei des unteren Teiles der Rückseite der Kazajka. Fig. 15. Stickerei eines Ärmels.
34) Rank: A. d. Böhmerwalde. Leipzig 1851, S. 31.
35) Laube: Teplitz, S. 17.
36) Reder: Bayerwald, S. 93.
Eine Abschwächung dieser prächtigen und teuren Verzierungsweise bemerkt man an Röcken desselben Schnittes, die keinerlei Stickerei und statt der messingenen nur Beinknöpfe in geringerer Zahl tragen. Doch hält auch da einer (hier der vorletzte) die Brustklappe fest. Diese Röcke trugen weniger bemittelte Leute.
Aus der einen Tasche der Kazajka guckt ein rotes Sacktuch, aus der anderen ragt häufig der Tabakbeutel hervor.
Der Župan.
Er ist ein langer Festrock, wieder aus dunkelblauem Tuch, und reicht bis auf die Waden. Ein gestickter Stehkragen, keine Brustklappen, nur eine kurze Reihe von acht gelben Paradeknöpfen, von Stickerei begleitet, läuft linksseitig vom Hals herab.
Der Leib ist sehr kurz. Der Rock hat drei Schöße, welche hinten an drei Orten mit zwei Messingknöpfen geschlossen sind. Kragen, Ärmelaufschläge und der Rücken in der Gürtelgegend sind mit bunten Blumen bestickt. Der Rand dieses Kleidungsstückes ist ebenso wie das Leibchen und die Kazajka mit einem roten (auch schwarzen) Passepoil besetzt.
Diesen Rock trägt der Chode zum ersten mal an seinem Hochzeitstag, ferner noch bei Hochzeiten, Kindstaufen und an hohen Fest tagen. Bis zu ihrer Verheiratung müssen die Burschen in kurzen Röcken, den früher erwähnten Kazajken, herumgehen.
Vergl.: Die Toga der Römer.
In Bayern heißt der Verheiratete ein »mantelmäßiger« Mann, da Ledige dieses Kleidungsstück nicht tragen. 37)
Der Mantel als Zeichen der Würde: Die Marktordnung von Hohenfurt (Böhmen) von 1608 sagt im § 52: Wen ein burger an ein mantl auf’s rathaus geht, der ist dem richter und einem rat das wandl verfallen.
Fig. 16. Rückenverzierung eines Pelzwerkes mit Lederapplikation. Das Detail zum Beispiel hat links rote, blaue, rote, rechts blaue, goid, blaue Lederfleckchen. Alle Schlingen sind mit Lederfleckchen ausgefüllt.
Außer dem Župan trägt der verheiratete Chode auch noch die »halena«, einen langen Rock aus weißer Scherke, mit einem schwarzen Schnürchen eingefaßt, mit Stehkragen und übrigens ohne alle Verzierungen. Dieser weiße Župan wurde auch bei Festlichkeiten getragen.
Heutzutage wird statt des Župan ein gewöhnlicher Winterrock getragen, aber auch im Sommer, wenn es eine Hochzeit oder Kindstaufe gilt.
Es gab auch ganz lederne Röcke, die »Ornát« hießen und auf dem Rücken reiche Lederstickerei (tulipany), das sogenannte Tulpenornament, aufwiesen. Sie kosteten fl. 20 bis 36. Im Winter trugen die Choden Mäntel aus dunkelblauem Tuch mit besticktem Stehkragen und einer Messingspange beim Hals.
In neuerer Zeit wurden auch kurze dunkelblaue Pelzröcke (kožižky) getragen, die nur bis zur Hüfte reichten. Sie waren mit Schafpelz gefüttert und mit schwarzem Lammfell eingefaßt; dazu wurde die schwarze Lämmermütze (beranice) aufgesetzt.
Es waren hier wie auch in den deutschen Nachbarorten im Winter als Überwurf hei schlechtem Wetter auch Mäntel aus starkem Tuch mit breitem Kragen üblich. Sie sahen unseren Havelocks ähnlich und waren vorne mit einer Schließe versehen.
Fig. 17. Altes Chodensiegel. Umschrift: ,,Chodowe z Domažlicz“ , aus dem 16. Jahrhundert. Fig. 18. „Švancara.“ Fig. 19. Alter chodischer Stock: „Cakana“.
37) Reder: Bayerwald, S. 91.
Der Stock der Choden.
Als Stock trugen die Choden früher allgemein hohe Haselstecken, die sie liskovice nannten. Gegenwärtig ist ein tüchtiger Regenschirm ihr häufigster Begleiter, den Mann und Weib unter dem Arme mit führen.
In der Zeit, als sie noch Wachdienste an der Grenze zu versehen hatten, trugen sie Hacken als Waffen. Die Hacke oder Axt mochte überhaupt eine große Rolle bei den Choden spielen, da sie sogar in deren Wappen aufgenommen wurde. Siehe die beigegebene Abbildung des alten Chodensiegels. Diese Waffe, die zugleich als Gehstock diente, hieß »cakana«, ein Name welcher von »cekati« (warten) abgeleitet wird. In der Strahöfer Bibliothek befindet sich die von dem Bischof Grafen Johann Rudolf Spork (1694 —1759) gezeichnete Skizze einer ähnlichen Stockwaffe unbekannter Herkunft, die dort mit dem Namen »Švancara« bezeichnet ist. 38)
Auch der »Zalesák« aus der Gegend von Vsetín (mährische Walachei) aus dem Jahre 1786 und der »Slovák« von Ungarisch-Hradisch aus demselben Jahre 39) tragen Stöcke mit gleichen Hacken. In den Karpaten sind ähnliche Stöcke heute noch gebräuchlich.
38) Siehe die Abbildung derselben im Ceský Lid, XIII., 257.
39) Abbildungen im Ceský Lid, VII., 238.
Auch unter der böhmischen Waldbevölkerung müssen diese Hacken recht verbreitet gewesen sein und nicht immer guten Zwecken gedient haben; so schrieb Hippolyt Guarinonius um 1500: »Die böhmischen Schmäräken sind geübt, mit dem Beil oder spitzen Hacken das kleinste Ziel zu treffen und werden dadurch den Reisenden in den Wäldern gefährlich.« Das Wort »Schmäräken« ist selbst den profundesten Kennern der tschechischen Sprache ein Rätsel. 40) (Fig. 13.)
Die spätere chodische Cakane war ein beiläufig 1½ m hoher Stock aus hartem Holz. Am unteren Ende hatte derselbe einen starken Spieß, oben aber eine kleine Hacke mit einer kolbigen Verlängerung über die Dülle hinaus, die als Streitkolben (palcát) benannt wird. Der Stock war oben mit Blech beschlagen und mit Nägeln reich verziert. Ihn trugen nur verheiratete Männer, wenn sie nach Taus, nach Bayern, zu Kindstaufen oder Hochzeiten gingen. 41) (Fig. 14.)
Eine andere, noch neuere Form hat statt des Kolbens eine gebogene, spitz zulaufende Fortsetzung; in Taus werden heute noch solche Stöcke, aber von eleganterer Form, verkauft. Die Bauern selbst tragen sie nimmer. Siehe den Stock bei der männlichen Figurine.
Außer in Ungarn sind solche Stöcke mit Hackengriff noch üblich in Bosnien, 42) dann in besonders zierlicher Form bei den Huzulen, 43) in der Gegend von Walachisch-Meseritsch 44) und bei den Slowaken. (Hier Valaška genannt.) Auch die kroatischen Bewohner von Themenau 45) besaßen einen Stock, den sie, ähnlich wie die Choden, »cagan« nannten. Heute hört man dort diesen Namen gar nicht mehr. Die dortigen Kroaten tragen, wenn sie überhaupt etwas auf den Weg mitnehmen, nur Regenschirme wie die Choden. Die Kroaten im Murwinkel tragen den Regenschirm an einem Band über dem Rücken mit. 46)
40) Schultz: Häusliches Leben im Mittelalter, 376.
41) Zeithammer: Šumava, 163.
41) Ethnol. Mitt. aus Ungarn, V., Tafel XXX.
43) Uns. Zeitschr., VIII., Tafel V.
44) Von hier besitzt unser Museum einen Stock mit Hackengriff aus Holz, schwarz lackiert, oben mit Perlmutter eingelegt, „obucek“ genannt.
45) Uns. Zeitschr., III., 99.
40) Ethn. Mitt. aus Ungarn, IV., 202.
Die weibliche Tracht.
Für Werktage trägt die Chodin ein Hemd mit ganz kurzen, etwa nur 1 bis 2 dm oder — bei Verheirateten — ganz langen Ärmeln, die unter der engärmeligen Joppe (rozplášenka) getragen werden. Das Hemd ist vorne bis zum Gürtel offen und besteht aus zwei Teilen, die in der Hüfte zusammengenäht sind. Der Obere ist aus Leinwand von Flachs, der Untere, der Hemdstoß (podolek), aus der gröbsten wirchenen Strohsackleinwand.
An Sonn- und Feiertagen, zum Tanz oder im Hochsommer auch an Werktagen wird das Hemd mit den Bauschärmeln darüber genommen. Dieses ist sehr kurz und reicht nur wenig über die Hüften. Nimmt man es allein, ohne das Werktagshemd, so kommt ein grobleinener Kittel darunter. In dem chodischen Dorfe Possigkau wird am Hemd eine breite Halskrause getragen, die über die Oberkleider gelegt wird. Die Ärmel sind immer aus gekaufter Leinwand, sehr breit und bauschig, gestärkt und gebügelt.
Am Rande haben sie einen schmalen roten Spitzenbesatz; sie werden über den Ellbogen zusammen gezogen und mit Bändchen gebunden. Diese Ärmel heißen »rukávce«, wie das ganze Hemd. Beim Halse wird das Hemd mit einem kleinen Knöpfchen geschlossen; in Possigkau, dessen Tracht in mancher Beziehung von der der übrigen Dörfer ab weicht, dient diesem Zwecke eine herzförmige Bleispange, das sogenannte »zapínátko«. Diese Fibeln werden dort in Holzformen gegossen. Mehrere solcher Formen und verschiedene solcher Nadeln aus Possigkau besitzt das volkskundliche Museum in Prag.
Fig. 20. Weibliche Figurine in Chodentracht im Museum für österreichische Volkskunde.
Kragen und Schulterteile des Hemdes werden in Possigkau mit schwarzer Seide ausgenäht. Solche Hemden und deren Stickerei werden nach alten Mustern auch in den Handarbeitsstunden der Volksschule auf Wunsch der Mütter von den Mädchen für sich an gefertigt.
Das Frauenhemd der Hannaken heißt »rubac«. Die Kroaten von Themenau nennen dagegen den kurzen Rock so, welcher (wie im Kuhländchen) das zu kurze Hemd ergänzt und bis zu den Knien reicht. 47) Die Frauen der Hannaken, der mährischen Walachen, der ungarischen Slowaken und der Kroaten von Themènau ziehen eine Ärmelbluse über das Hemd (rukávce). Letztere tragen auch einen Schulterkragen wie die Possigkauer. Dieser wird aber heute nicht mehr angenäht, sondern um den Hals gebunden und mit einer Nadel am Rücken festgeheftet. Die älteren Kragen waren schwarz gestickt wie in Possigkau. 48) Der Schulterkragen war am Hemd auch in der Teplitzer Gegend gebräuchlich. 49) Über das Hemd wird an Sonntagen das Leibchen getragen.
Es ist ganz kurz, von verschiedener Farbe, mit kleinen Metallscheibchen, Golddraht und Seide bunt benäht und auf der Brust tief ausgeschnitten. Vorne hat es drei Knöpfchen, von denen nur das untere eingeknöpft wird, während die übrigen zwei mit ihren Löchern durch rotseidene Bändchen, die sogenannten »nápenky«, verbunden werden. Über die Schulter hat das Leibchen nur etwa drei Zoll breite Streifen, »poramice« genannt, und unten kleine gefältelte Schößchen; unter dem Leibchen trugen verheiratete Frauen auf der Brust seidene Pölsterchen. Das Festleibchen ist mit verschiedenen bunten Korallen bestickt. Ein solches heißt man »vázaný«, Angebinde. Über das Leibchen wird ein weißes Tülltuch so getragen, daß es, als Dreieck zusammengelegt, mit der großen Ecke den Rücken, mit den kleineren, die sich kreuzen, die Brust bedeckt; diese letzteren Ecken kommen unters Leibchen. Darüber kommt das bunte seidene Halstuch. Dessen Zipfel stehen noch unter dem Leibchen an der Hüfte hervor. Das Leibchen hat unten Wülste, um die Röcke zu tragen.
Zum sonntäglichen Kirchgänge, zu Festen und bei feierlichen Anlässen tragen die Chodinnen die sogenannten .»šerky«, wollene Kittel, die sie hoch über den Hüften binden, was eine Eigenart dieser Tracht bildet.
Unten sind sie »obkrádlé« (ankurz).
Vorne ist die von der sehr großen Schürze bedeckte Stelle nur aus Hausleinwand und heißt »dost dobrý« (gut genug).
Vergl.: Uns. Zeitschr. IV., 318 heißt es von einem geblümten Kattunkittel aus Schreibendorf bei Schildberg (Mähren): » . . . hat vorne ein Stück Hausleinwand eingesetzt, um Stoff zu sparen.«
47) Uns. Zeitschr. IV., 223.
48) Themenau. Uns. Zeitschr, IV., 222.
49) Laube: Teplitz, 18.
»Unser Egerland« IV, 29, Inventar einer Heiratsausstattung vom Jahre 1697: Zum Gewand der Braut brauchte man »12 Ellen Schwarz Glüßet ganz wüllen Zeuch zu einem Rockh und 1½2 Ellen Schwarz Vorstatt 50) zum Forderen Blat«. Dafür aber »2 3/4 Ellen Schwarz ganz wüllen Zeuch zu einem Fürtuch».
Diese Röcke sind in unzählige kleine Falten gelegt, welche »varhánky« (Orgelchen, von der entfernten Ähnlichkeit der Falten mit der Tastatur der Orgel) heißen. Der Rock hat gewöhnlich hoch rote Farbe und unten ein buntseidenes, bis 16 cm breites Band als Saum; vorne ist eine Lücke.
Vergl.: Bei der Blatter Tracht verläuft das Seidenband in der Mitte des Rockes, von Goldstreifen begleitet. Unter der Schürze wurde das kostbare Band gespart wie bei den Choden.
Dieser Rock wird nach dem Gebrauche auf eigentümliche Weise zusammengelegt, und zwar der Breite nach. Die Falten werden nachdem der Rock umgedreht worden, sorgsam zusammen geschoben, so daß dieser die Form einer langen Wurst erhält, die an drei Stellen (an den Enden und der Mitte) gebunden wird. So kommt der Rock in die Truhe. Die zum Binden nötigen Bändchen sind an den betreffenden Stellen angenäht.
Auch in dem Städtchen Neuern war früher ein ganz weiter »Rollnkittel« aus acht Blättern getragen. Rollen hieß man die »Klavierfalten«, wie man auch die Falten am Spenser so hieß, die man in der Teplitzer Gegend 51) »Klafirel« nannte; nur sind diese Bezeichnungen für Falten nicht weiter in Übung gekommen, wie bei den Tschechen, die für das deutsche Wort »Rückenfalten« den Plural »varhánky« (kleine Orgel, varhany pbf. = Orgel) besitzen. Varhánky heißen auch die gefältelten schwarzen Strümpfe der mährischen Walachinnen.
In der Rotenbaumer Gegend wurden die früher gebräuchlichen rotgezwirnten (routzwirltn) Kittel nach den Falten zusammengelegt und, in der Form des »Nudelwalkers« gebunden, in ein Trühlein gelegt. Diese Röcke gab es auch in grau und blau; sie waren da die schönsten Kleider für Sonntage. Andere Röcke nannten die Rotenbaumer Pfarrlinge »routkolaberserne«. Aus diesem Stoff wurden auch die Männerleibchen (Westen) und Halstücher geschnitten.
Zur deutschen Tracht des Radbusatales (nordöstlich von Taus) gehört ein kurzer, ebenfalls gefältelter, aber sehr dick gefütterter schwarzer Rock mit rotem unteren Rande.
Zum Kirchgang trägt man sehr kurze, wie das Leibchen vorn tief ausgeschnittene Jäckchen aus dunkelblauem Tuch, früher auch aus weißer Scherke (siehe die Votivtafel Fig. 7), mit bunten Glasknöpfchen. Das tuchene Gürtelchen ist vorn nicht geschlossen, sondern die reichverzierten Enden desselben hängen zu beiden Seiten herunter. Ärmelaufschläge und Gürtel sind schön bestickt. (Siehe die Tafel I.) Dieses Jäckchen heißt Kazajka. In Possigkau werden solche Jäckchen aus schwarzem Tuch getragen. Sie haben als untere Einfassung handbreite Falten (varhánky).
In Possigkau trugen die Frauen im Gegensatz zu denen der anderen Chodendörfer lange blaue Jacken, die bis zum Schoß reichten und von der Hüfte an gefältelt waren.
Vergleiche folgende alte weibliche Kleidungsstücke aus Neuern: Der Spenser (Spä’sa), tief ausgeschnitten, kurz, Schinkenärmel, zwei kurze, halbfingerlange Schöße. Ein vor 50 Jahren getragenes Jöppchen mit Schinkenärmeln hieß Bundschurl.
Die Goppen (Joppen), tief ausgeschnitten, ganz kurzer Leib, dazu hochgebundene Röcke, Schinkenärmel. Noch älter ist die Rollenjoppe, mundartlich Rollengoppen (vor 80 bis 100 Jahren gebräuchlich), mit langem Leib, Klavierfalten und Ellbogenärmeln.
Die Schürzen der Chodinnen sind lang und sehr breit. Die schönsten und ältesten sind diejenigen, die die Newolitzer Weber auf eigenartige Weise erzeugten. Der Einschuss war von türkischem Garn, der Zettel aber bestand aus lauter Seidenstreifen, erst ganz schmal grün und blau, dann breiter rot und am breitesten gelb. Diese gelben Streifen glänzten wie Gold und nach ihrer Zahl und Breite schätzte und zahlte man auch den Preis der Schürze. Sie werden noch heute getragen. (Siehe die Votivtafel Fig. 7.) An ihre Stelle traten zumeist in Fabriken erzeugte, breitgestreifte und großgeblumte Schürzen aus Seide, Wolle oder auch nur Baumwolle.
Diese großen Schürzen, die fast drei Viertel des Rockes ver hüllen und nur den hintersten Teil desselben sehen lassen, verdecken vorne am Rocke einen Teil aus schlechterem Zeug, den bereits er wähnten »dost dobrý« (gut genug).
Im Winter werden ähnliche Jacken getragen, aber mit Marder oder Fuchsfell eingefaßt. Früher trugen die Chodinnen lange Pelze aus gewürznelkenbraunem Tuch mit langwolligem Schafpelz gefüttert, mit dunklem Schaffell eingefaßt und hinten bis zur Gürtelgegend hinauf geteilt. Nach Randa trug man 1887 noch bei häuslichen Festen in Possigkau solch lange Pelze, aber in schwarz, und mit kurzem Leibe; die hintere Seite derselben war vom Gürtel bis zur Hälfte der Waden wie die Röcke gefüttert.
50) Vorstatt war ordinärer Zeug.
51) Laube; Teplitz, 18.
Haartracht.
Die Haare werden im Scheitel gehälftet, nach hinten gekämmt, hier in einem Schopf gedreht und mittels eines riesenhaft breiten und hohen Kammes festgehalten. Diese Kämme sind Handarbeit der Tauser Kammacher. Die Konturen des Kammes zeichnen sich durch das Kopftuch und die Plena deutlich ab.
Das schwarze Kopftuch wurde bereits bei der Alltagstracht erwähnt. Früher wurden auch rote Kopftücher getragen, und zwar sowohl von kleinen Mädchen als auch Erwachsenen.
Vergl.: Die Bayerinnen tragen schwarze, die Kroatinnen im Murwinkel gelbe, 52) die Slowakinnen in Mähren nur rote (sogenannte türkische) Kopftücher. Rote Kopftücher tragen heute noch die deutschen Bewohnerinnen des benachbarten Radbusatales. Solche sah ich in roten Strümpfen, schwarzen gefältelten Röcken, weißen Leibchen und roten Tüchern vor der Kirchentür in Hradzen stehen. Deren Tuch war aber nicht auf Tauser oder auf bayrische Art um den Kopf gebunden, sondern unter dem Kinn, wie die »Hanka« der nach Rotenbaum Eingepfarrten.
52) Ethnol. Mitt. aus Ungarn, IV., 202.
Wie früher die Chodinnen, so trugen auch die Bewohnerinnen des Angeltales (besonders die Neuerner Frauen) früher andersfarbige Kopftücher. Grüne und rote, auch braune waren üblich und wurden vor etwa 80 bis 100 Jahren, in der Zeit der Rollenjoppen, nach hinten gebunden. Später kamen dann die schwarzen Tücher in Schwung (Mode), die am Scheitel geknüpft wurden. Im Deutschen ist das Kopftuch nicht kirchenfähig. Am Sonntag wird daher ein schönes, oft seidenes Tuch darüber genommen und dieses — in Neuern »Hülal«, in Rotenbaum »Hanka« oder »Hankatejehal« genannt — beim Kinn gebunden, weshalb es auch »Knipftüchal» (Knüpftüchl) genannt wird, im Gegensatz zum originelleren Kopftüchl.
In der bayrischen Gegend von Viechtach war schon vor 50 Jahren das Kopftuch vom Kommuniontische verpönt. 53) Dagegen lassen die Chodinnen von Possigkau häufig die schöne weiße Plena (Windel) zu Hause und gehen im Kopftuch in die Kirche. Auch in der deutschen Gegend von Iglau und Deutschbrod sieht man viele rotgeblümte Kopftücher. Dort erfreut sich die schöne »deutsche« Tracht noch der vollen Übung (Wertschätzung). Schule und Kirche tun dort das ihre, um die Leute im Festhalten an der Volkstracht zu bestärken. In den deutschen Schulen des Deutschbroder Bezirkes behalten die Mädchen auch während des Unterrichtes die nicht leicht zu bindenden Tücher auf dem Kopf. 54)
Doch kehren wir nach dieser langen Abschweifung, die Vergleichen diente, wieder zu unseren Tauser Dörfern zurück.
Hier sind die Kopftücher für Werktage aus Baumwolle, an Sonntagen werden zumeist seidene getragen. An den Rändern, besonders aber in den Ecken sind bunte Blumen. Die Tücher werden meist in Haubenform gebunden; in Possigkau bindet man sie »na pokos« (schief oder hängend), in den übrigen Dörfern der Gegend »na babku« (rund um den Kopf). Immer hängen zwei Zipfel nach hinten, einer über die rechte Schulter auf die Brust.
53) Reder: Bayerwald, 93.
54) Näheres über die Iglauer Tracht auch in uns. Zeitschr. VI., 259.
Die Plena.
Über das Kopftuch wird zum Kirchgang ein großes, schneeweißes, gut gebügeltes Tuch aus feiner Leinwand getragen, das über das Kinn und dann wieder zurück über den Kopf gewunden wird, wo man es auf dem Scheitel mit einer schönen Masche bindet. Diese Masche und die hinten bis auf den Rücken hängende große Ecke des Tuches sind mit weißen Blumen reich bestickt und mit gekauften Tüllspitzen eingesäumt. Dieses Tuch heißt Plena, was auch Windel bedeutet. Die Plena wird nur von Verheirateten getragen. Viele binden sie jetzt auch vorne unter dem Kinn.
Die Flügelhaube (holubice) wird von Mädchen und Frauen bei Festlichkeiten, Taufen und Hochzeiten getragen. Sie ist von feiner weißer Leinwand. Als Oberteil hat sie zwei große, gut gestärkte Maschen, die taubenflügelartig ausgespannt sind. Stirn, Schläfen und Hinterhaupt werden von einem breiten, an den Kopfteil genähten Spitzenstreifen bedeckt. Die zwei Flügel und die zwei über den Nacken hängenden Enden sind mit einer ganz schmalen Spitze eingefaßt. Die Flügelhaube war in ganz Böhmen verbreitet und wurde nirgendwo sonst beobachtet, ist daher eine tschechische Eigentümlichkeit.
Der Golatsch (kolác) oder das Rad (kolo) war eine eigen artige weiße Haube, die von Verheirateten früher zu Festlichkeiten getragen wurde. Das Rad bestand aus zwei Teilen: dem fast kreisrunden und sehr breiten Oberteil und dem Band, mit dem dieser Oberteil über die Stirn gebunden wurde. Derselbe war ein unförmliches, etwa 42 cm breites, flaches Rad und hing bis ins Genick. Die flache und streng runde Form der unteren Hälfte desselben wurde durch das Einziehen einer elastischen Rute erzielt, welche vorher mit Werg umwunden wurde, damit ihre Gestalt nicht zu viel hervortrete. Diese Rute hieß Katze (kote). Die Wergumhüllung war in der Mitte der Rute am stärksten — etwa zwei Finger dick — gegen die Enden abnehmend und mit weißem Zeug umnäht.
Fig. 21. Kolác. (Vergl. auch die Tafel I.)
Das Rad selbst zerfiel in zwei Teile; der untere, durch die »Katze« gespannte, war in viele Falten gelegt, die fächerförmig gegen die Mitte liefen, wo er an die obere Hälfte genäht war. Auf der hinteren Seite war der ganze Umkreis mit Schlingen benäht, durch die ein Band ging, das zur Befestigung des Rades zusammengezogen wurde. Über die Stirn und die Schläfen wurde dasselbe durch das oben erwähnte breite Band unter dem Haarschopf gebunden. (Fig. 21.)
Die Oberseite des »Golatsch« war reich, gewöhnlich mit schwarzer Seide ausgenäht, die Hinterseite weiß gestickt, wobei das Grundmotiv die Kreuzform bildete.
Eine solche Haube kostete fl. 7 und noch mehr. Die Braut wurde mit ihr zum ersten mal in der Nacht nach der Hochzeit bekleidet. Eine ausführlichere Mitteilung über dieses interessante Kleidungsstück, das heutzutage nicht mehr getragen wird, mit Bildern von sechs schwarz- und einem weißgestickten Oberteil und einem zugehörigen Bande (plínka) veröffentlichte Professor J. F. Hruska im Ceský Lid, VIII, 57.
Früher trugen die Bäuerinnen das Gebetbuch Sommer und Winter in ein großes, weißes Leintuch gewickelt unter der Achsel wie ein langes Paket. Begann es auf dem Kirchenweg etwa zu regnen, so breiteten sie das Tuch aus und taten es wie eine Hülle über sich. Junge Mädchen haben für das Buch kleine Tücher. Die selben sind in der einen Ecke, die sichtbar getragen wird, mit Herzen, Blumen und dem weithin lesbaren Vornamen der Besitzerin ausgestickt. Diese Tücher sind gewöhnliche Fabrikware und werden schon gestickt gekauft. Sie heißen Buchtücher (»šátky na knižky«), und werden auch zum Wischen der Nase verwendet.
Vergl.: Auch bei den Slowakinnen in Mähren gehört zur vollendeten Kirchgangstracht das »Tüchlein in die Hand«. 55) Schnupftuch und Gebetbuch, in ersterem wohlriechende Blätter, wurden auch in der Teplitzer Gegend zusammen getragen. 56)
Die Sitte, das Buch wohl verwahrt zu tragen, hat sich wohl noch von der Zeit erhalten, als Gebetbücher sehr selten und kostspielig waren und man dieselben in eigenen Futteralen und Buchbeuteln bei sich trug.
Farben.
Die tschechischen Bewohner des alten Tauser »Königreiches«, wie der Chodenwald in alten Urkunden heißt, 57) sind ein farbenfreudiges Volk. Am meisten lieben sie die rote Farbe und überhaupt bunt gemusterte Stoffe. Das Alltagsgewand der Frauen ist rot und war damals, als es auch noch rote Kopftücher gab, durch aus rot gewesen.
Mit dieser Vorliebe für die rote Farbe stehen die Bewohner des Tauser Landes im Gegensatz zu ihren bayrischen Nachbarn, deren Nationalfarbe die blaue ist. Diesem folgt schwarz in der Beliebtheit; nur für kleinere Kleidungsstücke, zum Beispiel Westen, Halsbinden, liebt der Bayer lebhaftere Farben.
Ruhigere Farben tragen auch die deutsch-böhmischen Anwohner der Tauser Dörfer. Früher bevorzugten auch die Bewohnerinnen der Teplitzer Gegend die rote Farbe bei ihrer Tracht. 58)
55) Mus. Franc. Brunae 1896, II., 199.
56) Laube, Teplitz, 19.
57) Auch der Grenzwald bei Trautenau hieß, weil er dem König gehörte, „Königreich“.
58) Laube: Teplitz, 18.
Wer an einem schönen Sonntag nach Taus kommt, wandelt vormittags unter den altertümlichen Lauben mitten unter Scharen bunt gekleideter Chodinnen, die der Stadt ein noch romantischeres Gepräge aufdrücken, während sie an Werktagen als große rote Mohnblumen die grünen Fluren des alten Chodengaues harmonisch beleben.
Die blaue Farbe ist bei weiblichen Hochzeitsgewändern gemieden, sie bedeutet Unglück in der Ehe. Einige Farben haben hier eigentümliche Bezeichnungen:
modráckový = kornblumenblau (bei Männerstrümpfen),
koukolový = kornradenrot (bei Faltenröcken),
puncochová šerka = Frauenrock von der Farbe der (hochroten) Strümpfe.
Eigentümlich ist ferner die Verwendung der Farben zu gewissen Zeiten und Gelegenheiten, wobei sich die Frauen in der Farbe der Röcke nach den Zeiten des Kirchenjahres richten. Zur österlichen und Pfingstzeit ist rot, auch grün üblich, im Advent und in der Faste (Fastenzeit) schwarz und violett. Doch habe ich bereits manche Ausnahmen von dieser alten Regel bemerkt. Zu Begräbnissen werden schwarze Röcke getragen; in Possigkau tragen diese kein seidenes Band als Saum, sondern sind nur mit einer roten Schnur eingefaßt. Dazu wird eine w e i ß e Spitzen- oder Tüllschürze von bedeutender Größe vorgenommen, ebenso ein weißes Halstuch, über der Brust gekreuzt. Die Egerländerinnen trugen vor hundert Jahren bei Begräbnissen den »Schlojer« aus feiner weißer Leinwand, bei Kindstaufen und Hochzeiten dagegen lange schwarze Mäntel. 59)
Um 1880 trugen ältere Frauen bei traurigen Anlässen auch schwarze oder dunkelblaue Leinwandschürzen, die unten mit weißen Zacken, welche Hügelchen (kopecky) genannt wurden, eingefaßt waren und die man mit langen weißen Zwirnbändern über der Hüfte band. Zu den Eigenheiten dieser Tracht gehört ferner, daß auch Bräute am Hochzeitstage den dunkeln Trauerrock mit der erwähnten weißen Spitzenschürze tragen.
Eigentümlichkeiten der Hochzeitstracht.
Der Bräutigam hatte den Hut mit einem reichbebänderten Zweige geschmückt. Er trug den Hut zum ersten mal, so wie den langen Rock, den Župan. In der Hand trug er eine lange geschälte Haselrute ebenfalls mit einem Band. Vergl.: Im Falkenauer Lande trug der Taufpate, wenn er ledigen Standes war, eine vom Bast befreite Haselrute mit roten Seidenbändchen beim Taufgange. 60)
Der Hut hatte früher rundherum eine weiße Schnur und wurde übers Kinn von einem Band gehalten, das gelbe Scheibchen trug. Heute trägt man dieses verzierte Sturmband bei der Hochzeit auch an den modernen weichen Filzhüten. Seinen Župan schmückte die Braut mit einer großen Schleife, die er von nun an immer an demselben trug. Statt des Župan trägt der Bräutigam heutzutage einen neuen Winterrock, auch im Sommer. Vergl.: Auch im Egerland trug der Bräutigam in älterer Zeit (auch im Hochsommer) Fuchshandschuhe aus Pelz, eine Otterfellmütze und darüber den mit einem roten Band und roter Masche geschmückten Hochzeitshut. 61) Auch der slowakische Bräutigam trägt zur Hochzeit einen Pelzmantel, »Mentek«.
Die Braut, auch die Kranzeljungfern (droužky, drůžicky), tragen heute noch die wunderliche »cepení«, die die Form eines umgekehrten Vogelnestes hat. Auf einer kappenförmigen Unterlage sind eine Unmenge von Schleifen aller Farben und zitternde Glasnadeln befestigt. Mit Flittergold ist nicht gespart. Der Braut und den Kranzeljungfern werden die Haare in viele Zöpfchen geflochten und diese kranzförmig um das Haupt geordnet. Die Braut trägt — auch im Sommer — eine mit Pelz besetzte Kazajka, 62) dazu einen schwarzen Rock mit der bereits erwähnten sehr großen weißen Spitzen- oder Tüllschürze.
Die Stickereien auf den Kleidungsstücken werden vom Dorfschneider und dessen weiblichen Angehörigen verfertigt. Das Herz fehlt bei wenigen dieser Arbeiten. Es bildet meist den Ausgangspunkt, um den sich sternförmige oder langknospige Blüten gruppieren. Auch der Granatapfel fehlt nicht, (Tafel II, unterste Zeichnung.) Den größten Teil der Stickerei bilden immer pflanzliche Motive, Blumen- und Blätterfiguren. Besonders beliebt ist bunte Stickerei in hellen Farben auf den blauen männlichen und weiblichen Kleidungsstücken. Die größte Mühe wird auf die Stehkrägen derselben verwendet. Die Ausnäharbeit macht meist — infolge der Verwendung- zart abgetönter lichter Farben — einen angenehmen Eindruck. Auf älteren Kleidungsstücken sieht man noch, aber schon selten, weiße Seidenstickerei. Neuere Stickereien, die von den altüberlieferten Mustern abweichen wollen, fallen nicht schön aus. Die deutsche Tracht der Nachbargegenden kennt keine Verzierung durch Stickerei.
Die bei der Frauentracht, besonders reich an der Plena, verwendeten Spitzen sind Fabrikware. Trotzdem in und um Possigkau seit neuerer Zeit die Leute selbst Spitzen verfertigen, hat das Handprodukt in der Volkstracht nur ganz ausnahmsweise Verwendung gefunden.
58) Laube: Teplitz, 18.
59) John-Grüner, 115.
60) John: Westböhmen, 113.
61) John: Westböhmen, 143.
62) Im Egerland trug die Braut unter dem langen Brautmantel und ebenfalls zu jeder Jahreszeit das Wams mit. Pelzwerk. (John: Westböhmen, 143.)
Es sei mir gestattet, hier ganz kurz den Inhalt meiner längeren Mitteilung über die Tauser Tracht zusammenzufassen:
- Die männliche Feiertagstracht wird so gut wie nicht mehr getragen. Sie bestand aus einem weitkrempigen Hut, einer mit Stickerei verzierten kurzen blauen Jacke, gelben Kniehosen, weißen oder blauen Strümpfen, hohen Stiefeln oder Schnallenschuhen.
- Die weibliche Feiertagstracht wird in zahlreichen Dörfern um Taus noch allgemein getragen. Sie besteht aus einem großen weißen, reich verzierten Kopftuch, einem ausgeschnittenen Leibchen, einer blauen bestickten Jacke, einem hochgeschürzten einfarbig roten, grünen oder violetten, nicht zu kurzen Rocke und einer großen blumigen oder gestreiften Schürze.
- Die Alltagstracht der Männer bietet wenig Bemerkenswertes. Um so interessanter ist die der Frauen, die aus einem schwarzen Kopftuch, einer sehr kurzen, rot gemusterten Joppe, einem rotgestreiften, hochgeschürzten Rocke, roten Strümpfen und Pantoffeln besteht.
- Diese Tracht bietet in Einzelheiten viele Vergleichungspunkte zwischen den Trachten der benachbarten Deutschen des Radbusatales, des Angeltales und des Egerlandes sowie mit anderen slawischen Bekleidungsarten Böhmens und Österreich-Ungarns überhaupt; doch hat sie auch ihre Besonderheiten.
Die einzelnen Stücke der kleidsamen Tauser Tracht waren dauerhafte Produkte der häuslichen Industrie, welche, mit großem Aufwand von teurem Pelzwerk und guter Seide verziert, ein ganzes Menschenalter aushielten. Heute ist die Freude an Änderungen, am falschen Schein, an den gleißenden, schlechten und billigen Fabriksprodukten leider schon zu tief ins Volk gedrungen. Die alte Tracht — und nicht nur diese — leidet darunter. Hoffentlich wird es aber doch noch lange dauern, bis der letzte Rest von Freude am Althergebrachten vor den zahlreichen ebnenden Einflüssen der Zeit auch bei den Choden erkalten wird. Möge ihr alter Gau seine überlieferte Tracht, dieses äußere Zeichen seiner aus Landschaft, Geschichte und Volkseigenart erwachsenen Romantik, noch lange bewahren!
Silberberg, am 1. Jänner 1906.
Quelle:
- Ostergebäcke: eine vergleichende Studie der Gebildbrote zur Osterzeit von Max Höfler. Wien: Gerold 1906.
- Chodsko: cyklus obraz Otokara táfla, von Antonín Weber. Illustration: Otakar Štáfl. Praha: Politika 1914.
- Zeitschrift für österreichische Volkskunde: Organ des Vereins für Österreichische Volkskunde in Wien. Wien: F. Tempsky, 1895.
- Städtewappen des österreichischen Kaiserstaates von Vincenz Robert Widimsky. Wien: K.K. Hof- und Staatsdruckerei 1864.
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