Der berühmte Empfang von Eleonora d’Aragona in Rom, als Braut des Herzogs Ercole I. d’Este von Ferrara. Hochzeit von Lorenzo de‘ Medici, genannt Lorenzo il Magnifico, mit Clarice Orsini am 4. Juni 1469 in Florenz. Hochzeit der schönen Giovanna degli Albizzi Tornabuoni (1468-1488) mit dem zwanzigjährigen Lorenzo Tornabuoni, Sohn des einflussreichen und wohlhabenden Medici-Bankiers Giovanni Tornabuoni. Die Festlichkeiten 1539 bei der Hochzeit Herzog Cosimos mit Eleonora von Toledo. Die Tage der großartigen Festzüge des Karnevals in den Straßen von Florenz. Die Vermählung der schönen Lucrezia Contarini mit dem Sohne des Dogen Foscari.
I. Rom
Schlägt man ein Buch auf, das, um vierhundert Jahre uns zurückversetzend, einen Einblick gewährt in das Leben der italienischen Renaissance, so wird man nicht viele Seiten lesen können, ohne auf eine Beschreibung irgendwelcher Feste zu stoßen.
Verfolgt man dann die häufige Wiederholung solcher Schilderungen, begreift man mehr und mehr die Rolle, welche derartigen Belustigungen im öffentlichen Leben eingeräumt war, so wird man inne, daß es sich um eines der Hauptmerkmale jener Zeiten handelt. Denn in Aufzügen und Schauspielen, in Allegorien und geistlichen Dramen äußert sich die Kultur eines Volkes eben sosehr wie in den höheren Manifestationen seiner Literatur, seiner Künste und Wissenschaften.
Heute genügen die einfältigsten Dinge, um dem Volk ein leidenschaftliches Interesse einzuflößen, und es empfindet dabei vielleicht ebenso großes Vergnügen wie einst seine Vorfahren beim Anblick glänzender Ritterturniere oder dem sinnberückenden Gepränge eines fürstlichen Hochzeitszuges. Verfolgen wir den betretenen Weg weiter, so überzeugen wir uns bald, daß die Renaissance nicht nur die goldene Zeit der Kunst war, an deren Früchten wir uns noch heute erquicken, – sondern auch eine höchste Manifestation dessen, was Geschmack und Luxus vereint hervorzubringen vermögen, wenn unerschöpfliche Mittel zur Verfügung stehen.
Die Dukaten wurden in Haufen, man möchte sagen: Truhen weise ausgegeben, wenn es galt, den Ruhm eines Fürstenhauses durch äußeren Glanz zu betätigen, durch die verschwenderische Pracht der Juwelen und Gewänder, der Feste und Aufzüge das Volk zu blenden und auf diesem Wege neuen Einfluß zu gewinnen. Oft war die Triebfeder aber auch allein die Freude am Schönen, die Lust des Auges an der Entfaltung herrlichster Bilder, deren abwechslungsreiche und oft übersinnliche Schönheit jenen lebensfrohen Menschen fast zum Bedürfnis geworden war. Sie konnten sich keine graue Alltäglichkeit der Arbeit denken, wie sie in unsern Tagen Gesetz geworden ist; vielmehr war ihnen der freudige Genuss des Lebens Notwendigkeit, und jeder geringste Anlass bot die Gelegenheit, dieses Streben nach heiteren Freuden in die Tat umzusetzen. Kam dann ein wirklich feierliches Moment hinzu, galt es einen hohen Gast zu ehren oder einer vornehmen Braut die Hochzeit zu rüsten – dann kannte die verschwenderische Prachtentfaltung keine Grenzen. Wer davon ein treues Bild geben wollte, müßte wahrlich die Feder in flüssiges Gold tauchen, um den blendenden Glanz wiederzugeben, der den Festen der Renaissance eigen war.
Keiner Feier gab man eine größere Bedeutung als den Hochzeiten. Von nah und fern strömten die Gäste herbei, kein Weg war zu lang, keine Reise zu beschwerlich, um ein solches Fest mitzufeiern. Oft mußte mit den Vorbereitungen Monate vorher begonnen werden, und keine Mühe wurde je gespart, um ein volles Gelingen zu erzielen. Nicht selten gaben auch politische Kombinationen den Anlass zu besonderen Ehrungen. So zum Beispiel beim berühmten Empfang von Eleonora d’Aragona (1450-1493) in Rom, als sie, die Braut des Herzogs Ercole I. d’Este (1431-1505), auf der Reise von Neapel nach Ferrara 1473 in der ewigen Stadt weilte.
Die Feste, die ihr hier von den Rovere, vor allem vom päpstlichen Nepoten Pietro Riario (1445-1474), dem Kardinal von S. Sisto, bereitet wurden, blendeten durch ihren sinnlosen Luxus sogar die Augen der verwöhnten Römer. Zahlreiche uns erhaltene Aufzeichnungen bekunden den nachhaltigen Eindruck, den die Ereignisse dieser Tage bei den Zeitgenossen hinterließen, und Eleonora selbst hat in einem langen Brief voll Bewunderung das große Festbankett beschrieben.
Auf schneeweißem, goldgeschirrtem Roß, zwischen den Kardinälen von S. Sisto und S. Pietro in Vincoli reitend, war die anmutige Tochter König Ferrantes am 5. Juni in Rom eingezogen. Aller Augen ruhten auf der holden Frauengestalt, die im schwarzen Samtkleide, ein ebensolches Barett, perlenbesät und mit wehenden weißen Federn, auf den aufgelösten Haaren, „gleich einem Engel“ erschien. Sie wurde beim Klang der Trommeln und Trompeten durch die jubelnde Menge nach S. Apostoli geleitet und mußte über den unerhörten Reichtum staunen, der sie hier umgab.
Auf dem Platz vor der Kirche war ein improvisierter Palast zu Eleonoras Empfange aufgeführt worden, dessen äußere Wände täuschend einen steinernen Bau nachahmten, dessen inneres Holzgerüst vollständig unter golddurchwirkten Stoffen, kostbaren Arazzi und schweren Ledertapeten verschwand. Zelttücher in bunten Farben, mit den Wappen der Rovere und Riario, des Königs von Neapel und des Hauses Este in reicher Abwechslung, überdeckten den wunderbaren Bau, der neben mehreren Prunksälen die Wohnräume für Eleonora und ihr ganzes Gefolge enthielt. Alles leuchtete von Purpur und Gold. In dem schönsten der Säle prangte der berühmte Teppich Nikolaus‘ V. mit der Schöpfungsgeschichte, den Papst Sixtus für diese Gelegenheit geliehen hatte; Ventilationsvorrichtungen an der Decke und zwei hohe Springbrunnen kühlten den Raum, und auf einer Säule war ein lebendes Kind aufgestellt, das, in goldene Schuppen gekleidet, wohlriechende Essenzen nach allen Seiten spritzte.
In den Schlafgemächern herrschte nicht geringerer Luxus. Auch hier waren die Wände mit Arazzi behangen (Tapisserie), der Boden mit Teppichen und kostbaren Fellen, Zobel-, Luchs- und Wolfspelzen, belegt. Auf den Betten lagen üppige Decken von Atlas oder Brokatstoffen mit goldenen Fransen besetzt, auf den Kissen Bezüge aus weißem Damast mit Decken von Goldstoff. Ein Himmelbett war über und über mit massiven goldenen Blättern in erhabener Reliefarbeit bestickt und trug das Wappen der Riario, eine weiße Rose auf dunkeln Grund. Nicht minder prächtig wirkte der Schmuck der Kapelle, der mit Paramenten reich bekleidete Altar, die goldenen Engelsfiguren und Leuchter, der Betstuhl aus massivem Silber, auf goldenen Löwenfüßen ruhend. –
Am Pfingstsonntag, dem Tage nach Eleonoras Einzuge, wohnte die junge Prinzessin der Papstmesse in St. Peter bei, worauf ihr Sixtus IV. (Francesco della Rovere; 1414-1484) in besonderer Audienz seinen Segen erteilte. Geistliche Schauspiele, von Florentinern aufgeführt, füllten die Nachmittagsstunden aus. Am folgenden Tag, dem 7. Juni, fand das berühmte Festmahl statt, das allein über 20000 Dukaten verschlungen haben soll, fast sieben Stunden dauerte und von den Chronisten mit unverhohlenem Staunen beschrieben wird. Die Tafel war im großen Mittelsaal gedeckt, wo eine Kredenz stand, auf der stufenweise so viel Gold und Silbergeschirr, so herrliche, mit blitzenden Edelsteinen geschmückte Gefäße aufgebaut waren, daß der ganze Schatz der Kirche hier vereinigt schien. Und doch diente keines dieser Prunkstücke zum Gebrauch, obgleich nur von Gold und Silbergerät gegessen wurde.
Nachdem die Gäste stehend einen Imbiss von gezuckerten Früchten und Malvasier (verschiedene Weiß- und Rotweinsorten) eingenommen und sich darauf mit Rosenwasser die Hände gespült hatten, setzte man sich an den mit vier Tischtüchern gedeckten Tisch, und beim Schmettern der Trompeten wurden die ersten Gerichte hereingetragen. Fische, Kapaune, Fasanen, ganze Kälber, Ziegen, Kaninchen, Hirsche mit Haut und Haaren, radschlagende Pfauen bildeten das endlose Menu; auch ein Bär wird erwähnt. Auserlesene Weine wurden in goldenen Bechern gereicht; selbst das Brot war mit Gold oder Silber überzogen! Außerdem gab es eine Anzahl von bloßen Schaugerichten: ein Einhorn aus einem Kalbskopf gebildet; eine Schlange, die auf einem Berge zu liegen schien; aus Zucker gebildete Burgen, Schiffe und mythologische Figuren, darunter die kunstvoll dargestellten Arbeiten des Herkules, in Anspielung auf den Namen des abwesenden Bräutigams. Venus auf einem von Schwänen gezogenen Wagen, Perseus und Andromeda, Ceres von zwei Aalen gezogen, – dies alles und noch weit mehr wurde den erstaunten Augen der Gäste vorgeführt. Auf einer Bühne fanden indessen Ballette und Pantomimen statt, Tänze von Nymphen und Kentaurenkämpfe.
Nach je zehn bis zwölf Gerichten trat eine Pause ein; eins der Tischtücher wurde entfernt, Rosenwasser zum Spülen der Hände gereicht, und jedesmal erschien dann der Seneschall in neuer Gewandung, mit andern Juwelen und goldenen Ketten behangen. Wahrlich, Pietro Riario rechtfertigte seinen Ruf, der maßloseste Verschwender Roms zu sein, ein Ruf, für den er hoch gepriesen wurde von den Genossen, die an seiner Tafel praßten, über den aber vernünftige Leute die Köpfe schüttelten. Hatte er doch im Karneval desselben Jahres Feste über Feste gegeben und bei einem seiner großen Gelage die Speisen von berittenen Seneschallen hoch zu Roß in den Saal hereintragen lassen! Heute ruht er milde lächelnd im Chor der Apostelkirche, lang ausgestreckt auf marmorner Bahre, von tiefem Schlummer umfangen, als sei kein Schatten je auf sein Gewissen gefallen, als habe der Saum seines purpurnen Kardinalgewandes nie den Schmutz der Erde gestreift! Und doch waren es die wilden Orgien seiner bei den letzten Lebensjahre, die den 27 jährigen Kirchenfürsten in der Blüte der Jugend hinrafften. Schon im Januar 1474 stand Sixtus IV. am Sarge seines Lieblings, dessen Leben er selbst verkürzt hatte, indem er unermeßliche Reichtümer und unbegrenzte Macht in diese schwache Hand gelegt hatte.
Am 10. Juni setzte Eleonora mit ihrem zahlreichen Gefolge die Reise nach dem Norden fort und erreichte Ferrara schließlich am 3. Juli 1473. Mit Geschenken überhäuft nahm sie glanzvolle Erinnerungen an die Tage ihres römischen Triumphes mit fort. Ähnliches sollte ihr nicht wieder geboten werden. Allerdings wurde sie auch in Siena und Florenz ehrenvoll empfangen und von der Signorie reich bewirtet. In Modena gab die Zunft der Wollenweber große Festaufführungen, wobei die Arbeiten des Herkules mit andern allegorischen und mythologischen Szenen dargestellt wurden. Ein Modenese, Gui de Mazon, genannt di Paganin, hatte den Text gedichtet und die Stücke komponiert. In Ferrara setzten sich die Feste fort, und das Volk jubelte seiner jungen Herzogin entgegen. Aber an den kleinen Fürstenhöfen Norditaliens herrschte noch nicht der raffinierte Luxus, der sich hier erst um die Wende des Jahrhunderts entwickelte. Erst drei Jahrzehnte später, als Eleonora längst im Grabe ruhte, sollte Ferrara der Schauplatz einer der glanzvollsten Hochzeiten der Renaissance werden.
II. Florenz.
„Unglaubliche Ausgaben bringen uns diese neuen und nachgerade unleidlichen Gebräuche!“ ruft Leonardo Bruni von Arezzo (1370-1444) aus, der später die hohe Würde eines Kanzlers von Florenz bekleidete, – und in verdrießlichen Worten schildert er die unsäglichen Mühen und Kosten, die ihm seine Hochzeit verursachte. Am unerträglichsten findet er die grenzenlose Verschwendung in der Kleidung und Aussteuer der Frauen und wünscht sich, „die modernen Römer, denen vom alten Ruhm und Glanz nur eitler Ehrgeiz geblieben ist, könnten einmal Zeugen des Purpurs und Goldes, des Silbers und allen Schmuckes der Florentiner Frauen sein, auf daß sie endlich aufhörten, so lächerlich über sich selbst zu urteilen“. Dieser Brief wurde 1412 geschrieben. Was hätte der treffliche Aretiner wohl ein halbes Jahrhundert später gesagt, hätte er in das Florenz der Mediceer oder dei Medici, einen Blick werfen können? Und doch hat selbst Lorenzo il Magnificos (1449-1492) Festfreude nie den übertriebenen Ausdruck gesucht, den ein Riario brauchte.
Lorenzos Prachtliebe steigerte sich nie bis zu sinnloser Verschwendung, und bei seiner eigenen Hochzeit, als er 1469 Clarice Orsini (Clarice degli Orsini, 1453-1488) heimführte, staunt man über den relativ geringen Aufwand. Während mehrerer Tage wurden 200 Gäste bewirtet; doch gab es bei den Mahlzeiten nur drei bis vier Gerichte und wenige Sorten Wein. An mehreren Abenden fanden Tanzvergnügungen statt, und ein Waffenspiel bildete den Höhepunkt der Feste. Ähnlich war es zugegangen, als drei Jahre früher Lorenzos Schwester, Nannina de‘ Medici (1448–1493), den reichen Bernardo Rucellai (1448-1514) geheiratet hatte.
Der Platz vor dem Palast der Rucellai – damals schon mit der edlen Fassade Leon Battista Albertis (1404-1472) geschmückt, wie wir ihn heute sehen – war ganz mit blauen Zelttüchern bespannt und glich mit den die Wände bekleidenden Arazzi im Lichte unzähliger Fackeln einem herrlichen Ballsaal. Sang und Spiel und Tanz folgten einander, und Tag und Nacht hallte die Via della Vigna Nuova von frohen Festklängen wider. Hier auch tummelte sich die Florentiner Jugend zu Fuß und zu Roß bei Ring- und Turnierkämpfen. Der alte Giovanni Rucellai, der Vater des Bräutigams, hat in seinen Aufzeichnungen nicht nur die Feste beschrieben und die ganze reiche Aussteuer aufgezählt, sondern mit kaufmännischer Genauigkeit alle Ausgaben eingetragen, vom Preis der Diamantgeschmeide und Brokatkleider bis zu den Löhnen der Köche und Küchenjungen und den buntgestickten Strümpfen, die alle Bediensteten zum Geschenk erhielten!
Nicht weniger vornehm und glänzend verlief die Hochzeit der schönen Giovanna degli Albizzi Tornabuoni (1468-1488) mit dem zwanzigjährigen Lorenzo Tornabuoni, Sohn des einflussreichen und wohlhabenden Medici-Bankiers Giovanni Tornabuoni (Onkel von Lorenzo de‘ Medici), welche zwanzig Jahre später stattfand. Ein Zug von hundert Edelfräulein begleitete die siebzehnjährige Braut zum Dom, wo sich der ganze Adel von Florenz, Gesandte und fremde Kavaliere in reichster Festtracht versammelt hatten. Wir hören abermals von Bällen und Turnieren und einem großen Gelage, das Maso degli Albizzi, der Vater der Braut, veranstaltete und an welchem auch das Volk teilnahm. Das tragische Schicksal dieses jungen Paares ist bekannt: Giovanna wurde dem Gatten nach kaum drei Jahren glücklichster Ehe entrissen, und Lorenzo selbst, in Verschwörungen verwickelt, um die vertriebenen Medici nach Florenz zurückzurufen, fiel 1497 unter dem Beil des Henkers.
Wir besitzen das Bild der lieblichen Giovanna in einem herrlichen Porträt von Domenico Ghirlandaios Hand, einer Perle der Sammlung Kann in Paris, und erkennen sie in der vornehmen Florentinerin wieder, die in Ghirlandajos Fresko der Heimsuchung Mariä, im Chor von S. Maria Novella, in edler Haltung und Gewandung dem Vorgang zusieht. Lorenzo ist an der Wand gegenüber in der Vertreibung Joachims aus dem Tempel dargestellt. Außerdem zeigen uns zwei Medaillen des Niccolö Fiorentino die wohl bekannten Züge der jungen unglücklichen Gatten.
So vornehm und prächtig auch der Aufwand erscheint, der die Florentiner Hochzeiten kennzeichnet, so vermissen wir doch bei den uns überlieferten Schilderungen jenen künstlerischen Schmuck, jene überquellende Festfreude, die uns in andern Städten begegnen. Dies ist um so seltsamer, als Florenz für seine karnevalistischen Vergnügungen einen besonderen Ruf genoß und seine „festaiuoli“ (Festordner oder Festivalleiter), in Italien weit und breit begehrt waren, um Aufführungen zu leiten, kunstvolle Apparate zu ersinnen und den Festen das Gepräge ihres Geschmackes zu geben. Nirgends haben in den Tagen des Karnevals großartigere Festzüge in den Straßen stattgefunden wie in Florenz. Reihen von Wagen mit allegorischen und mythologischen Szenen, von maskierten Darstellern erläutert, zogen alljährlich an der begeisterten Menge vorüber, und eigens dazu komponierte Gesänge belehrten die Zuschauer, um was es sich handelte.
Lorenzo de‘ Medici hat bekanntlich viele solche Faschingslieder gedichtet und zuerst den Anstoß zu derartigen großen Maskenzügen gegeben. Auch die kunstvollen Apparate, wie sie zuerst bei geistlichen, später bei weltlichen Schauspielen fungierten, sind in Florenz erfunden worden. Filippo Brunelleschi (1377-1446) und Cecca (Giovanni di Francesco, 1412 – 1459) waren die ersten, die solche Maschinen anfertigten, auf denen Engel auf und nieder schwebten, Gruppen von Heiligen erschienen und verschwanden, die Madonna zum Himmel fuhr u. dergl. m. Meist stellten diese Apparate kunstvoll aus Watte oder Federn gebildete Wolken dar und wurden daher allgemein mit dem Namen „nuvole“ bezeichnet.
Aber bei allen solchen Aufführungen handelt es sich in Florenz um Volksfeste, an denen die ganze Stadt teilnahm, hoch und nieder, arm und reich. Erst als die Zeiten der Republik vorüber waren, als im XVI. Jahrhundert sich aller Glanz um den Hof eines mächtigen Herrschers sammelte, sollte auch Florenz die nie gesehene Herrlichkeit fürstlicher Hochzeitsfeste erleben. Zuerst als sich Lorenzo de‘ Medici, Herzog von Nemours, 1518 vermählte, wo Künstler wie Ridolfo Ghirlandaio, Francia Bigio und Aristotile da San Gallo tätig waren, um Dekorationen für die Komödien zu malen und Kostüme zu entwerfen.
Glänzender noch waren die Festlichkeiten, als Herzog Alessandro de‘ Medici Margarete von Österreich heiratete, vor allem aber 1539 bei der Hochzeit Herzog Cosimos mit Eleonora von Toledo. Aristotile da San Gallo, der für seine Scheinarchitekturen berühmt war, malte bei dieser Gelegenheit im Hof des Medici-Palastes die Stadt Pisa als Kulisse für ein Lustspiel so meisterhaft, daß jeder, durch die kunstvolle Perspektive getäuscht, den Ort selbst vor sich zu sehen glaubte. Dabei war eine mit Wasser gefüllte, bewegliche Kristallkugel. die auf und nieder schwebte, als Sonne gedacht. Beim Einzug der Neuvermählten prangten die Straßen in herrlichstem Schmuck. So waren an einem Triumphbogen bei Porta al Prato Szenen aus dem Leben von Cosimos Vater, dem berühmten Giovanni delle Bande Nere (Giovanni de’ Medici, 1498 -1526, italienischer Condottiere), von Giovanni Battista Franco (1510 – 1561) gemalt worden. Den Bogen selbst hatte der Bildhauer Niccolò Tribolo genannt Il Tribolo, ausgeführt und mit zahlreichen Statuen in wirkungsvollem Aufbau geschmückt.
Es kann nicht verwundern, daß mit der Zeit, als sich das Bedürfnis nach verfeinerten Sitten und Lebensbedingungen immer mehr steigerte, auch der Luxus zunahm. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts kannte die Prachtentfaltung bei den Hochzeiten keine Grenzen mehr. Ein Zeugnis dafür ist der Brief Vincenzo Borghinis (1515 – 1580) vom 5. April 1566 mit Vorschlägen für den Einzug von Cosimos Sohn Francesco und dessen Braut, Johanna von Österreich (1547 – 1578). Für den Einzug der Braut war durch Bartolomeo Ammanati auch der Neptunbrunnen an der Piazza della Signoria erbaut worden. Hier wurde in der Tat alles übertroffen, was selbst die Hochrenaissance an Pracht der Hochzeitsfeste gesehen hatte.
III. Venedig
Keine Stadt der Welt bietet eine so malerische Szenerie für Feste wie Venedig. Dieses aus Traum und Wirklichkeit gewobene Märchen wirkt mit seiner unwiderstehlichen Romantik selbst auf den nüchternsten Besucher und umkleidet alles mit dem Gewande der Poesie. Genügen doch ein paar elende Laubgewinde und bunte Papierlampions , um die einfache Fischerbarke in ein Zauberschiff zu verwandeln, das über die dunkle Flut hingleitet beim Klange der sinnlich-süßen Lieder des Südens. Wie muß es erst gewesen sein, als der Doge auf goldenem Bucentaur hinausfuhr, um sich dem allspendenden Meere zu vermählen; wenn bei Regatten Hunderte von bunt bewimpelten Schiffen über die Lagune flogen; wenn Prozessionen mit wehenden Fahnen und Bannern über den Markusplatz zogen, oder auf diesem selben Platze, den Napoleon den schönsten Festsaal der Welt genannt hat, Turniere und Maskenbälle stattfanden; wenn das Volk in dicht gedrängten Scharen atemlos den Stiergefechten zuschaute oder den tollkühnen Künsten der Seiltänzer, die vom Campanile herab zwischen Himmel und Erde schwebten. Daß manche dabei verunglückten, bedeutete für die Menschen von damals nicht viel, denn andere waren stets bereit, sich auf diesem luftigen Pfade Ehre und Gold zu erringen.
Trotz dieser Freude an den bunten Bildern zahlloser Feste hören wir in Venedig nur von wenigen großen Hochzeitsfeiern. Wie dem republikanischen Florenz fehlte auch der Lagunen Republik die Herrscherdynastie und der damit verbundene Glanz eines fürstlichen Hofstaates. Aus den großen Handelsherren waren Patrizier geworden, die eigene herrliche Paläste bewohnten, das Leben voll genossen und ihren Töchtern die reichsten Aussteuern mitgaben. Auch öffentlich mit ihren Reichtümern zu prahlen, dessen bedurfte ihre solide Vornehmheit nicht.
Seltsam waren in Venedig manche alte Gebräuche, von denen die Chronisten berichten. Bei der Verlobung versammelten sich beim Vater der Braut der Bräutigam und alle männlichen Verwandten. Auf ein gegebenes Zeichen öffnete sich die Tür, und an der Hand eines Tanzmeisters trat die Braut ein, um beim Klang von Hörnern und Trompeten verschiedene Tänze aufzuführen. Sie trug ein faltiges, weißseidenes Gewand, und in ihren aufgelösten Haaren schimmerten goldene Fäden. So sah sie der künftige Gatte zum ersten mal, denn die Verlobten kannten sich vor diesem Tage nicht.
Nachdem sich die Braut vor allen Anwesenden verneigt und kniend den Segen des Vaters erhalten hatte, begab sie sich in eine festlich geschmückte Gondel und stattete, von weiblichen Angehörigen in zahlreichen Barken umringt, Besuche in verschiedenen Klöstern ab. Am Tage der Vermählung wurde das junge Paar um Sonnenaufgang mit Musik zur Kirche geführt, von allen Verwandten, Freunden und fackeltragenden Dienern in langem Zuge geleitet.
Die Braut trug meist ein karmesin rotes Samtkleid mit flügelartigen, bis zum Boden reichenden Ärmeln und kostbare Juwelen im Haar und an der Brust. Am Hals schimmerte die traditionelle Perlenschnur, „il vezzo“ genannt, die in ganz Italien das übliche Hochzeitsgeschmeide bildete und, von Mutter auf Tochter sich vererbend, Generationen hindurch liebliche Frauen an ihrem Ehrentage schmückte. Nach der Trauung blieb man tagsüber zusammen; ein Festessen regte zur Heiterkeit an, Tänze und Scherze folgten, und bis spät in die Nacht dauerte das fröhliche Treiben. Fast jedes Fest schloß mit dem sogenannten „ballo del cappello „, wobei eine Dame sich den Tänzer wählte, der zum Dank ihr sein Barett auf die Locken setzte. Nun begann der Tanz und dauerte so lange, bis die unermüdliche Tänzerin ihren Partner völlig erschöpft hatte, worauf sie sich einen andern wählte, immer das verführerische Barett auf dem Haupt. Es war ein besonderer Ehrgeiz der Venezianerin, bei solchen Tänzen als Siegerin das Feld zu behaupten.
Eine der glänzendsten Hochzeiten, die in der Lagunenstadt gefeiert wurde, war 1441 die Vermählung der schönen Lucrezia Contarini mit dem Sohne des Dogen Foscari. Eine Schiffsbrücke war über den Canal grande geschlagen worden, und auf dieser ritt der Bräutigam, von dreihundert Reitern gefolgt, nach S. Barnaba, um die Braut abzuholen. Er selbst und die zwei Brüder Lucrezias gehörten zur „Compagnia della calza“, die daher vollzählig erschienen war.
Diese Vereinigung junger Edelleute hat in Venedig durch fast zwei Jahrhunderte bestanden und bezweckte als gemeinsame Aufgabe, der Stadt Vergnügungen aller Art zu bieten, Feste, Regatten, Maskeraden u. dergl. m. zu veranstalten. Weniger ernst in ihren Zielen als die damals in Italien so häufigen Akademien, hatte sie doch eine gewisse Ähnlichkeit mit diesen und zählte zu ihren Mitgliedern Künstler und Literaten, darunter Tizian, Palladio, Pietro Aretino. Ein Merkmal der gemeinsamen Festtracht bildeten die vielfarbigen gestreiften Beinkleider, von denen das eine Bein oft mit Gold und Perlen überreich gestickt war. Außerdem gehörte ein Wams aus Samt, Seide oder Goldstoff mit geschlitzten Ärmeln dazu und ein faltiger Mantel aus Goldbrokat, auf dessen Kapuze die Imprese der Compagnia gestickt war; eine juwelenbesetzte Goldagraffe schimmerte auf dem weichen Samtbarett.
Wie malerisch und festlich mußte das Gepränge dieser jungen Nobili wirken, wenn sie in corpore auftraten, wie an jenem Februarmorgen, wo sie Jacopo Foscari und seiner Braut nach S. Marco das Ehrengeleit gaben! Hier wurde die Trauung in Gegenwart des Dogen und der ganzen venezianischen vornehmen Welt vollzogen. Am Nachmittag desselben Tages holten sechzig Edelfrauen auf goldenen Barken die Neuvermählte ab und führten sie in ihrer Mitte zum Dogenpalast, wo sie an der Gigantentreppe von der Dogaressa feierlich in Empfang genommen wurde. Es folgte ein glänzendes Festmahl und ein Ball, der bis in die frühen Morgenstunden dauerte. In den nächsten Tagen setzten sich die Feste fort, und auf dem Markusplatz wurden wiederholt Turniere abgehalten, bei denen 30000 Zuschauer, darunter auch die beiden berühmten Condottieri, Francesco Sforza, der spätere Herzog von Mailand, und der große Gattamelata, zugegen waren.
Wer heute in schwarzer Gondel durch die stillen Kanäle der Lagunenstadt fährt, wo das Plätschern der Ruder und der einförmige Ruf der Gondoliere oft allein das lastende Schweigen unterbrechen, wo die bröckelnden Mauern der herrlichsten Paläste die Vergänglichkeit mit nachdrücklicher Trauer verkünden; wer über den Markusplatz schreitet und in den Lüften vergebens nach den vertrauten, himmelstürmenden Formen des Campanile späht – der kann sich kaum das Venedig vergangener Jahrhunderte voll Lust und Leben vorstellen. Doch hat die stolze Königin des Meeres den Reiz der einstigen farbenschimmernden Pracht ihrer Blüte verloren, so besitzt sie dafür heute den schwermütigen Zauber versinkender Schönheit.
IV. Mantua und Urbino
Mit der rauschenden Pracht Venedigs konnten sich kleinere Städte wie Mantua und Urbino nicht messen; aber auch hier gestalteten sich manche Feste intim und sympathisch. Im Februar 1488 vermählte sich die Schwester des Markgrafen Francesco, die liebliche Elisabetta Gonzaga (siehe d. Tafel), mit Guidubaldo Montefeltro von Urbino. Ihr war es vorbehalten, eine der berühmtesten Frauen ihrer Zeit zu werden, gleich ausgezeichnet an Gaben des Herzens wie des Geistes und oft für ihre Schönheit gepriesen, eine Beschützerin aller Künste und die Zuflucht ihres Volkes in schweren Tagen. Auch diese Hochzeit wurde festlich gefeiert: Triumphbögen zierten die Straßen Mantuas, der kleinen, wasserumspülten Residenzstadt der Gonzaga, als die junge Prinzessin schweren Herzens aus ihr schied, und weit glänzender noch war Urbino geschmückt, wo Elisabetta nach beschwerlicher Winterreise am 9. Februar anlangte und freudig empfangen wurde. Der berühmte Palast von Urbino mußte im Festschmuck doppelt herrlich wirken, und wir lesen begeisterte Schilderungen der Pracht, mit der er zum Empfange der jungen Herrin ausgestattet worden war. Rauschende Feste nahmen die nächsten Tage in Anspruch, darunter Bälle und mythologische Schauspiele, und es scheint, daß Raffaels Vater, Giovanni Santi, die Verse zu letzteren gedichtet hat. Auch große Bankette fehlten nicht, bei denen wie gewöhnlich die seltsamsten Schaugerichte aufgetragen wurden und nicht weniger als 63 Wunderwerke aus vergoldetem und gefärbtem Zucker prangten, für welche 20000 Pfund Zucker verbraucht worden waren. –
Auch Elisabetta kam nicht mit leeren Händen. Das Inventar ihrer Aussteuer – 20. Februar 1488 datiert – weist eine solche Anzahl von Kostbarkeiten an Juwelen, Gewändern, Silberzeug und Wäsche auf, daß dieser Schatz einer Königin wert gewesen wäre. Ihr Bruder, Francesco Gonzaga war ein freigebiger Fürst, und als er selbst zwei Jahre später (1490) Hochzeit machte, schmückte sich Mantua aufs schönste, um seine junge Gattin willkommen zu heißen, jene Isabella d’Este, die einmal die „erste aller Frauen“ werden sollte, „la prima donna deI mondo“, wie ihre Zeitgenossen sie in schrankenloser Bewunderung genannt haben (Abb.2). Auf reich verzierten Barken, die Braut auf einem herrlich vergoldeten Schiffe, war die Hochzeitsgesellschaft von Ferrara den Po und Mincio aufwärts gezogen und hatte so den See erreicht, in dessen stillen Fluten sich das kleine Mantua spiegelt. Hier landete man, und von Eltern und Brüdern geleitet zog die junge Markgräfin durch die Porta Pradella in die Stadt ein, in der sie ihr ganzes reiches Leben verbringen sollte.
Gegen 27000 Personen hatten sich eingefunden; zahlreiche Gesandte, die den Kaiser, den König von Frankreich, den Papst und alle größeren Höfe Italiens vertraten, waren erschienen und schlossen sich dem Festzug an, der sich langsam durch die Straßen zum Domplatz bewegte, an dessen östlicher Seite sich das Castello der Gonzaga erhebt. Nicht weniger als sieben Aufführungen fanden auf dem Wege statt, darunter Allegorien der sieben Planeten, Kinder, die als Amoretten Tänze aufführten, langatmige Deklamationen lateinischer Oden, in welchen dem jungen Paar gehuldigt wurde. Erst mit Schluß des Karnevals erreichten die Bälle und Maskenzüge, die Festmahlzeiten und Turniere ihr Ende; die Gäste nahmen dankbaren Abschied, und die Stadt sank in das gewohnte Schweigen zurück, in das hinein Isabellas fröhliche Jugendlust und ihr temperamentvolles Wesen später so viel Bewegung bringen sollten.
V. Mailand
Im letzten Jahrzehnt des Quattrocento überstrahlte der Hof der Sforza alle italienischen Fürstenhäuser. Lodovico il Moro hatte die Gewalt an sich gerissen, und lange ehe er regierender Herzog von Mailand wurde, herrschte er schon mit autokratischer Machtvollkommenheit. Aus den unermeßlichen Reichtümern seiner Schatzkammer mit vollen Händen schöpfend, wurde er bald der größte Mäzen seiner Zeit. Wohl mochte das Landvolk unter harten, oft grausamen Abgaben seufzen in Mailand schlug der volle Puls des Lebens und allgemeinen Wohlstandes. Künste und Gewerbe standen in höchster Blüte, denn überall griff Lodovico fördernd ein.
Dieser seltsame Mann, bei dem Laster und Tugenden untrennbar ineinander schmolzen, bleibt für uns unverständlich, solange wir ihn nicht als einen typischen Renaissancemenschen auffassen. Als solchen jedoch können wir ihn begreifen und in vieler Beziehung würdigen. Er verstand es meisterhaft, sich mit der Hoheit eines Monarchen zu bewegen, und die verschwenderische Pracht, die er vor dem Volk entfaltete, sicherte ihm die Begeisterung der Untertanen ebenso sehr wie sein kühnes Herrscherantlitz und der bezwingende Blick seiner stolzen Augen. Bei allen Festen wußte er den Aufwand an Geld mit künstlerischen Zielen so glücklich zu verbinden, und die Meister, die ihn umgaben, zu großen Taten so feurig anzuspornen, daß stets Vollendetes erreicht wurde.
Ein Bankett, das bei Gelegenheit dieser Hochzeit stattfand, verdient besonders erwähnt zu werden. Jedes Gericht wurde durch eine mythologische Figur hereingetragen: Zuerst erschien Jason mit dem goldenen Vlies. gefolgt von Phöbus ApolI, der ein aus der Herde des Admetos gestohlenes Kalb brachte; Diana führte Actäon in Gestalt eines Hirsches herein, Atalanta folgte mit dem wilden Eber von Kalydonien, Iris mit dem Pfau der Juno; Orpheus trug Vögel herbei, die er durch seinen Gesang bezaubert hatte; Hebe goss den Wein in die Pokale; Vertumnus und Pomona boten Äpfel und Trauben an; Thetis und ihre Meernixen trugen Fische aller Art herein, und Hirten, mit Efeukränzen geschmückt, brachten von den Hügeln Arkadiens übervolle Krüge mit Milch und Honig.
Als sich 1489 der unglückliche Giangaleazzo Sforza mit Isabella d’Aragona vermählte, einer Frau, die bestimmt war, sich einmal „unica in disgrazia“ – einzig im Unglück – zu nennen und so ihre Briefe zu zeichnen, übernahm kein Geringerer als Leonardo da Vinci die Leitung der Aufführungen. Er war es, der zum Schauspiel des „Paradiso“, das der Hofpoet Bellincioni gedichtet hatte, einen komplizierten Apparat verfertigte. Es scheint sich um eine große Kugel gehandelt zu haben, welche, in drehbare Bewegung gebracht, sich öffnete und der nacheinander die sieben Planeten, von Menschen dargestellt, entstiegen. Ein Engel kündete diese Planeten an, Jupiter führte sie mit einleitenden Worten als erster vor, worauf ihm Merkur, Apoll, der Sonnengott und alle andern folgten und in schwungvollen Versen der Herzogin Isabella ihre Huldigung darbrachten, während zugleich die drei Grazien und die sieben Kardinaltugenden die junge Fürstin priesen.
Wie vertraut war doch diesen Menschen die klassische Mythologie, wie verstanden sie deren poetische Sagen in ihr Leben mit einzuflechten! Aber auch beim Einzuge Isabellas und als sich der Brautzug zum Dom bewegte, waren alle Mittel aufgeboten worden, um die Feier würdig zu gestalten. Die Häuser waren mit Teppichen oder Atlasdecken behangen, Türen und Fenster mit Kränzen von Wacholder, Efeu und Lorbeer umwunden; in der Straße der Goldschmiede hing eine gewaltige goldene Kugel herab mit vier goldenen Greifen und darüber eine silberne Säule, die durch ein Sforza-Emblem gekrönt wurde. Unter dieser Kugel stand ein Kind als geflügelter Cupido, der das hohe Glück dieses Tages in Versen pries.
Die Neuvermählten ritten unter einem mit Hermelin gefütterten Baldachin aus Goldbrokat, von fünfzig schönen Edelfräulein zu Pferde und der ganzen Geistlichkeit gefolgt. Doch wie bald sollte all der Fest jubel verhallen, aller Glanz erlöschen und dem trüben Schicksal weichen, das diesem jungen Fürstenpaare beschieden war!
Im Januar 1491 schmückte sich Mailand aufs neue, um eine prunkvolle Doppelhochzeit zu feiern, Lodovico il Moros Vermählung mit Beatrice d’Este, sowie diejenige ihres Bruders Alfonso d’Este mit Anna Sforza. Wiederum war es Leonardo da Vinci, der die Feste ordnete und ihnen das Gepräge seines Geistes gab. Es ist charakteristisch für jene Zeit, daß auch dem kleinsten Detail volle Aufmerksamkeit geschenkt wurde; daher kam es, daß großen Künstlern oft unscheinbare Aufgaben zufielen, welche sie trotzdem mit dem Einsatz ihrer ganzen Kraft erfüllten. So sandte zum Beispiel Alfonso d’Estes Mutter 1484 als Geschenk an Anna Sforza, dessen kindliche Braut, eine Puppe, die von den ersten Künstlern Ferraras gefertigt worden war und deren Garderobe Unsummen kostete. Eine ganze Aussteuer gehörte dazu sowie Tafelgeschirr, das geschnitzte Mobiliar eines Zimmers u. a. m.
Wir wissen, daß der Hofschneider der Este, Tommaso di Napoli, die Brokat und Atlaskleider dieser Puppe anfertigte; daß Antonio di Boccacci, der Vater des Cremoneser Malers Boccaccio Boccaccino, die Stickereien lieferte, und die Goldschmiede Pietro und Battista d’Amadio die Schmucksachen, Gold- und Silbergeräte, alles en miniature, in reizender Weise herstellten. Die zierlichen Gegenstände waren in kleinen, mit grüner Seide ausgeschlagenen Cassoni verpackt, jenen Hochzeitstruhen, wie sie jeder Braut mitgegeben wurden.
Der Vermählung des Herzogs Lodovico sah man mit noch größerer Spannung entgegen, als es bei ähnlichen Ereignissen ohnehin der Fall war; denn der ehrgeizige Moro mußte diese Gelegenheit ausnutzen, um das Volk durch Freigebigkeit zu gewinnen und durch den Anblick sinnloser Verschwendung zu begeistern. Lodovico war seiner Braut nach Pavia entgegengeritten, und dort wurde im Castello die Trauung vollzogen. Nur Familienmitglieder, einige Kavaliere und Hoffräulein wohnten der Feier bei. Die Braut, fast noch ein Kind, in weißem, ganz mit Perlen besätem Gewande, wurde von Mutter und Schwester zum Altar geführt.
Einige Tage später, am 22. Januar, fand der feierliche Einzug in Mailand statt unter den Klängen von 92 schmetternden Trompeten und dem Jubel einer vieltausendköpfigen Menge. Die Straßen waren für Beatrices Empfang wundervoll geschmückt worden; Häuser und Balkone, wie Tristan Calco in seiner Chronik erzählt, waren mit rotem und blauem Atlas oder Brokat behangen in den Farben der Sforza, Türen und Säulen dicht mit Efeu umwunden und alles mit grünen Zweigen bekleidet. Der Herzog Giangaleazzo hatte schon Ende Dezember dafür Sorge getragen, indem er seinen Agenten befahl, Wacholder und andres Grün aus den Veltliner Bergen nach Mailand zu senden.
Den schönsten Anblick bot die Straße der Waffenschmiede; sie war zu beiden Seiten ganz mit Leinwand bezogen worden, auf welcher Bilder von gepanzerten Kriegern zu Pferde so lebendig dargestellt waren, daß man sie für Menschen von Fleisch und Blut halten konnte. Am Morgen nach dem Einzuge fand in den Gemächern der Herzoginmutter, Bona von Savoyen, in aller Stille die Trauung von Alfonso d’Este und Anna Sforza statt; darauf nahm die Reihe der großen Festlichkeiten ihren Anfang. Noch am selben Tage wurden Deputationen mit prachtvollen Geschenken von den beiden neuvermählten Paaren auf reich geschmückten Tribünen empfangen und vor allem Volk die Kostbarkeiten ausgestellt, die sie darbrachten. Am Abend folgte im Castello in der Sala dclla Palla, welche für diese Gelegenheit mit Fresken neu ausgemalt worden war, ein glänzendes Ballfest oder „festa per le donne“, wobei schöne Bauernmädchen ihre ländlichen Tänze aufführten. Einige Tage später wurde dann das berühmte große Turnier abgehalten, zu welchem Leonardo da Vinci die Kostüme entworfen hatte.
Diese „giostra“, eine der prunkvollsten der Renaissance, haben die Chronisten mit sorgfältigster Genauigkeit geschildert, die Hofdichter in Dithyramben besungen, aus denen uns ein Bild entgegen strahlt, das selbst im glanzvollen Rahmen jener Zeit einzigartig erscheint. Wie herrlich mußte der Anblick sein, als nacheinander Zug um Zug an der fürstlichen Tribüne vorüber kam: die Mantuaner Reiter, vom Markgrafen Francesco Gonzaga geführt, in grünen Samt und Goldspitzen gekleidet, goldene Lanzen und Olivenzweige tragend; die Bologneser in grünem Atlas, auf den Lanzen das Motto der Bentivoglio „piu che mai“ (mehr denn je) – eine sinnige Ergänzung des Namens; sodann der tapfere Gaspare da Sanseverino, il Fracasso genannt, auf reichem, von Hirschen und Einhörnern – dem Emblem der Este – gezogenem Triumphwagen; hinter ihm zwölf Reiter, jeder mit einem Mohrenkopf auf dem Helm und weißen Tauben auf der schwarzen Rüstung – diese das Wappen der Herzoginmutter Bona von Savoyen, jener die Imprese Lodovico Sforzas.
Edelleute und Ritter schlossen sich dem Zuge an auf prächtigen Pferden, deren goldene Zäume und Geschirre in der Sonne blitzten. In der genauen Aufzählung, die uns erhalten ist, lesen wir glänzende Namen, unter denen wir auch den hochherzigen Niccolò da Correggio finden, Ritter, Dichter und Liebling aller Fürstinnen, der an diesem Tage durch sein goldenes Brokatgewand aller Augen auf sich lenkte. Zuletzt sprengte auf feurigen Berberhengsten ein Trupp wilder Männer ins Gehege bis vor die herzogliche Tribüne; hier warfen sie die rauhen Felle von den Schultern und erschienen in strahlender Rüstung, an ihrer Spitze der kühnste der Sanseverino-Brüder, Galeazzo; als dieser seine goldene Lanze in den Boden gepflanzt hatte, trat einer der Mohren vor und sang das Lob der Herzogin Beatrice in schwungvollen, von Niccolò da Correggio gedichteten Versen, worauf das Turnier begann. Drei Tage hintereinander kämpften die Ritter unter dem Jubel der Zuschauer, bis endlich Galeazzo da Sanseverino hier wie sonst Sieg und Preis errang.
Aus Briefen des Herzogs Giangaleazzo an seinen Oheim, den Kardinal Ascanio Sforza in Rom, wissen wir, daß in den Kämpfen mehr und schwerere Lanzen zersplittert wurden als je zuvor. Kein Wunder, daß der Ruhm dieser „giostra“ bald in alle Winde getragen wurde und weit und breit die Kunde ertönte von dem Glanz und der Herrlichkeit des Mailänder Hofes.
Noch einmal sollte in den Tagen des Moro die volle Pracht dieses Hofes erstrahlen, als nämlich Lodovicos Nichte, Bianca Maria Sforza, sich mit Kaiser Maximilian vermählte. In seiner Freude über diesen Bund, der ihn zum nahen Verwandten des Kaisers machte, übertraf der Herzog sich selbst an fast sinnloser Verschwendung.
Die Mitgift der Braut betrug 400.000 Dukaten; ihre Aussteuer wurde auf fast 50.000 Dukaten geschätzt und bestand nicht nur aus kostbarsten Kleidern und zahllosen Juwelen, sondern auch aus herrlichem Gold- und Silbergerät, Teppichen und Spiegeln und Schätzen an feinstem Linnenzeug, auf welchem Wappen und Embleme in kunstvollsten Stickereien ausgeführt waren. Inventare dieser überreichen Aussteuer – zum Teil im Mailänder Staatsarchiv, zum Teil im Archiv von Cremona erhalten – geben uns einen Begriff von dem raffinierten Luxus jener Zeiten.
So hören wir, daß ein Gewand aus Goldbrokat mit in Silber reliefiert gesticktem Traubenmuster allein viele Tausende von Dukaten verschlang. So erhielt Kaiser Maximilian keine geringe Summe, als er, um sich aus großer Geldverlegenheit zu retten, einige Jahre später die Gewänder und Juwelen, ja selbst die kostbare Wäsche seiner Gemahlin verpfändete!
Als sich der Brautzug am 30. November 1493 zum Dom bewegte, boten die Straßen ein farbenprächtiges Bild, das wir uns aus dem genauen Bericht der Herzogin Beatrice an ihre Schwester Isabella vergegenwärtigen können. Sie erzählt, es seien efeuumschlungene Säulen zu beiden Seiten der Straße aufgestellt worden, verbunden durch grüne Zweiggirlanden, in denen Schilder mit den Wappen des Kaisers, der Sforza und Visconti glänzten. Die Straßen vom Castello bis zum Dom waren mit Stoffen in den Farben der Sforza bespannt, die Häuser ganz mit Atlas behangen, Türen und Fenster mit Lorbeer- und Myrtenzweigen geschmückt, „so daß man sich im Mai hätte glauben können“, fügt die Herzogin hinzu.
Nicht minder schön war der Eindruck im Innern der weiträumigen Kirche, deren Säulen hellschimmernder Brokat bekleidete und deren Altar mit schwerem Silberschmuck beladen war. Hier standen die großen Silbervasen und vergoldeten Statuen der Apostel, die zum berühmten Schatz des Herzogs Lodovico gehörten. Vor dem Chor war ein Triumphbogen errichtet worden, auf welchem ein Standbild Francesco I. Sforza sowie Wappen, Devisen und reichste Ornamente gemalt zu sehen waren.
Langsam durchschritt der Brautzug die Kirche, Bianca Maria in langwallendem Gewande von karmesinroten Atlas mit goldenen Schnüren gestickt und mit Edelsteinen besät; die Schleppe und beide Ärmel, die wie zwei Flügel gebildet waren, trugen Edelleute; ein Diadem von herrlichen Diamanten und Perlen krönte ihre Stirn; vor und hinter ihr schritten, mit goldenen Ketten beladen und in reichster Kleidung, die Vertreter des Kaisers, Räte der Stadt und sämtliche Würdenträger des Hofes.
Der Erzbischof von Mailand zelebrierte das Hochamt unter den Klängen der Orgel und dem Chorgesang der berühmten Sängerkapelle des Domes. Sodann trat Bianca Maria an den Altar, die Trauung wurde vollzogen, und der Bischof von Brixen, ein ehrwürdiger Greis in Silberhaaren, gab der Braut den Ring und setzte ihr die Kaiserkrone aufs Haupt, in welchem Augenblick Trompeten schmetternd einfielen, alle Glocken läuteten und Kanonendonner der Menge den feierlichen Akt verkündete. Unter einem hermelingefütterten Baldachin von weißem Damaststoff wurde die junge Kaiserin in das Schloß zurückgeführt. Seltsam mutet uns der Gedanke an, daß noch über drei Monate vergingen, ehe sie den Gatten kennen lernte, dem sie in so weihevoller Stunde angetraut worden war!
Der glanzvollen Feier im Dom sollten wie sonst Feste und Aufführungen aller Art folgen; allein sie mußten eines Trauerfalles wegen unterbleiben. Schon drei Tage später trat daher Bianca Maria eine jener fürchterlichen Reisen an, wie sie damals den meisten jungen Fürstinnen beschieden waren. Denn seltsamerweise fanden die Hochzeiten fast ausnahmslos im Winter statt, und es galt, zu Pferde oder in Sänften der Witterung und den unwegsamen Straßen Trotz zu bieten. Besonders schlimm traf es die junge Kaiserin, welche mitten in Schnee und Eis über die Alpen reiten mußte auf rauhen, oft kaum zu findenden Saumpfaden.
Bis Como wurde sie von den Ihrigen geleitet; am 4. Dezember reiste sie mit ihrem Gefolge weiter. Der erste Tag verlief günstig; das vergoldete Schiff der Kaiserin und dreißig kleinere Boote liefen glücklich in Bellaggio ein. Am andern Morgen aber – wir folgen der lebhaften Schilderung von Matteo Bandello in seiner 31. Novelle -, als die kleine Flotte kaum den Hafen verlassen hatte, brach ein wütender Sturm los, die Boote wurden hierhin und dorthin geschleudert, die Mannschaften verloren völlig den Kopf, und händeringend lagen die Frauen auf den Knien und beteten um Errettung.
Erst nach vielen angstvollen Stunden gelang es, in Bellano zu landen. Schlimmer noch wurden die Drangsale, als man zu Pferde durch das VeltIin und über die verschneite Einöde des Stilfser Joches reiten mußte. Halbtot infolge der erlittenen Strapazen langten endlich Bianca Maria und die unglücklichen Damen ihres Gefolges kurz vor Weihnachten am Ziel ihrer Reise, in Innsbruck, an.
VI. Ferrara
Alfonso d’Este hatte nach kurzer Ehe seine erste Gattin, Anna Sforza, verloren; 1501 wurde er mit Lucrezia Borgia (Abb.6), der schönen, berüchtigten Tochter Alexanders VI., verlobt. Es hatte nicht geringe Mühe gekostet, die Este zu einer Verbindung mit den Borgia zu bewegen; der Papst mußte bitten und drohen, und erst nachdem er alle Forderungen und Bedingungen des Herzogs Ercole von Ferrara zu erfüllen sich verpflichtet hatte und ihn mit Benefizien, Investituren und Schätzen an Geld förmlich überschüttet hatte, willigte dieser widerstrebend ein. Alfonso verhielt sich nicht weniger ablehnend als sein Vater; aber auch er mußte schließlich nachgeben und sich der eisernen Notwendigkeit fügen.
Trotz dieses Vorspiels, trotz der Vorurteile, mit denen man in Ferrara die Braut erwartete, wurde alles in Bewegung gesetzt, um die an jeden Luxus gewöhnte junge Frau würdig zu empfangen und scheinbar freudig willkommen zu heißen. Der ganze Schwerpunkt der Festlichkeiten sollte diesmal in den Theateraufführungen liegen, für welche Ferrara längst berühmt war. Denn Ercole d’Este war ein so enthusiastischer Liebhaber und Förderer derselben gewesen, daß er mit Recht als der Begründer des Theaters der Renaissance betrachtet werden kann.
Wie der große Federico von Urbino im Sammeln seiner Bibliothek einen idealen Lebenszweck verfolgte, wie Francesco II. Gonzaga sich an seiner berühmten Pferdezucht erfreute, so war für den Herzog Ercole das Theater zu einer wahren Leidenschaft geworden. Er opferte ihr jährlich bedeutende Summen, war selbst bei der Inszenierung der ‚Stücke tätig und musterte die Kostüme der Schauspieler, die nie zweimal im selben Anzug erscheinen durften. Maler wie Giovanni da Imola, Pellegrino da Udine und Dosso Dossi standen ihm bei allen künstlerischen Fragen zur Seite, während ein ganzes Heer von Dichtern, Bojardo, Niccolö da Correggio, Battista Guarino, Tebaldeo u. a., für ihn Übersetzungen lateinischer Stücke herstellten oder Schäferspiele und Intermezzi dichteten.
Sein Geschmack bei der Wahl der aufzuführenden Komödien war streng klassisch; Plautus und Terenz waren seine Lieblinge. Allein das Publikum konnte durch solche Stücke schwer gewonnen werden und daher wurde seiner Schaulust durch abwechslungsreiche Zwischenspiele Rechnung getragen. Gerade für diese letzteren, die zum Teil aus allegorischen und mythologischen Pantomimen, zum Teil aus Tänzen – sogenannten Moresken – bestanden, war Ferrara berühmt, da keine Ausgabe gescheut wurde, um ihnen die glänzendste Ausstattung zu geben. So war man nicht wenig auf die Aufführungen gespannt, die zu Alfonsos Hochzeit in Aussicht genommen waren und alles Dagewesene in den Schatten stellen sollten.
Eine genaue Beschreibung jener Feste des Februar 1502 verdanken wir der lebhaften Feder von Isabella d’Este. Tag für Tag schrieb die Markgräfin an den Gatten nach Mantua, was sich ereignet hatte, und diese Briefe zaubern uns alle bunten Szenen vor die Augen und geben ihnen das pulsierende Leben einer frohen Gegenwart wieder. Nur eines verschweigt die liebliche Frau: ihre eigne Rolle inmitten dieses Kreises, ihre eigne Schönheit und den Zauber ihres Wesens, der sie zum Mittelpunkt für alle machte. Dies erzählt dagegen Marin Sanuto in seinen Diarien und beschreibt sogar aufs sorgfältigste die Gewänder der Fürstin. Eine Dame ihres Gefolges, die Marchesa di Cotrone, ergänzt uns endlich Isabellas Bild, indem sie in einem Brief an Francesco Gonzaga von den Triumphen ihrer schönen Herrin berichtet und ausdrücklich betont, alle anderen Fürstinnen seien neben ihr ein Nichts – „come un niente“ – gewesen.
Die feierliche Trauung des Brautpaars hatte am 30. Dezember 1501 in der Cappella Paolina des Vatikans in Gegenwart Papst Alexanders VI., Cesare Borgias und einer zahlreichen Geistlichkeit stattgefunden; den Bräutigam hatte dessen Bruder Ferrante vertreten und mit Lucrezia die Ringe gewechselt. Es folgten die üblichen Feste; Komödien, Schäferspiele und Allegorien wurden im Vatikan aufgeführt, Turniere und Stierkämpfe auf dem Petersplatz ausgefochten. Letztere, in Italien längst beliebt, wurden von den Borgia als echten Spaniern noch besonders bevorzugt. Den Abschluss bildete ein prächtiger Festzug mit zahlreichen Wagen, der die Triumphe Julius Cäsars, des Herkules und verschiedener römischer Kaiser darstellte.
Am 6. Januar trat die Neuvermählte mit einem zahlreichen Gefolge die lange, mühevolle Reise nach Ferrara an, nachdem sie dem heimatlichen Rom und den Ihrigen für immer Lebewohl gesagt. Von Urbino an war sie Elisabetta Gonzagas Schutze anvertraut worden, die sich ihrer mütterlich annahm, ahnte doch die Ärmste nicht, wie bald und wie schnöde die Borgia alle Liebesdienste durch schändlichen Verrat lohnen und ihren Gemahl aus seinem Lande verstossen würden. Langsam ging es auf rauhen Wegen nordwärts, und erst Ende Januar erreichte der Hochzeitszug das Gebiet von Ferrara, wo ihn in Torre della Fosse Ercole und Alfonso, alle Gesandten und ein großes Gefolge empfingen. Zu Schiff fuhr man weiter unter Lachen und Scherzen, denn zwei Hofnarren unterhielten die Gesellschaft mit ihren Späßen und trugen spanische Verse vor, um Lucrezia zu schmeicheln. In einem Landhause vor den Toren von Ferrara blieb diese dann zur Nacht mit ihren Damen zurück; man trennte sich und rüstete sich für den feierlichen Einzug des folgenden Tages.
Am 2. Februar fand das große Ereignis statt, und es ist eine Märchenwelt, die Isabella d’Estes Schilderung uns eröffnet. Allen voran ritten, in Rot und Weiß, – die Este-Farben, gekleidet, die Bogenschützen und mehr als hundert Trompeter und Pfeifer, die Luft erfüllend mit festlichem Klang, hinter ihnen in reichster Tracht und mit schweren Goldketten behangen alle Edelleute von Ferrara sowie der Hofstaat der Herzogin von Urbino. Es folgte Don Alfonso in langem, grauem Samtmantel mit Schuppen von gehämmertem Golde; es leuchteten auf dem reichen Barett die wehenden weißen Federn, und die Schabracke seines herrlichen Hengstes blitzte hell. Gruppe um Gruppe zog langsam vorüber, Gesandte und Hofleute, Bischöfe im vollen Ornat, spanische Edelleute in Wämsern von Goldbrokat, der ganze Hofstaat Lucrezias, darunter auch ihre Hofnarren in bunt-bizarrer Kleidung. Endlich erschien sie selbst, die blonde Herzogin, und seltsam mochte ihr Anblick die neugierige Menge berühren. Denn hatte der Ruf dieser Frau sie zu einer Verworfenen gestempelt, so mußte sie nun in ihrer strahlenden Anmut mehr wie eine himmlische Erscheinung wirken. Staunende Blicke hingen an der lieblichen Gestalt unter dem hochroten Baldachin in den herrlichen Gewändern aus Goldstoff und violettem Atlas und dem schweren, hermelin gefütterten Mantel; an der Kette von Diamanten und Rubinen, die sie am Halse trug; am juwelenbesetzten Netz auf den aufgelösten, wundervollen blonden Haaren.
Lucrezia zog auf einem prächtigen schwarzen Maultier in Ferrara ein, dessen gestickte Samtdecken über und über mit blitzenden goldenen Scheiben besät waren. Zu ihrer Linken ritt der Gesandte des Königs von Frankreich, dessen Einfluß bei Schließung dieser Ehe ausschlaggebend gewesen war. Es folgten Herzog Ercole an der Seite der Herzogin von Urbino und die Ehrendamen der Neuvermählten, einige zu Pferde, andere in vierzehn prachtvollen Galawagen. Ein Tross von Dienern und fast hundert Pferde und Maultiere, mit Lucrezias Aussteuer schwer beladen, beschlossen den Zug, der, wiederholt von Vorstellungen, Reden und Musik aufgehalten, erst gegen Abend den Domplatz erreichte. Hier schwebten zwei Seiltänzer von hohen Türmen herab ihm entgegen, um die junge Fürstin in wortreicher Anrede zu begrüßen – und zur selben Stunde, wie Sanuto ausdrücklich erzählt, wurden alle begnadigten Verbrecher aus ihren Kerkern entlassen.
Von Isabella d’Este, der Herzogin von Urbino, den Fürsten und Gesandten geleitet, stieg Lucrezia Borgia die Marmortreppe des Palastes empor und betrat die Gemächer, die sie bewohnen sollte und in denen sie in der neuen Heimat ein neues Leben zu beginnen hoffte. Sie zählte erst 22 Jahre und war schon dreimal vermählt gewesen; mehrere Kinder hatte sie in Rom zurückgelassen. Wie ein böser Traum lag eine Vergangenheit hmter ihr, die ihre Seele mit tiefem Dunkel beschatten mußte. Aus einer verderbten Welt sich flüchtend, öffnete sich ihr ein Hafen des Friedens, und dankbar steuerte die junge Frau ihm zu.
Siebzehn Jahre waren Lucrezia an dieser Stätte beschieden, und hier reinigte sie durch edles Wirken und aufopfernde Mildtätigkeit ihr Gewissen und gewann sich allgemeine Achtung und Liebe. Sie gründete Klöster und Kirchen, und in bedrängter Zeit verpfändete sie ihre kostbarsten Juwelen, um den Armen zu helfen. So konnte Ariost von ihr singen (Orlando furioso, XIII, 19), daß sie mit jeder Stunde an Schönheit und Tugend, an Gewinn von Ruhm und Glück wachse; so konnte Pietro Bembo in ihr die Krone aller Frauen sehen. In der Chronik des Antonio Grumello heißt es, sie habe stets in Frieden mit ihrem Gemahl gelebt und sei bis zu ihrem Tode von allen gepriesen und geliebt worden.
Am 3. Februar begann die Reihe der Feste mit einem Ball, bei welchem Lucrezia als Tänzerin glänzte. Klein und zierlich gebaut, wußte sie die Anmut der Bewegung zur vollendeten Kunst zu gestalten, und mit bewundernden Blicken folgte man jeder Wendung ihrer schönen Glieder, wenn sie einen französischen oder spanischen Tanz mit einer ihrer Hofdamen ausführte. Es folgte die erste der mit größter Spannung erwarteten Aufführungen. Vor Beginn derselben trat ein Schauspieler in Gestalt des Plautus auf, um den Inhalt der Komödien zu erläutern; zugleich wurden sämtliche Kostüme vorgeführt, die nicht weniger als 110 betrugen. Schon am 29. Januar hatte Isabella ihrem Gatten gemeldet, daß die Bühne dieses Mal im Palazzo della Ragione errichtet sei; die auf der Fensterseite gelegenen Sitzreihen konnten gegen 5000 Zuschauer fassen und waren mit grünem, rotem und weißem Tuch bezogen; auf dem vorderen Teil der geräumigen, mit einiger Szenerie versehenen Bühne hatten die fürstlichen Herrschaften ihre Plätze; Wände und Decken des Saales trugen reichen Wappenschmuck. Nicht selten kritisiert Isabella die Vorstellungen; sie findet auch an den Intermezzi und Moresken zu tadeln. Und doch gehörten diese Aufführungen zum Besten, was man je gesehen hatte.
Es wurden fünf Lustspiele des Plautus gegeben, deren Zwischenakte durch die mannigfaltigsten und seltsamsten Intermezzi ausgefüllt waren. Wir lesen von Tänzen wilder Männer, die Füllhörner mit brennendem Terpentin schüttelten und damit unheimliche Beleuchtungen hervorriefen; von Mohren, die mit brennenden Lichtern im Munde die wildesten Sprünge ausführten: von einer über die Bühne gejagten Ziegenherde, deren Hirten, Widderhörner an der Stirn, miteinander rangen; von allegorischen Szenen, in denen zum Beispiel wilde Männer um den Besitz einer schönen Göttin kämpften, bis Amor sie erlöste; von Satyrspielen und Schwerttänzen, von den derben Späßen der Narren nicht zu sprechen, die wohl den meisten Erfolg erzielten.
Besonderen Beifall hatte eine Pantomime, in der die Verrichtungen des Ackerbaues dargestellt waren und die mit einem fröhlichen ländlichen Feste unter Tanz und Gesang endigte. Am letzten Abend war das schönste Intermezzo eine große Kugel, die, auf die Mitte der Bühne gerollt, sich bei einem Hornsignal öffnete und der die allegorischen Gestalten der vier Kardinaltugenden, Gerechtigkeit, Mäßigkeit, Stärke und Klugheit, entstiegen und mit lautem Gesang das Lob des neuvermählten Paares verkündigten, – wohl ein Anklang an jenen von Leonardo da Vinci erdachten Apparat, der bereits erwähnt worden ist.
An Musik hatte es nicht gefehlt. So ernteten nach dem dritten Akt des Lustspiels der „Cassina“ sechs Violaspieler durch den Vortrag einer schönen Melodie reichen Beifall – und unter ihnen soll Don Alfonso selbst gewesen sein. Es ist bekannt, daß die Musik schon früh in Ferrara gepflegt wurde und daß Ercole d’Este sie eifrigst förderte. Seine Sängerkapelle gehörte zu den besten Italiens. Die Tenöre wurden aus Spanien oder Frankreich verschrieben, die Viola- und Lautenspieler meist aus Neapel. Als Komponist war Meister Alfonso della Viuola besonders beliebt; als Sänger werden Alfonso Santo und ein Giovan Michele erwähnt und die Sängerin Madonna Dalida gerühmt. So versteht es sich von selbst, daß auch der Musik keine unbedeutende Rolle bei den Schauspielen zufiel.
Füllten diese mannigfachen Aufführungen die Abende aus, so gab es auch sonst noch mancherlei Vergnügungen. Man tanzte fast täglich; es wurden Ritte und Ausflüge unternommen und öfters fanden Waffenspiele statt. Lesen wir die eingehenden Schilderungen von Marin Sanuto, so meinen wir das ganze bunte Getriebe dieser festlichen Menge deutlich zu erblicken, und aus ihr plastisch hervortretend die Gruppe der drei herrlichen Frauengestalten: Lucrezia, die blonde, anmut atmende, Isabella, die geistverklärte, und als dritte die ernste Elisabetta Gonzaga, von der gerühmt wurde, sie sei die edelste Schönheit ihrer Zeit gewesen.
Der Chronist gibt uns alle Einzelheiten, um das Bild zu vervollständigen; Tag für Tag beschreibt er die prachtvollen Kleider jener Fürstinnen, und sinnverwirrend muß ihr Luxus uns erscheinen. Die Pracht von Lucrezias Gewändern, ihrer funkelnden Geschmeide und Perlenschnüre, der Diademe aus Diamanten, Smaragden und Rubinen, die ihr goldenes Blondhaar krönten, scheint sogar jene verwöhnten Menschen völlig geblendet zu haben. Ein hermelingefütterter Mantel aus dunklem Atlas mit schmalen, edelsteinbesäten Streifen aus gehämmertem Gold, den die schöne Frau über einem Kleid aus Goldbrokat trug, erregte allgemeine Bewunderung. Nicht umsonst war Isabella d’Este schon vor Monaten aus Rom geschrieben worden, daß manche von Lucrezias Kleidern 20000 Dukaten gekostet hatten und ein einziger Hut auf 10000 Dukaten geschätzt wurde.
Auch hatte Alexander VI. gesagt, seine Tochter würde von allen Fürstinnen Italiens die zahlreichsten und wertvollsten Perlen besitzen. Das im Königlichen Staatsarchiv in Modena bewahrte, unlängst von L. Beltrami publizierte und erläuterte Inventar von Lucrezias Garderobe läßt uns den enormen Wert ihrer Aussteuer ahnen. Mit so unerschwinglichem Luxus konnte die Markgräfin von Mantua nicht wetteifern; aber sie verstand es, mit Geschmack und Geschick reizvolle Kombinationen zu ersinnen und galt schon damals als Autorität in der Mode.
Trotz aller Pracht scheint keine fröhliche Stimmung geherrscht zu haben. Die lebenslustige Isabella klagt öfters über Ermüdung und Langeweile bei dieser „frostigen Hochzeit“ und beneidet „alle, die in Mantua zurückgeblieben seien“. Und doch vermochte die geistreiche Frau auch hier Licht und Wärme zu verbreiten. Wir hören, daß sie an einem Abend, an dem keine Vorstellung stattfand, einige Auserwählte zur Abendtafel in ihre Gemächer lud, und das waren für die feiner besaiteten Menschen vielleicht die glücklichsten Stunden der ganzen Festzeit. Denn Isabella ließ sich bewegen, die Laute zur Hand zu nehmen und, sich darauf begleitend, einige Improvisationen zu singen. Diese Laute aber war jenes Instrument, das Lorenzo Gusnasco da Pavia für sie gefertigt hatte und das „la piu bella cosa d’Italia“ (das schönste Ding in Italien) genannt worden war. Isabellas eigene Beschreibung lautet wörtlich: „Nach dem Abendessen führten wir den ,ballo dei cappello‘ auf. Als er beendigt war, wurde ich durch aller Bitten genötigt, mich im Singen zur Laute hören zu lassen und so beschlossen wir den Tag.“ Mit den Klängen der Saiten vermählte sich Isabellas schöne Stimme zu herzbezwingender Wirkung. Daß eine solche Frau geistvoll und mit gewinnender Herzlichkeit singen mußte – dafür bürgt ihre ganze Individualität; aber wir besitzen dafür auch manches beredte Zeugnis. So hat der Dichter Trissino, der nie müde wurde, Isabellas Lob zu singen, von ihr gesagt: „Wenn sie ihre Lippen im Gesange regt, strömt vom Himmel solcher Wohlklang hernieder, daß die Lüfte jubeln und die Winde horchend lauschen.“
Der große Humanist Kardinal Pietro Bembo aber sendet seiner Gönnerin – bald nach einem Besuche in Mantua – am 1. Juli 1505 aus Venedig zehn Sonette, mit der Bitte sie zu singen, nicht weil sie es wert seien, sondern weil keine größere Gunst ihnen widerfahren könnte; „denn“, fügt er hinzu, „ich erinnere mich wohl, mit welcher süßen Anmut Eure Hoheit an jenem glücklichen Abend die Verse andrer gesungen haben. Wenn die meinigen von Eurer Hoheit gesungen würden, und ob sie nicht Euerm Erwarten und meinen Wünschen entsprächen, würde es doch genügen, damit sie allen gefielen – schon um der zarten, schönen Hand und der reinen und süßen Stimme von Eurer Hoheit willen“.
Die Zeiten rauschen vorüber und begraben in ihren Fluten die frohen menschlichen Stimmen vergangener Tage. Nur leise, abgerissene Töne klingen wie aus weiter Ferne bis zu uns herüber, wenn wir mit ganzer Seele hinzuhorchen versuchen. Und wenn wir mit tastenden und suchenden Gedanken uns den Menschen nähern, die uns so viel zu sagen hätten, so sind es nur schattenhafte Umrisse, aus denen wir uns eine Vorstellung von ihnen machen müssen. Jedes Bild ihres äußeren Lebens aber, jedes noch so kleine Begebnis aus ihrer Erfahrung, jede intimere Schattierung im großen Gemälde der Zeit sind für unser Verständnis wichtig. Denn nur dank derselben können sich uns die farbenleuchtenden Perspektiven jener großen Vergangenheit auftun und sich vor unsern Blicken durch Licht und Schatten plastisch beleben.
VII. Cassoni
Hat man sich die Pracht der hochzeitlichen Feste jener glanzvollen Renaissancezeit vergegenwärtigt, so drängt sich von selbst die Frage auf, ob diese farbenreichen Szenen und Bilder festgehalten wurden, ob sich Darstellungen erhalten haben, die uns ihren verwehten Zauber vor Augen führen können? Die Literatur weist Hunderte von Epithalamien auf, in deren mehr oder weniger schwungvollen Hymnen glückliche Ehegatten gepriesen werden und das Lob der Tugend, der Schönheit, des Mutes in endlosen Variationen gesungen wird. Aber tot und kalt mutet uns dieser Tribut der Bewunderung für längst verstorbene Geschlechter an, die wir meist nur aus diesen Äußerungen huldigender Poeten kennen. Wir wollen greifbarer ihr Leben nachempfinden; wir möchten die naive Freude teilen, mit der sie ihre Feste zu gestalten und zu genießen verstanden. Und in der Tat – diese Festfreude hat in der Kunst ihren bestimmten Ausdruck gefunden.
Zum Möbelinventar jedes Hauses der Renaissance, wie zur Mitgift jeder Braut gehörten die sogenannten Cassoni, die Truhen, in denen die Aussteuer an Kleidern und Leinenzeug, an Silbergerät und Juwelen verwahrt wurde, mit der die Neuvermählte das Haus ihres Gatten bezog. Solche Kästen erhielten ihrer Bestimmung gemäß eine prächtige Ausschmückung, indem sie mit Schnitzereien und Vergoldungen, vor allem aber mit Malereien aufs reichste verziert wurden. Diese Bilder nahmen die lange Vorderseite und beide Schmalseiten ein, und hier zauberten oft die berühmtesten Künstler fröhliche, aus dem Leben gegriffene Momente, Allegorien oder heitere Episoden aus Sage und Dichtung hin. Viele solcher kleiner, auf Truhenbretter gemalter Meisterstücke haben sich bis auf unsre Tage erhalten und gehören heute zu den Schätzen so mancher Galerien. Die Themata waren von unerschöpflicher Mannigfaltigkeit: Begegnung von Braut und Bräutigam, Hochzeitszüge mit reichstem Gepränge, Jagdszenen, Turniere, Aufzüge und Spiele aller Art, wie sie dem Festsinn und der Schaulust entsprachen.
Bald aber verfeinerte sich der Geschmack, und ein bestimmter Kreis von Motiven bildete sich für die Cassoni heraus: Petrarcas Trionfi; Boccaccios Novellen; mythologische Episoden, wie Pyramus und Thisbe, Apollo und Daphne, das Urteil des Paris, der Raub der Europa u. a. m.; ferner Szenen aus der Geschichte, (siehe das Einschlagblatt) vor allem Triumphzüge römischer Imperatoren; sodann ganze Zyklen: der Zug der Argonauten, die Odyseussage oder die Geschichte von Amor und Psyche in der bewegten Wiedergabe des Apulejus; endlich auch biblische Erzählungen: Esther und Ahasver, die Begegnung Salomos mit der Königin von Saba, die Geschichte Davids u. dergl. m. Wie reizvoll mußten solche Darstellungen ausfallen, wenn die Naturalistik eines Cosimo Tura oder Dosso Dossi, der Farbenschmelz eines Pesellino, die Phantasie eines Giorgione oder Botticelli ihnen das Gepräge gaben!
Als eigentliche Heimstätte dieser liebenswürdig-heiteren Kunstrichtung muß Florenz angesehen werden, wo eine ganze Schar von Malern sich mit der Ausschmückung von Möbeln befaßte. Unter ihnen sind neuerdings zwei bisher fast ganz unbekannte Namen aufgefrischt worden, Marco del Buono und ein Apollonio, die 1445 bis 1465 Hochzeitstruhen für mehr als 150 junge Ehepaare malten. Das Lieferbuch dieser Werkstatt soll demnächst (von Dr. A. Warburg) publiziert werden.
Aber auch ganze Zimmereinrichtungen wurden in kunstvoller Weise hergestellt. So erzählt uns Vasari eingehend von dem Schlafgemach im Hause Pierfrancesco Borgherinis bei S. Apostoli in Florenz, dessen Kunstschätze so tapfer und so erfolgreich von seiner Gattin, Margherita Acciajuoli, verteidigt wurden, als sie Giovanni della Palla 1529 für König Franz I. erwerben und ins Ausland schicken wollte. Hier waren Szenen aus dem Leben Josephs von Granacci, Puntormo, Bacchiacca und Andrea del Sarto gemalt, die Schnitzereien hatte Baccio d‘ Agnolo ausgeführt.
Pier di Cosimo malte in ähnlicher Weise für Giovanni Vespucci und Francesco dei Pugliese Bilder mit phantastischen Bacchanalszenen, die in die Zimmertäfelung eingelassen wurden. Die gleiche Bestimmung werden die auf konvexen Tafeln gemalten Darstellungen der Trionfi von Petrarca gehabt haben, die heute in den Uffizien aufbewahrt werden. Im Inventar des Nachlasses von Lorenzo de‘ Medici sind ebenfalls reiche Möbelmalereien erwähnt, die Schränke, Truhen und Prunkbetten schmückten und von Paolo Uccello und Pesello ausgeführt waren.
Wie prächtig solche Quattrocento-Zimmer wirken mußten mit ihren kassettierten Decken und getäfelten Wänden, oft reich mit Teppichen lind Arazzi behangen, geschmückt mit Bildern, Waffen, Gefäßen aus Porphyr und Alabaster sowie den herrlichsten geschnitzten und eingelegten Möbeln – darüber geben uns Matteo Bandellos Novellen reichlichen Aufschluß. So bildete sich eine ganze Schule tüchtiger Maler heraus, die das Kunstgewerbe auf eine höhere Stufe erhoben und Werke schufen, an denen wir uns noch heute erfreuen.
Als einen der tätigsten nennt Vasari Dello Delli. In dessen Lebensbeschreibung sagt er unter anderm: „Da es in jenen Zeiten üblich war, in den Zimmern der Bürger große Holztruhen zu benutzen … , gab es niemand, der diese Truhen nicht bemalen ließ,“ und weiter: „Die Geschichten, die auf den Vorderseiten dargestellt wurden, waren meist den Fabeln des Ovid und andern Dichtern entnommen, oder es waren Erzählungen griechischer und lateinischer Historiker; ferner Turniere, Jagden, Novellen u. dergl. m.“ Doch ohne Zweifel herrschte in diesen lebensfrohen Darstellungen das romantische Element vor. Die bekannte, von Boccaccio wiedergegebene Sage der Griseldis, die in Literatur und Kunst eine besondere Rolle spielt, treffen wir häufig auch auf Cassone-Bildern an (Abb.5 und das Einschlagblatt). Das schlichte Landmädchen, das durch die Liebe des Markgrafen von Saluzzo zur Fürstin erhoben und dann durch die Eifersucht des Gatten zu den grausamsten Prüfungen verdammt wird, um endlich – für Treue und Gehorsam belohnt-in ihre Rechte wiedereingesetzt zu werden, — das war ein Thema, das der poetischen wie der bildlichen Darstellung den reichsten Stoff bot.
Mannigfaltig sind daher auch seine interpretationen gewesen; denn ein Hans Sachs („Die gedultig und gehorsam Markgräfin Griselde“, 1546), ein Lope de Vega, ein Chaucer (Canterbury Tales) mußten ebenso verschieden die Erzählung gestalten als ein Pesellino oder Botticelli. – Pesellinos feine Kunst war für solche Cassone-Bilder ganz besonders geeignet, und mit wahrem Entzücken sehen wir auf seinen kleinen Meisterwerken die anmutig gruppierten Szenen, die prachtvollen, goldschimmernden Gewänder sich vom lieblichen Hintergrunde einer grünenden Landschaft abheben. Es würde zu weit führen, die reizenden Bilder dieser Art auch nur annähernd zu beschreiben, die wir den Künstlern des Quattrocento verdanken. Eine der frühesten Darstellungen, die auch kulturgeschichtlichen Wert besitzt, ist ein Bild der Florentiner Schule in der Akademie von Florenz von unbekannter Hand, früher dem Neri di Bicci, neuerdings vermutungsweise Dello Delli zugeschrieben (siehe das Einschlagblatt).
Es schildert die Vermählung des jungen Boccaccio Adimari mit Lisa Ricasoli, die im Jahre 1420 gefeiert wurde. Mit gravitätischem Ernst bewegt sich der Hochzeitszug über den Domplatz von Florenz, die Herren in reichster Festtracht, die Damen mit hochgetürmten Hauben und schleppenden Gewändern von buntgeblümtem Brokat. Als letztes Paar erblicken wir Braut und Bräutigam, die im Gegensatz zu den übrigen steifen Figuren mit einer gewissen Anmut dahin schreiten. Ein Hauch von Poesie liegt über dem Antlitz der jugendlichen Braut, trotz der sie beschattenden unförmlichen Haube aus Pfauenfedern, die schwer auf der Stirn lastet. Dieser charakteristische Pfauenfedernschmuck kehrt auf vielen Truhenbildern wieder und ist das Merkmal, an dem wir die Braut inmitten der oft so zahlreichen Hochzeitsgesellschaft erkennen. Im Inventar mancher Aussteuern sind diese Hauben erwähnt. So erhielt die Tochter der bekannten Florentiner Patrizierin, Alessandra Macinghi Strozzi, zur Hochzeit 1447 „einen Kranz von Pfauenschweifen in Silber gefaßt, mit Perlen, goldenen Blättern und emaillierten Blumen geziert“, als Geschenk ihres Bräutigams Marco Florenti.
Unser Bild gibt uns auch sonst reichen Aufschluss über die Trachten und Gebräuche der Zeit, waren doch die Florentinerinnen berühmt für den Luxus ihrer Kleidung, verstanden sie es doch meisterhaft, ihre Reize auch künstlich durch Färben der Haare, Schminken und allerlei Schönheitsmittel zu erhöhen. So konnte Messer Zaccaria da Pisa 1460 aus Florenz der Markgräfin Barbara von Brandenburg nach Mantua berichten, man sei geneigt, die schönen Florentinerinnen mit Bildern des großen Meisters Andrea Mantegna zu vergleichen; auch sei ihr Kopfputz so verschiedenartig, daß er manche für Französinnen, andere für Holländerinnen, Engländerinnen oder Orientalinnen gehalten hätte. In der Tat erkennen wir auf unserm Truhenbild in der hohen, doppelt gehörnten Haube der Damen des Hochzeitsgefolges eine französische Kopftracht. den sogenannten „Hennin“, den Violet-le-Duc als bestehende Mode schon ins Jahr 1385 zurückversetzt. Aus den hohen, seitlich abstehenden Zipfeln dieser seltsamen Kopfbedeckung hingen entweder lange Haarsträhne auf den Rücken herab oder schleierartige Gewebe. In den verschiedenartigsten Varianten finden wir solche Hauben auf italienischen Gemälden wieder, bis die Mode um 1470 aufhört und gleichzeitig ihre Wiedergabe auch aus der Kunst verschwindet. Damit ist uns ein Mittel zur Datierung mancher Bilder an die Hand gegeben.
Endlich verdient unser Cassone auch in topographischer Beziehung beachtet zu werden. Der Hintergrund ist mit großer Sorgfalt behandelt, das Baptisterium mit seiner wohlvertrauten schwarz-und-weißen Marmorbekleidung getreu wiedergegeben. Die kleine Halle zur Linken, in deren Nähe vier eifrige Musikanten den Hochzeitsmarsch blasen, würden wir heute jedoch vergeblich suchen. Es ist die Loggia der Adimari, im Volksmunde jahrhundertelang „la neghittosa“ benannt, die an der Südseite des Domplatzes den Eingang einer Straße bezeichnete, deren Häuser fast ausnahmslos dieser reichen Florentiner Kaufmannsfamilie gehörten.
Wir haben gesehen, wie lehrreich die Betrachtung der kleinen Truhenbilder sein kann. Ihr Studium gibt reichen Aufschluss über Trachten und Sitten; manches interessante Porträt ließe sich ohne Zweifel auf ihnen feststellen, manche kulturhistorische Beziehung würde sich zwanglos ergeben können. Überhaupt spiegelt diese lächelnde Kunst in ihrer naiven Ursprünglichkeit das ganze fröhliche Treiben jener Zeit wider, die in ihrer Lebensfreude so spontan, in ihrem Geschmack so romantisch, in ihrer Schaulust so unersättlich war.
Quelle: Hochzeitsfeste der Renaissance in Italien von Olga von Gerstfeldt. P. Neff 1906.
Weiterführend:
Frauen im Hintergrund der Macht. Zwischen Selbstbestimmung und Herrscherinnenideal: Die Bilderpolitik von Eleonora von Aragon (1450-1493), Isabella d’Este (1474-1539) und Lucrezia Borgia (1480-1519). von Giovanna Ackermann.
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